Deutsche Ausgabe nach der englischen Vorlage: Selections from the Writings of Abdu’l-Bahá
Compiled by the Research Department of the Universal House of Justice. Translated by a Committee at the Bahá’í World Centre and by Marzieh Gail
(c) 1978 The Universal House of Justice , Bahá’í World Centre, Haifa (c) Bahá’í-Verlag GmbH Langenhain 1992-149 ISBN 3-87037-280-x (422-8)
VORWORT
1 Abdu’l-Bahás Darstellung der Bahá’í-Offenbarung findet sich in Seinen Schriften, in zahlreichen Zusammenstellungen Seiner Reden und Gespräche sowie in Seinen Briefen. Die schriftlichen Werke wie „Geheimnis göttlicher Kultur“, „A Traveller’s Narrative“ sowie „Wille und Testament“ sind in abendländische Sprachen übersetzt, ebenso Sammlungen Seiner Reden wie „Beantwortete Fragen“, „Vorbilder der Treue“, „Ansprachen in Paris“ und „Promulgation of Universal Peace“. Dagegen wurde in den letzten 70 Jahren keine größere Zusammenstellung aus Seinen unzähligen Briefen in europäischen Sprachen vorgelegt. Die drei Bände „Tablets of Abdu’l-Bahá“, die in den Vereinigten Staaten zwischen 1909 und 1916 veröffentlicht und 1930 ein zweites Mal aufgelegt wurden, sind längst vergriffen. Inzwischen wieder erhältlich als e-file vom Server in Haifa
2 Die Auswahl der vorliegenden Zusammenstellung ist viel breiter angelegt als die der früheren Bände; sie zeigt das weitgefächerte Spektrum der Themen, mit denen sich der Meister in Seinen Briefen befaßte. Aufgenommen wurden einige Sendbriefe, die ein Ausschuß im Weltzentrum übersetzte; dabei wurden Entwürfe benutzt, die Shoghi Effendi noch zu Lebzeiten Abdu’l-Bahás machte. Viele Briefe hat Marzieh Gail übersetzt; die Auswahl dieser Briefe war ihr aus der 19.000 Originale und bestätigte Kopien umfassenden Sammlung des Weltzentrums zugegangen. Bekannte Sendschreiben wie der Brief an August Forel oder der größere Teil des Sendschreibens nach Den Haag wurden weggelassen, weil sie bereits in gesonderten Veröffentlichungen zugänglich sind.
3 Die glücklichen, gesegneten Empfänger der meisten hier zusammengetragenen Sendbriefe waren frühe Gläubige in Ost und West: einzelne Gläubige, Gruppen, Ausschüsse oder Versammlungen der Freunde. Die Bedeutung dieser Botschaften für die eben erst entstehenden Gemeinden des Westens zu einer Zeit, als noch kaum Bahá’í-Literatur in europäischen Sprachen zugänglich war, kann nicht überschätzt werden.
4 Sicherlich wird die Veröffentlichung dieser Schriften des Meisters alle, die Ihn lieben, in ihrem Eifer bestärken, auf Seinen Ruf zu antworten, und wird ihnen ein Gespür für den wundervollen Zusammenklang von Menschlichem und Göttlichem geben, den Er, das Geheimnis Gottes, so vollkommen verkörperte.
5 Versangaben bei Qur’án-Zitaten erfolgen nach der kufischen Zählung. Bei Qur’án-Ausgaben mit anderer Zählweise können sich geringfügige Verschiebungen ergeben.
1
1.1 O Völker der Erde! Die Sonne der Wahrheit ist aufgegangen, um die ganze Welt zu erleuchten und die Gesellschaft der Menschen zu vergeistigen. Lobenswert sind die Ergebnisse und Früchte, reichhaltig die heiligen Beweise, die aus dieser Gnade fließen. Dies bedeutet echte Barmherzigkeit und reinste Großmut, Licht für die Welt und alle ihre Völker, Harmonie und Brüderlichkeit, Liebe und Solidarität; ja es bedeutet Mitleid und Einigkeit und das Ende von Entfremdung, es bedeutet, eins zu sein mit allen auf Erden in vollkommener Würde und Freiheit.
1.2 Die Gesegnete Schönheit spricht: „Ihr seid alle die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges.“ Er hat diese Welt des Seins mit einem einzigen Baum verglichen und alle ihre Völker mit dessen Blättern, Blüten und Früchten. Der Zweig muss zum Blühen kommen, Blatt und Frucht müssen wachsen; das Gedeihen von Blatt und Blüte und die Süße der Frucht hängen von der innigen Verbundenheit aller Teile des Weltenbaumes ab.
1.3 Deshalb müssen alle Menschen sich gegenseitig äußerst wirksam unterstützen, alle müssen nach dem ewigen Leben trachten; und aus demselben Grunde müssen die, die Gott lieben, in dieser Welt des Zufalls zu Gnadengaben und Segnungen werden, die durch den milden König der sichtbaren und unsichtbaren Reiche ausgestrahlt wurden. Sie sollten ihren Blick läutern und die ganze Menschheit als Blätter, Blüten und Früchte am Baume des Seins erkennen. Sie sollten zu allen Zeiten danach trachten, eine gute Tat für einen Mitmenschen zu tun und ihm Liebe, Beachtung und Vorsorgliche Hilfe zu erweisen. Niemanden sollten sie als ihren Feind betrachten noch jemandem etwas Böses wünschen, sondern in jedem Menschen den Freund sehen, den Fremden als Vertrauten, den Unbekannten als Weggefährten betrachten, frei von Vorurteil und ohne Grenzen.
1.4 Heute ist der ein Begünstigter an der Schwelle des Herrn, der den Becher der Treue weiterreicht, der den Edelstein der Freigebigkeit sogar seinen Feinden gewährt und selbst seinem gestrauchelten Unterdrücker eine helfende Hand reicht. Er ist selbst seinem erbittertsten Feind ein liebevoller Freund. Dies sind die Lehren der Gesegneten Schönheit, dies die Ratschläge des Größten Namens.
1.5 O ihr geliebten Freunde! In der Welt herrscht Krieg, das Menschengeschlecht liegt in Wehen und tödlichem Kampf. Die finstere Nacht des Hasses hat die Überhand gewonnen, das Licht der Vertrauenswürdigkeit ist erloschen. Die Völker und Geschlechter der Erde haben ihre Klauen geschärft und stürzen sich im Kampf aufeinander. Die Menschheit zerstört ihre eigenen Lebensgrundlagen. Tausende von Familien sind ihrer Habe beraubt und irren umher, und jedes Jahr sieht Tausende und Abertausende von Menschen sich auf staubigen Schlachtfeldern in ihrem Blute wälzen. Die Zelte des Lebens und der Freude sind abgebrochen. Generäle üben sich in ihrer Feldherrnkunst, rühmen sich des Blutes, das sie vergießen, und wetteifern miteinander im Anstacheln zu Gewalttaten. „Mit diesem Schwert“, sagt einer von ihnen, „habe ich ein Volk enthauptet!“ Und ein anderer sagt: „Ich stürzte eine Nation zu Boden!“ Und ein weiterer: „Ich habe eine Regierung zu Fall gebracht!“ Solcher Dinge rühmen sich die Menschen, auf solche Dinge sind sie stolz! Liebe – Rechtschaffenheit – überall werden sie gerügt, und Eintracht und Hingabe an die Wahrheit werden verachtet.
1.6 Der Glaube der Gesegneten Schönheit ruft die Menschheit auf zu Sicherheit und Liebe, zu Freundschaft und Frieden. Er hat seine Stiftshütte auf den Höhen der Erde errichtet und lässt seinen Ruf an alle Völker ergehen. Seid euch daher des Wertes dieses kostbaren Glaubens bewußt, o ihr, die ihr Gott liebt. Gehorcht seinen Geboten, wandelt auf seinen Wegen, die gerade sind, und weist die Menschheit darauf hin. Erhebt eure Stimme und singt das Lied des Königreiches. Verbreitet die Lehren und Gebote des liebenden Herrn in allen Landen, auf dass diese Welt in eine andere verwandelt und diese dunkle Erde mit Licht überflutet werde und der tote Leib der Menschheit auferstehe und lebe, auf dass jede Seele nach Unsterblichkeit trachte durch den heiligen Odem Gottes.
1.7 Bald werden eure schnell dahinfliegenden Tage vergangen sein, und Ruf und Reichtum, Bequemlichkeit und Freude, die dieser Schutthaufen von Welt bereitet hat, werden spurlos verschwunden sein. Ruft deshalb die Menschheit vor Gott und ladet sie ein, dem Beispiel der himmlischen Heerscharen zu folgen. Seid der Waise ein liebevoller Vater, eine Zuflucht dem Hilflosen, ein Schatz dem Armen, dem Kranken Heilung. Seid jedem Opfer der Unterdrückung ein Helfer, ein Beschützer dem Beladenen. Denkt zu allen Zeiten daran, wie ihr jedem Glied der Menschheit einen Dienst erweisen könnt. Schenkt Abneigung und Zurückweisung, Geringschätzung, Feindseligkeit und Ungerechtigkeit keine Beachtung: Tut das Gegenteil. Seid aufrichtig freundlich, nicht nur dem Anschein nach. Jeder der Geliebten Gottes sollte seine Aufmerksamkeit auf das Folgende richten: des Herrn Segen für die Menschen, des Herrn Gnade zu sein. Er sollte jedem, dem er begegnet, einen guten Dienst erweisen und ihm von Nutzen sein. Er sollte jedermanns Charakter veredeln und den Gedanken der Menschen eine neue Richtung geben. So wird das Licht der göttlichen Führung leuchten und der Segen Gottes die ganze Menschheit umfangen, denn Liebe ist Licht, wo immer sie wohnt, und Hass ist Finsternis, wo immer er nistet. O Freunde Gottes! Möge das verborgene Mysterium offenbart und das geheime Wesen aller Dinge enthüllt werden. Strebet danach, das Dunkel auf immer und ewig zu bannen.1
1 Von Abdu’l-Bahá während des Ersten Weltkrieges niedergeschrieben und dem Sendbrief an die Zentralorganisation für einen dauernden Frieden im Haag beigefügt: vgl. Kapitel 227 sowie Abdu’l-Bahá, Der Weltfriedensvertrag, Hofheim-Langenhain 1988-145
2
2.1 „O mein Herr! Dir habe ich mich zugewandt, mitten in dieser finsteren Nacht, und Dir vertraue ich mich an mit der Sprache meines Herzens; ich erbebe vor Freude bei den süßen Düften, die aus Deinem allherrlichen Reich her wehen; ich rufe Dich an und spreche:“
2.2 „O mein Herr, ich finde keine Worte, Dich zu verherrlichen; ich sehe keinen Weg für den Vogel meines Geistes, in Dein Königreich der Heiligkeit aufzusteigen; denn Du bist in Deinem innersten Sein geheiligt über alle Huldigung, Du bist in Deinem innersten Wesen unerreichbar für allen Lobpreis, Dir dargebracht von dem Volke, das Du erschaffen hast. In Deines Wesens Heiligkeit warst Du immer erhaben über das Verständnis der Gelehrten aus den himmlischen Heerscharen, und ewig wirst Du verhüllt bleiben in der Heiligkeit Deiner eigenen Wirklichkeit, unerreicht vom Wissen derer, die in Deinem hehren Königreich wohnen und Deinen Namen verherrlichen.“
2.3 „O Gott, mein Gott! Wie kann ich Dich verherrlichen, wie Dich beschreiben, der Du unerreichbar bist? Unermeßlich erhaben und geheiligt bist Du über Beschreibung und Lobpreis.“
2.4 „O Gott, mein Gott! So habe denn Erbarmen mit meiner Hilflosigkeit, meiner Armut, meiner Not, meiner Erniedrigung! Gib mir zu trinken aus dem vollen Kelch Deiner Gnade und Vergebung, erwecke mich mit den süßen Düften Deiner Liebe, weite mir die Brust mit dem Lichte Deiner Erkenntnis, läutere meine Seele mit den Mysterien Deiner Einheit, rufe mich zum Leben mit der sanften Brise aus dem Garten Deiner Barmherzigkeit – bis ich mich löse von allem außer Dir, mich festhalte am Saum des Gewandes Deiner Erhabenheit, bis ich alles, was Du nicht bist, vergesse, ganz umgeben von dem süßen Odem, der Deine Tage durchweht, bis ich Treue erwerbe an der Schwelle Deiner Heiligkeit, bis ich mich erhebe, Deiner Sache zu dienen, bescheiden vor Deinen Geliebten und in der Gegenwart Deiner Begünstigten ein völliges Nichts.“
2.5 „Du wahrlich bist der Helfer, der Erhalter, der Erhabene, der Freigebigste.“
2.6 „O Gott, mein Gott! Ich flehe Dich an beim Morgenlicht Deiner Schönheit, das die ganze Erde erleuchtet, beim Augenlicht Deines göttlichen Erbarmens, das auf allen Dingen ruht, bei der brandenden See Deiner Gnadengaben, in die alle Dinge eingetaucht sind, bei Deinen strömenden Wolken der Großmut, die auf das Wesen alles Erschaffenen ihren Segen herabregnen, und beim Strahlenglanz Deiner Barmherzigkeit, die da war, ehe denn die Welt war: Hilf Deinen Erwählten, treu zu sein, stehe Deinen Geliebten bei, an Deiner erhabenen Schwelle zu dienen, lass sie siegen durch die Bataillone Deiner alles überwindenden Macht und stärke sie durch zahllose Kämpfer aus den himmlischen Heerscharen.“
2.7 „O mein Herr! Sie sind schwache Seelen vor Deiner Tür, Bettler an Deinem Hof, die nach Deiner Gnade dürsten, verzweifelt Deiner Hilfe bedürfen, ihr Angesicht dem Reiche Deiner Einheit zuwenden und nach Deinen Gnadengaben schmachten. O mein Herr! Gieße Dein heiliges Licht über ihre Seelen aus, läutere ihre Herzen mit der Gunst Deiner Hilfe,- weite ihnen die Brust mit dem Duft des Entzückens, der heranweht von Deinen Himmelsscharen,- lass ihre Augen leuchten, wenn sie auf die Zeichen und Beweise Deiner Macht blicken,- lass sie Standarten der Reinheit sein, Banner der Heiligkeit, die hoch über allen Geschöpfen auf den Gipfeln der Erde wehen,- lass ihre Worte Herzen, so hart wie Stein, bewegen. Lass sie sich erheben, Dir zu dienen, hingegeben an das Königreich Dein er Göttlichkeit; lass sie ihr Angesicht auf die Höhen Deines Selbstbestehens richten und Deine Zeichen überallhin verbreiten,- erleuchte sie mit Deiner Lichtflut; lass sie Deine verborgenen Geheimnisse enthüllen. Gib, dass sie Deine Diener zu sanften Wassern führen, zum Springquell Deiner Barmherzigkeit, der mitten im Himmel Deiner Einheit wallt und sprudelt. Gib, dass sie auf der Arche des Heils das Segel der Loslösung setzen und über das Meer Deiner Erkenntnis fahren; gib, dass sie die Schwingen der Einigkeit ausbreiten und aufsteigen in das Königreich Deiner Einzigkeit, um Diener zu werden, die das Lob der himmlischen Heerscharen und den Preis der Bewohner Deines allherrlichen Reiches erwerben; lass sie den Boten der unsichtbaren Welt lauschen, wenn sie den Ruf der mächtigsten frohen Botschaft erheben,- gib, dass sie in ihrer Sehnsucht, Dir zu begegnen, zu Dir rufen und flehen, wundersame Gebete im Morgenlicht auf den Lippen – o mein Herr, der Du alle Dinge lenkst – unter Tränen am Margen und am Abend, voll Verlangen, unter den Schatten Deiner unendlichen Barmherzigkeit zu treten.“
2.8 „Hilf ihnen unter allen Umständen, o mein Herr,- stehe ihnen jederzeit bei mit Deinen Engeln der Heiligkeit, die Deine unsichtbaren Heerscharen sind, Deine himmlischen Bataillone, welche die vereinte Streitmacht dieser niederen Welt besiegen.“
2.9 „Wahrlich, Du bist der Mächtige, der Kraftvolle, der Starke, der Allumfassende, der höchste Herr über alles, was ist.“
2.10 „O heiliger Herr! O Herr liebender Gnade! Wir irren um Deinen Wohnsitz, sehnen uns, Deine Schönheit zu schauen, voll Liebe zu all Deinen Wegen. Wir sind unglücklich, gering und bedeutungslos. Wir sind arm,- erweise uns Barmherzigkeit und Großmut,- sieh nicht auf unsere Verfehlungen, verbirg unsere fortgesetzten Sünden. Was wir auch sind, wir sind immer Dein, was wir sprechen und hören, ist Dein Lobpreis,- Dein Antlitz suchen wir, Deinem Pfad folgen wir. Du bist der Herr liebender Gnade, wir sind verirrte Sünder fern unserer Heimat- So spende uns ein paar Regen tropfen, Du Wolke der Barmherzigkeit. Sende uns Deinen duftenden Windhauch, Du Blumenbeet der Gnade. Überflute uns mit einer mächtigen Woge, Du Meer aller Güte. Sende einen Lichtstrahl auf uns hernieder, Du Sonne der Freigebigkeit. Hab Erbarmen mit uns, gewähre uns Gnade. Bei Deiner Schönheit, wir kommen mit nichts als unseren Sünden, mit keinen nennenswerten guten Taten, nur Hoffnungen. Wenn Dein verhüllender Schleier uns nicht bedeckt, Dein Schutz uns nicht schirmt und hegt, welche Kraft haben wir hilflosen Seelen, uns zu erheben und Dir zu dienen; wie können wir Elenden uns tapfer erweisen? Du, der Du der Mächtige bist, der Allgewaltige, hilf uns, begünstige uns. Wir sind verdorrt; belebe uns mit Regenschauern aus Deinen Wolken der Gnade. Gering sind wir; erleuchte uns mit den hellen Sonnenstrahlen Deiner Einheit. Wirf diesen dürstenden Fisch in das Meer Deiner Barmherzigkeit, führe diese verlorene Karawane unter das Obdach Deiner Einzigkeit. Zum Brunnquell der Führung leite Du die verirrten Wanderer und gewähre denen, die den Pfad verfehlten, Zuflucht in der Freistatt Deiner Macht. Setze an diese ausgedörrten Lippen die reichen, sanftfließenden Wasser des Himmels, erwecke diese Toten zu ewigem Leben. Gib den Blinden sehende Augen. Lass die Tauben hören, die Stummen sprechen. Entflamme die Entmutigten, mache die Unbekümmerten achtsam, warne die Hochmütigen, erwecke die Schläfer.“
2.11 „Du bist der Mächtige, Du bist der Schenkende, Du bist der Liebende. Wahrlich, Du bist der Wohltätige, der Erhabenste.“
2.12 O ihr Geliebten Gottes, ihr Helfer dieses dahinschwindenden Dieners! Als die Sonne der Wirklichkeit ihre unendlichen Gaben vom Aufgangsort aller Sehnsucht ausströmte, als dieses heilige Licht die Welt des Seins von Pol zu Pol erleuchtete, da warf diese Sonne ihre Strahlen mit solcher Kraft hernieder, dass sie das schauerliche Dunkel für alle Zeit tilgte. So wurde unsere Welt des Staubes zum Neid der himmlischen Sphären; dieser niedrige Ort nahm die Pracht und den Schmuck des überirdischen Reiches an. Der Heiligkeit sanfte Lüfte wehten darüber hin und verbreiteten süßen Duft. Die himmlischen Frühlingswinde umfächelten sie. Aus dem Quell aller Segensgaben strömten befruchtende Brisen und brachten grenzenlose Gnade. Dann brach der strahlende Morgen an, und mit ihm kam die Botschaft großer Freude. Die göttliche Frühlingszeit errichtete ihre Zelte in dieser bedingten Welt, so dass alle Schöpfung hüpfte und tanzte. Die welke Erde brachte unsterbliche Blüten hervor. Der tote Staub erwachte zu ewigem Leben. Der Erde entsprossen Blumen mystischer Gelehrsamkeit und frisches Grün voll der Erkenntnis Gottes. Die bedingte Welt offenbarte Gottes großmütige Gaben, die sichtbare Welt spiegelte die ganze Herrlichkeit der Reiche, die den Augen verborgen sind. Gottes Ruf ward verkündet, die Tafel des Ewigen Bündnisses bereitet; der Kelch des Testamentes ging von Hand zu Hand, die Ladung an alle war verkündet. Da ließen sich einige aus dem Volk vom himmlischen Wein entflammen; andere hatten keinen Anteil an diesem größten Geschenk. Sicht und Einsicht einiger wurden erleuchtet vom Licht der Gnade; manche hörten die Hymnen der Einheit und hüpften vor Freude. Vögel stimmten in den Gärten der Heiligkeit ihr Jubellied an, und Nachtigallen sangen in den himmlischen Rosenzweigen ihre wehmütigen Lieder. Sowohl das Reich der Höhe als auch die Erde hienieden waren aufs Schönste geschmückt, und der hohe Himmel beneidete diese Welt. Aber ach, noch immer verharren die Achtlosen unbekümmert in festem Schlaf, und die Narren weisen diesen heiligsten Segen von sich. Die Blinden bleiben in ihre Schleier gehüllt, die Tauben haben keinen Anteil an dem, was vorgegangen ist. Die Toten sind ohne Hoffnung, etwas davon zu erlangen, wie Er sagt: „Sie verzweifeln an dem zukünftigen Leben ebenso, wie die Ungläubigen an der Auferstehung derer verzweifeln, die in den Gräbern liegen.“1
1 Qur’án 60/13
2.13 Zu euch, o ihr Geliebten Gottes! Löst eure Zunge und bringt Ihm Dank dar, preist und verherrlicht die Schönheit des Angebeteten; denn ihr habt aus diesem reinsten Kelch getrunken, ihr seid begeistert und entflammt von diesem Wein. Ihr habt den süßen Duft der Heiligkeit entdeckt, ihr atmet den Moschus der Treue aus Josefs Gewand. Ihr nährt euch vom Honigtau der Ergebenheit aus der Hand des Einziggeliebten, ihr labt euch an unsterblicher Speise von der üppigen Festtafel des Herrn. Dieser Überfluß ist eine besondere Gunst, die ein liebender Gott euch schenkt; das sind Segnungen und seltene Gaben, die aus Seiner Gnade kommen. Im Evangelium sagt Er: „Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“1 Das bedeutet: Vielen wurde es angetragen, aber nur wenige Seelen sind erwählt, die große Gabe der Führung zu empfangen. „So ist Gottes Großmut: Wem Er geben will, dem gibt Er, und Gott ist von unermeßlicher Großmut.“2
1 Matth. 22:14
2 Qur’án 57:21
2.14 O ihr Geliebten Gottes! Von den Völkern der Welt stürmen die Winde der Uneinigkeit gegen die Kerze des Bündnisses. Raben des Hasses gleich, setzen Abtrünnige der Nachtigall der Treue zu. Hart bedrängen geistlose Nachtvögel die Taube des Gottesgedenkens, und beutegierige Bestien hetzen die Gazelle, die in den Auen der Gottesliebe wohnt. Tödlich ist die Gefahr, qualvoll der Schmerz.
2.15 Die Geliebten des Herrn müssen fest wie Berge sein, standhaft wie unüberwindliche Festungsmauern. Unerschütterlich müssen sie auch in bitterer Not bleiben, unbekümmert auch im schlimmsten Unheil: Lasst sie festhalten am Saum des allmächtigen Gottes, verankert im Glauben an die Schönheit des Allerhöchsten; lasst sie auf die unfehlbare Hilfe aus dem Urewigen Königreich bauen und sich stützen auf die schützende Fürsorge des großmütigen Herrn. Lasst sie allezeit sich erfrischen mit den Tautropfen himmlischer Gnade und sich durch den Odem des Heiligen Geistes in jedem Augenblick wiederbeleben. Lasst sie aufstehen zum Dienste an ihrem Herrn und alles in ihrer Macht Stehende tun, Seine Düfte der Heiligkeit allüberall zu verbreiten. Lasst sie ein mächtiges Bollwerk sein, Seinen Glauben zu verteidigen, eine uneinnehmbare Feste für die Heerscharen der Urewigen Schönheit. Lasst sie über den Bau der Sache Gottes von allen Seiten sorgsam wachen; lasst sie strahlende Sterne werden an Seinen leuchtenden Himmeln. Denn die Horden der Finsternis bestürmen diese Sache von allen Seiten, und die Völker der Erde wollen dieses offenbare Licht ersticken. Und wenn alle Geschlechter der Welt zum Angriff rüsten, wie können wir da unsere Aufmerksamkeit auch nur für einen Augenblick schweifen lassen? Wißt um diese Dinge mit Sicherheit, seid wachsam und beschützt die Sache Gottes.
2.16 Eure wichtigste Pflicht ist heute, euren Charakter zu veredeln, eure Sitten zu bessern und euer Verhalten zu ordnen. Die Geliebten Gottes müssen unter Seinen Geschöpfen mit einem Charakter und einem Verhalten hervortreten, dass der Duft ihrer Heiligkeit die ganze Welt Umfängt und den toten Seelen das Leben wiedergibt, hat doch die Manifestation Gottes, das grenzenlose Morgenlicht aus dem Unsichtbaren, den Zweck, jeden lebenden Menschen seelisch zu erziehen und seinen Charakter zu läutern – so dass gesegnete Wesen erstehen, losgelöst vom Dunkel der tierischen Welt, mit Eigenschaften, die des Menschen Wirklichkeit zieren. Ziel ist, die Erdenmenschen in das Volk des Himmels zu verwandeln, die Wanderer aus der Finsternis ins Licht zu führen, die Ausgestoßenen in den innersten Kreis des Königreiches treten zu lassen, die Nichtswürdigen zu Vertrauten der ewigen Herrlichkeit zu machen. Die Mittellosen sollen ihren Anteil an der endlosen See erhalten, die Unwissenden sich satt trinken am Lebensquell der Erkenntnis, die Blutdürstigen ihre Barbarei aufgeben. Alle, die ihre Klauen zeigen, sollen freundlich und nachsichtig werden; alle, die den Krieg lieben, sollen wahre Versöhnung suchen; die Unmenschlichen mit messerscharfen Krallen sollen sich der Wohltat dauerhaften Friedens erfreuen; die Unreinen sollen erfahren, dass es ein Reich der Reinheit gibt, die Verderbten ihren Weg finden zu den Strömen der Heiligkeit.
2.17 Ehe sich dieser Gottessegen nicht im Wesenskern der Menschlichkeit offenbart, erweist sich die Gabenfülle der Manifestation Gottes als unfruchtbar, und die Sonne der Wahrheit mit all ihrem Strahlenglanz bleibt wirkungslos.
2.18 Deshalb bemüht euch mit ganzem Herzen und ganzer Seele, o ihr Geliebten des Herrn, an Seinen himmlischen Eigenschaften teilzuhaben und an den Wohltaten Seiner Heiligkeit euren Anteil zu empfangen, damit ihr Merkmale der Einigkeit und Banner der Einzigkeit werdet, damit ihr die Bedeutung der Einheit erforscht, im Garten Gottes eure Stimme erhebt und selige Hymnen des Geistes singt. Werdet wie die Vögel, die Ihm ihren Dank darbringen, und singt in den blühenden Lauben des Lebens Lieder, welche die Gemüter der Wissenden berücken. Hißt auf den höchsten Gipfeln der Welt die Fahne der Gunst Gottes, damit sie hoch in den Lüften Seiner Gnade flattere und wehe; pflanzt auf dem Felde des Lebens, inmitten der Rosen der sichtbaren Welt, einen Baum, der frische, süße Früchte hervorbringt.
2.19 Ich schwöre bei dem wahren Lehrer: Wenn ihr nach den Ermahnungen Gottes handelt, wie sie in Seinen erleuchteten Sendschreiben offenbart sind, dann wird dieser dunkle Staub das Himmelreich widerspiegeln, diese niedere Welt das Reich des Allherrlichen.
2.20 O ihr Geliebten des Herrn! Preis sei Ihm, dem Unsichtbaren! Die Sonne der Wahrheit umfängt euch mit überströmenden Gnadengaben, und die Tore Seiner Barmherzigkeit stehen auf allen Seiten offen. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Segen anzuwenden und zu nutzen. Seid euch des Wertes dieser Zeit bewußt, lasst euch die Gelegenheit nicht entgehen. Bleibt völlig frei von den Belangen dieser dunklen Welt, zeichnet euch durch solche Wesenszüge aus, die dem Reiche Gottes innewohnen. Dann werdet ihr sehen, wie herrlich das himmlische Tagesgestirn strahlt, wie blendend hell die Zeichen der Großmut sind, die aus dem unsichtbaren Reich erscheinen.
3
3.1 O ihr Geliebten Gottes! O ihr Kinder Seines Königreiches! Wahrlich, wahrlich, der neue Himmel und die neue Erde sind erschienen. Die heilige Stadt, das neue Jerusalem, ist aus der Höhe herniedergestiegen in Gestalt einer himmlischen Jungfrau, verschleiert, wunderschön, einzigartig und bereit, sich mit ihren Liebenden auf Erden zu vereinen. Die Engel der himmlischen Heerscharen stimmen ein in den Ruf, der durch das ganze Weltall schallt. Alle künden laut und machtvoll: „Dies ist die Stadt Gottes und Seine Stätte, darin die Reinen und Heiligen unter Seinen Dienern wohnen sollen. Er wird mit ihnen leben, denn sie sind Sein Volk, und Er ist ihr Herr.“
3.2 Er trocknet ihre Tränen, entzündet ihr Licht, erfreut ihre Herzen und entflammt ihre Seelen. Der Tod wird ihnen nichts mehr anhaben, noch werden Kummer, Tränen oder Leid sie betrüben. Gott, der Herr, der Allmächtige hat in Seinem Reich den Thron bestiegen und macht alles neu. Dies ist die Wahrheit, und welche Wahrheit kann größer sein als die Wahrheit, die der heilige Johannes in seiner Offenbarung kündete?
3.3 Er ist Alpha und Omega. Er reicht dem Dürstenden das Wasser des Lebens, dem Wanken die Arznei wahrer Erlösung. Wem solche Gnade zuteil wird, der empfängt wahrlich das herrlichste Vermächtnis von Gottes Propheten und Heiligen. Der Herr wird sein Gott sein, und er Sein zärtlich geliebter Sohn.
3.4 Frohlocket, o ihr Geliebten des Herrn, ihr Seine Erwählten, ihr Kinder Gottes und Sein Volk. Erhebt eure Stimmen, den höchsten Herrn zu preisen und zu verherrlichen; denn Sein Licht erstrahlt, Seine Zeichen sind offenbar und die Wogen Seiner brandenden See tragen jedem Ufer kostbare Perlen zu.
4
4.1 Gelobt sei Er, der die Welt des Daseins erschuf und allem Gestalt gab, Er, der die Aufrichtigen zu einer Stufe der Ehre erhob1 und die unsichtbare Welt auf der Ebene der sichtbaren erscheinen ließ. – Doch noch immer wandeln die Menschen in trunkenem Stumpfsinn2 und gehen in die Irre.
1 Qur’án 17:81
2 Qur’án 15:72
4.2 Er legt die Grundmauern für die hohe Burg, Er leitet den Zyklus der Herrlichkeit ein, Er lässt eine neue Schöpfung erstehen an diesem Tag, der eindeutig der Tag des Gerichts ist – und noch immer verharren die Achtlosen in trunkenem Schlaf.
4.3 Die Posaune1 ertönt, die Trompete2 wird geblasen, der Ausrufer lässt seinen Ruf erschallen, allen auf Erden schwinden die Sinne – aber noch immer schlafen die Toten in den Gräbern ihrer Leiber.
1 Qur’án 39:68; BAQ 8:37; BSW S.117
2 Qur’án 74:8
4.4 Und der zweite Trompetenschall1 ertönt, der zweite Posaunenstoß folgt dem ersten2, das gefürchtete Weh tritt ein, jede stillende Mutter vergißt das Kind an ihrer Brust3 – und dennoch achten die Menschen in ihrer Verwirrung nicht darauf.
1 Qur’án 39:68
2 Qur’án 79:6
3 Qur’án 22:2
4.5 Der Tag der Auferstehung ist angebrochen, die Stunde hat geschlagen, der Pfad ist geebnet, die Waage ist aufgestellt und alle auf Erden sind versammelt1 – aber noch immer sehen die Menschen vom Weg keine Spur.
1 Qur’án 34:29
4.6 Das Licht scheint hell, Strahlenglanz umflutet den Berg Sinai, ein zarter Wind weht aus den Gärten des immervergebenden Herrn, der sanfte Hauch des Geistes streift vorbei und die Toten stehen aus ihren Gräbern auf – doch immer noch schlummern die Achtlosen in ihrer Gruft.
4.7 Die Flammen der Hölle sind angefacht, der Himmel ist nahe, die Himmelsgärten stehen in Blüte, frische Wasser quellen über, das Paradies erstrahlt in voller Schönheit – aber die Unwissenden sind noch immer versunken im Sumpf ihrer leeren Träume.
4.8 Der Schleier ist gefallen, der Vorhang gehoben, die Wolken sind zerteilt, der Herr der Herren ist offenbar – doch den Sündern ist alles entgangen.
4.9 Er hat die neue Schöpfung für euch erschaffen1 und das Leid2 gebracht, das alles andere Leid übersteigt. Er hat die Heiligen im Reich der Höhe versammelt. Wahrlich, in all dem liegen Zeichen für alle, die Augen haben zu sehen.
1 Qur’án 29:19
2 Qur’án 79:34
4.10 Zu Seinen Zeichen gehört das Erscheinen von Vorzeichen und frohen Verheißungen, Andeutungen und Fingerzeigen, die Verbreitung vieler verschiedener Botschaften und die Vorahnungen der Rechtschaffenen, die nunmehr ihr Ziel erreicht haben.
4.11 Und zu Seinen Zeichen gehört Sein Strahlenglanz über dem Horizont der Einheit, Sein Licht vom Tagesanbruch der Macht, die Verkündigung der größten frohen Botschaften durch Seinen Herold, den Einen, den Unvergleichlichen. Wahrlich, darin liegt ein leuchtender Beweis für die Schar der Wissenden.
4.12 Zu Seinen Zeichen gehört Sein Offenbarsein, Seine Sichtbarkeit für alle, Sein Beweis durch sich selbst, Sein Auftreten vor Zeugen allüberall, unter Völkern, die wie Wölfe über Ihn herfielen und Ihn von allen Seiten umringten.
4.13 Zu Seinen Zeichen gehört Sein Widerstand gegen mächtige Nationen und siegreiche Staaten, gegen ein Heer von Feinden, die nach Seinem Blute lechzten und Ihn unablässig zu vernichten suchten, wo immer Er auch weilte. Wahrlich, diese Tatsache verdient die genaue Prüfung derer, die über die Zeichen und Beweise Gottes nachdenken.
4.14 Ein weiteres Seiner Zeichen ist das Wunder Seiner Abhandlungen, der Fluß Seiner Rede, die Schnelligkeit, mit der Seine Schriften offenbart wurden, Seine Worte der Weisheit, Seine Verse, Seine Sendschreiben, Seine Andachten, Seine Auslegungen des Qur’áns, der schwerverständlichen wie der klaren Verse. Bei deinem Leben! Das alles ist klar wie der helle Tag für jeden, der es mit dem Auge der Gerechtigkeit betrachtet.
4.15 Ferner gehört zu Seinen Zeichen die Morgensonne Seines Wissens, der aufsteigende Mond Seiner Künste und Fähigkeiten, die Art, wie Er auf allen Seinen Wegen Vollkommenheit zeigt. Das wird von den Gelehrten und Gebildeten vieler Nationen bezeugt.
4.16 Und weiterhin gehört zu Seinen Zeichen die Tatsache, dass Seine Schönheit unversehrt blieb und Sein menschlicher Tempel geschützt war, da Er Seinen Strahlenglanz offenbarte, trotz der massiven Angriffe Seiner Feinde, die zu Tausenden mit ihren spitzen Pfeilen, Speeren und Schwertern auf Ihn einstürmten. Das ist wahrlich ein Wunder und eine Mahnung für alle, die gerecht urteilen.
4.17 Und zu Seinen Zeichen gehört Seine Langmut, Seine Leiden und Schmerzen, Seine Pein in Ketten und Banden, und Sein Ruf zu jeder Stunde: „Kommt zu Mir, kommt zu Mir, ihr Rechtschaffenen! Kommt zu Mir, kommt zu Mir, die ihr das Gute liebt! Kommt zu Mir, kommt zu Mir, ihr Aufgangsorte des Lichtes!“ Wahrlich, die Tore des Mysteriums sind weit geöffnet – aber immer noch ergötzen sich die Frevler an ihren sinnlosen Kritteleien.1
1 Qur’án 6:91 , 52:12
4.18 Ein anderes Seiner Zeichen ist die Verkündigung Seines Buche, Sein eindeutiger heiliger Text, darin Er die Könige tadelt, und Seine unheilverkündende Warnung an den1 dessen mächtige Herrschaft in aller Welt zu spüren war – und dessen hochragender Thron in wenigen Tagen stürzte. Diese Tatsache ist eindeutig bewiesen und weithin bekannt.
1 Napoleon III
4.19 Und zu Seinen Zeichen gehören Seine hehre Würde, Seine hohe Stufe, Seine alles überragende Herrlichkeit und die Ausstrahlung Seiner Schönheit hoch über das Gefängnis hinaus, so dass sich die Häupter vor Ihm beugten, die Stimmen sich senkten und nur demütige Gesichter Seinen Weg kreuzten. Das ist ein Beweis, wie er in vorangegangenen Zeitaltern niemals erbracht wurde.
4.20 Und weiter gehören zu Seinen Zeichen die fortwährenden, außergewöhnlichen Taten, die vollbrachten Wunder, die Wundertaten, die ohne Unterbrechung von Ihm ausgingen, wie der Regen aus Seinen Wolken fällt – und die Bestätigung Seines gewaltigen Lichtes selbst durch Ungläubige. Bei Seinem Leben! Das ist eindeutig nachgewiesen. Es zeigte sich den Angehörigen jedweder Überzeugung, die in die Gegenwart des lebendigen, des selbstbestehenden Herrn gelangten.
4.21 Und schließlich gehören zu Seinen Zeichen die Sonne Seiner Ära mit ihren weitreichenden Strahlen, der aufgehende Mond Seiner Epoche am Himmel aller Zeitalter; Sein Tag, der im Zenit aller Tage steht, was Rang und Macht, allumfassende Wissenschaften und Künste anbelangt, welche die Welt verblüffen und den Geist der Menschen in Erstaunen versetzen.
4.22 Wahrlich, dies ist eine Tatsache, die für alle Zeiten unumstößlich feststeht.
5
5.1 Das große Licht der Welt, das die ganze Menschheit erhellte, ist untergegangen, um ewig vom Horizont Abhá, Seinem Reich unvergänglicher Herrlichkeit, zu strahlen, Seine Pracht aus der Höhe über Seine Geliebten zu ergießen und ihren Herzen und Seelen den Odem ewigen Lebens einzuflößen.
5.2 Denket nach in Eurem Herzen über das, was Er in Seinem weltweit verbreiteten Sendbrief von der göttlichen Schau vorausgesagt hat. Er spricht darin: „Daraufhin klagte sie und rief: `Möge die Welt mit allem darin ein Lösegeld sein für Deine Leiden. O Du Herrscher über Himmel und Erde! Warum hast Du Dich den Bewohnern dieser Gefängnisstadt Akká in die Hände gegeben? Eile in andere Herrschaftsgebiete, zu Deinen überirdischen Zufluchtsorten, die das Volk der Namen noch nie geschaut hat!` Wir lächelten und schwiegen. Denke nach über diese höchsterhabenen Worte und begreife den Sinn dieses verborgenen, heiligen Mysteriums.“
5.3 O ihr Geliebten des Herrn! Hütet euch, hütet euch, dass ihr weder zögert noch schwankt. Lasst nicht zu, dass Furcht euch ergreift, Unruhe oder Verzweiflung über euch kommt. Nehmt euch in acht, dass dieser verhängnisvolle Tag nicht die Flammen eurer Begeisterung lösche und eure zarten Hoffnungen ersticke. Heute ist der Tag der Standhaftigkeit und der Treue. Selig sind, die fest und unerschütterlich bleiben wie der Fels, die dem Sturm und Druck dieser aufwühlenden Stunde mutig entgegentreten. Sie werden wahrlich Gottes Gnade empfangen; sie werden wahrlich Seinen göttlichen Beistand erlangen und wahrhaft siegreich sein. Sie werden unter den Menschen mit solchem Glanz aufleuchten, dass die Bewohner des Zeltes der Herrlichkeit sie preisen und rühmen. Ihnen ward dieser himmlische Ruf verkündet, der in Seinem Heiligsten Buch1 offenbart ist: „Seid nicht verstört im Herzen, o Menschen, wenn die Herrlichkeit Meiner Gegenwart entschwunden und das Meer Meiner Äußerung verebbt sein wird. In Meiner Gegenwart unter euch liegt eine Weisheit, und in Meinem Fernsein liegt eine andere, unergründlich für alle außer Gott, dem Unvergleichlichen, dem Allwissenden. Wahrlich, von Unserem Reiche der Herrlichkeit aus schauen Wir auf euch und werden jedem, der sich für den Sieg Unserer Sache erhebt, mit den himmlischen Heerscharen und einer Schar Unserer begünstigten Engel beistehen.“2
1 Kitáb-i-Aqdas
2 ÄL 72:1
5.4 Die Sonne der Wahrheit, dieses Größte Licht, ging am Horizont der Welt unter, um mit unsterblichem Glanz über dem Reich des Grenzenlosen aufzugehen. In Seinem Heiligsten Buch ruft Er den Festen und Standhaften unter Seinen Freunden zu : „Seid nicht verzagt, o Völker der Welt, wenn die Sonne Meiner Schönheit untergegangen und der Himmel Meines Heiligtums vor eueren Augen verhüllt sein wird. Erhebt euch, um Meine Sache weiterzutragen und Mein Wort unter den Menschen zu erhöhen.“1
1 ÄL 71:1
6
6.1 O ihr Völker des Königreiches! Wie viele Seelen verbrachten ihr ganzes Leben in Anbetung, ertrugen die Kasteiung des Fleisches, sehnten sich nach Zutritt zum Reich Gottes und scheiterten dennoch. Ihr aber habt dieses Ziel ohne Mühe, Qual oder Selbstverleugnung erreicht und das Reich betreten.
6.2 Es ist wie zur Zeit des Messias, als die Pharisäer und die Frommen leer ausgingen, während Petrus, Johannes und Andreas, die sich weder der frommen Anbetung noch der Askese hingaben, den Sieg davontrugen. Darum danket Gott, dass Er euch die Krone ewiger Herrlichkeit aufs Haupt drückte und euch diese unermeßliche Gnade gewährte.
6.3 Es ist an der Zeit, dass ihr aus Dankbarkeit für diese Gnadengabe Tag für Tag an Glauben und Standhaftigkeit wachset. Ihr solltet dem Herrn, eurem Gott, immer näher kommen und in solchem Maße angezogen und entflammt werden, dass eure heiligen Melodien zum Lobe des Geliebten die Scharen der Höhe erreichen, dass jeder von euch gleich einer Nachtigall in diesem Rosengarten Gottes den Herrn der Heerscharen verherrliche und zum Lehrer werde für alle, die auf Erden wohnen.
7
7.1 O ihr geistigen Freunde Abdu’l-Bahás! Ein vertrauter Bote ist angekommen und hat in der Welt des Geistes eine Botschaft von Gottes Geliebten überbracht. Dieser glückverheißende Bote trägt den Duft der Inbrunst und Begeisterung, den Lebenshauch der Liebe Gottes. Er lässt die Herzen vor Freude tanzen und erfüllt die Seelen mit Entzücken und mit überströmender Liebe. So stark hat die Herrlichkeit göttlicher Einheit Herzen und Seelen durchdrungen, dass sie nun alle durch himmlische Bande verbunden sind, ein Herz und eine Seele. So spiegeln sie jetzt aus tiefem Herzensgrund klar und deutlich den Abglanz des Geistigen und den Eindruck des Göttlichen. Ich erbitte von Gott, dass Er diese geistigen Bande Tag für Tag festige und diese mystische Einheit immer heller strahlen lasse, bis schließlich alle zu Heerscharen werden, gesammelt unter dem Banner des Bündnisses, unter dem Schutz und Schirm des Wortes Gottes; dass sie mit ganzer Kraft nach allumfassender, enger, herzlicher Freundschaft streben, und dass echte Liebe und geistige Verbundenheit alle Herzen in der Welt zusammenschmieden. Dann wird die ganze Menschheit durch diese neue hellstrahlende Gnadengabe in einem einzigen Heimatland versammelt. Dann werden Kampf und Streit von der Erdoberfläche verschwinden; dann wird die Menschheit in der Liebe zur Schönheit des Allherrlichen geborgen sein. Missklang wird sich in Einklang wandeln, Streit in Übereinstimmung. Die Wurzeln aller Bosheit werden ausgerissen, die Grundlagen der Angriffswut vernichtet werden. Die hellen Strahlen der Vereinigung werden das Dunkel der Grenzen verscheuchen, und himmlischer Glanz wird das menschliche Herz zu einem Schatzberg machen, der von der Liebe Gottes wie von Goldadern durchzogen ist.
7.2 O ihr Geliebten des Herrn! Dies ist die Stunde, da ihr euch mit allen Völkern der Erde in höchster Güte und Liebe verbinden sollt, da ihr die Zeichen und Merkmale von Gottes unermeßlicher Barmherzigkeit für sie sein sollt. Ihr müsst die wahre Seele der Welt werden, der Lebenshauch im Leib der Menschenkinder. In diesem wundervollen Zeitalter, da die Urewige Schönheit, der Größte Name mit zahllosen Gaben am Horizont der Welt erschienen ist, flößt Gott durch Sein Wort dem innersten Wesenskern der Menschheit solche erstaunlichen Kräfte ein, dass Er menschlichen Eigenschaften alle Wirkung nimmt und die Völker mit Seiner allbezwingenden Macht in einem weiten Meer der Einheit zusammenführt.
7.3 Jetzt ist es Zeit für die Geliebten Gottes, das Banner der Einheit hochzurecken, in den Versammlungen der Welt die Lieder der Liebe und Freundschaft anzustimmen und allen zu zeigen, dass Gottes Gnade einzig ist. Dann werden die Tabernakel der Heiligkeit auf den Gipfeln der Erde errichtet, und alle Völker werden im schützenden Schatten des Wortes der Einheit versammelt. Dieser große Segen wird über der Welt aufgehen, wenn die Geliebten Gottes sich erheben, Seine Lehren auszuführen und den frischen, süßen Duft weltumspannender Liebe nah und fern zu verbreiten.
7.4 Das Gebot der Liebe und Freundschaft galt in jeder Sendung; aber dieses Gebot war begrenzt auf die Gemeinschaft derer, die miteinander einig waren. Es galt nicht gegenüber andersdenkenden Feinden. Gelobt sei Gott, denn in diesem wundervollen Zeitalter sind Gottes Gebote nicht abgegrenzt oder auf eine bestimmte Gruppe beschränkt. Vielmehr ist allen Freunden zur Pflicht gemacht, jeder Gemeinschaft auf Erden Liebe und Freundschaft, Rücksicht, Großmut und Wohlwollen entgegenzubringen. Jetzt müssen sich die Geliebten Gottes erheben, Seine Gebote in die Tat umzusetzen: Lasst sie den Menschenkindern gütige Väter sein, der Jugend mitfühlende Brüder, den vom Alter Gebeugten selbstlose Nachkommen. Das bedeutet, dass ihr jedem menschlichen Wesen zarte Liebe erzeigt, selbst euren Feinden, und dass ihr sie alle mit ungetrübter Freundschaft, mit Frohsinn und Güte willkommen heißt. Sollte euch jemand grausam verfolgen, so haltet ihm die Treue. Sollte Bosheit euren Weg kreuzen, so antwortet mit freundlichem Herzen. Wenn Speere und Pfeile auf euch regnen, so bietet eure Brust als spiegelblanke Zielscheibe; und als Antwort auf Fluch, Spott und böse Worte erzeigt überströmende Liebe. So werden alle Völker die Kraft des Größten Namens bezeugen; jedes Volk wird die Macht der Urewigen Schönheit anerkennen und sehen, wie Er die Mauern der Zwietracht niederreißt, wie sicher Er alle Völker auf Erden zur Einheit führt, wie Er die Menschenwelt erleuchtet und diese staubige Erde Lichtströme ausstrahlen lässt.
7.5 Diese menschlichen Wesen sind wie Kinder: frech und unbekümmert. Solche Kinder müssen erzogen werden mit grenzenloser Liebe und Fürsorge; sie müssen gütig gehegt werden in den Armen der Gnade, so dass sie die Liebe Gottes in ihrer geistigen Honigsüße kosten, dass sie zu Kerzen werden, die ihre Strahlen in diese finstere Welt ergießen, und deutlich erkennen, welche Flammenkronen der Herrlichkeit Er, der Größte Name, die Urewige Schönheit, Seinen Geliebten auf die Stirne setzt, welche reichen Gaben Er denen, die Er liebt, ins Herz legt, welche Liebe Er der Menschheit in die Brust pflanzt und welche Schätze an Freundschaft Er unter allen Menschen zum Vorschein bringt.
7.6 „O Gott, mein Gott! Stehe Deinen vertrauten Dienern bei, dass sie liebevolle, empfindsame Herzen haben. Hilf ihnen, der Führung Licht, das von den himmlischen Heerscharen ausgeht, unter allen Erdenvölkern zu verbreiten. Wahrlich, Du bist der Starke, der Gewaltige, der Mächtige, der Allunterwerfende, der Immervergebende. Wahrlich, Du bist der Freigebige, der Sanfte, der Empfindsame, der Großmütigste.“
8
8.1 O ihr Geliebten Abdu’l-Bahás und ihr Dienerinnen des Barmherzigen! Es ist früh am Morgen, die belebenden Winde des Paradieses Abhá wehen über die ganze Schöpfung. Aber sie können nur jene bewegen, die reinen Herzens sind; nur der reine Sinn kann ihren Duft wahrnehmen. Nur das erkennende Auge erblickt die Sonnenstrahlen; nur das hörende Ohr kann dem Gesang der himmlischen Heerscharen lauschen. Zwar ergießt sich ergiebiger Frühlingsregen, der Segen des Himmels, auf alle Dinge; doch nur gute Erde kann er fruchtbar machen; den versalzenen Boden, auf dem alle Freigebigkeit keine Wirkung hervorbringen kann, den liebt er nicht.
8.2 Heute weht der sanfte, heilige Lufthauch des Reiches Abhá über alle Lande, aber nur, die reinen Herzens sind, kommen ihm nahe und können ihn nutzen. Diese unrecht behandelte Seele hofft, dass die Gnade des Selbstbestehenden und die offenbare Kraft des Wortes Gottes die Köpfe der Gedankenlosen freimachen, so dass sie den süßen Duft wahrnehmen, der aus den verborgenen Rosenbeeten des Geistes weht.
8.3 O ihr Freunde Gottes! Wahre Freunde sind wie erfahrene Ärzte, und Gottes Lehren sind wie heilender Balsam für das Bewußtsein des Menschen. Sie machen den Kopf klar, so dass der Mensch sie einatmen und sich an ihrem süßen Duft erfreuen kann. Sie erwecken die Schläfer. Sie machen die Achtlosen bewußt, schenken den Ausgestoßenen ihren Anteil und den Entmutigten Hoffnung.
8.4 Wenn an diesem Tag ein Mensch in Übereinstimmung mit Gottes Geboten und Ratschlägen handelt, wird er der Menschheit als göttlicher Arzt dienen, und wie die Posaune Isráfils1 wird er die Toten dieser bedingten Welt zum Leben rufen. Denn die Bestätigungen des Reiches Abhá strömen ununterbrochen, und eine Seele von solcher Tugend hat die unfehlbare Hilfe der himmlischen Heerscharen zum Beistand. So wird eine winzige Mücke zum machtvollen Adler, ein armseliger Spatz wandelt sich zu einem königlichen Falken in den Höhen urewiger Herrlichkeit.
1 Isráfíl ist der Engel, der nach der Überlieferung am Tag der Auferstehung in die Posaune stößt, um auf Befehl des Herrn die Toten zu erwecken.
8.5 Schaut deshalb nicht auf eure beschränkten Fähigkeiten, fragt nicht, ob ihr der Aufgabe würdig seid: Setzt eure Hoffnungen auf die Hilfe und Güte, die Gaben und Segnungen Bahá’u’lláhs – möge meine Seele ein Opfer für Seine Freunde sein! Jagt auf dem Kampfroß hehren Strebens über das Schlachtfeld des Opfers, traget aus dieser weiten Kampfbahn den Preis göttlicher Güte von dannen.
8.6 O ihr Dienerinnen des barmherzigen Herrn! Wieviele Königinnen dieser Welt legten ihr Haupt auf ein Kissen aus Staub und schwanden dahin. Keine Frucht, keine Spur, kein Zeichen, nicht einmal ihre Namen ließen sie zurück. Für sie gibt es keinen Segen, ja kein Leben mehr. Nicht so die Dienerinnen an der Schwelle Gottes! Hell wie glitzernde Sterne leuchten sie an den Himmeln urewiger Herrlichkeit und verströmen ihren Glanz über alle Zeit. Sie haben ihre tiefsten Hoffnungen im Paradies Abhá erfüllt, sie haben den Honig der Wiedervereinigung in der Gemeinde des Herrn gekostet. Seelen wie diese nutzten ihr Erdendasein: Sie pflückten die Frucht des Lebens. Und die anderen? „Über sie brach wahrlich eine Zeit herein, da sie vergessen waren.“
8.7 O ihr Geliebten dieses Unterdrückten! Wischt euch die Augen, dass ihr keinen Menschen anders betrachtet als euch selbst. Seht keine Fremden, seht vielmehr alle Menschen als Freunde; denn Liebe und Einheit fallen schwer, wenn ihr den Blick auf das Andersartige heftet. Und in diesem neuen, wunderbaren Zeitalter lehren uns die heiligen Schriften, dass wir mit jedem Volk eins sein müssen, dass wir weder Grobheit noch Unrecht, weder bösen Willen noch Feindschaft oder Hass beachten dürfen. Vielmehr müssen wir unsere Augen auf den Himmel urewiger Herrlichkeit richten; denn jedes Geschöpf ist ein Zeichen Gottes, es kam durch die Gnade des Herrn und durch Seine Macht in die Welt. Deshalb ist keiner ein Fremder, jeder gehört zur Familie. Keiner ist Ausländer, jeder ein Freund, und jeder muss als Freund behandelt werden.
8.8 So müssen sich die Geliebten Gottes in herzlicher Verbundenheit Fremden wie Freunden gleicherweise zuwenden und allen das höchste Maß an Wohlwollen entgegenbringen. Dabei dürfen sie nicht auf ihre beschränkten Möglichkeiten achten und niemals fragen, ob es die anderen verdienen, geliebt zu werden. Lasst die Freunde in jedem Fall rücksichtsvoll und unendlich gütig sein. Lasst sie nie den Mut verlieren wegen der Bosheit der Leute, ihrer Angriffslust und ihrem Hass, wie schlimm das auch sei. Wenn andere ihre Speere nach euch schleudern, so bietet ihnen Milch und Honig als Gegengabe. Wenn sie euch das Leben vergiften, versüßt ihnen die Seele. Wenn sie euch schaden, lehrt sie, wie man getröstet wird. Wenn sie euch eine Wunde schlagen, seid Balsam für ihre Schmerzen. Wenn sie nach euch stechen, setzt ihnen einen erfrischenden Becher an die Lippen.
8.9 „O Gott, mein Gott! Dies sind Deine schwachen Diener, Deine ergebenen Knechte und Mägde, die sich niederbeugen vor Deinem erhabenen Wort, sich demütigen an Deiner strahlenden Schwelle und Deine Einheit bezeugen, welche die Sonne in ihrem Mittagsglanz erstrahlen ließ. Sie lauschen dem Ruf, den Du aus Deinem verborgenen Reich erhebst, und bebenden Herzens, voll Liebe und Entzücken antworten sie darauf.“
8.10 „O Herr, lass auf sie alle die Schauer Deines Erbarmens, die Wasser Deiner Gnade herabregnen. Lass sie zu herrlichen Pflanzen des Himmelsgartens heranwachsen. Gib, dass dieser Garten unter den reichen Wolken Deiner Gnadengaben und aus den tiefen Wassern Deiner unendlichen Güte allezeit frisch und prächtig grüne und blühe.“
8.11 „Du bist wahrlich der Mächtige, der Erhabene, der Gewaltige, der allein in den HimmeIn und auf Erden unverwandelt bleibt. Es gibt keinen Gott außer Dir, dem Herrn offenbarer Zeichen und Beweise.“
9
9.1 O du, dessen Herz überfließt vor Liebe zum Herrn! Ich wende mich dir zu an diesem geweihten Ort, um dein Herz mit meinem Sendbrief zu erfreuen; denn dieser Brief lässt das Herz dessen, der an die Einheit Gottes glaubt, seinen Flug zu den Gipfeln der Seligkeit nehmen.
9.2 Danke Gott, dass Er dich fähig macht, in Sein Reich der Macht einzutreten. Bald werden die Wohltaten deines Herrn in steter Folge über dich kommen, bald wird Er dich zum Zeichen machen für jeden Wahrheitssucher.
9.3 Halte dich fest an das Bündnis deines Herrn, und mit jedem Tag lass deinen Vorrat an Liebe für Seine Geliebten wachsen. Wende dich in Güte den Dienern des Allbarmherzigen zu, um auf der Arche des Friedens, die über die Meere des Lebens fährt, das Segel der Liebe zu setzen. Lass dich von nichts betrüben, ärgere dich über niemanden. Dir geziemt es, dem Willen Gottes ergeben allen Völkern auf Erden ohne Ausnahme ein wahrer, liebender, vertrauter Freund zu sein. Dies ist die Tugend der Aufrichtigen, die Art der Heiligen, das Zeichen derer, die an Gottes Einheit glauben, das Gewand des Volkes Bahá.
9.4 Danke dem Herrn und preise Ihn, dass Er dir gestattete, Ihm das Recht Gottes1 darzubringen. Das ist wahrlich eine besondere Gunst von Ihm für dich; so preise Ihn für dies Gebot, das in den Schriften deines Herrn niedergelegt wurde vom Altehrwürdigen der Tage.
1 Huqúq’u’lláh
9.5 Er ist wahrlich der Liebende, der Zarte, der Immerschenkende.
10
10.1 O du liebe Dienerin Gottes! Deinen Brief habe ich erhalten und seinen Inhalt zur Kenntnis genommen. Du bittest um eine Regel nach der du dein Leben ausrichten sollst.
10.2 Glaube an Gott und richte dein Angesicht auf Sein hehres Reich. Sei verliebt in die Schönheit Abhá, stehe fest im Bündnis, sehne dich danach, zum Himmel allumfassenden Lichts aufzusteigen. Löse dich von dieser Welt und werde wiedergeboren durch den süßen Duft der Heiligkeit, der aus dem Reich des Höchsten weht. Rufe die Menschen zur Liebe, sei gütig zum ganzen Menschengeschlecht. Liebe die Menschenkinder, nimm Anteil an ihrem Leid. Gehöre zu denen, die Frieden stiften. Biete deine Freundschaft an und sei vertrauenswürdig. Sei Balsam für jede Wunde, Arznei für jedes übel. Bringe die Seelen zusammen. Singe die Verse der Führung. Bete zu deinem Herrn, erhebe dich und führe die Menschen auf den rechten Pfad. Löse deine Zunge, lehre und lass aus deinem Angesicht das Feuer der Liebe Gottes leuchten. Halte keinen Augenblick inne, suche keinen Atemzug der Ruhe. So wirst du zum Zeichen und Symbol der Liebe Gottes, zum Banner Seiner Gnade.
11
11.1 Den Freunden dienen heißt, dem Reiche Gottes dienen, und den Armen Beachtung schenken, ist eine der bedeutendsten Lehren Gottes.
12
12.1 Erkenne mit Gewissheit: Liebe ist das Geheimnis von Gottes heiliger Sendung, die Offenbarung des Allbarmherzigen, der Quell geistiger Ausgießung. Liebe ist des Himmels gütiges Licht, ewiger Odem des Heiligen Geistes, der die Menschenseele belebt. Liebe ist der Grund, warum sich Gott dem Menschen offenbart; sie ist im Einklang mit der göttlichen Schöpfung das Lebensband in den Wirklichkeiten der Dinge. Liebe sichert als einziges Mittel echtes Glück in dieser und der zukünftigen Welt. Liebe ist das Licht, das durchs Dunkel führt, das lebendige Bindeglied, das Gott mit dem Menschen vereint und den Fortschritt jeder erleuchteten Seele verbürgt. Liebe ist das größte Gesetz, das diesen mächtigen, himmlischen Zyklus regiert, die einzigartige Kraft, welche die verschiedenen Elemente der stofflichen Welt zusammenhält, die höchste Anziehungskraft, welche die Bewegung der Sphären in den Himmelsreichen regiert. Liebe enthüllt mit unfehlbarer, grenzenloser Kraft die verborgenen Geheimnisse des Weltalls. Liebe ist der Geist des Lebens für den geschmückten Leib der Menschheit. Sie errichtet in dieser vergänglichen Welt wahre Kultur und verströmt unvergänglichen Ruhm über jede Rasse und Nation, die hohe Ziele anstrebt.
12.2 Den Namen jedes Volkes, das Gott gnädiglich mit Liebe beschenkt, werden die himmlischen Heerscharen, die Schar der Engel und die Bewohner des Reiches Abhá gewiss preisen und verherrlichen. Jedes Volk jedoch, das sein Herz von dieser göttlichen Liebe, dieser Offenbarung des Barmherzigen, abkehrt, wird in schweren Irrtum absinken, verzweifeln und völlig zerfallen. Dieses Volk wird nirgends mehr Schutz finden; es wird den gemeinsten Kreaturen dieser Erde gleich werden, ein Opfer der Erniedrigung und der Schande.
12.3 O ihr Geliebten des Herrn! Bemüht euch, Offenbarungen der Liebe Gottes zu werden, Leuchten göttlicher Führung, die unter allen Geschlechtern auf Erden mit dem Licht der Liebe und Eintracht strahlen.
12.4 Heil sei den Offenbarern dieses herrlichen Lichtes!
13
13.1 O du Tochter des Königreiches! Dein Brief vom 5. Dezember 1918 erreichte mich. Er enthielt die gute Nachricht, dass die Freunde Gottes und die Dienerinnen des Barmherzigen im Sommer in Green Acre zusammen gekommen sind, dass sie Tag und Nacht im Gedenken Gottes zubrachten, der Einheit der Menschenwelt dienten, allen Religionen Liebe bezeigten, frei blieben von jedem religiösen Vorurteil und gütig zu allen Menschen waren. Die göttlichen Religionen müssen Einheit unter den Menschen bewirken, als Mittel zu Einigkeit und Liebe dienen. Sie müssen den Weltfrieden verkünden, den Menschen von allen Vorurteilen befreien, Freude und Frohsinn spenden, Güte gegenüber allen Menschen einüben und alle Unterschiede beiseite räumen. So sagte Bahá’u’lláh, an die Menschenwelt gewandt: „O Menschen! Ihr seid die Früchte eines Baumes, die Blätter eines Zweiges.“ Allenfalls ist es so, dass einige Seelen unwissend sind; sie müssen erzogen werden. Manche sind krank; sie müssen geheilt werden. Einige sind noch wie Kinder; wir müssen ihnen helfen, die Reife zu erreichen, und müssen ihnen gegenüber besonders gütig sein. So verhält sich das Volk Bahás.
13.2 Ich hoffe, deine Bäder und Schwestern werden alle zu Förderern der Menschheit werden.
14
14.1 O ihr beiden gesegneten Seelen! Eure Briefe sind angekommen. Sie zeigten, dass ihr nach der Wahrheit forscht und euch freigemacht habt von Nachahmung und Aberglauben, dass ihr mit eigenen und nicht mit fremden Augen schaut, mit eigenen und nicht mit fremden Ohren hört, dass ihr Geheimnisse mit eigenem und nicht mit fremdem Bewußtsein entdeckt. Wer nachahmt, sagt: Dieser Mensch hat etwas gesehen, dieser Mensch hat etwas gehört, dieser Mensch hat etwas entdeckt. Mit anderen Worten, er hängt von der Sicht, dem Gehör und dem Bewußtsein anderer ab und besitzt keinen eigenen Willen.
14.2 Preis sei Gott, denn ihr habt Willenskraft bewiesen und euch der Sonne der Wahrheit zugewandt. Die Gefilde eurer Herzen hat der Herr mit dem Licht des Königreichs erleuchtet; ihr wurdet auf den geraden Pfad geführt und geht die Straße, die zum Reich Gottes führt. Ihr habt das Paradies Abhá betreten und euren Anteil erlangt an der Frucht vom Baum des Lebens.
14.3 Selig seid ihr. Eine herrliche Wohnstatt erwartet euch. Gruß und Preis seien mit euch!
15
15.1 O du Gefangene der Liebe Gottes!1 Der Brief, den du bei deiner Abreise geschrieben hast, hat mich erreicht und sehr erfreut. Ich hoffe, dass dir dein inneres Auge weit geöffnet wird, so dass sich dir der Kern göttlicher Geheimnisse erschließt.
1 Jane Elizabeth Whyte, Edinburg, vgl. Anjam Khursheed, The Seven Candles of Unity, Bahá’í Publishing Trust, London 1991, p.45f.
15.2 Du begannst deinen Brief mit einem gesegneten Satz: „Ich bin Christin.“ O wenn doch alle wahre Christen wären! Es ist einfach, sich als Christ zu bekennen; aber ein wirklicher Christ zu sein, ist schwierig. Heute sind etwa fünfhundert Millionen Seelen Christen; aber der wahre Christ ist selten: Er ist die Seele, aus deren anmutigem Gesicht Christi Herrlichkeit strahlt, die Seele, welche die Vollkommenheiten des Königreiches offenbart. Das ist sehr wichtig, denn Christ zu sein, heißt jede vorhandene Vollkommenheit verkörpern. Ich hoffe, dass auch du eine wahre Christin wirst. Danke Gott, dass du durch die göttlichen Lehren zu guter Letzt in höchstem Maße beides erhalten hast, das äußere wie das innere Auge, dass du fest in der Gewissheit und im Glauben wurzelst. Ich hoffe sehr, dass auch andere erleuchtete Augen, hörende Ohren und ewiges Leben erlangen, dass diese vielen Flüsse aus den verschiedenen, verstreuten Flußbetten ihren Weg heimfinden in das alles umspülende Meer, dass sie zusammenfließen und sich zu einer einzigen Woge brandender Einheit erheben, dass die einende Wahrheit durch die Macht Gottes alle eingebildeten Unterschiede verschwinden lasse. Dies ist das einzig Wesentliche; denn wenn Einheit erreicht ist, verschwinden alle anderen Probleme von selbst.
15.3 O verehrte Dame! Nach den göttlichen Lehren in dieser ruhmreichen Sendung sollten wir keinen herabsetzen oder unwissend nennen mit den Worten: „Du weißt es nicht, ich aber weiß es.“ Vielmehr sollten wir anderen mit Achtung begegnen, und wenn wir etwas erklären und zeigen möchten, sollten wir wie Wahrheitssucher sagen: „Hier liegen uns diese Dinge vor. Lasst uns forschen, damit wir entscheiden können, wo und in welcher Gestalt die Wahrheit zu finden ist.“ Der Lehrer darf nicht sich selbst als wissend und die anderen als unwissend betrachten. Solche Gedanken erzeugen nur Stolz, und der Stolz trägt nicht dazu bei, andere zu beeinflussen. Der Lehrer darf sich in keiner Weise als überlegen ansehen. Er muss äußerst freundlich, bescheiden und demütig sprechen; denn diese Sprechweise übt Einfluss aus und erzieht die Seelen.
15.4 O verehrte Dame! Alle Propheten wurden nur zu einem einzigen Zweck zur Erde herniedergesandt. Christus wurde zu diesem Zweck offenbart, Bahá’u’lláh erhob dafür den Ruf des Herrn: dass die Menschenwelt zur Welt Gottes werde, diese niedere Welt zum Reich Gottes, dieses Dunkel zu Licht, diese satanische Bosheit zum Kanon himmlischer Tugenden; ferner dass Einheit, Freundschaft und Liebe für das ganze Menschengeschlecht errungen werden, dass organische Einheit wieder erscheine, die Grundlagen der Uneinigkeit zerstört werden und die Menschheit ewiges Leben und ewige Gnade ernte.
15.5 O verehrte Dame! Schau dich um in der Welt! Einheit, gegenseitige Anziehung, Zusammensein verursachen Leben; aber Uneinigkeit und Missklang bedeuten Tod. Wenn du alle Erscheinungen bedenkst, wirst du erkennen, wie jedes erschaffene Ding durch die Vermischung vieler Elemente entsteht. Wenn diese Gesamtheit der Elemente aufgelöst wird, wenn der Einklang der Elemente aufgehoben wird, ist damit das Leben in dieser Erscheinungsform ausgelöscht.
15.6 O verehrte Dame! Obwohl in vergangenen Religionszyklen Einklang begründet wurde, war in Ermangelung der Mittel die Einheit der Menschheit unerreichbar. Die Kontinente blieben weit voneinander getrennt, ja sogar unter den Völkern ein und desselben Kontinents waren Verbindung und Austausch nahezu unmöglich. Infolgedessen waren Umgang, Verständigung und Einheit zwischen allen Völkern und Geschlechtern der Erde unerreichbar. Heute jedoch haben sich die Kommunikationsmittel vervielfacht, und die fünf Kontinente der Erde sind im Grunde genommen zu einem Ganzen verschmolzen. Jedem Menschen fällt es heute leicht, überallhin zu reisen, mit anderen Völkern zusammenzukommen und Meinungen auszutauschen oder sich durch Veröffentlichungen mit den Lebensbedingungen, Glaubensvorstellungen und Gedanken aller Menschen vertraut zu machen. Ebenso sind alle Glieder der menschlichen Familie, ob Völker oder Regierungen, Städte oder Dörfer, in steigendem Maße voneinander abhängig geworden. Keiner kann mehr in Selbstgenügsamkeit leben, weil politische Bindungen alle Völker und Nationen vereinen, die Bande des Handels und der Industrie, der Landwirtschaft und des Bildungswesens Tag für Tag stärker werden. Folglich ist die Einheit der ganzen Menschheit heutzutage erreichbar geworden. Wahrlich, dies ist nur eines der Wunder dieses wunderbaren Zeitalters, dieses ruhmreichen Jahrhunderts. Die vergangenen Zeitalter waren all dessen beraubt, denn dieses Jahrhundert – das Jahrhundert des Lichtes – ist mit einzigartiger, unvergleichlicher Herrlichkeit, mit Macht und Erleuchtung ausgestattet worden. Darum entfaltet sich mit jedem Tag ein ungeschautes, erstaunliches Wunder. Schließlich wird man sehen, wie hell seine Lichtstrahlen in der Gemeinschaft der Menschen leuchten werden.
15.7 Sieh, wie dieses Licht nun am dunklen Horizont der Welt zu dämmern beginnt! Der erste Lichtstrahl ist die Einheit im politischen Bereich; der allererste Schimmer davon lässt sich nunmehr erkennen. Der zweite Lichtstrahl ist die Einheit des Denkens in weltweiten Unternehmungen, die bald vollzogen werden wird. Der dritte Lichtstrahl ist die Einheit in der Freiheit, die sicherlich eintreten wird. Der vierte Lichtstrahl ist die Einheit in der Religion, der Eckstein, auf dem die Grundlage ruht; auch sie wird durch die Macht Gottes in ihrer ganzen Strahlenfülle offenbar werden. Der fünfte Lichtstrahl ist die Einheit der Nationen – eine Einheit, die in diesem Jahrhundert sicher begründet werden wird, so dass sich alle Völker der Welt als Bürger eines gemeinsamen Vaterlandes betrachten. Der sechste Lichtstrahl ist die Einheit der Rassen, die alle Erdenbewohner zu Völkern und Geschlechtern einer Rasse macht. Der siebte Lichtstrahl ist die Einheit der Sprache, das heißt die Wahl einer universalen Sprache, in der alle Menschen unterrichtet werden und miteinander verkehren. All dies wird unausweichlich eintreten, weil die Macht des Reiches Gottes seine Verwirklichung fördern und unterstützen wird.
16
16.1 O ihr erleuchteten Geliebten und ihr Dienerinnen des Barmherzigen! Zu einer Zeit, da die finstere Nacht der Unwissenheit, der Missachtung des Göttlichen und die von Gott trennenden Schleier die Erde umhüllten, dämmerte ein strahlender Morgen, und ein Licht stieg am östlichen Himmel empor. Dann erschien die Sonne der Wahrheit, und der strahlende Glanz des Reiches Gottes ergoß sich über Ost und West. Die Augen hatten zu sehen, erfreuten sich der frohen Botschaft und riefen: „O selig, selig sind wir!“ Und sie erkannten die geistige Wirklichkeit aller Dinge und entdeckten die Geheimnisse des Gottesreiches. Von ihren Einbildungen und Zweifeln erlöst, schauten sie das Licht der Wahrheit. Sie tranken den Kelch der Liebe Gottes bis zur Neige und wurden so begeistert, dass sie die Welt und ihr eigenes Selbst gänzlich vergaßen. In jauchzender Freude eilten sie zur Stätte ihres Martyriums, und wo die Menschen aus Liebe sterben, da warfen sie Haupt und Herz von sich.
16.2 Die aber, deren Augen nicht sahen, wunderten sich über diese Erregung und riefen: „Wo ist denn das Licht?“ und wiederum: „Wir sehen kein Licht! Wir sehen keine Sonne aufgehen! Hier gibt es keine Wahrheit. Das ist nur Einbildung und sonst nichts.“ Wie Fledermäuse flohen sie ins verborgene Dunkel und fanden dort, wie sie meinten, ein gewisses Maß an Sicherheit und Frieden.
16.3 All das ist jedoch erst der Beginn der Morgendämmerung; die Glut der aufgehenden Sonne der Wahrheit ist noch nicht auf dem Höhepunkt ihrer Kraft. Wenn aber die Sonne im Zenit steht, wird sie so heiß brennen, dass sie sogar das Gewürm in der Erde aufschreckt. Und obwohl es kein Licht sehen kann, wird es dennoch durch diese Hitze in rasende Bewegung versetzt.
16.4 Darum, o ihr Geliebten Gottes, seid dankbar, dass ihr am Tage der Morgendämmerung euer Angesicht dem Lichte der Welt zuwendet und seine Herrlichkeit schaut. Ihr habt einen Anteil am Lichte der Wahrheit empfangen; ihr erfreut euch einer Vielzahl von Segnungen, die ewig währen. Damm sollt ihr als Dankesgabe für diese Gnade keinen Augenblick ruhen noch rasten. Bringt den Menschen die frohe Botschaft vom Reiche Gottes, verbreitet überall Gottes Wort.
16.5 Handelt im Einklang mit dem Willen des Herrn: Erhebt euch also in solcher Weise und mit solchen Tugenden, dass dem Körper dieser Welt eine lebendige Seele geschenkt wird, und bringt dieses zarte Kind, die Menschheit, zur Stufe der Reife. Entzündet, wann immer ihr könnt, bei jeder Begegnung eine Kerze der Liebe, erfreut und ermutigt mitfühlend jedes Herz. Sorgt euch um den Fremden wie um einen der euren, zeigt Ausländern die gleiche Liebe und Güte wie euren treuen Freunden. Sollte jemand Streit mit euch suchen, trachtet danach, ihn zum Freunde zu gewinnen. Sollte jemand euch bis ins Innerste verletzen, seid ein heilender Balsam für seine Wunden. Sollte euch jemand verspotten und verhöhnen, begegnet ihm mit Liebe. Sollte jemand seine Schuld auf euch abwälzen, lobt ihn. Sollte er euch tödliches Gift anbieten, so gebt ihm dafür den besten Honig; und sollte er euer Leben bedrohen, so gewährt ihm eine Arznei, die ihn für immer heilen wird. Sollte er die Qual selbst sein, so seid ihr seine Medizin. Sollte er wie Dornen sein, seid ihr seine Rosen und süßen Kräuter. Vielleicht werden solche Taten und Worte von euch diese finstere Welt schließlich hell erstrahlen lassen, diese staubige Erde himmlisch machen, diesen höllischen Kerker in einen Königspalast des Herrn verwandeln – so dass Krieg und Hader verschwinden und nicht mehr sind, Liebe und Vertrauen ihre Zelte auf den Gipfeln der Welt errichten. Das ist der Wesenskern der Ermahnungen Gottes. Das sind – mit wenigen Worten – die Lehren der Sendung Bahás.
17
17.1 O ihr Erwählten des Reiches Abhá! Lobet den Herrn der Heerscharen; denn auf den Wolken schwebend ist Er aus dem Himmel des unsichtbaren Reiches in diese Welt herab gekommen, um Ost und West durch die herrliche Sonne der Wahrheit zu erleuchten. Der Ruf des Königreiches erscholl, die Boten aus den Sphären der Höhe sangen nach den Weisen der himmlischen Heerscharen die frohe Botschaft Seines Kommens. Da erzitterte die ganze Welt des Seins vor Freude, doch die Menschen schliefen weiter, wie es der Messias voraussagte; denn der Tag der Manifestation, da der Herr der Heerscharen herabstieg, fand sie verhüllt in den Schlaf der Unwissenheit. Wie Er im Evangelium sagte: „Mein Kommen geschieht, wie wenn der Dieb im Hause ist, und der Hausherr ist nicht auf der Hut.“1
1 vgl. Matth.24:43-44 , Luk.12:39-40 , Thomasevangelium 21
17.2 Vor allen Menschen hat Er euch erwählt. Eure Augen wurden dem Lichte der Führung eröffnet, eure Ohren auf die Musik der himmlischen Heerscharen eingestimmt. Ihr wurdet mit großer Gnade gesegnet, denn eure Herzen und Seelen sind zu neuem Leben wiedergeboren. Danket und preiset Gott, dass die Hand unermeßlicher Segnungen euch diese edelsteinbesetzte Krone aufs Haupt gedickt hat – eine Krone, deren leuchtende Juwelen bis in alle Ewigkeit glitzern und strahlen werden.
17.3 Bemüht euch nach Kräften und erwählt euch ein erhabenes Ziel, um Ihm für all das zu danken. Gehorcht den Lehren Gottes durch die Macht des Glaubens, und lasst all eure Taten mit Seinen Geboten in Einklang sein. Lest die Verborgenen Worte, denkt über ihre innere Bedeutung nach und handelt danach. Lest mit größter Aufmerksamkeit die Sendschreiben Tarázát, Kalimát, Tajallíyyít, Ishráqát und Bishárát1 und erhebt euch, wie in den himmlischen Lehren geboten. So sei jeder von euch wie eine leuchtende Kerze der Anziehungspunkt, wo immer Menschen zusammenkommen, und wie ein Blumenbeet sollt ihr süßen Duft verbreiten.
1 BAQ Kap. 4, 6, 5, 8 u. 3
17.4 Tost wie das brüllende Meer, und wie eine schwere Wolke regnet die Gnade des Himmels nieder. Erhebt eure Stimme und singt die Weisen vom Reiche Abhá. Erstickt die Flammen des Krieges, hißt hoch die Banner des Friedens, arbeitet für die Einheit der Menschheit und denkt daran, dass Religion ein Kanal der Liebe zu allen Völkern ist. Wißt, dass die Menschenkinder Gottes Schafe sind und Er ihr liebender Hirte, dass Er zärtlich all Seine Schafe umsorgt, sie auf Seinen grünen Auen der Gnade weidet und sie aus dem Brunnquell des Lebens tränkt. So handelt der Herr. Das sind Seine Segnungen. Das ist aus Seinen Lehren Sein Gebot für die Einheit der Menschheit.
17.5 Die Tore Seines Segens sind weit geöffnet, Seine Zeichen sind überall kundgetan, hell leuchtet die Wahrheit in ihrer Herrlichkeit. Gottes Segen ist unerschöpflich. Erkennt den Wert dieser Zeit. Strebet aus ganzem Herzen, erhebt eure Stimme und rufet laut, bis diese dunkle Welt sich mit Licht erfüllt, bis diese enge Schattengruft sich weitet, bis dieser flüchtige Haufen Staub sich in einen Spiegel der ewigen Himmelsgärten verwandelt und dieser Erdball seinen Teil an der himmlischen Gnade erhält.
17.6 Dann wird die Angriffslust verpuffen; was zu Uneinigkeit führt, wird ausgerottet, und der Bau der Einheit wird errichtet – auf dass der Gesegnete Baum seinen Schatten über Ost und West breite, die Stiftshütte der Einzigkeit des Menschen auf den höchsten Gipfeln errichtet werde, die Flaggen der Liebe und Freundschaft rund um die Welt an ihren Masten flattern, bis das Meer der Wahrheit hoch aufbraust, die Erde die Rosen und würzigen Kräuter immerwährender Segnungen hervorbringt und von Pol zu Pol zum Paradies Abhá wird.
17.7 Dies ist Abdu’l-Bahás Rat. Ich hoffe, dass ihr mit dem Segen des Herrn der Heerscharen zur geistigen Substanz, zum Strahlenglanz des Menschengeschlechts werdet und alle Herzen mit dem Bande der Liebe vereint; dass ihr durch die Macht des Wortes Gottes die Toten zum Leben erweckt, die jetzt in den Gräbern ihrer sinnlichen Wünsche liegen, dass ihr mit den Sonnenstrahlen der Wahrheit denen die Sicht wiedergebt, deren inneres Auge erblindet ist, dass ihr den geistig Kranken geistige Heilung bringt. Auf all das aus den Segnungen und Gnadengaben des Geliebten hoffe ich.
17.8 Zu allen Zeiten spreche ich von euch und denke an euch. Ich bete zum Herrn, und unter Tränen flehe ich Ihn an, dass Er all diese Segnungen über euch ausschütte, eure Herzen erfreue, eure Seelen entzücke und euch unermeßliche Freude und himmlische Wonne schenke …
17.9 „O Du liebender Versorger! Diese Seelen hören auf den Ruf des Königreiches und schauen die Sonne der Wahrheit in ihrer Herrlichkeit. Sie erheben sich in die frischen Himmel der Liebe, fühlen sich hingezogen zu Deinem Wesen und beten Deine Schönheit an. Dir wenden sie sich zu, sprechen miteinander von Dir, suchen nach Deiner Wohnstatt und dürsten nach den Wasserläufen Deines himmlischen Reiches.“
17.10 „Du bist der Geber, der Verleiher, der Ewig-Liebende.“
18
18.1 O du, der du ein sehendes Herz hast! Zwar bist du körperlich des Augenlichtes beraubt, doch hast du, gepriesen sei Gott, geistige Einsicht. Dein Herz sieht, dein Geist hört. Das Augenlicht unterliegt tausend Krankheiten und geht schließlich mit Sicherheit verloren. Deshalb sollte ihm keine Bedeutung beigemessen werden. Aber das Auge des Herzens ist erleuchtet. Es entdeckt und erforscht das Gottesreich. Es besteht immer und ewig. So preise Gott, dass deines Herzens Auge erleuchtet ist und deines Geistes Ohr empfänglich.
18.2 Jede Zusammenkunft, die ihr organisiert, darin ihr himmlische Regungen fühlt, Wirklichkeiten und Bedeutungen erfaßt, ist wie das Sternenzelt, und die Seelen dort sind strahlende Sterne, die mit dem Licht der Führung leuchten.
18.3 Glücklich die Seele, die in diesem herrlichen Zeitalter himmlische Lehren sucht, und selig das Herz, das von der Liebe Gottes bewegt und angezogen wird.
19
19.1 Preis sei Ihm, in Dessen Herrlichkeit Erde und Himmel erglühen, in Dessen Dufthauch die Gärten der Heiligkeit, welche die Herzen der Auserwählten schmücken, vor Freude erzittern. Preis sei Ihm, der Sein Licht verströmt und das Angesicht des Firmaments erhellt. Wahrlich, strahlende, feurige Sterne sind erschienen; sie funkeln, leuchten und senden ihre Strahlen dem höchsten Horizont entgegen. Ihre Anmut und Pracht empfingen sie aus den Gnadengaben des Reiches Abhá. Zu Sternen der Führung geworden, ergossen sie ihr Licht auf diese Erde.
19.2 Preis sei Ihm, der diese neue Ära, dieses Zeitalter höchster Würde, gestaltet hat wie ein Festspiel, das aller Dinge Wirklichkeit den Augen enthüllt. Nun regnen die Wolken der Freigebigkeit hernieder, die Gaben des liebenden Herrn sind offenbar; denn die sichtbare wie die unsichtbare Welt wurden erleuchtet, der Verheißene kam zur Erde, die Schönheit des Angebeteten erstrahlte.
19.3 Gruß, Segen und Willkomm seien dieser Umfassenden Wirklichkeit, diesem Vollkommenen Wort, diesem Offenbaren Buch, diesem Strahlenglanz, der am höchsten Himmel anbrach, diesem Führer aller Nationen, diesem Licht der Welt – Dessen überströmende Gnade, einem wogenden Meere gleich, die ganze Schöpfung überflutete, so dass seine Wellen schimmernde Perlen an die Gestade der sichtbaren Welt spülten. Jetzt ist die Wahrheit erschienen und die Falschheit geflohen. Jetzt ist der Tag angebrochen, und alles jauchzt. Die Seelen der Menschen werden geheiligt, ihr Geist geläutert, ihr Herz beglückt, ihr Verstand geklärt, ihre geheimen Gedanken gesunden, ihr Gewissen wird reingewaschen, ihr innerstes Selbst geheiligt; denn der Tag der Auferstehung ist gekommen, und die Segnungen deines Herrn, des Vergebenden, umfassen alle Dinge. Heil und Preis seien den glänzenden, prangenden Sternen, die ihre Strahlen aus dem höchsten Himmel herniedersenden, diesen Sternbildern im umgürtenden Tierkreis des Reiches Abhá. Ruhm sei mit ihnen.
19.4 Und nun, o du verehrter Freund, der du die Große Verkündigung vernommen hast, erhebe dich, der Sache Gottes zu dienen mit der unwiderstehlichen Macht des Reiches Abhá und mit dem Odem, der aus dem Geiste der himmlischen Heerscharen weht. Sei nicht bekümmert über das, was die Pharisäer und die Gerüchteköche unter den Zeitungsleuten über Bahá sagen. Rufe dir die Tage Christi ins Gedächtnis und die Leiden, mit denen das Volk Ihn überschüttete, und all die Qual und Trübsal, die man Seinen Jüngern zufügte. Da ihr Liebende der Schönheit Abhá seid, müsst auch ihr um Seiner Liebe willen die Schmach der Völker auf euch laden; alles, was den Jüngern einst widerfuhr, muss auch euch treffen. Dann werden die Angesichter der Auserwählten strahlen im Glanz des Gottesreiches in allen Zeitaltern, ja in allen Zyklen der Zukunft. Die Leugner aber verharren in offenkundigem Verlust. Es wird sein, wie es Christus, der Herr, voraussagte: „Sie werden euch verfolgen um Meines Namens willen.“1
1 vgl. Luk. 21:12 ; s.a. Matth. 5:11, 13:9 und Luk. 6:22
19.5 Rufe ihnen diese Worte ins Gedächtnis und sprich: „Wahrlich, die Pharisäer erhoben sich gegen den Messias, trotz der leuchtenden Schönheit Seines Antlitzes und all Seiner Anmut, und sie schrien, Er sei nicht der Messias,1 sondern ein Unhold,2 weil Er behauptete, der allmächtige Gott, der unumschränkte Herr über alle zu sein. Und Er sagte ihnen: Ich bin Gottes Sohn, und wahrlich, im innersten Sein des einzigen Sohnes, Seines mächtigen Schützlings, stehet der Vater, deutlich offenbart mit allen Seinen Eigenschaften und Vollkommenheiten.“ Das sei, so sagten sie, nach den klaren, unwiderleglichen Texten des Alten Testaments offene Gotteslästerung und eine Verleumdung des Herrn. Deshalb fällten sie das Urteil gegen Ihn, bestimmten, dass Sein Blut vergossen werde, und hängten Ihn ans Kreuz, wo Er ausrief: „O Mein geliebter Herr, wie lange willst Du Mich ihnen überlassen? Erhebe Mich zu Dir, schütze Mich bei Dir, gib Mir eine Wohnstatt bei Deinem Thron der Herrlichkeit. Wahrlich, Du bist der Erhörer der Gebete, und Du bist der Gütige, der Barmherzige. O Mein Herr! Wahrlich, diese weite Welt ist zu klein für Mich; Ich liebe dieses Kreuz aus Liebe zu Deiner Schönheit, aus Sehnsucht nach Deinem Reich der Höhe und um des Feuers willen, das, von den Windstößen Deiner Heiligkeit entfacht, in Meinem Herzen lodert. Hilf Mir, o Herr, zu Dir aufzusteigen, stehe Mir bei, Deine Heilige Schwelle zu erreichen, o Mein liebender Herr! Wahrlich, Du bist der Barmherzige, der Besitzer großer Gabenfülle! Wahrlich, Du bist der Großmütige! Wahrlich, Du bist der Mitleidvolle! Wahrlich, Du bist der Allwissende! Es gibt keinen Gott außer Dir, dem Mächtigen, dem Kraftvollen!“
1 Masíh
2 Masíkh
19.6 Nur aus Unwissenheit über den tiefsten Kern der Geheimnisse, nur weil sie Seinen Strahlenglanz nicht schauten und Seine Beweise nicht beachteten, erkühnten sich die Pharisäer, Ihn zu verleumden und dieser schweren Sünde zu beschuldigen. Sonst hätten sie Seine Worte anerkannt und für die von Ihm offenbarten Verse Zeugnis abgelegt. Sie hätten die Wahrheit Seiner Äußerungen bekannt, im schirmenden Schatten Seines Banners Schutz gesucht, von Seinen Zeichen und Beweisen gelernt und über Seine glückselige Botschaft frohlockt.
19.7 Wisse, dass Gott in Seinem Wesen – wenn man Ihn den Unsichtbaren des Unsichtbaren nennt, unbeschreiblich und jenseits menschlicher Fassungskraft – erhaben ist über jede Erwähnung oder Begriffsbestimmung, jede Andeutung oder Anspielung, jeden Beifall oder Lobpreis. In dem Sinn, dass Er ist, der Er ist, kann der Verstand Ihn niemals begreifen, und die Seele, die Seine Erkenntnis sucht, ist nur ein Wanderer in der Wüste, weit in die Irre gegangen. „Keine Schau kann Ihn umfassen, aber Er umfaßt alle Schau. Er ist der Sinnreiche, der Allwissende.“1
1 Qur’án 6:103
19.8 Wenn du aber über das innerste Wesen aller Dinge und über die Eigenart eines jeden nachsinnst, wirst du die Zeichen für die Gnade deines Herrn in allem Erschaffenen erblicken und schauen, wie sich Seine Namen und Eigenschaften strahlengleich über das ganze Reich des Seins verbreiten mit Beweisen, die nur die Eigensinnigen und die Achtlosen leugnen können. So wirst du das Weltall als eine Schriftrolle begreifen, die Seine auf wohlbehüteter Tafel verwahrten verborgenen Geheimnisse offenlegt. Und es gibt kein Atom unter allen Atomen, kein Geschöpf unter allen Geschöpfen, das nicht Sein Lob sänge, Seine Namen und Eigenschaften kündete, die Herrlichkeit Seiner Macht offenbarte und den Weg weise zu Seiner Einheit und Gnade. Niemand mit Ohren zu hören, Augen zu sehen und einem gesunden Menschenverstand wird das leugnen.
19.9 Und wenn du auf die Schöpfung als Ganzes blickst und die Atome darin betrachtest, wirst du erkennen, dass die Sonne der Wahrheit ihre Strahlen auf alle Dinge ergießt, in allen Dingen leuchtet und durch alle Dinge ihren Glanz, ihre Geheimnisse und ihre Lichtfülle verkündet. Schaue die Bäume, die Blüten und Früchte, ja selbst die Steine. Überall siehst du, wie sich die Sonnenstrahlen über die Dinge ergießen, in ihnen deutlich sichtbar sind und durch sie sich offenbaren.
19.10 Wenn du aber deinen Blick auf einen hell glänzenden, makellos reinen Spiegel richtest, der die göttliche Schönheit wiedergibt, so siehst du darin die Sonne mit ihren Strahlen, ihrer Wärme, ihrer Scheibe, ihrer ganzen erhabenen Gestalt. Jedes einzelne Wesen besitzt den ihm zugemessenen Anteil am Sonnenlicht und kündet von der Sonne; aber jene allumfassende Wirklichkeit in ihrer ganzen Herrlichkeit, jener makellose Spiegel, dessen Eigenschaften denen der darin offenbarten Sonne entsprechen, drückt den Ursprung der Herrlichkeit mit all seinen Merkmalen aus. Und diese universale Wirklichkeit ist Mensch, göttliches Sein, immerwährendes Wesen. „Sprich: Rufet Gott an oder ruft den Allbarmherzigen an; wie ihr Ihn auch anrufet, überaus herrlich sind Seine Namen.“1
1 Qur’án 17:110
19.11 Das ist die Bedeutung der Worte des Messias, dass der Vater im Sohne ist.1 Erkennst du es nicht? Sollte ein makelloser Spiegel verkünden: „Wahrlich, die Sonne mit allen ihren Eigenschaften, Beweisen und Zeichen scheint in mir“, so wäre des Spiegels Rede weder irreführend noch falsch. Nein, bei Dem, der den Spiegel erschuf, ihn formte, ihm Gestalt gab und ihn zu einem Wesen machte, das den ihm innewohnenden Merkmalen der Herrlichkeit entspricht! Gelobt sei Er, der ihn erschuf! Gelobt sei Er, der ihm Gestalt gab! Gelobt sei Er, der ihn offenbarte!
1 Joh.14:11
19.12 Das waren die Worte aus dem Munde Christi. Und wegen dieser Worte wurde Er von ihnen kritisiert und angegriffen, als Er zu ihnen sagte: „Wahrlich, der Sohn ist im Vater und der Vater ist im Sohn.“1 Lass dich darüber belehren und erkenne die Geheimnisse deines Herrn. Die Leugner indes sind durch Schleier von Gott getrennt: Sie sehen nichts, sie hören nichts und verstehen nichts. „Überlass sie dem müßigen Umgang mit ihren Spitzfindigkeiten.“2 Überlass sie ihren Wanderungen an Flußbetten, darin kein Wasser fließt. Wie das Vieh auf der Weide können sie buntes Glas nicht von Perlen unterscheiden. Sind sie nicht ausgeschlossen von den Geheimnissen deines Herrn, des Gütigen, des Gnädigen?
1 Joh.14:10
2 Qur’án 6:91
19.13 Du aber erfreue dich dieser schönsten aller frohen Botschaften! Erhebe dich, Gottes Wort zu preisen und Seinen süßen Duft in jenem weiten, mächtigen Land zu verbreiten. Wisse mit Gewissheit, dein Herr wird dir zu Hilfe eilen mit einer Streitmacht der himmlischen Heerscharen aus dem Reich Abhá. Sie werden zum Angriff übergehen und mit Ungestüm über die Scharen der Unwissenden und Blinden hereinbrechen. Binnen kurzem wirst du sehen, wie die Dämmerröte aus dem erhabensten Reich hervorbricht und das Morgenlicht alle Gebiete umfängt. Es wird das Dunkel in die Flucht schlagen, die Düsternis der Nacht wird vergehen, strahlend wird der Glaube die Stirn erheben, die Sonne wird aufsteigen und die Welt erleuchten. An jenem Tage werden die Getreuen frohlocken und die Standhaften glückselig sein. Dann werden sich die Verleumder aus dem Staub machen; die Unentschlossenen werden ausgelöscht, selbst die dunkelsten Schatten vergehen, wenn das erste Morgenlicht anbricht.
19.14 Gegrüßt und gepriesen seiest du.
19.15 „O Gott, mein Gott! Hier ist Dein strahlender Diener, Dein geistiger Knecht, der sich Dir zukehrt und sich Deiner Gegenwart nähert. Dir wendet er sein Angesicht zu und bekennt Deine Einheit und Einzigkeit. In Deinem Namen ruft er die Völker und führt die Menschen zu den strömenden Wassern Deines Erbarmens, o Du großmütigster Herr! Denen, die darum bitten, gibt er zu trinken aus der Führung Kelch, der überfließt vom Weine Deiner unermeßlichen Gnade.“
19.16 „O Herr, stehe ihm bei in jeder Lage, lass ihn Deine wohlgehüteten Geheimnisse erfahren und regne Deine verborgenen Perlen auf ihn nieder. Mache ihn zu einem Banner, das von des Turmes Zinnen im Winde Deines himmlischen Beistands weht. Mache ihn zu einem Quell kristallklaren Wassers.“
19.17 „O mein vergebender Herr! Erhelle die Herzen mit einer leuchtenden Lampe, die weithin scheint und denen in Deinem Volke, die Du großmütig begünstigst, aller Dinge Wirklichkeit enthüllt.“
19.18 „Wahrlich, Du bist der Mächtige, der Gewaltige, der Beschützer, der Starke, der Wohltäter! Wahrlich, Du bist der Herr allen Erbarmens.“
20
Beitrag zu Esslemonts „Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter“
20.1 Obgleich die Juden, als Christus vor zwanzig Jahrhunderten erschien, sehnlichst Sein Kommen erwarteten und jeden Tag unter Tränen beteten und flehten: „O Gott, beschleunige die Offenbarung des Messias“, verleugneten sie Ihn doch, als die Sonne der Wahrheit dämmerte, und erhoben sich gegen Ihn in größter Feindschaft. Schließlich kreuzigten sie diesen göttlichen Geist, das Wort Gottes, und nannten Ihn Beelzebub, den Bösen, wie es das Evangelium berichtet. Der Grund war, dass sie sagten: „Die Offenbarung Christi wird nach dem klaren Text der Thora durch gewisse Zeichen bezeugt werden, und solange diese Zeichen nicht erschienen sind, ist jeder ein Betrüger, der beansprucht, ein Messias zu sein. Eines dieser Zeichen ist, dass der Messias von einem unbekannten Ort kommen wird; wir alle aber kennen dieses Mannes Haus in Nazareth, und was kann von Nazareth Gutes kommen? Das zweite Zeichen ist, dass Er herrschen wird mit einem Stab aus Eisen, das heißt, dass Er mit dem Schwerte Taten verrichten wird. Dieser Messias aber hat nicht einmal einen hölzernen Stab. Eine andere Bedingung und ein anderes Zeichen sind: Er muss sitzen auf dem Throne Davids und Davids Herrschaft aufrichten. Nun aber hat dieser Mann, weit davon entfernt, auf einem Thron zu sitzen, nicht einmal eine Matte, auf der er sich niederlassen könnte. Eine andere Bedingung ist die Verkündigung aller Gesetze der Thora. Dieser Mann aber hat diese Gesetze abgeschafft und sogar den Sabbat gebrochen, obgleich der klare Text der Thora bestimmt, dass, wer den Anspruch erhebt, ein Prophet zu sein, und Wunder tut, aber den Sabbat bricht, getötet werden müsse. Ein anderes Zeichen ist, dass unter Seiner Regierung die Gerechtigkeit so fortgeschritten sein wird, dass rechter Sinn und rechte Tat sich von der menschlichen Welt sogar auf die Tierwelt ausbreiten. Schlange und Maus werden ein Loch miteinander teilen, Adler und Rebhuhn ein Nest. Löwe und Gazelle werden auf einer Wiese weiden, Wolf und Lamm werden trinken aus einem Quell. Nun haben aber zu seiner Zeit Ungerechtigkeit und Tyrannei so überhand genommen, dass sie ihn gekreuzigt haben. Eine andere Bedingung ist, dass in den Tagen des Messias die Juden zu Wohlstand kommen und über alle Völker der Welt triumphieren werden. Heute aber leben sie in äußerster Erniedrigung und in der Knechtschaft des Römerreiches. Wie kann dieser Mann der in der Thora verheißene Messias sein?“
20.2 So verwarfen sie die Sonne der Wahrheit, obgleich dieser Geist Gottes wirklich der in der Thora Verheißene war. Weil sie aber die Bedeutung der Zeichen nicht verstanden, kreuzigten sie das Wort Gottes. Die Bahá’í sind der Ansicht, dass die überlieferten Zeichen in der Manifestation Christi verwirklicht sind, wenn auch nicht in dem Sinne, wie es die Juden verstanden; denn die Beschreibung in der Thora ist sinnbildlich aufzufassen. So ist zum Beispiel eines der Zeichen das der Herrschaft. Die Bahá’í sagen, dass die Herrschaft Christi eine himmlische, göttliche, ewige Herrschaft sei, nicht eine napoleonische, die nur kurze Zeit währt. Denn vor nahezu zwei Jahrtausenden wurde Christi Herrschaft errichtet und dauert noch an, und für alle Ewigkeit wird dieses heilige Wesen erhöht sein auf einem ewigen Throne.
20.3 Ebenso sind die anderen Zeichen alle offenbar geworden, aber die Juden verstanden sie nicht. Obgleich nahezu zwanzig Jahrhunderte verflossen sind, seit Christus in göttlichem Glanze erschien, erwarten die Juden noch immer das Kommen des Messias, dünken sich selbst im Recht und halten Christus für einen falschen Propheten.
21
21.1 O du verehrter Würdenträger, du Sucher nach Wahrheit! Dein Brief vom 4. April 1921 wurde mit Liebe gelesen.
21.2 Dass es das Göttliche Wesen gibt, ist durch logische Beweise überzeugend begründet; aber die Wirklichkeit Gottes übersteigt die Fassungskraft des Verstandes. Wenn du darüber sorgsam nachdenkst, wirst du erkennen, dass eine niedrigere Stufe niemals die höhere erfassen kann. Dem Mineralreich, das niedriger ist, ist es beispielsweise versagt, das Pflanzenreich zu erfassen; dem Mineral wäre jedes derartige Verständnis ganz unmöglich. Ebenso erlangt das Pflanzenreich, wie weit es sich auch entwickeln mag, keine Vorstellung vom Tierreich, und jedes derartige Verständnis wäre auf seiner Stufe undenkbar; denn das Tier steht eine Stufe höher als die Pflanze: Dieser Baum hat keine Vorstellung von Hören und Sehen. Das Tierreich, wie weit es sich auch entwickeln mag, begreift niemals die Wirklichkeit des Verstandes, der das innere Wesen aller Dinge entdeckt und unsichtbare Wirklichkeiten erfaßt; denn verglichen mit der des Tieres, ist die Stufe des Menschen sehr hoch. Auch wenn all diese Wesen in der bedingten Welt nebeneinander bestehen, verhindert die Verschiedenheit ihrer Stufen, dass sie das Ganze begreifen; denn keine niedrigere Stufe kann eine höhere verstehen. Solches Verständnis ist unmöglich.
21.3 Die höhere Stufe aber versteht die niedrigere. Das Tier erfaßt zum Beispiel das Mineral und die Pflanze, der Mensch versteht die Stufen des Tieres, der Pflanze und des Minerals. Das Mineral indes kann keinesfalls die Reiche des Menschen verstehen. Und trotz der Tatsache, dass alle diese Wesenheiten in der Welt der Erscheinung nebeneinander bestehen, kann keine niedrigere Stufe jemals eine höhere erfassen.
21.4 Wie könnte es da einer bedingten Wirklichkeit – und das ist der Mensch – möglich sein, das präexistente Sein, das Göttliche dem Wesen nach zu verstehen? Der Stufenunterschied zwischen dem Menschen und der göttlichen Wirklichkeit ist abertausendmal größer als der Unterschied zwischen Pflanze und Tier. Und was der Mensch in seinem Geist heraufbeschwören kann, ist nur das aus geschmückte Phantasiebild seiner menschlichen Beschaffenheit; es umfaßt nicht Gottes Wirklichkeit, sondern wird von ihr umfaßt. Das heißt, der Mensch begreift seine eigenen Einbildungen, aber die Wirklichkeit des Göttlichen kann niemals begriffen werden. Sie umfaßt ihrerseits alles Erschaffene, und alles Erschaffene liegt in ihrer Hand. Das Göttliche, das sich der Mensch vorstellt, besteht nur in seiner Vorstellung, nicht in Wirklichkeit; der Mensch jedoch besteht sowohl in seiner Vorstellung als auch in Wahrheit. Folglich ist der Mensch größer als die eingebildete Wirklichkeit, die er sich vorstellen kann.
21.5 Dies sind die äußersten Grenzen für diesen tönernen Vogel: Er kann eine kurze Strecke in die endlose Weite flattern, aber er kann sich niemals hoch in die Himmel zur Sonne emporschwingen. Dennoch müssen wir vernünftige oder inspirierte Beweise für die Existenz des Göttlichen dartun, das heißt Beweise, die dem Verständnis des Menschen entsprechen.
21.6 Offensichtlich sind alle erschaffenen Dinge durch vollständige, vollkommene Verknüpfung miteinander verbunden, wie zum Beispiel die Glieder des menschlichen Körpers. Beachte, wie alle Glieder und Bestandteile des Leibes miteinander verbunden sind. Genauso sind alle Teile des endlosen Weltalls miteinander verknüpft. Fuß und Schritt beispielsweise sind mit dem Ohr und dem Auge verbunden. Das Auge muss vorwärts schauen, bevor der Schritt getan wird. Das Ohr muss hören, bevor das Auge genau hinschaut. Und jedes Glied des menschlichen Körpers, das nicht in Ordnung ist, schwächt die anderen Glieder. Das Gehirn ist mit Herz und Magen verbunden, die Lungen mit allen Gliedern. So ist es auch mit den anderen Gliedern des Leibes.
21.7 Jedes dieser Glieder hat seine eigene, besondere Aufgabe. Die Kraft des Geistes – einerlei, ob wir sie präexistent oder abhängig nennen – regelt und steuert alle Glieder des Körpers und achtet darauf, dass jedes Teil, jedes Glied seine ihm eigene besondere Aufgabe ordnungsgemäß verrichtet. Wird die Kraft des Geistes jedoch irgendwie unterbrochen, so sind die Glieder nicht mehr in der Lage, ihre eigentlichen Aufgaben auszuführen. Im Körper und im Zusammenwirken seiner Glieder treten Störungen auf; seine Kraft erweist sich als wirkungslos.
21.8 Genauso ist das endlose Weltall zu sehen: Auch dort herrscht unausweichlich eine allumfassende Kraft, die alle Teile dieser unendlichen Schöpfung regelt und steuert. Gäbe es diesen Regler und Steuerer nicht, wäre das Weltall voller Mängel und Fehler. Es wäre irrsinnig, während ihr doch erkennt, dass die unendliche Schöpfung ihre Abläufe in vollkommener Ordnung abwickelt, dass jedes Einzelteil seine Aufgaben ganz zuverlässig ausführt. Kein Fehler lässt sich in dem gesamten Ablauf finden. Deshalb ist klar, dass eine allumfassende Kraft herrscht, die dieses unendliche Weltall regelt und steuert. Jeder vernünftige Geist kann diese Tatsache begreifen.
21.9 Alle erschaffenen Dinge wachsen und entwickeln sich, sind aber äußeren Einwirkungen ausgesetzt. So gibt die Sonne beispielsweise Wärme, der Regen nährt, der Wind bringt Leben, damit der Mensch sich entwickeln und wachsen kann. Es ist klar, dass der menschliche Körper unter äußeren Einwirkungen steht und ohne solche Einwirkungen nicht wachsen könnte. Und genauso sind jene äußeren Einwirkungen ihrerseits anderen Einwirkungen ausgesetzt. Beispielsweise ist das Wachstum und die Entwicklung eines Menschen von Wasser abhängig; das Wasser kommt vom Regen, der Regen kommt von den Wolken, die Wolken von der Sonne, die Land und Meer Dampf hervorbringen lässt, der sich zu Wolken verdichtet. So übt jede dieser Wesenheiten ihren Einfluss aus und wird ihrerseits beEinflusst. Dieser Prozeß führt unausweichlich zu Einem, der alles beEinflusst, selbst aber durch nichts beEinflusst wird und so die Kette durchtrennt. Die innere Wirklichkeit dieses Wesens jedoch ist unbekannt, obwohl Seine Wirkungen klar und augenscheinlich sind.
21.10 Weiter sind alle erschaffenen Wesen begrenzt, und gerade diese Begrenzung alles Erschaffenen beweist die Wirklichkeit des Unbegrenzten; denn das Dasein eines begrenzten Wesens zeigt das Dasein eines Unbegrenzten.
21.11 Zusammenfassend sei gesagt: Es gibt viele Beweise, die das Dasein der allumfassenden Wirklichkeit begründen. Da diese Wirklichkeit präexistent ist, wird sie von den Verhältnissen der Erscheinungen nicht berührt; denn jede von Umständen und vom Zusammenspiel der Ereignisse abhängige Wesenheit ist kontingent und nicht präexistent. Deshalb wisse: Die Gottheit, die andere Gemeinschaften und Völker heraufbeschworen haben, bleibt im Rahmen ihres Vorstellungsvermögens und geht nicht darüber hinaus; die Wirklichkeit der Gottheit aber ist jenseits aller Vorstellung.
21.12 Was die heiligen Manifestationen Gottes betrifft, so sind sie die Brennpunkte, worin die Zeichen, Beweise und Vollkommenheiten jener heiligen, präexistenten Wirklichkeit in vollem Glanz erscheinen. Sie sind immerwährende Gnade, himmlische Herrlichkeit; von ihnen hängt das ewige Leben der Menschheit ab. Zur Veranschaulichung: Die Sonne der Wahrheit wohnt in einem Himmel, zu dem keine Seele Zugang hat und den kein Geist erreichen kann, und Er ist weit über dem Begriffsvermögen aller Kreaturen. Die Manifestationen Gottes sind wie ein reiner, fleckenloser Spiegel, der die Lichtströme jener Sonne bündelt und dann diese Herrlichkeit auf die übrige Schöpfung ausstrahlt. In diesem reinen Spiegel ist die Sonne mit ihrer ganzen Majestät offenbar. Sollte deshalb die Sonne im Spiegel verkünden „Ich bin die Sonne!“ so ist das die Wahrheit; und sollte sie rufen „Ich bin nicht die Sonne!“ so ist das gleichfalls die Wahrheit. Und ob gleich die Sonne mit all ihrer Herrlichkeit, Schönheit und Vollkommenheit in jenem fleckenlosen Spiegel klar zu sehen ist, ist sie doch von ihrer erhabenen Stufe in den Reichen der Höhe nicht herab gestiegen. Sie ist nicht in den Spiegel eingetreten, sondern sie wird weiterhin bis in alle Ewigkeit in den erhabenen Höhen ihrer Heiligkeit wohnen.
21.13 Auch bedürfen alle irdischen Geschöpfe der Sonne und ihrer Wohltaten, denn ihr ganzes Sein ist von der Sonne Licht und Wärme abhängig. Würde ihnen die Sonne entzogen, so wären sie ausgelöscht. Das ist das „bei Gott sein“, das die Heiligen Bücher meinen: Der Mensch muss bei seinem Herrn sein.
21.14 Daher ist klar, dass die wesenhafte Wirklichkeit Gottes in Seinen Vollkommenheiten offenbar wird; die mit ihren Vollkommenheiten im Spiegel widergespiegelte Sonne ist eine sichtbare Wesenheit, die Gottes Güte klar zum Ausdruck bringt.
21.15 Ich hoffe, dass du dir ein scharfes Auge, ein vernehmendes Ohr erwirbst und dass die Schleier vor deinem Auge entfernt werden.
22
22.1 O du, der du dein Angesicht Gott zuwendest! Schließe deine Augen für alles andere und öffne sie dem Reiche des Allherrlichen. Nur von Ihm erbitte, was immer du wünschst, nur bei Ihm suche, was immer du suchst. Mit einem Blick erhört Er hunderttausend Hoffnungen, mit einem Lichtstrahl heilt Er hunderttausend unheilbare Krankheiten, mit einem Nicken legt Er Balsam auf jede Wunde, mit einem Augenaufschlag befreit Er die Herzen aus den Ketten des Leids. Er tut, was Er tut, und welche Zuflucht bleibt uns? Er vollzieht Seinen Willen. Er verordnet, was Ihm beliebt. So ist es besser für dich, dein Haupt in Ergebenheit zu beugen und dein Vertrauen in den allbarmherzigen Herrn zu setzen.
23
23.1 O du, der du nach Wahrheit suchst! Dein Brief vom 13. Dezember 1920 ist angekommen.
23.2 Seit den Tagen Adams bis heute wurden die Religionen Gottes offenbart; eine folgte der andern, und jede erfüllte ihre Aufgabe, belebte die Menschheit, gab ihr Erziehung und Erleuchtung. Sie erlösten das Volk aus dem Dunkel der stofflichen Welt und führten es in den Glanz des Gottesreiches. Jeder nachfolgende Glaube, jedes neu offenbarte Gesetz blieb jahrhundertelang ein überaus fruchtbarer Baum, dem das Glück der Menschheit anvertraut war. Aber im Laufe der Jahrhunderte alterte er, blühte nicht mehr und brachte keine Frucht mehr hervor. Deshalb wurde er wieder verjüngt.
23.3 Gottes Religion ist eine einzige Religion, aber sie muss immer wieder erneuert werden. Moses zum Beispiel wurde zu den Menschen gesandt; Er gab ein Gesetz, und durch dieses Mosaische Gesetz wurden die Kinder Israels aus ihrer Unwissenheit befreit und ins Licht geführt. Sie wurden aus ihrem Elend emporgehoben und erlangten unvergängliche Herrlichkeit. Und doch, als die langen Jahre vergingen, verblasste dieser Glanz, die Pracht verschwand, der helle Tag wurde zur Nacht, und als die Nacht stockdunkel war, ging der Stern des Messias auf, so dass wieder eine Herrlichkeit über der Welt leuchtete.
23.4 Was wir sagen wollen, ist folgendes: Es gibt nur eine Religion Gottes. Sie ist die Erzieherin der Menschheit, aber sie muss erneuert werden. Wenn du einen Baum pflanzt, wächst er Tag für Tag. Er blüht, bekommt Blätter und saftige Früchte. Nach langer Zeit aber wird er alt und trägt keine Frucht mehr. Dann nimmt der Gärtner der Wahrheit Samen von ebendiesem Baum und legt ihn in unverbrauchte Erde. Und siehe! Bald steht da der erste Baum, genauso wie er vordem war.
23.5 Bedenke sorgfältig, dass in dieser Welt des Seins alle Dinge immer wieder erneuert werden müssen. Schau dich um in der stofflichen Welt, sieh, wie sie jetzt erneuert wird. Die Gedankenwelt verändert sich, die Lebensweise wandelt sich, Wissenschaften und Künste zeigen neue Kraft, Entdeckungen und Erfindungen werden gemacht, neue Erkenntnisse gewonnen. Wie könnte da eine so lebensnotwendige Kraft wie die Religion – die Garantin Für die großen Fortschritte der Menschheit, das Mittel zur Erlangung ewigen Lebens, die Hebamme unbegrenzter Vollkommenheit, das Licht beider Welten – nicht erneuert werden? Das wäre mit der Gnade und Barmherzigkeit des Herrn unvereinbar.
23.6 Religion ist im übrigen keine Ansammlung von Glaubenssätzen oder Bräuchen; Religion ist die Lehre Gottes, des Herrn, eine Lehre, die das Leben der Menschheit begründet, dem Verstand erhabene Gedanken eingibt, den Charakter veredelt und den Grundstock legt für des Menschen ewige Ehre.
23.7 Denke darüber nach: Können diese Fieberschauer in der Welt der Gedanken, diese Feuerstürme des Krieges und des Hasses, der Empörung und Bosheit unter den Nationen, diese gegenseitigen Angriffe der Völker, welche die Ruhe der ganzen Welt zerstören, jemals mit einem anderen Mittel beseitigt werden als mit den Lebenswassern der Lehren Gottes? Nein, niemals!
23.8 Und das ist klar: Eine Kraft, hoch über den Naturkräften, muss notwendigerweise wirksam werden, damit dieses schwarze Dunkel in Licht, dieser Hass und diese Bosheit, dieser Neid und Groll, diese endlosen Kämpfe und Kriege in Freundschaft und Liebe unter den Völkern der Erde verwandelt werden. Solche Kraft ist nichts anderes als der Odem des Heiligen Geistes und der mächtige Zustrom von Gottes Wort.
24
24.1 O du geistiger Jüngling! Preise Gott, dass du den Weg zum Reich des Strahlenglanzes gefunden, den Schleier leeren Wahns zerrissen und den Kern des verborgenen Geheimnisses erkannt hast.
24.2 Das ganze Erdenvolk hat sich im Reich des Verstandes einen eigenen Gott ausgemalt, und dieses selbstgemachte Bildnis beten sie an. Aber dieses Bildnis wird begriffen; der menschliche Verstand begreift es, und gewiss ist das Begreifende größer als das, was in seinem Begriffsvermögen liegt; denn das Vorstellungsvermögen ist nur der Ast, der Verstand aber die Wurzel, und die Wurzel ist wahrlich bedeutender als der Ast. Bedenke, wie alle Völker der Welt das Knie beugen vor einem Trugbild, das sie selbst ersonnen haben, wie sie in ihrem eigenen Verstand einen Schöpfer geschaffen haben, den sie Gestalter alles Seienden nennen; in Wahrheit ist er bloße Einbildung. So beten die Menschen nur eine irrige Wahrnehmung an.
24.3 Aber jenes Wesen aller Wesen, jener Unsichtbarste aller Unsichtbaren ist geheiligt über alle menschliche Spekulation und kann niemals vom Verstand des Menschen erreicht werden. Niemals wird diese urewige Wirklichkeit in der Sphäre eines abhängigen Wesens wohnen. Sein ist ein anderes Reich, und dieses Reich kann keiner begreifen. Keinen Zugang gibt es; jeglicher Eintritt ist verboten. Als Äußerstes kann man sagen, dass Seine Existenz beweisbar ist, aber die Bedingungen Seines Daseins sind unbekannt.
24.4 Dass es ein solches Wesen gibt, haben die Philosophen und Gelehrten allesamt erkannt; aber wenn sie versuchten, etwas über Sein Wesen zu erfahren, wurden sie bestürzt und entmutigt, um schließlich hoffnungslos verzweifelt ihrer Wege zu gehen und aus diesem Leben zu scheiden. Denn um den Zustand und das innere Mysterium dieses Wesens aller Wesen, dieses geheimsten aller Geheimnisse zu begreifen, muss man andere Kräfte und Fähigkeiten besitzen. Solche Kräfte und Fähigkeiten wären mehr, als das Menschengeschlecht tragen könnte. Deshalb kann kein Wort von Ihm zu den Menschen gelangen.
24.5 Wenn beispielsweise jemandem die Sinne des Gehörs, Geschmacks, Geruchs und Gefühls verliehen sind, ihm aber das Augenlicht fehlt, wird es ihm nicht möglich sein umherzublicken. Denn man kann nicht sehen, indem man hört oder schmeckt, riecht oder tastet. So ist es auch dem Menschen mit seinen Fähigkeiten unmöglich, die unsichtbare Wirklichkeit zu begreifen, die heilig und erhaben ist über alle Zweifel der Skeptiker. Dafür sind andere Fähigkeiten, andere Sinne vonnöten. Wenn der Mensch solche Kräfte erlangt, kann er von jener Welt Kenntnisse erhalten, andernfalls nie.
25
25.1 O du Dienerin Gottes! Die östliche Geschichtsschreibung berichtet, dass Sokrates Palästina und Syrien bereiste und sich dort von gotteskundigen Männern bestimmte geistige Wahrheiten aneignete; nach Griechenland zurückgekehrt, verkündete er zwei Glaubenswahrheiten: zum einen die Einheit Gottes, zum anderen die Unsterblichkeit der Seele nach ihrer Trennung vom Leibe. Wie weiter berichtet wird, waren diese Vorstellungen den Griechen und ihrer Gedankenwelt so fremd, dass große Verwirrung entstand, bis sie ihm schließlich Gift gaben und ihn töteten.
25.2 Das ist authentisch; denn die Griechen glaubten an viele Götter. Sokrates wies nach, dass Gott einzig ist, und das stand offensichtlich in Widerspruch zu griechischen Glaubenslehren.
25.3 Der Begründer des Monotheismus war Abraham. Bis zu Ihm kann diese Vorstellung zurückverfolgt werden, und der Glaube daran herrschte unter den Kindern Israels auch in den Tagen des Sokrates.
25.4 Diese Ausführungen finden sich jedoch nicht in den jüdischen Geschichtsquellen; es gibt viele Tatsachen, die die jüdische Geschichte nicht wiedergibt. Nicht alle Ereignisse aus dem Leben Christi sind in der Chronik des Juden Josephus1 dargestellt, obwohl er die Geschichte der Zeit Christi niederschrieb. Deshalb kann man es aber nicht ablehnen, die Ereignisse in den Tagen Christi für wahr zu halten, mit der Begründung, dass sie in der Darstellung des Josephus nicht erwähnt werden.
1 Havius Josephus (37:38-100 n.Chr.) schrieb eine zwanzigbändige Geschichte der Juden in griechischer Sprache.
25.5 Östliche Geschichtswerke führen auch aus, dass Hippokrates lange Zeit in Tyrus, einer Stadt in Syrien, weilte.
26
26.1 O du, der du das Himmelreich suchst! Dein Brief ist angekommen sein Inhalt wurde zur Kenntnis genommen.
26.2 Die heiligen Manifestationen Gottes nehmen zwei Stufen ein: Die eine ist ihre leibliche Stufe, die andere ihre geistige. Mit anderen Worten, eine Stufe ist die eines menschlichen Wesens, die andere die der göttlichen Wirklichkeit. Wenn die Manifestationen Prüfungen unterworfen sind, betrifft das nur ihre menschliche Stufe, nicht den Glanz ihrer göttlichen Wirklichkeit.
26.3 Auch handelt es sich nur aus dem Blickwinkel der Menschen um Prüfungen. Das heißt, dem äußeren Anschein nach ist das Menschliche der heiligen Manifestation Prüfungen ausgesetzt, und wenn dadurch ihre Stärke und Ausdauer in aller Kraftfülle offenbar werden, ziehen andere Menschen daraus Lehren; es wird ihnen bewußt, wie groß ihre eigene Standfestigkeit und ihre Geduld in Prüfungen und Drangsalen sein müssen. Denn der göttliche Erzieher muss durch Wort und Tat lehren, um allen den geraden Pfad der Wahrheit vor Augen zu führen.
26.4 Was meine Stufe betrifft, ist es die des Dieners Bahás: Abdu’l-Bahá, der sichtbare Ausdruck der Dienstbarkeit an der Schwelle der Schönheit Abhá.
27
27.1 In den vergangenen Zyklen hatte jede Manifestation Gottes in der Welt des Daseins ihren eigenen Rang; jede vertrat eine Stufe der Menschheitsentwicklung. Die Manifestation des Größten Namens jedoch – möge mein Leben ein Opfer für Seine Geliebten sein – war Ausdruck für das Mündigwerden, die Reife der innersten Wirklichkeit des Menschen in dieser Welt des Seins, ist doch die Sonne Quell und Ursprung von Licht und Wärme, Brennpunkt des Strahlenglanzes, umfaßt sie doch alle Vollkommenheiten der anderen über der Welt aufgegangenen Sterne. Bemühe dich, deinen Platz unter der Sonne einzunehmen und reichen Anteil an ihrem blendenden Lichte zu empfangen. Wahrlich, ich sage dir: Hast du diese Stufe erreicht, so wirst du die Heiligen schauen, wie sie ihr Haupt voll Demut vor Ihm beugen. Eile zum Leben, bevor der Tod kommt, eile dem Frühling entgegen, bevor der Herbst einzieht, und bevor die Krankheit zuschlägt, eile du zur Heilkunst – auf dass du ein Arzt des Geistes werdest, der in diesem gepriesenen, diesem herrlichen Zeitalter alle Arten von Krankheiten mit dem Odem des Heiligen Geistes heilt.
28
28.1 O du Blatt am Baume des Lebens! Der in der Bibel erwähnte Baum des Lebens ist Bahá’u’lláh, und die Töchter des Königreiches sind die Blätter an diesem gesegneten Baum. Darum danke Gott, dass du mit diesem Baum verbunden bist und zart und frisch heranwächst.
28.2 Weit stehen die Tore des Königreiches offen; jede begnadete Seele sitzt an der Festtafel des Herrn und empfängt ihren Anteil an dem himmlischen Festmahl. Gelobt sei Gott, auch du bist an dieser Tafel zugegen und nimmst deinen Anteil von der gnadenreichen Speise des Himmels. Du dienst dem Reiche Gottes und bist wohl vertraut mit den süßen Düften des Paradieses Abhá.
28.3 So strebe denn mit aller Kraft danach, die Menschen zu führen, und iß vom Brot, das vom Himmel herabkam. Denn dies ist die Bedeutung der Worte Christi: „Ich bin das lebendige Brot, welches herabkam vom Himmel…; wer von diesem Brote ißt, wird ewig leben.“1
1 Johannes 6:51, 58
29
29.1 O du, den die Wahrheit fesselt und das Himmelreich wie ein Magnet anzieht! Dein langer Brief kam an und brachte große Freude, weil er deine eifrigen Bemühungen und hohen Absichten klar zum Ausdruck bringt. Preis sei Gott, du wünschst den Menschen Gutes, verlangst nach dem Reiche Bahás und sehnst dich, das Menschengeschlecht vorwärtsdrängen zu sehen. Ich hoffe, du wirst durch diese hohen Ideale, diese edlen Regungen des Herzens und diese frohen Botschaften des Himmels so hell erstrahlen, dass deine Liebe zu Gott durch alle Zeitalter hindurch das Licht ihrer Herrlichkeit verströmen wird.
29.2 Du hast dich als Schüler in der Schule geistigen Fortschritts bezeichnet. Wie glücklich bist du! Wenn diese Schulen des Fortschritts zur Universität des Himmels hinführen, dann werden Wissenszweige entwickelt, die der Menschheit die Tafel des Seins als eine sich endlos entfaltende Schriftrolle enthüllen werden. Und alle erschaffenen Dinge werden auf dieser Rolle als Buchstaben und Wörter erscheinen. Dann werden die verschiedenen Ebenen der Bedeutung erlernt; in jedem Atom des Weltalls werden die Zeichen der Einheit Gottes bezeugt. Dann wird der Mensch den Herrn des Königreiches rufen hören und erfahren, wie die Bestätigungen des Heiligen Geistes ihm zu Hilfe eilen. Dann wird er solche Seligkeit fühlen, solches Entzücken, dass ihn die große, weite Welt nicht länger fassen kann; er wird sich vielmehr aufmachen in das Reich Gottes und zu den Gefilden des Geistes eilen. Denn wenn einem Vogel die Flügel gewachsen sind, bleibt er nicht länger auf dem Boden sitzen, sondern schwingt sich auf in den hohen Himmel – ausgenommen die Vögel, die am Bein festgebunden sind, deren Flügel gebrochen oder mit Schlamm besudelt sind.
29.3 O du Wahrheitssucher! Die Welt des Königreiches ist nur eine Welt. Der einzige Unterschied ist, dass der Frühling immer wiederkehrt und bei allem Erschaffenen eine große neue Erregung bewirkt. Dann beleben sich Ebenen und Hügel, die Bäume grünen zart, Blätter, Blüten und Früchte kommen in ihrer Schönheit zum Vorschein, in unendlicher Fülle und Feinheit. So sind die Sendungen vergangener Zeitalter eng verbunden mit denen, die ihnen folgen: Sie sind in der Tat ein und dieselbe. Aber wie die Welt wächst, so wächst auch das Licht und der Regenguß himmlischer Gnade; und dann scheint die Sonne im mittäglichen Glanz.
29.4 O du Sucher nach dem Königreich! Jede göttliche Manifestation ist das Leben der Welt, der erfahrene Arzt jeder leidenden Seele. Die Menschenwelt ist krank, der tüchtige Arzt kennt das Heilmittel. Er erscheint mit Ratschlägen, Lehren und Ermahnungen – Arznei für jedes Leiden, heilender Balsam für jede Wunde. Gewiss kann der weise Arzt die Nöte seines Patienten zu jeder Jahreszeit erkennen und das Heilverfahren anwenden. Deshalb setze die Lehren der Schönheit Abhá in Beziehung zu den dringenden Bedürfnissen des heutigen Tages. Du wirst sehen, sie bieten das sofort wirkende Heilmittel für den leidenden Körper der Welt. Sie sind wahrlich das Elixier, das ewiges Heil bringt.
29.5 Die weisen Ärzte der Vergangenheit und diejenigen, die ihnen folgten, haben nicht ein und dieselbe Behandlung verordnet. Die Behandlung hängt vielmehr davon ab, was dem Patienten fehlt. Mag auch das Heilmittel anders sein, ist doch das Ziel immer, den Patienten wieder gesunden zu lassen. In den vorangegangenen Sendungen konnte der schwache Körper der Welt keine strenge, gewaltige Kur ertragen. Aus diesem Grund sagte Christus: „Ich habe euch noch viel zu sagen, was gesagt werden muss; aber ihr könnt es jetzt noch nicht tragen. Wenn aber jener Geist der Wahrheit kommt, den der Vater senden wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten.“1
1 vgl. Joh. 15:26, 16:12-13
29.6 Deshalb sind in diesem Zeitalter des Strahlenglanzes die Lehren, die früher nur den wenigen galten, allen zugänglich gemacht, damit die Gnade des Herrn Osten und Westen umfange, die Einheit der Menschenwelt in ihrer ganzen Schönheit aufleuchte und die hellen Strahlen der Wirklichkeit das Reich des Verstandes mit Licht überfluten.
29.7 Die Herabkunft des Neuen Jerusalem bezeichnet ein himmlisches Gesetz, das Gesetz, das die Gewähr für menschliches Glück bietet und aus der Welt Gottes hervorleuchtet.
29.8 Emmanuel1 war tatsächlich der Vorläufer des zweiten Kommens Christi, ein Rufer zum Pfade des Königreiches. Es ist offenkundig, dass der Buchstabe ein Teil des Wortes ist, und dieser Anteil am Wort bedeutet, dass der Buchstabe in seinem Wert vom Worte abhängt. Das heißt, er bezieht seine Gnade vom Wort; er hat eine geistige Verwandtschaft mit dem Wort und ist als wesentlicher Teil des Wortes anzusehen. Die Apostel waren wie Buchstaben, Christus war das Wesen des Wortes. Die Bedeutung des Wortes, nämlich ewige Gnade, wirft einen Glanz auf jene Buchstaben. Noch einmal: Weil der Buchstabe Teil des Wortes ist, steht er in seiner inneren Bedeutung in Einklang mit dem Wort.
1 Über diesen Sendbrief schrieb Shoghi Effendis Sekretär am 9. Mai 1938 in seinem Auftrag: „… Dies bezieht sich offenkundig, wie der Text deutlich zeigt, auf den Báb und ist keineswegs ein Hinweis auf Swedenborg.“
29.9 Wir hoffen, dass du dich an diesem Tage erheben wirst, um das voranzutragen, was Emmanuel vorhersagte. Wisse mit Sicherheit, dass du damit Erfolg haben wirst, denn die Bestätigungen des Heiligen Geistes steigen ständig hernieder, und die Kraft des Wortes übt solchen Einfluss aus, dass der Buchstabe zum Spiegel wird, der die herrliche Sonne – das Wort selbst – widerspiegelt, und die Gnade und Herrlichkeit des Wortes werden die ganze Erde erleuchten.
29.10 Das himmlische Jerusalem aber, das herabkam auf die Gipfel der Welt, und Gottes Allerheiligstes, dessen Banner jetzt hoch in den Lüften schwebt, umfassen alle Vollkommenheiten, alle Erkenntnis der vorangegangenen Sendungen. Darüber hinaus verkündet es die Einheit der Menschenkinder. Es ist das Banner des Weltfriedens, der Geist ewigen Lebens; es ist die Herrlichkeit der Vollkommenheiten Gottes, die umfassende Gnade für alles Sein, der alles Erschaffene zierende Schmuck, der Quell innerer Ruhe für die ganze Menschheit.
29.11 Richte deine Aufmerksamkeit auf die heiligen Sendschreiben. Lies Ishráqát, Tajallíyyát, die Worte des Paradieses, die Frohen Botschaften, Tarázát, das Heiligste Buch. Dann wirst du sehen, dass diese himmlischen Lehren heutzutage das Heilmittel für eine kranke, leidende Welt, heilender Balsam für die Wunden am Körper der Menschheit sind. Sie sind der Geist des Lebens, die Arche der Erlösung, der Magnet, der ewige Herrlichkeit anzieht, die bewegende Kraft des Ansporns für des Menschen innerstes Wesen.
30
30.1 Das Sein ist von zweierlei Art: Die eine ist das Sein Gottes; es übersteigt des Menschen Verständnis. Ihm, dem Unsichtbaren, Erhabenen, Unfaßbaren, geht keine Ursache voraus. Er ist selbst Urheber der Ursache aller Ursachen. Er, der Urewige, hatte keinen Anfang und ist der All-Unabhängige. Die zweite Art des Seins ist das menschliche Sein. Es ist gewöhnliches Sein, dem menschlichen Verstand begreifbar. Es ist nicht urewig, es ist abhängig und hat eine Ursache. Die sterbliche Substanz wird nicht ewig und umgekehrt. Das Menschengeschlecht wird nicht Schöpfer und umgekehrt. Die Wandlung der angeborenen Substanz ist unmöglich.
30.2 In der Welt des Seins – der begreiflichen Welt – gibt es Stufen der Vergänglichkeit: die erste Stufe ist die Mineralwelt, die nächste die Pflanzenwelt. Darin ist das Mineral vorhanden, aber in einer besonderen, den Pflanzen eigenen Art. So ist es auch in der Tierwelt: Die Eigenschaften des Minerals und der Pflanze sind darin vorhanden und darüber hinaus die besonderen Eigenschaften der Tierwelt, die Fähigkeiten des Hörens und des Sehens. In der Menschenwelt sind die Eigenschaften der Mineral-, Pflanzen- und Tierwelt zu finden und darüber hinaus die der menschlichen Gattung, nämlich die Eigenschaft des Verstandes, der die Wirklichkeiten der Dinge entdeckt und allgemeingültige Prinzipien erfaßt.
30.3 Der Mensch ist deshalb auf der Ebene der bedingten Welt das vollkommenste Wesen. „Mensch“ bedeutet hier das vollkommene Individuum: Es ist wie ein Spiegel, der die göttlichen Vollkommenheiten offenbart und widerspiegelt. Zwar steigt die Sonne von den Höhen ihrer Heiligkeit nicht herab, um in den Spiegel einzutreten. Ist aber der Spiegel gereinigt und der Sonne der Wahrheit zugewandt, so reflektieren und offenbaren sich in diesem Spiegel die Vollkommenheiten der Sonne, Licht und Wärme. Solche Seelen sind die Manifestationen Gottes.
31
31.1 O du geliebter, weiser Freund! Dein Brief vom 27. Mai 1906 ist angekommen. Sein Inhalt hat sehr gefallen und große Freude gebracht.
31.2 Du fragst, ob diese Sache, diese neue, lebensprühende Sache, an die Stelle der toten religiösen Riten und Zeremonien Englands treten könne, ob diese neue Sache jetzt, da vielerlei Gruppen auftreten, zu denen hochstehende Geistliche und Theologen zählen, die weit befähigter sind als in der Vergangenheit, die Mitglieder solcher Gruppen derart beeindrucken könne, dass sie und alle anderen sich in ihrem allbeschützenden Schatten vereinen.
31.3 O du lieber Freund! Wisse, dass Er, die überragende Persönlichkeit, zu allen Zeiten mit den Vollkommenheiten Seines jeweiligen Zeitalters begabt ist. Er stand in vergangenen Zeiten über Seinen Mitmenschen und besaß Gaben entsprechend den Tugenden Seiner Zeit. Aber in diesem Zeitalter des Strahlenglanzes, in dieser Ära Gottes, wird die überragende Persönlichkeit, das leuchtende Gestirn, der Auserwählte, mit solchen Vollkommenheiten und solcher Kraft strahlen, dass der Geist jeder Gemeinschaft und Gruppe am Ende geblendet ist. Und weil Er an geistigen Vollkommenheiten und himmlischen Errungenschaften allen anderen überlegen ist, weil Er fürwahr der Brennpunkt göttlicher Segnungen, die Achse des Lichtkreises ist, wird Er alle anderen umfassen. Ohne jeden Zweifel wird Er mit solcher Macht aufleuchten, dass Er alle Seelen in Seinem schützenden Schatten versammeln wird.
31.4 Wenn du dies alles sorgfältig bedenkst, stellst du fest, dass hier ein allumfassendes Gesetz waltet, das man in allen Dingen vorfindet: Das Ganze zieht den Teil an, und in einem Kreis dreht sich alles um die Achse. Denke über den Geist1 nach: Weil Er der Brennpunkt geistiger Kraft war, der Quell geistiger Gnadengaben, gelang es Ihm, unter dem schützenden Tabernakel des Christentums alle widerstreitenden Sekten zu vereinen, obgleich Er am Anfang nur ein paar Seelen um sich scharte. Das geschah durch die Ihm gegebene allunterwerfende Kraft. Vergleiche Gegenwart und Vergangenheit und beachte den großen Unterschied; so kannst du Wahrheit und Gewissheit erlangen.
1 Jesus Christus
31.5 Die Unterschiede zwischen den Religionen der Welt sind auf die unterschiedlichen Geisteshaltungen zurückzuführen. Solange sich die Geisteskräfte unterscheiden, werden mit Sicherheit auch die Urteile und Meinungen der Menschen auseinandergehen. Wird aber eine einzige, allumfassende Wahrnehmungskraft eingebracht, eine Kraft, die alles andere einschließt, so werden diese unterschiedlichen Meinungen verschmelzen; geistige Harmonie und Einheit werden sichtbar werden. Als beispielsweise Christus offenbart wurde, standen die verschiedenen Völker der damaligen Zeit – Römer, Griechen, Syrer, Israeliten und andere – mit ihren Ansichten und Gefühlsregungen im Widerspruch zueinander. Sobald jedoch Seine allumfassende Kraft zum Tragen kam, gelang es ihr im Laufe von dreihundert Jahren allmählich, alle diese auseinanderstrebenden Geister unter dem Schutz und der Herrschaft eines Sammelpunktes zusammenzuführen, und alle hegten die gleichen geistigen Gefühle im Herzen.
31.6 Um mit einem Gleichnis zu sprechen: Wenn eine Armee verschiedenen Befehlshabern unterstellt wird, von denen jeder seinen eigenen Kriegsplan verfolgt, werden diese Befehlshaber sicherlich mit ihren Gefechtslinien und Truppenbewegungen voneinander abweichen. Sobald aber der oberste Heerführer, der die Kriegskunst gründlich beherrscht, die Führung übernimmt, werden die anderen Pläne verschwinden, denn der besonders befähigte Feldmarschall wird die gesamte Armee unter seine Kontrolle bringen. Das soll nur ein Gleichnis sein, kein genaues Abbild. Wolltest du nun sagen, alle anderen Generäle seien in der Kriegskunst ebenfalls bewandert, erprobt und erfahren, und würden sich deshalb nicht der Befehlsgewalt eines einzelnen unterstellen, wie unbeschreiblich groß er auch sei, so ist deine Behauptung unhaltbar; denn was oben geschildert ist, wird genauso geschehen, daran gibt es keinen Zweifel.
31.7 So verhält es sich auch mit den heiligen Manifestationen Gottes, im besonderen mit der göttlichen Wirklichkeit des Größten Namens, der Schönheit Abhá. Ist Er erst einmal vor den versammelten Völkern der Welt offenbar, erscheint Er mit solcher Schönheit, solchem Zauber, so anziehend wie ein Josef im Ägypten des Geistes, dann schlägt Er alle Liebenden auf Erden in Seinen Bann.
31.8 Wenn Seelen als vergeistigte, strahlende Wesen in dieses Leben geboren werden, dann aber durch Belastungen und Versuchungen wahrhafter Vorzüge verlustig gehen und schließlich die Welt verlassen, ohne ihr Leben ausgeschöpft zu haben, so ist dies wahrlich ein Grund, traurig zu sein. Die allumfassenden Manifestationen Gottes enthüllen dem Menschen ihr Antlitz, nehmen jedes Elend, jede Heimsuchung auf sich und bringen ihr Leben zum Opfer, damit gerade diese vorbereiteten, aufnahmefähigen Menschen zu Aufgangsorten des Lichtes werden und das unvergängliche Leben erlangen. Das ist das wahre Opfer: sich selbst hinzugeben, wie es Christus tat, als ein Lösegeld für das Leben der Welt.
31.9 Der Einfluss heiliger Wesen und die Fortdauer ihrer Gnade für die Menschheit, nachdem sie die menschliche Hülle ab gelegt haben, ist für die Bahá’í eine unumstößliche Tatsache, erscheinen doch die überflutenden Gnadengaben, die strömenden Segnungen der heiligen Manifestationen erst nach ihrem Aufstieg aus dieser Welt. Die Erhöhung des Wortes, die Enthüllung der Macht Gottes, die Bekehrung gottesfürchtiger Seelen, die Verleihung ewigen Lebens – all dies wuchs verstärkt nach dem Martyrium des Messias. So mehrten sich auch nach dem Hinscheiden der Gesegneten Schönheit die Gnadengaben, das Licht breitete sich noch strahlender aus, die Zeichen des Herrn und Seiner Macht wurden noch kraftvoller, der Einfluss des Wortes ist viel stärker, und es währt nicht mehr lange, bis die Sonne Seiner Wirklichkeit die ganze Erde mit ihrem Antrieb, ihrer Glut, ihrem Glanz und Segen umfassen wird.
31.10 Sei nicht traurig über den langsamen Fortschritt der Bahá’í-Sache dortzulande. Heute ist erst die frühe Morgendämmerung. Bedenke, wie in der Sache Christi dreihundert Jahre vergehen mussten, ehe ihr großer Einfluss offenkundig wurde. Heute, knapp sechzig Jahre nach seiner Geburt, ist das Licht dieses Glaubens bereits über den Planeten verbreitet.
31.11 Wenn die Gesundheitsorganisation, deren Mitglied du bist, unter den Schutz dieses Glaubens kommt, wird ihr Einfluss hundertfach zunehmen.
31.12 Du siehst, dass die Liebe unter den Bahá’í sehr groß ist, und diese Liebe ist die Hauptsache. Wie die Kraft der Liebe unter den Bahá’í in so hohem Maß entwickelt wurde und viel stärker ist als unter den Angehörigen anderer Religionen, so ist es mit allem anderen; denn die Liebe ist die Grundlage aller Dinge.
31.13 Was die Übersetzung der Bücher und Sendbriefe der Gesegneten Schönheit angeht, werden sie bald in jede Sprache mit Kraft, Klarheit und Anmut übersetzt werden. Sobald sie den Originalen entsprechend übersetzt sind, mit ihrer ganzen Kraft und der Anmut ihres Stils, wird der Strahlenglanz ihrer inneren Bedeutungen sich allenthalben verbreiten und die Augen der ganzen Menschheit erleuchten. Gib dein Bestes, um sicherzustellen, dass die Übersetzung dem Original entspricht.
31.14 Die Gesegnete Schönheit begab sich zu vielen Gelegenheiten nach Haifa. Du hast Ihn dort gesehen, aber du hast Ihn damals noch nicht erkannt. Ich hoffe, du erreichst die wahre Begegnung mit Ihm. Das bedeutet, Ihn mit dem inneren, nicht mit dem äußeren Auge zu sehen.
31.15 Das Wesen der Lehre Bahá’u’lláhs ist allumfassende Liebe; denn die Liebe begreift jede Vortrefflichkeit des Menschengeschlechtes in sich. Sie bewirkt, dass jede Seele voranschreitet. Sie schenkt jedem Menschen als Erbgut das ewige Leben. Bald wirst du Zeuge sein, dass Seine himmlischen Lehren, die Wahrheit in ihrer größten Herrlichkeit, die Himmel dieser Welt erhellen.
31.16 Das kurze Gebet, das du an den Schluß deines Briefes setztest, war in der Tat unverwechselbar, bewegend und schön. Sprich dieses Gebet zu allen Zeiten.
32
32.1 O ihr Dienerinnen des Herrn! In diesem Jahrhundert, dem Jahrhundert des allmächtigen Herrn, scheint die Sonne aus den Reichen der Höhe, das Licht der Wahrheit, in ihrem Mittagsglanz, und ihre Strahlen erleuchten alle Gefilde, denn heute ist das Zeitalter der Urewigen Schönheit, der Tag der Offenbarung des Größten Namens in all seiner Kraft und Macht – möge mein Leben Seinen Geliebten zum Opfer gebracht sein.
32.2 Wenn sich auch die Sache Gottes in den kommenden Zeitaltern entfalten und zur hundertfachen Stärke anwachsen wird, wenn auch der Sadratu’l-Muntahá1 der ganzen Menschheit in seinem Schatten Schutz bieten wird, bleibt doch dieses gegenwärtige Jahrhundert unerreicht; denn es war Zeuge, wie dieser Morgen angebrochen und diese Sonne aufgegangen ist. Dieses Jahrhundert ist wahrlich der Quell Seines Lichtes, der Tagesanbruch Seiner Offenbarung. Künftige Zeitalter und Geschlechter werden die Verbreitung seines Glanzes und die Offenbarungen seiner Zeichen schauen.
1 der „Baum, über den hinaus keiner gehen kann“, die Manifestation Gottes; vgl. BAQ S.321
32.3 Bemüht euch deshalb, dass ihr euren vollen Anteil an Seinen Segnungen erlangt.
33
33.1 O Diener Gottes! Wir haben zur Kenntnis genommen, was du an Jináb-i-Ibn-Abhar geschrieben hast, ebenso deine Frage zu dem Vers: „Wer vor Ablauf eines vollen Jahrtausends den Anspruch auf eine unmittelbare Offenbarung von Gott erhebt, ist gewiss ein Lügner und Betrüger.“1
1 KAQ, ÄL 165
33.2 Dies bedeutet, dass jeder, der vor Ablauf eines vollen Jahrtausends – tausend Jahre wie bekannt, durch allgemeinen Brauch eindeutig festgelegt und keiner Erläuterung bedürftig – den Anspruch auf eine Offenbarung unmittelbar von Gott erhebt, mit Sicherheit falsch und ein Betrüger ist, selbst wenn er bestimmte Zeichen kundtut.
33.3 Dies bezieht sich nicht auf die Universale Manifestation; denn in den Heiligen Schriften ist deutlich dargelegt, dass Jahrhunderte, nein Jahrtausende sich vollenden müssen, ehe eine Manifestation wie diese wieder erscheint.
33.4 Es ist zwar möglich, dass nach Ablauf eines vollen Jahrtausends heilige Wesen ermächtigt werden, eine Offenbarung mitzuteilen; dies wird aber nicht durch eine Universale Manifestation geschehen. Deshalb entspricht jeder Tag im Zyklus der Gesegneten Schönheit in Wirklichkeit einem Jahr und jedes Jahr einem Jahrtausend.
33.5 Betrachte zum Beispiel die Sonne: Ihr Übergang von einem Tierkreiszeichen zum nächsten vollzieht sich in einer kurzen Zeitspanne, doch erst nach einer langen Zeit erreicht sie die ganze Fülle ihres Glanzes, ihrer Hitze und Pracht im Zeichen des Löwen. Sie muss den ganzen Umlauf durch die anderen Sternbilder vollenden, ehe sie wieder ins Zeichen des Löwen eintritt, um in vollem Glanz zu leuchten. In den anderen Häusern zeigt sie nicht die Fülle ihrer Hitze und ihres Lichtes.
33.6 Kern der Aussage ist, dass vor Ablauf von tausend Jahren kein Mensch sich erkühnen kann, auch nur ein Wort davon zu erwähnen. Alle müssen sich zur Klasse der Untertanen rechnen, den Geboten Gottes und den Gesetzen des Hauses der Gerechtigkeit ergeben und gehorsam. Sollte jemand auch nur um Haaresbreite von den Verordnungen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit abweichen oder in seiner Ergebenheit zu ihm schwanken, so gehört er zu den Ausgestoßenen und Verworfenen.
33.7 Was den Zyklus der Gesegneten Schönheit betrifft, das Zeitalter des Größten Namens, so ist es nicht auf tausend oder zweitausend Jahre beschränkt …
33.8 Wenn gesagt wird, dass die Zeitspanne von tausend Jahren mit der Offenbarung der Gesegneten Schönheit beginnt und jeder Tag dieser Zeit tausend Jahre währt, soll sich dies auf den Zyklus der Gesegneten Schönheit beziehen, der sich in diesem Sinn über viele Zeitalter in die noch ungeborene Zukunft hinein erstrecken wird.
34
34.1 O du, der du der Menschenwelt dienst! Dein Brief ist angekommen, und sein Inhalt machte uns außerordentlich froh. Er war ein schlüssiger Beweis, ein prachtvolles Zeugnis. Es ist angemessen und richtig, dass wir in diesem erleuchteten Zeitalter – dem Zeitalter des Fortschritts der Menschenwelt – uns aufopfern und dem Menschengeschlecht dienen sollen. Jede allumfassende Sache ist göttlich, jede begrenzte ist zeitlich. Die Grundsätze der heiligen Manifestationen Gottes waren demnach allumfassend und allumschließend.
34.2 Die unvollkommene Seele ist ichsüchtig und denkt nur an ihr eigenes Wohl. Aber wenn sich ihre Gedanken ein bißchen weiten, beginnt sie, an das Wohl und die Bequemlichkeit ihrer Familie zu denken. Wenn die Vorstellungen noch weiter gerichtet sind, kümmert sich der Mensch um das Glück seiner Mitbürger. Und wenn er noch weiter denkt, hat er den Ruhm seines Landes und seiner Rasse im Sinn. Wenn jedoch die Gedanken und Einsichten sich im höchsten Grade weiten, die Stufe der Vollkommenheit erreichen, wird sich der Mensch die Erhöhung des Menschengeschlechts angelegen sein lassen. Er wünscht dann allen Menschen das Beste und müht sich um Wohlergehen und Wohlfahrt aller Länder. Das ist ein Zeichen der Vollkommenheit.
34.3 So hatten die heiligen Manifestationen Gottes einen umfassenden, allumschließenden Plan. Sie mühten sich um das Leben eines jeden und stellten sich in den Dienst allgemeiner Erziehung. Ihr Betätigungsfeld war nicht begrenzt, nein, es war weit und allumfassend.
34.4 Deshalb musst auch du an alle denken, damit die Menschheit erzogen werde, ihr Charakter sich mäßige und diese Welt sich in einen Garten Eden verwandle.
34.5 Liebe alle Religionen und alle Rassen mit wahrer, aufrichtiger Liebe und zeige diese Liebe durch Taten, nicht durch Worte; denn letztere sind unbedeutend, da die meisten Menschen dem Wort nach schon Menschenfreunde sind. Die Tat aber ist das Beste.
35
35.1 O Heerschar Gottes! Ein Brief, von euch allen unterschrieben, ist angekommen. Er war sehr beredt und voll Duft; es war eine Freude, ihn zu lesen.
35.2 Ihr schreibt über den Fastenmonat. Glücklich seid ihr, dass ihr dem Gebote Gottes gehorcht und das Fasten in der heiligen Zeit gehalten habt; denn körperliches Fasten ist äußeres Zeichen geistigen Fastens, es ist ein Symbol für Selbstzucht, dafür, dass man sich aller Triebe des Selbstes enthält, die Merkmale des Geistes annimmt, vom Himmelsodem weggetragen wird und an der Liebe Gottes Feuer fängt.
35.3 Euer Brief zeigt auch eure Einheit und Herzensverbundenheit. Ich hoffe, dass der Westen durch die grenzenlose Gnade, die Gott in diesem Zeitalter vergießt, zum Osten wird, zum Aufgangsort für die Sonne der Wahrheit, und dass die westlichen Gläubigen Morgenlichter werden, Offenbarer der Zeichen Gottes, dass sie vor den Zweifeln der Achtlosen beschützt bleiben, fest und unverrückbar im Bund und Testament; dass sie sich Tag und Nacht mühen, bis sie die Schlafenden erwecken, die Ahnungslosen achtsam machen, die Verstoßenen als vertraute Freunde in den engsten Kreis einbeziehen und den Mittellosen ihren Anteil an der ewigen Gnade geben. Lasst sie Rufer des Königreiches sein, laut die Bewohner dieser niederen Welt herbeirufen und zum Eintritt in das Reich der Höhe auffordern.
35.4 O Heerschar Gottes! In dieser Welt irrt jedes Volk durch seine eigene Wüste, kreuz und quer, wie es ihm Wahn und Launen eingeben, jeder seiner eigenen Grille folgend. Im Menschengewimmel der Erde ist allein die Gemeinde des Größten Namens los und frei von menschlichen Ränken; nur sie verfolgt keine eigennützigen Zwecke. Allein dieses Volk hat sich vor allen anderen mit Vorsätzen erhoben, die von der Selbstsucht gereinigt sind. So folgt es den Lehren Gottes, so schafft es und müht sich um das eine Ziel: diesen niedrigen Staub in den höchsten Himmel zu verwandeln, diese Welt zum Spiegel des Gottesreiches zu machen, sie zu verändern in eine andere Welt, damit die ganze Menschheit den Pfad der Rechtschaffenheit wandle und sich eine neue Lebensart zu eigen mache.
35.5 O Heerschar Gottes! Unter dem Schutz und mit der Hilfe der Gesegneten Schönheit – möge mein Leben ein Opfer für Seine Geliebten sein – sollt ihr euch so verhalten, dass ihr vornehm und leuchtend wie die Sonne unter den Menschenseelen hervorragt. Wenn einer von euch in eine Stadt kommt, soll er durch seine Aufrichtigkeit, seine Lauterkeit und Liebe, seine Ehrlichkeit und Treue, seine Wahrheitsliebe und Güte gegenüber allen Völkern der Welt zu einem Brennpunkt der Anziehungskraft werden, so dass die Menschen dieser Stadt ausrufen und sagen: „Dieser Mann ist ohne Zweifel ein Bahá’í, denn sein Benehmen, seine Haltung, seine Lebensweise, seine Sitten, seine Art und sein Wesen spiegeln die Eigenschaften der Bahá’í wider.“ Bevor ihr diese Stufe erreicht, kann man nicht sagen, dass ihr dem Bund und Testament Gottes treu ergeben seid. Denn Er ist mit uns allen in unwiderleglichen Texten ein festes Bündnis eingegangen; es fordert von uns, dass wir nach Seinen heiligen Geboten und Ratschlägen handeln.
35.6 O Heerschar Gottes! Jetzt ist die Zeit, die Wirkungen und Vollkommenheiten des Größten Namens in diesem herrlichen Zeitalter offenbar zu machen, um über alle Zweifel erhaben zu beweisen, dass dies das Zeitalter Bahá’u’lláhs ist, vor allen anderen Zeitaltern ausgezeichnet.
35.7 O Heerschar Gottes! Wenn ihr einen Menschen seht, dessen ganze Aufmerksamkeit auf die Sache Gottes gerichtet ist, dessen einziges Bestreben es ist, dem Worte Gottes zur Wirkung zu verhelfen, der Tag und Nacht aus reiner Absicht der Sache Gottes dient, in dessen Verhalten nicht die geringste Spur von Egoismus oder eigensüchtigen Motiven zu erkennen ist, der vielmehr wie von Sinnen durch die Wildnis der Liebe Gottes wandert, nur aus dem Kelch der Gotterkenntnis trinkt und völlig darin aufgeht, Gottes süße Düfte zu verbreiten, verliebt in die heiligen Verse des Gottesreiches – so wisset fürwahr, dass dieser Mensch den Beistand und die Kraft des Himmels erhalten wird. Wie der Morgenstern wird er immerdar hell vom Firmament ewiger Gnade leuchten. Aber wenn er auch nur den geringsten Anflug von selbstischen Wünschen und Eigenliebe zeigt, werden seine ganzen Anstrengungen zunichte; er wird zerstört und bleibt hoffnungslos zurück.
35.8 O Heerschar Gottes! Preis sei Gott! Bahá’u’lláh löst der Menschheit die Ketten vom Nacken. Er befreit den Menschen von allem, was ihn fesselte, und sagt ihm: Ihr seid alle die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges. Seid mitleidsvoll und gütig zum ganzen Menschengeschlecht! Behandelt Fremde wie Freunde! Haltet andere so lieb wie euer eigen Fleisch und Blut! Betrachtet Feinde als Freunde, Dämonen als Engel! Bezeugt dem Tyrannen die gleiche große Liebe wie den Ergebenen und Getreuen, und wie Gazellen aus den duftenden Städten Khatá und Khutan1 bietet dem reißenden Wolf süßen Moschus. Seid den Furchtsamen eine Zuflucht, bringt den Verstörten Ruhe und Frieden, versorgt die Mittellosen, seid eine volle Schatzkammer für die Armen, eine Arznei für die Leidenden, Arzt und Pfleger für die Gebrechlichen, fördert Freundschaft, Ehre, Aussöhnung und Hingabe an Gott in dieser nichtigen Welt.
1 Chinesische Städte bekannt für ihre moschusproduzierenden Tiere
35.9 O Heerschar Gottes! Strengt euch mächtig an; dann könnt ihr diese Erde so mit Licht überfluten, dass diese Lehmhütte, die Welt, zum Paradies Abhá wird. Dunkel hat sich ausgebreitet, tierische Triebe gewinnen die Oberhand. Die Menschenwelt ist jetzt eine Kampfbahn wilder Bestien, ein Schlachtfeld, auf dem die Unwissenden und die Achtlosen ihre Gelegenheit ergreifen. Die Menschenseelen sind reißende Wölfe, Tiere mit verblendeten Augen; sie sind tödliches Gift oder nutzloses Unkraut – bis auf ganz wenige, die tatsächlich selbstlose Ziele und Pläne für das Wohl ihrer Mitmenschen hegen. Ihr aber müsst in dieser Sache, im Dienst an der Menschheit, euer ganzes Leben opfern, und wenn ihr euch so hingebt, müsst ihr frohlocken.
35.10 O Heerschar Gottes! Der Erhabene, der Báb, gab Sein Leben hin. Bahá’u’lláh, die Gesegnete Vollkommenheit, gab hundert Leben hin mit jedem Atemzug. Er trug Elend, Er litt Qualen, Er war eingekerkert, Er lag in Ketten. Er verlor Sein Heim und wurde in ferne Länder verbannt. Schließlich lebte Er bis ans Ende Seiner Tage im Größten Gefängnis. Ebenso hat eine große Anzahl der Geliebten Gottes, die Seinem Wege folgten, den Honig des Martyriums gekostet. Sie gaben alles hin: Leben, Besitz, Verwandtschaft, alles, was sie hatten. Wieviele Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht, wieviele Wohnungen wurden aufgebrochen und ausgeraubt, wieviele herrliche Gebäude liegen in Schutt und Asche, wieviele Paläste wurden zu Gräbern zerschlagen! Und all dies geschah, damit die Menschheit erleuchtet werde, damit Unwissenheit der Erkenntnis weiche, damit die Erdenmenschen zu Himmelsmenschen werden, Zwietracht und Uneinigkeit mit den Wurzeln ausgerissen werden, das Reich des Friedens auf der ganzen Welt errichtet werde. Nun strebet danach, dass diese Segensgabe sich zeige und diese höchste aller Hoffnungen in der Gemeinschaft aller Menschen glanzvoll verwirklicht werde.
35.11 O Heerschar Gottes! Hütet euch, eine Seele zu kränken, ein- Herz zu betrüben oder einen Menschen mit euren Worten zu verletzen, sei er euer Bekannter oder ein Fremdling, Freund oder Feind. Betet für alle; bittet, dass alle selig werden und Vergebung finden. Hütet euch, hütet euch, Rache zu nehmen, selbst dann, wenn jemand nach eurem Blut dürstet. Hütet euch, hütet euch, die Gefühle eines anderen zu verletzen, auch wenn er ein Übeltäter ist und euch Böses wünscht. Schaut nicht auf die Geschöpfe, wendet euch ihrem Schöpfer zu. Überseht die nichtsnutzigen Leute, seht nur den Herrn der Heerscharen. Starrt nicht nieder in den Staub, schauet empor zur strahlenden Sonne, die jeden Flecken dunkler Erde im Lichte glühen lässt.
35.12 O Heerschar Gottes! Widerfährt euch Unheil, so seid geduldig und gelassen. Wie quälend euer Leid auch sei, bleibt ruhig, und mit vollkommenem Vertrauen auf Gottes überströmende Gnade trotzet dem Sturm der Trübsal und des feurigen Gottesgerichts.
35.13 Im vergangenen Jahr brachte eine Anzahl Ungläubiger von drinnen und draußen, altbekannte und fremde, vor dem Sultan der Türkei Verleumdungen gegen uns heimatlos Verbannte vor, schwere Anschuldigungen ohne jede Grundlage. Nach den Regeln der Klugheit entschloß sich die Regierung, diese Vorwürfe zu prüfen, und entsandte eine Untersuchungskommission in unsere Stadt. Es ist offenkundig, welche Möglichkeit sich damit den uns übel Gesinnten bot und welchen Sturm sie entfesselten; all dies übersteigt jede Schilderung durch die Zunge oder die Feder. Nur ein Augenzeuge kann wissen, welchen Aufruhr sie entfesselten, welches Erdbeben an Schmerzen die Folge war. Aber trotz alledem war die Antwort, sich ganz auf Gott zu verlassen und gelassen, vertrauensvoll, langmütig und ungestört in solchem Maße zu bleiben, dass ein Uneingeweihter uns für behaglich an Leib und Seele, vollkommen glücklich, blühend und friedevoll gehalten hätte.
35.14 Dann kam es soweit, dass die Denunzianten selbst, welche die verleumderischen Behauptungen gegen uns vorgebracht hatten, mit den Kommissionsmitgliedern gemeinsame Sache machten, um die Beschuldigungen zu ermitteln, so dass Kläger, Zeugen und Richter alle dieselben waren und das Ergebnis von vornherein ausgemacht war. Dennoch muss fairerweise festgestellt werden, dass bis jetzt Seine Majestät der Sultan der Türkei diesen falschen Anschuldigungen, dieser üblen Nachrede, dieser Schmach, diesen Fabeln und Verleumdungen keine Beachtung geschenkt und mit Gerechtigkeit gehandelt hat …
35.15 „O Du unser Versorger! Du hast über die Freunde im Westen die Düfte des Heiligen Geistes gehaucht und den Himmel im Westen mit dem Lichte göttlicher Führung erleuchtet. Du hast zu Dir hingezogen, die einstmals fern von Dir waren. Fremde hast Du in liebreiche Freunde verwandelt, die Schlafenden erweckt und die Nachlässigen achtsam gemacht.“
35.16 „O Du unser Versorger! Steh diesen edlen Freunden bei, Dein Wohlgefallen zu gewinnen und Fremden wie Freunden wohlgesonnen zu sein. Geleite sie in die ewige Welt, lass sie himmlischer Gnade teilhaftig sein und wirkliche Bahá’í werden, aufrichtig vor Gott. Bewahre sie vor Äußerlichkeit, gründe sie fest in der Wahrheit. Mache sie zu Zeichen und Beweisen für Dein Reich, zu funkelnden Sternen hoch über den Niederungen dieses Lebens. Lass sie Hilfe und Trost für die Menschheit, Diener des Weltfriedens sein. Entzücke sie mit dem Wein Deines Ratschlusses und gib, dass sie alle auf dem Pfade Deiner Gebote wandeln.“
35.17 „O Du unser Versorger! Es ist dieses Dieners Herzenswunsch an Deiner Schwelle, die Freunde des Westens und des Ostens in fester Umarmung zu schauen, alle Mitglieder der menschlichen Gesellschaft voll Liebe in einer großen Gemeinde vereint zu sehen, wie die in einem mächtigen Meere versammelten Tropfen, wie die Vögel eines einzigen Rosengartens, die Perlen eines Ozeans, die Blätter eines Baumes, die Strahlen einer Sonne.“
35.18 „Du bist der Mächtige, der Gewaltige, und Du bist der Gott der Stärke, der Allmächtige, der Allsehende.“
36
36.1 O ihr beiden begünstigten Mägde des Herrn! Der Brief von Mutter Beecher ist eingetroffen. Er spricht in Wahrheit für euch beide. Deshalb schreibe ich euch beiden zusammen. Das ist für mich wundervoll; denn ihr beiden reinen Wesen seid wie ein einziger wertvoller Juwel, ihr seid zwei Zweige desselben Baumes, ihr betet beide denselben Geliebten an, ihr sehnt euch beide nach derselben strahlenden Sonne.
36.2 Es ist meine Hoffnung, dass sich alle Mägde Gottes dortzulande vereinen wie die Wellen einer unendlichen See. Der Wind bewegt sie nach seinem Belieben, jede ist von den andern getrennt, aber in Wahrheit sind sie alle eins mit der grenzenlosen Tiefe.
36.3 Wie gut ist es doch, wenn die Freunde sich so nahe sind wie ein Bündel Strahlen, wenn sie Seite an Seite stehen in einer starken, ungebrochenen front. Denn jetzt vereint die Sonne der Welt des Seins mit ihren Strahlen der Wirklichkeit alle, die dieses Licht anbeten; in unendlicher Gnade sammeln diese Strahlen alle Völker unter diesem breiten Obdach. Deshalb müssen alle Seelen wie eine einzige Seele werden, alle Herzen wie ein Herz. Lasst alle frei werden von den vielfältigen Eigenarten, die aus Lust und Leidenschaft geboren sind, und lasst sie in der Einheit ihrer Liebe zu Gott eine neue Lebensbahn finden.
36.4 O ihr beiden Mägde Gottes! Jetzt ist es Zeit für euch, dass ihr segenspendende Kelche werdet, gefüllt bis zum Rand, belebende Winde aus dem Paradies Abhá, Moschusduft über euer Land verbreitend. Macht euch frei vom Leben dieser Welt. Sehnt euch auf jeder Stufe nach dem Nichtsein; denn wenn der Strahl zur Sonne zurückkehrt, wird er ausgelöscht; wenn der Tropfen zum Meer zurückkommt, verschwindet er, und wenn der aufrichtig Liebende seinen Geliebten findet, gibt er seine Seele auf.
36.5 Solange ein Wesen seinen Fuß nicht auf das Feld des Opfers setzt, ist es jeder Gunst und Gnade beraubt. Das Feld des Opfers aber ist der Zustand, da das Selbst stirbt, damit der strahlende Glanz des lebendigen Gottes hervorbrechen kann. Das Feld des Martyriums ist der Ort der Loslösung vom Selbst, der Ort, wo die Hymnen der Ewigkeit emporsteigen können. Tut, was ihr vermögt, um eures Selbstes völlig überdrüssig zu werden, und bindet euch an jenes strahlende Antlitz. Sowie ihr diese Höhen der Dienstbarkeit erreicht habt, werdet ihr alle erschaffenen Dinge in eurem Schatten versammelt finden. Das ist grenzenlose Gnade; das ist die höchste Souveränität. Das ist das Leben, das nicht vergeht. Alles andere ist letztlich nur offenbare Verdammnis und schlimmer Verlust.
36.6 Preis sei Gott, das Tor grenzenloser Gnade ist weit geöffnet, die himmlische Tafel ist gedeckt, die Diener des Barmherzigen und Seine Mägde sind zum Fest versammelt. Strebt danach, euren Anteil an diesem ewigen Mahl zu erhalten, damit ihr in dieser und der zukünftigen Welt geliebt und geachtet seid.
37
37.1 O ihr lieben Freunde Abdu’l-Bahás! Ein gesegneter Brief von euch ist eingegangen; er berichtet über die Wahl eines Geistigen Rates. Mein Herz wurde sehr froh, als ich hörte, dass die Freunde jenes Gebietes – gelobt sei Gott – in vollkommener Einheit, Freundschaft und Liebe die neue Wahl abgehalten haben und dass es ihnen gelungen ist, Seelen zu wählen, die geheiligt sind, begünstigt an der Heiligen Schwelle, bekannt unter den Freunden für ihre Standhaftigkeit und Festigkeit im Bündnis.
37.2 Jetzt müssen sich diese gewählten Vertreter erheben, in Geistigkeit und Freude zu dienen, in reiner Absicht, stark angezogen vom Duft des Allmächtigen, kraftvoll gestützt vom Heiligen Geist. Lasst sie das Banner der Führung hissen, und als Soldaten der himmlischen Heerscharen lasst sie Gottes Wort erhöhen, Seinen süßen Duft verbreiten, die Menschenseelen erziehen und den Größten Frieden fördern.
37.3 Wahrlich, es wurden gesegnete Seelen gewählt. Im Augenblick, als ich ihre Namen las, überlief mich ein Schauer geistiger Freude, weil ich erkannte, dass dortzulande – gelobt sei Gott – Menschen erweckt wurden, welche Diener des Königreiches und bereit sind, ihr Leben für Ihn, der Seinesgleichen nicht hat, hinzugeben.
37.4 O meine lieben Freunde! Erleuchtet diesen Rat mit dem Glanz der Gottesliebe. Lasst ihn laut die freudigen Weisen der Himmelssphären anstimmen. Lasst ihn gedeihen durch die Speisen beim Abendmahl des Herrn, an der himmlischen Festtafel Gottes. Versammelt euch in ungetrübter Freude und sprecht zu Beginn eurer Zusammenkunft dieses Gebet:
37.5 „O Du Herr des Königreiches! Leiblich sind wir hier versammelt, doch unsere verzückten Herzen sind von Deiner Liebe fortgetragen. Hingerissen sind wir vom Strahlenglanz Deines Antlitzes. Schwach, wie wir sind, harren wir der Offenbarungen Deiner Macht und Gewalt. Arm sind wir und mittellos, doch aus Deines Reiches Schatzkammern erhalten wir Wohlstand die Fülle. Nur Tropfen sind wir, doch speisen wir uns aus den Tiefen Deines Meeres. Nur Staubkörner sind wir, doch leuchten wir in Deiner Sonne herrlichem Strahlenglanz.“
37.6 „O Du unser Versorger! Sende Deine Hilfe auf uns nieder, so dass jeder von uns hier eine leuchtende Kerze werde, ein Anziehungspunkt, ein Bote, der zu Deinen himmlischen Reichen ruft, bis wir schließlich die Welt hienieden zum Spiegelbild Deines Paradieses machen.“
37.7 O ihr meine lieben Freunde! Es ist die Pflicht der Räte jener Gebiete, miteinander in Verbindung und Briefverkehr zu stehen. Auch sollen sie sich mit den Räten im Osten austauschen, so dass sie Mittler für die Vereinigung der ganzen Welt werden.
37.8 O ihr geistigen Freunde! Eure Standhaftigkeit muss so groß sein, dass – sollten die Böswilligen alle Gläubigen töten und nur einen einzigen übrig lassen – der letzte Überlebende allein allen Völkern der Erde widerstünde und weiterhin nah und fern die heiligen Düfte Gottes verbreitete. Wenn euch eine Schreckensnachricht, ein Wort über schlimme Begebenheiten aus dem Heiligen Land erreicht, so sorgt dafür, dass ihr nicht wankt; seid nicht niedergeschlagen vor Kummer, seid nicht erschüttert. Vielmehr erhebt euch sofort mit eiserner Entschlossenheit und dient dem Reiche Gottes.
37.9 Dieser Diener an der Schwelle des Herrn war stets in Gefahr. Er ist auch jetzt in Gefahr. Zu keiner Zeit gab es für mich die geringste Hoffnung auf Sicherheit. Mein höchster Wunsch ist, aus dem gnadenreichen, randvollen Becher des Martyriums zu trinken, auf dem Feld des Opfers sterben zu dürfen und mich an jenem Wein zu laben, der das kostbarste Geschenk Gottes ist. Dies ist meine höchste Hoffnung, mein innigstes Sehnen.
37.10 Wir hören, dass die Sendschreiben Ishráqát, Tarázát, Bishárát, Tajallíyyát und Kalimát1 übersetzt und dortzulande veröffentlicht worden sind. In diesen Sendschreiben findet ihr ein Modell dafür, wie man sein und wie man leben soll.
1 Bahá’u’lláh, BAQ 8, 4, 3, 5 und 6
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38.1 O Dienerin Gottes, die du dich wie ein frischer, zarter Zweig im Windhauch der Liebe Gottes bewegst! Ich habe deinen Brief gelesen, der von deiner grenzenlosen Liebe, deiner tiefen Ergebenheit und deinem steten Gedenken an deinen Herrn kündet.
38.2 Verlasse dich auf Gott. Gib deinen eigenen Willen auf und halte an dem Seinen fest, lass deine Wünsche beiseite und nimm die Seinen an, auf dass du Seinen Dienerinnen ein heiliges, geistiges Vorbild aus Gottes Reich werdest.
38.3 Wisse, o Dienerin, dass vor dem Antlitz Bahás die Frauen so viel gelten wie die Männer und dass Gott die ganze Menschheit nach Seinem Ebenbild erschaffen hat. Dies bedeutet, dass Männer und Frauen gleichermaßen die Verkünder Seiner Namen und Eigenschaften sind und vom geistigen Standpunkt aus keinen Unterschied zwischen ihnen besteht. Wer sich Gott nähert, ob Mann oder Frau, hat die größte Gunst erlangt. Wie viele glühend ergebene Dienerinnen haben sich im schützenden Schatten Bahás den Männern überlegen erwiesen und selbst die Berühmten der Erde überflügelt.
38.4 Das Haus der Gerechtigkeit jedoch ist gemäß dem ausdrücklichen Text des Gesetzes Gottes nur für Männer bestimmt; dies ist eine der Weisheiten Gottes, des Herrn, welche in absehbarer Zeit so klar wie die Sonne am Mittag offenbar werden wird.
38.5 Was nun euch betrifft, o ihr anderen Dienerinnen, die ihr die himmlischen Düfte liebt, haltet heilige Versammlungen ab und gründet Geistige Räte, denn sie sind die Grundlage für die Verbreitung der süßen Düfte Gottes; sie erhöhen Sein Wort, halten die Lampe Seiner Gnade hoch, verkünden Seine Religion und verbreiten Seine Lehren – und welche Gnade ist größer als diese? Diese Geistigen Räte werden vom Geist Gottes unterstützt. Ihr Verteidiger ist Abdu’l-Bahá. Über sie breitet Er Seine Flügel aus. Welche Gnade ist größer als diese? Diese Geistigen Räte sind strahlende Leuchten und himmlische Gärten, aus denen die Düfte der Heiligkeit über alle Regionen wehen und die Leuchten der Erkenntnis über alles Erschaffene strahlen. Von ihnen strömt der Geist des Lebens nach allen Richtungen. Sie sind wahrlich zu allen Zeiten und unter allen Umständen die mächtigen Quellen des Fortschritts für den Menschen. Welche Gnade ist größer als diese?
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39.1 O Magd Gottes! Dein Brief ist angekommen mit der Nachricht, dass in jener Stadt ein Rat errichtet wurde.
39.2 Schaut nicht auf eure geringe Zahl, sucht vielmehr nach Herzen, die rein sind. Eine geheiligte Seele ist tausend anderen Seelen vorzuziehen. Wenn eine Handvoll Menschen sich in Liebe, in völliger Reinheit und Heiligkeit mit von der Welt gelösten Herzen versammelt, wenn sie dabei die Empfindungen des Königreiches und die machtvoll anziehende Kraft des Göttlichen verspürt, wenn sie eins ist in froher Gemeinschaft, so wird diese Versammlung ihren Einfluss über die ganze Erde breiten. Das Wesen dieser Menschen, die Worte, die sie sprechen, die Taten, die sie tun, setzen die Segnungen des Himmels frei und lassen einen Schimmer der ewigen Seligkeit ahnen. Die himmlischen Heerscharen werden sie verteidigen, die Engel des Paradieses Abhá werden ohne Unterlass zu ihrer Hilfe herabsteigen.
39.3 „Engel“ bedeuten die Bestätigungen Gottes und Seine himmlischen Kräfte. Auch sind Engel gesegnete Wesen, die alle Bindungen zur niederen Welt gelöst haben, befreit von den Ketten des Selbstes und den Wünschen des Fleisches, die Herzen verankert in den himmlischen Gefilden des Herrn. Sie sind aus dem Königreich und himmlisch, sie sind von Gott und geistig, sie offenbaren Gottes reiche Gnade, sie sind Aufgangsorte Seiner geistigen Segnungen.
39.4 O Dienerin Gottes! Gepriesen sei Gott, dein lieber Mann verspürt die süßen Düfte, die aus den Gärten des Himmels wehen. Nun musst du ihn Tag für Tag durch die Liebe Gottes und deine guten Taten immer näher zum Glauben hinziehen.
39.5 Das waren wahrhaftig schreckliche Geschehnisse in San Franzisko.1 Katastrophen dieser Art sollen dazu dienen, die Menschen wachzurütteln und die Liebe ihrer Herzen zu dieser unbeständigen Welt zu schwächen. Nur in dieser niederen Welt geschehen so tragische Dinge: Dies ist der Becher, der bitteren Wein bietet.
1 das Erdbeben von 1906
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40.1 O ihr Geliebten Abdu’l-Bahás! Ich habe eure Berichte mit großer Freude gelesen; sie sind von einer Art, die das Herz ermuntert und erfrischt, die Seele glücklich macht. Wenn euer Rat durch den heiligen Hauch des Allbarmherzigen und durch Seine göttlichen Bestätigungen beharrlich, fest und standhaft bleibt, wird er beachtliche Ergebnisse hervorbringen und mit Unternehmungen von großer Tragweite Erfolg haben.
40.2 Die Geistigen Räte, die in diesem Zeitalter Gottes, in diesem heiligen Jahrhundert, zu errichten sind, hatten unbestreitbar nicht ihres gleichen in den vergangenen Zyklen, waren doch Ratsversammlungen, die Macht ausübten, bisher auf die Unterstützung kraftvoller Führerpersönlichkeiten angewiesen, während diese Räte auf die Hilfe der Schönheit Abhá gegründet sind. Verteidiger und Schutzherr jener anderen Ratsversammlungen war ein Fürst, ein König, ein Hohepriester oder die Masse des Volkes. Doch diese Geistigen Räte haben als Beschützer, Erhalter, Helfer und Beleber den allgewaltigen Herrn.
40.3 Schaut nicht auf die Gegenwart. Richtet euren Blick auf künftige Zeiten. Wie klein ist der Same zu Beginn, aber am Ende ist er ein mächtiger Baum. Schaut nicht auf den Samen, schaut auf den Baum, auf seine Blüten, Blätter und Früchte. Denkt an die Zeit Christi, als nur ein kleines Häuflein Ihm nachfolgte, und seht, was für ein mächtiger Baum aus diesem Samen wurde, seht seine Früchte. Nun werden noch größere Ereignisse eintreten; denn dies ist die Vorladung des Herrn der Heerscharen, dies ist der Posaunenstoß des lebendigen Herrn, dies ist die Hymne des Weltfriedens, dies ist das Banner der Redlichkeit, des Vertrauens und der Verständigung, aufgepflanzt inmitten all der vielfarbigen Völker des Erdballs. Dies ist die Sonne der Wahrheit mit ihrem Strahlenglanz; dies ist der Geist Gottes in all Seiner Heiligkeit. Diese mächtigste Sendung wird die ganze Erde umspannen; unter ihrem Banner werden sich alle Völker versammeln und Schutz finden. Deshalb wisset um die lebensnotwendige Bedeutung dieses zarten Samens, den der wahre Landmann mit den Händen Seines Erbarmens in die gepflügten Felder des Herrn säte und mit den Schauern der Segnungen und Gnadengaben wässerte; nun lässt Er ihn wachsen und gedeihen in der Wärme und im Lichte der Sonne der Wahrheit.
40.4 Deshalb, o ihr Geliebten Gottes, bringt Ihm euren Dank dar, denn Er lässt euch solchen Segen zukommen, solche Gaben empfangen. Selig seid ihr, mit dieser reichen Gnade wird euch frohe Botschaft zuteil.
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41.1 O du, der du treu und standhaft im Bündnis bist! Der Brief, den du geschrieben hast, … wurde mir gezeigt; die darin ausgedrückten Ansichten sind sehr lobenswert. Es ist die Pflicht des Geistigen Beratungsgremiums von New York, mit dem von Chicago voll übereinzustimmen. Beide Beratungsgremien müssen gemeinsam gutheißen, was sie für die Veröffentlichung und Verteilung geeignet finden. Anschließend mögen sie eine Kopie nach ‚Akká schicken, damit es auch hier gebilligt werde. Sodann wird das Material zurückgeschickt, damit es veröffentlicht und verbreitet werden kann.
41.2 Die Frage des Zusammenwirkens und der Übereinkunft der beiden Geistigen Räte von Chicago und New York ist von allergrößter Wichtigkeit, und sobald in Washington ordnungsgemäß ein Geistiger Rat gebildet ist, sollten jene beiden Räte auch zu diesem Geistigen Rat Bande der Einheit knüpfen. Zusammengefaßt: Es ist der Wunsch Gottes, des Herrn, dass die Geliebten Gottes und die Dienerinnen des Barmherzigen im Westen Tag für Tag in Harmonie und Einheit enger zusammenkommen. Solange das nicht erreicht ist, wird die Arbeit nicht voranschreiten. Die Geistigen Räte sind vereint das wirksamste Werkzeug, um Einheit und Harmonie zu bewirken. Diese Angelegenheit hat höchste Bedeutung; dies ist der Magnet, der die Bestätigungen Gottes anzieht. Wenn dereinst die Einheit zwischen den Freunden – diese göttliche Geliebte – in all ihrer Schönheit mit dem Schmuck des Reiches Abhá angetan ist, werden jene Länder sicherlich in kurzer Zeit zum Paradies des Allherrlichen werden, und vom Westen her wird der Strahlenglanz der Einheit sein helles Licht auf die ganze Erde werfen.
41.3 Wir bemühen uns mit Herz und Seele, ohne Rast bei Tag und Nacht, ohne auch nur einen Augenblick der Ruhe, die Menschenwelt zum Spiegel der Einheit Gottes zu machen. Wieviel mehr müssen also die Geliebten des Herrn diese Einheit widerspiegeln? Und diese sehnliche Hoffnung, dieser unser brennender Wunsch wird erst dann sichtbar erfüllt sein, wenn sich die wahren Freunde Gottes erheben, die Lehren der Schönheit Abhá – möge mein Leben ein Lösegeld für Seine Geliebten sein – in die Tat umzusetzen. Eine Seiner Lehren lautet, dass Liebe und gute Absicht das Menschenherz so beherrschen müssen, dass die Menschen den Fremden als vertrauten Freund sehen, den Übeltäter als einen der ihren, den Ausländer als einen Angehörigen, den Feind als einen teuren, engen Gefährten. Wer sie tötet, den werden sie einen Lebensspender nennen; wer sich von ihnen abwendet, dem werden sie begegnen, als kehrte er sich ihnen zu; wer ihre Botschaft ablehnt, den werden sie betrachten, als anerkenne er die Wahrheit. Das bedeutet, sie müssen die ganze Menschheit so behandeln, wie sie die ihnen Wohlgesonnenen behandeln, ihre Mitgläubigen, ihre Angehörigen und ihre vertrauten Freunde.
41.4 Sollte diese Fackel die Weltgemeinschaft erleuchten, so werdet ihr bemerken, dass die ganze Erde einen Duft hervorbringt, dass sie ein wonnevolles Paradies geworden ist, dass ihre Oberfläche des höchsten Himmels Ebenbild ist. Dann wird die ganze Welt ein einziges Heimatland, ihre verschiedenen Völker ein einziges Geschlecht, die Nationen des Ostens und des Westens eine Hausgemeinschaft.
41.5 Ich hoffe sehr, dass dieser Tag kommen wird, dass dieser Glanz aufleuchtet, dass diese Schau in ihrer ganzen Schönheit enthüllt wird.
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42.1 O ihr Mitarbeiter, gestützt von Heerscharen aus dem Reich des Allherrlichen! Selig seid ihr, denn ihr seid im schützenden Schatten des Wortes Gottes zusammengekommen und habt Zuflucht gefunden in der Grotte Seines Bundes; ihr habt euren Herzen Frieden gebracht, indem ihr euch im Paradiese Abhá eingerichtet habt und von den sanften Winden aus dem Quell Seiner Güte wiegen lasset. Ihr habt euch erhoben, der Sache Gottes zu dienen, Seinen Glauben nah und fern zu verbreiten, Sein Wort zu künden und hoch die Banner der Heiligkeit aufzurichten in allen jenen Landen.
42.2 Beim Leben Bahás! Wahrlich, die vollkommene Kraft der Göttlichen Wirklichkeit wird euch die Segnungen des Heiligen Geistes einhauchen und euch helfen, eine Heldentat zu vollbringen, wie sie das Auge der Schöpfung noch nie geschaut hat.
42.3 O Gemeinschaft des Bundes! Wahrlich, die Schönheit Abhá gab den im Bündnis standhaften Geliebten das Versprechen, dass Er ihre Bestrebungen stärke mit dem stärksten Beistand und ihnen helfe mit Seiner siegreichen Macht. In kurzer Zeit werdet ihr sehen, wie eure erleuchtete Versammlung deutliche Zeichen und Merkmale in die Herzen und Seelen der Menschen prägt. Faßt Gottes Gewand fest am Saum und lenkt all euren Eifer darauf, Seinen Bund zu fördern und im Feuer Seiner Liebe immer heller zu lodern, auf dass eure Herzen vor Freude tanzen im Odem der Dienstbarkeit, der Abdu’l-Bahás Brust entströmt. Sammelt eure Herzen, macht eure Schritte fest, vertraut auf die nie endenden Segensgaben, die eine nach der anderen aus dem Reich Abhá über euch kommen. Wann immer ihr in dieser strahlenden Versammlung zusammenkommt, seid gewiss, dass Bahás Strahlenglanz über euch leuchtet. Ihr müsst Übereinstimmung suchen und einig sein; ihr müsst in enger Verbindung zueinander stehen, eins sein mit Leib und Seele, bis ihr den Plejaden gleicht oder einer Kette glänzender Perlen. So werdet ihr fest stehen, so wird euer Wort gelten, euer Stern wird strahlen, und eure Herzen werden getröstet sein …
42.4 Wenn ihr den Beratungsraum betretet, sprecht dieses Gebet mit einem Herzen, das pocht aus Liebe zu Gott, und mit einer Zunge, die geläutert ist von allem außer Seinem Gedenken, auf dass der Allmächtige euch gnädiglich helfe, den höchsten Sieg zu erringen:
42.5 „O Gott, mein Gott! Wir sind Deine Diener, die sich in Ergebenheit Deinem heiligen Antlitz zuwenden und sich an diesem herrlichen Tag von allem außer Dir loslösen. Wir sind zusammen gekommen in diesem Geistigen Rat, einig in unseren Ansichten und Gedanken, und wir stimmen überein in dem Vorsatz, Dein Wort vor aller Menschheit zu erhöhen. O Herr, unser Gott! Mache uns zu Zeichen Deiner göttlichen Führung, zu Bannern Deines erhabenen Glaubens unter den Menschen, zu Dienern Deines mächtigen Bündnisses, o Du unser höchster Herr, zu Offenbarungen Deiner göttlichen Einheit in Deinem Reich Abhá und zu strahlenden Sternen, die über alle Regionen scheinen. Herr, hilf uns, dass wir Meeren gleichen, die in den Wogen Deiner wundersamen Gnade branden, Wassern, die von Deinen allherrlichen Höhen fließen, guten Früchten am Baume Deiner himmlischen Sache, Bäumen, die der Windhauch Deiner Großmut in Deinem himmlischen Weinberg bewegt. O Gott, lass unsere Seelen dürsten nach den Versen Deiner göttlichen Einheit, unsere Herzen fröhlich sein durch den Strom Deiner Gnade, damit wir zusammenfließen wie die Wellen eines Meeres und ineinanderschmelzen wie die Strahlen Deines glänzenden Lichtes, bis unsere Gedanken, unsere Ansichten, unsere Gefühle eine Wirklichkeit werden, die den Geist der Eintracht über die ganze Welt hin kündet! Du bist der Gnädige, der Gütige, der Schenkende, der Allmächtige, der Barmherzige, der Mitleidvolle.“
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43.1 Die Haupterfordernisse für jene, die miteinander beraten, sind Reinheit des Beweggrundes, strahlender Geist, Loslösung von allem außer Gott, Hingezogensein zu Seinen göttlichen Düften, Bescheidenheit und Demut vor Seinen Geliebten, Geduld und Langmut in Schwierigkeiten, Dienstbarkeit an Seiner erhabenen Schwelle. Wenn sie mit gnädigem Beistand diese Eigenschaften erlangen, wird ihnen vom unsichtbaren Reiche Bahás der Sieg gewährt.
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44.1 Seine Mitglieder1 müssen so miteinander beraten, dass sich kein Anlass für Unmut oder Zwietracht ergibt. Dies ist erreichbar, wenn jedes Mitglied in vollkommener Freiheit seine Meinung äußert und seine Argumente vorbringt. Es darf sich, sollte jemand widersprechen, auf keinen Fall verletzt fühlen; denn erst wenn eine Angelegenheit vollständig erörtert ist, kann sich der richtige Weg zeigen. Der zündende Funke der Wahrheit erscheint erst nach dem Zusammenprall verschiedener Meinungen. Wenn nach der Beratung ein Beschluß einstimmig gefaßt wird, ist dies schön und gut; sollten aber, was der Herr verhüten möge, voneinander abweichende Meinungen bestehen bleiben, muss die Stimmenmehrheit gelten.
1 des Geistigen Rats
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45.1 Die erste Bedingung ist vollkommene Liebe und Harmonie unter den Mitgliedern des Rates. Sie müssen völlig frei sein von Entfremdung und in sich selbst Gottes Einheit offenbaren, denn sie sind die Wellen eines Meeres, die Tropfen eines Stromes, die Sterne eines Himmels, die Strahlen einer Sonne, die Bäume eines Obsthains, die Blumen eines Gartens. So keine Harmonie im Denken, keine vollkommene Einheit herrschen, wird jene Versammlung sich auflösen und jener Rat scheitern. Die zweite Bedingung ist, dass die Mitglieder des Rates vereint einen Vorsitzenden wählen und Richtlinien sowie eine Satzung für ihre Zusammenkünfte und Beratungen aufstellen. Der Vorsitzende soll für die Beachtung solcher Regeln und Bestimmungen sorgen, sie schützen und durchsetzen. Die anderen Mitglieder sollten ihnen Gehorsam leisten; sie sollten es unterlassen, sich über nebensächliche, nicht zur Sache gehörende Dinge zu unterhalten. Sie müssen, wenn sie zusammenkommen, ihr Angesicht dem Königreich der Höhe zuwenden und Hilfe erbitten aus dem Reiche der Herrlichkeit. Dann müssen sie mit höchster Hingabe, Höflichkeit, Würde, Sorgfalt und Mäßigung ihre Ansichten vortragen. Sie müssen in jeder Angelegenheit die Wahrheit erforschen und dürfen nicht auf ihrer eigenen Meinung bestehen; denn Starrsinn und Beharren auf der eigenen Ansicht führen schließlich zu Zank und Streit; die Wahrheit aber bleibt verborgen. Die verehrten Mitglieder müssen in aller Freiheit ihre eigenen Gedanken ausdrücken; es ist in keiner Weise erlaubt, dass einer die Gedanken des anderen herabsetzt. Nein, er muss die Wahrheit mit Augenmaß darlegen, und sollten sich Meinungsverschiedenheiten ergeben, so muss die Stimmenmehrheit gelten; alle müssen dann gehorchen und sich der Mehrheit fügen. Es ist auch nicht erlaubt, dass eines der verehrten Mitglieder innerhalb oder außerhalb der Sitzung gegen eine zuvor getroffene Entscheidung Einwände erhebt oder sie tadelt, selbst wenn die Entscheidung falsch wäre; denn solche Kritik würde verhindern, dass irgendeine Entscheidung in Kraft tritt. Kurz gesagt, was immer in Harmonie, Liebe und reiner Absicht getan wird, bewirkt Licht; wenn aber die geringste Spur von Entfremdung herrscht, wird das in schwarzes Dunkel führen… Wird dies beachtet, so ist jener Rat von Gott; andernfalls führt er zu Kälte und Entfremdung, die vom Bösen ausgehen… Wenn sie sich bemühen, diese Bedingungen zu erfüllen, wird ihnen die Gnade des Heiligen Geistes gewährt, und jener Rat wird zum Mittelpunkt göttlichen Segens. Die Heerscharen göttlicher Bestätigung werden seinen Mitgliedern zu Hilfe kommen, und Tag für Tag werden sie eine neue Ausgießung des Geistes erfahren.
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46.1 O ihr, die ihr fest im Bündnis steht! Abdu’l-Bahá ist ständig in gedanklicher Verbindung mit jedem Geistigen Rat, der durch die göttliche Großmut errichtet ward, dessen Mitglieder sich in völliger Hingabe zum göttlichen Königreich wenden und fest im Bündnis sind. Ihnen ist er aus ganzem Herzen zugetan, verbunden durch unvergängliche Bande. So ist der Austausch mit jener Versammlung aufrichtig, dauerhaft und ununterbrochen.
46.2 In jedem Augenblick bitte ich für euch um Hilfe, Gnade, neue Gunst und neuen Segen, damit Bahá’u’lláhs Bestätigungen wie ein Meer immerfort branden, das Sonnenlicht der Wahrheit über euch leuchte und ihr, gefestigt in eurem Dienst, Offenbarungen göttlicher Gabenfülle werdet, jeder zur Morgendämmerung dem Heiligen Lande zu gewandt, zutiefst bewegt durch geistige Erfahrung.
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47.1 O ihr wahren Freunde! Euer Brief kam an und brachte große Freude. Preis sei Gott, ihr habt Freunde bewirtet und das Fest eingeführt, das alle neunzehn Tage abgehalten werden soll. Wenn eine Versammlung mit größter Liebe vorbereitet wird, wenn die Anwesenden ihr Angesicht dem Reiche Gottes zuwenden, wenn das Gespräch die Lehren Gottes betrifft und die Anwesenden Fortschritte machen lässt – dann ist dies eine Versammlung des Herrn, und die festliche Tafel kommt vom Himmel hernieder.
47.2 Ich hoffe, dieses Fest wird alle neunzehn Tage gefeiert, denn es bringt euch enger zusammen; es ist der wahre Quell der Einheit und der Herzensgüte.
47.3 Ihr seht, in welchem Maße die Welt ständigen Unruhen und Kämpfen ausgesetzt ist und wie sich die Lage ihrer Völker zuspitzt. Hoffentlich gelingt es den Geliebten Gottes, das Banner menschlicher Einheit zu hissen, so dass das einfarbige Thronzelt des Himmelreichs seine schützenden Schatten über die ganze Erde wirft, dass die Missverständnisse zwischen den Völkern der Erde verschwinden, dass alle Nationen sich vermischen und einander behandeln wie Liebende.
47.4 Es ist eure Pflicht, zu jedem menschlichen Wesen überaus freundlich zu sein und jedem Gutes zu wünschen, für die geistige Erneuerung der Gesellschaft zu arbeiten, den Toten den Odem des Lebens einzuhauchen, nach den Geboten Bahá’u’lláhs zu handeln und auf Seinem Pfade zu wandeln – bis ihr die Welt des Menschen in die Welt Gottes verwandelt habt.
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48.1 O ihr getreuen Diener der Urewigen Schönheit! In jedem Zyklus, in jeder Sendung war das Fest etwas Hochgeschätzte und Geliebtes. Denen, die Gott lieben, den Tisch zu bereiten, galt als löblich. Heute, in dieser unvergleichlichen Sendung, diesem Zeitalter der Großmut, trifft dies besonders zu. Heute wird ein Fest jubelnd begrüßt, denn es gehört wahrlich zu den Versammlungen, die dem Lobe Gottes und Seiner Verherrlichung dienen. Hier werden die heiligen Verse, die himmlischen Oden und Lobgesänge angestimmt, das Herz wird belebt und über sich selbst emporgehoben.
48.2 Die vornehmste Absicht ist, diese geistigen Regungen zu entflammen; aber zugleich ergibt es sich ganz natürlich, dass die Anwesenden zusammen etwas essen, so dass die Welt des Leibes die geistige Welt widerspiegelt und das Fleisch die Merkmale der Seele annimmt. Wie es hier geistige Freuden in Fülle gibt, so gibt es auch stoffliche Freuden.
48.3 Glücklich seid ihr, die ihr dieser Regel mit all ihrer mystischen Bedeutung folgt. So haltet ihr die Freunde Gottes munter und achtsam; ihr bringt ihnen Seelenfrieden und Freude.
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49.1 Dein Brief ist eingetroffen. Du schreibst über das Neunzehntagefest, und das erfreut mein Herz. Diese Versammlungen lassen die göttliche Tafel vom Himmel herniederkommen und ziehen die Bestätigungen des Allerbarmers an. Ich hoffe, der Odem des Heiligen Geistes weht über sie hin, und jeder Anwesende schickt sich an, in großen Versammlungen mit beredter Zunge, mit einem vor Gottesliebe überströmenden Herzen den Sonnenaufgang der Wahrheit, das Morgenlicht des die ganze Welt erleuchtenden Tagesgestirns zu verkünden.
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50.1 Ihr habt nach dem Fest in jedem Bahá’í-Monat gefragt. Diese Fest wird gefeiert, Freundschaft und Liebe zu fördern, Gottes zu gedenken, Ihn mit bußfertigem Herzen anzuflehen und wohltätige Unternehmungen anzuregen.
50.2 Das heißt, die Freunde sollten dort bei Gott verweilen und Ihn verherrlichen, die Gebete und heiligen Verse lesen und einander in äußerster Zuneigung und Liebe begegnen.
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51.1 Was das Neunzehntagefest betrifft, so erfreut es Geist und Herz. Wird dieses Fest angemessen gefeiert, so werden sich die Freunde alle neunzehn Tage einmal geistig erneuert finden, begabt mit einer Macht, die nicht von dieser Welt ist.
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52.1 O Diener des einen wahren Gottes! Gepriesen sei der Herr! In jedem Land gibt es die Geliebten Gottes, und allesamt stehen sie im Schatten des Lebensbaumes, im Schutze Seiner Vorsehung. Seine Fürsorge und Gnade branden wie die ewigen Wogen der See, Seine Segnungen regnen ohne Unterlass aus Seinem ewigen Reich.
52.2 Wir sollten Darum beten, dass Sein Segen uns in noch größerem Überfluß gewährt wird, und uns an den Mitteln festhalten, die eine noch mächtigere Ausgießung Seiner Gnade, ein noch volleres Maß Seines göttlichen Beistandes sichern.
52.3 Eines der wichtigsten Mittel ist der Geist wahrer Zusammengehörigkeit und liebevoller Gemeinschaft unter den Freunden. Erinnert euch des Wortes: „Von allen Pilgerfahrten die größte ist, ein sorgenbeladenes Herz zu erleichtern.“
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53.1 Wahrlich, Abdu’l-Bahá atmet den Duft der Liebe Gottes von jedem Versammlungsort, wo das Wort Gottes verkündet und schlüssige Beweise vorgebracht werden, die ihre Strahlen über die ganze Welt verbreiten, und wo über Abdu’l-Bahás Not und Leid in den bösen Händen der Bündnisbrecher berichtet wird.
53.2 O Dienerin des Herrn! Sprich kein Wort über Politik; deine Aufgabe betrifft das Leben der Seele; denn dies führt wahrlich zur Freude des Menschen in Gottes Welt. Erwähne die Könige der Erde und die weltlichen Regierungen nur, um Gutes über sie zu sagen. Beschränke deine Rede darauf, die frohe Botschaft vom Reiche Gottes zu verbreiten, den Einfluss des Wortes Gottes und die Heiligkeit der Sache Gottes darzutun. Sprich über ewige Freude, geistiges Ergötzen und göttliche Eigenschaften; sprich darüber, wie die Sonne der Wahrheit über den Horizonten der Erde aufstrahlt und wie dem Körper der Welt der Geist des Lebens eingehaucht wird.
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54.1 Ihr schreibt über die Zusammenkünfte der Freunde, und wie sie voll Friede und Freude sind. Natürlich ist das so, denn wo sich die geistig Gesinnten auch versammeln, regiert Bahá’u’lláh in all Seiner Schönheit. Deshalb bringen solche Begegnungen gewisslich grenzenloses Glück und Frieden hervor.
54.2 Heute ziemt es allen, nichts anderes mehr zu erwähnen und alle Dinge außer Acht zu lassen. Ihre Rede, ihr innerer Zustand seien zusammengefaßt in den Worten: „Lass alle meine Worte des Gebetes und des Lobpreises auf einen einzigen Kehrreim beschränkt sein; lass mein ganzes Leben nur Dienst an Dir sein.“ Das bedeutet: Lasst sie alle ihre Gedanken und Worte darauf konzentrieren, dass sie die Sache Gottes lehren, den Glauben Gottes verbreiten und alle dafür begeistern, sich mit den Eigenschaften Gottes auszuzeichnen; dass sie die Menschheit lieben, dass sie in jeder Hinsicht rein und heilig seien, makellos in ihrem öffentlichen und privaten Leben; dass sie aufrecht und losgelöst seien, voller Inbrunst und Glut. Alles muss aufgegeben werden außer dem Gedenken Gottes. Alles muss gering geachtet werden außer Seinem Lobpreis. Zu dieser Melodie der himmlischen Heerscharen will die Welt heute springen und tanzen: „Herrlichkeit sei meinem Herrn, dem Allherrlichen!“ Aber wisset: Außer diesem Gesang Gottes wird kein Gesang die Welt aufrütteln, außer diesem Nachtigallenruf der Wahrheit aus dem Garten Gottes wird keine Melodie das Herz bezaubern. „Woher kommt dieser Sänger, der den Geliebten beim Namen nennt?“
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55.1 Es ziemt den Freunden, ein Treffen abzuhalten, eine Versammlung, in der sie Gott verherrlichen, ihr Herz an Ihn binden, die heiligen Schriften der Gesegneten Schönheit lesen und vortragen – möge meine Seele das Lösegeld für Seine Liebenden sein! Das Licht aus dem allherrlichen Reich, die Strahlen des höchsten Horizontes ergießen sich über solch leuchtende Versammlungen; denn sie sind nichts anderes als die Mashriqu’l-Adhkár, die Aufgangsorte der Erwähnung Gottes, die nach dem Gebot der Erhabensten Feder in jedem Dorf und jeder Stadt errichtet werden müssen… Mit der höchsten Reinheit und Weihe müssen diese geistigen Versammlungen abgehalten werden, so dass der Versammlungsort, seine Erde und die Luft um ihn her den duftenden Hauch des Heiligen Geistes verströmen.
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56.1 Wann immer eine Gruppe Menschen an einem Versammlungsort zusammenkommt, Gott zu verherrlichen, wann immer sie über die Geheimnisse Gottes sprechen, wird ohne Zweifel der Odem des Heiligen Geistes sanft über sie wehen, und jeder wird sein Teil davon empfangen.
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57.1 Wir hören von deiner Absicht, dein Haus von Zeit zu Zeit mit einem Treffen von Bahá’í zu zieren, wobei einige den Allherrlichen Herrn verherrlichen werden… Wisse: Wenn du dies zustande bringst, wird jenes irdische Haus ein Haus des Himmels, dieser Haufen Steine ein Versammlungsort des Geistes.
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58.1 Du fragst nach den Stätten der Andacht und ihrem tieferen Sinn. Die Weisheit der Errichtung solcher Bauwerke liegt darin, dass das Volk wissen soll: Zu einer bestimmten Stunde ist es Zeit, sich zu versammeln. Alle sollten dann zusammenkommen und sich, einträchtig aufeinander eingestimmt, im Gebet vertiefen, mit dem Ergebnis, dass aus dieser Versammlung Einheit und Liebe in den Menschenherzen wachsen und blühen.
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59.1 „Abdu’l-Bahá hegt seit langem den Wunsch, dass dortzulande ein Mashriqu’l-Adhkár errichtet wird. Preis sei Gott, dank der tatkräftigen Bemühungen der Freunde ist vor kurzem die glückliche Nachricht darüber eingegangen. Dieser Dienst wird an der Schwelle Gottes hoch geschätzt; denn der Mashriqu’l-Adhkár begeistert die Liebenden Gottes, erleuchtet ihre Herzen und lässt sie fest und standhaft werden“
59.2 Die Sache hat größte Bedeutung. Wenn die Errichtung des Hauses der Andacht an einem öffentlichen Platz die Feindseligkeit von Übeltätern wachruft, muss die Versammlung dort an einem verborgenen Platz abgehalten werden. Selbst in jedem Dorf muss ein Platz als Mashriqu’l Adhkár vorgesehen werden, sogar dann, wenn er unter der Erde läge.
59.3 Gelobt sei Gott! Euch war Erfolg beschieden. So gedenket Gottes zur Morgendämmerung; erhebt euch, Ihn zu preisen und zu verherrlichen. Selig seid ihr, und Freude sei mit euch, o ihr Rechtschaffenen, weil ihr den Aufgangsort des Lobpreises Gottes errichtet habt. Wahrlich, ich bitte den Herrn, dass Er euch zu Standarten des Heils, zu Bannern der Erlösung mache, hoch im Wind über Berg und Tal.
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60.1 Obwohl der Mashriqu’l-Adhkár, äußerlich betrachtet, ein stoffliches Gefüge ist, hat er geistige Wirkung. Er schmiedet Bande der Einheit von Herz zu Herz; er ist ein Sammelpunkt für die Menschenseelen. Jede Stadt, wo in den Tagen der Manifestation ein Tempel errichtet ward, hat Sicherheit, Beständigkeit und Frieden verbreitet; denn diese Gebäude waren der immerwährenden Verherrlichung Gottes geweiht, und nur im Gedenken Gottes kann das Herz Ruhe finden. Gütiger Gott! Der Bau des Hauses der Andacht hat gewaltigen Einfluss auf jeden Lebensabschnitt. Erfahrungen im Osten haben dies zur Tatsache gemacht. Selbst wenn in einem kleinen Dorf ein Haus zum Mashriqu’l-Adhkár bestimmt wurde, brachte es eine deutliche Wirkung hervor. Wieviel größer ist der Einfluss, wenn ein Mashriqu’l-Adhkár eigens erbaut wird!
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61.1 „O Herr, der Du alle segnest, die fest im Bündnis stehen, indem Du sie fähig machst, aus Liebe zum Licht der Welt all ihren Besitz als Opfer hinzu geben für den Mashriqu’l-Adhkár, den Tagesanbruch Deines weitreichenden Lichtes und Verkünder Deiner Zeugnisse! Hilf Du diesen Gerechten, diesen Aufrichtigen und Gottesfürchtigen in dieser und der künftigen Welt, dass sie Deiner heiligen Schwelle immer näher kommen, und erleuchte ihre Angesichter mit Deinem Strahlenglanz.“
81.2 „Wahrlich, Du bist der Großmütige, der Ewig-Schenkende.“
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62.1 O meine inniggeliebte Tochter im Königreich! Dr. Esslemont hat deinen Brief an ihn ins Land der Sehnsucht1 weitergereicht. Ich las ihn mit größter Aufmerksamkeit vom Anfang bis zum Ende. Einerseits war ich zutiefst gerührt, weil du deine schönen Locken ab geschnitten hast mit der Schere der Loslösung von dieser Welt und der Selbstopferung auf dem Pfade des Königreiches. Andererseits war ich hoch erfreut; denn diese inniggeliebte Tochter hat einen solchen Geist der Selbsthingabe bewiesen, dass sie einen so teuren Teil ihres Leibes auf dem Pfade der Sache Gottes darbrachte. Hättest du mich gefragt, so wäre ich auf keinen Fall damit einverstanden gewesen, dass du auch nur ein einziges Haar deiner anmutigen Lockenpracht abgeschnitten hättest; nein, ich selbst hätte in deinem Namen für den Mashriqu’l-Adhkár gespendet. Deine Tat ist jedoch ein beredtes Zeugnis für deinen hehren Geist der Selbsthingabe. Du hast wahrlich dein Leben geopfert, und groß werden die geistigen Wirkungen für dich selber sein. Vertraue allezeit darauf, dass du Tag für Tag fortschreiten und weiter an Festigkeit und Beständigkeit wachsen wirst. Bahá’u’lláhs Gnadengaben werden dich umfangen, die frohe Botschaft aus der Höhe wird dir immer neu zuteil werden. Ist es auch dein Haar, das du geopfert hast, so wirst du doch vom Geist erfüllt sein, und ist es auch dieses vergängliche Stück deines Leibes, das du auf dem Pfade Gottes hingegeben hast, so wirst du doch die Gottesgabe entdecken, die himmlische Schönheit schauen, unvergängliche Herrlichkeit erwerben und ewiges Leben erlangen.
1 das Heilige Land
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63.1 O ihr gesegneten Seelen!1 Euer Brief an Rahmatu’lláh wurde zur Kenntnis genommen. Er enthielt vielerlei frohe Botschaften, vor allem die, dass durch die Kraft des Glaubens und die Beständigkeit im Bündnis zahlreiche Zusammenkünfte einberufen wurden und dass die Geliebten überall rege und aktiv sind.
1 die Bahá’í von Najaf-Abád
63.2 Es war immer Abdu’l-Bahás brennender Wunsch, dass die Gefilde jenes geheiligten Ortes, bereits in den frühesten Tagen der Sache Gottes neu belebt und grünend unter den Frühlingsschauern der Gnade, immerfort so leuchten und blühen, dass jedes Herz sich mit Freude füllt.
63.3 Gepriesen sei der Herr! Überall in Ost und West wurde Gottes Sache so verkündet und vorangetragen, dass sich niemand je vorstellen konnte, wie rasch der süße Duft des Herrn alle Bereiche durchdringt. Dies geschah wahrlich nur durch die vollendeten Gnaden gaben der ewiggesegneten Schönheit, deren Gunst und siegreiche Macht immer wieder in überreichem Maß empfangen ward.
63.4 Eines der wunderbaren Ereignisse, das erst kürzlich eintrat, ist die Errichtung des Mashriqu’l-Adhkár im Herzen des amerikanischen Kontinents sowie die Tatsache, dass zahllose Seelen im Umkreis für die Errichtung dieses heiligen Tempels spenden. Unter ihnen ist eine hochgeschätzte Dame aus der Stadt Manchester, die auch gerne ihren Beitrag leisten wollte.
63.5 Da sie weder Gut noch Geld besaß, schnitt sie mit eigener Hand die schönen, langen, kostbaren Locken ab, die ihr Haupt anmutig zierten, und bot sie zum Verkauf an, um mit dem Erlös das Vorhaben des Mashriqu’l-Adhkár zu unterstützen.
63.6 Bedenkt: Obwohl in den Augen der Frauen nichts kostbarer ist als volles, langes, lockiges Haar, hat diese hochverehrte Dame dessen ungeachtet einen so seltenen, wundervollen Geist der Selbstaufopferung bekundet.
63.7 Und obgleich diese Tat nicht verlangt war und Abdu’l-Bahá ihr nicht zugestimmt hätte, zeigt sie doch einen so hehren, edlen Geist der Hingabe, dass er zutiefst gerührt war. Wie kostbar das Haar in den Augen westlicher Frauen auch sei, kostbarer selbst als das Leben, gab sie es hin als ein Opfer für die Sache des Mashriqu’l-Adhkár!
63.8 Wie berichtet wird, tat einst der Gesandte Gottes1 Seinen Wunsch kund, dass eine Streitmacht in eine bestimmte Richtung vorstoßen solle. Den Gläubigen wurde die Erlaubnis gewährt, für den heiligen Krieg Beiträge einzuziehen. Unter den vielen Spendern war ein Mann, der tausend Kamele gab, jedes beladen mit Getreide, ein anderer stiftete die Hälfte seines Vermögens, wieder einer bot alles, was er hatte. Aber eine hochbetagte Frau, deren ganzer Besitz eine Handvoll Datteln war, kam zum Gesandten und legte Ihm ihren bescheidenen Beitrag zu Füßen. Daraufhin befahl der Prophet Gottes – möge mein Leben ein Opfer für Ihn sein -, dass diese Handvoll Datteln zuoberst auf alle gesammelten Spenden gelegt werde, damit ihr Wert und Vorrang vor allem anderen zum Ausdruck komme. Dies geschah, weil die alte Frau keinen anderen irdischen Besitz hatte.
1 Muhammad
63.9 In ähnlicher Weise hatte diese geschätzte Dame nichts zu geben als ihre kostbaren Locken, die sie ruhmreich für die Sache des Mashriqu’l-Adhkár opferte.
63.10 Denkt darüber nach, wie mächtig und stark die Sache Gottes geworden ist! Eine Frau aus dem Westen gibt ihr Haar für die Herrlichkeit des Mashriqu’l-Adhkár.
63.11 Das ist wahrlich eine Lektion für diejenigen, die begreifen.
63.12 Ich möchte noch sagen, ich bin sehr zufrieden mit den Geliebten in Najaf-Abád; denn sie haben vom ersten Dämmerlicht der Sache Gottes bis zum heutigen Tage ausnahmslos unter allen Bedingungen einen großartigen Geist der Selbsthingabe bewiesen.
63.13 Zaynu’l-Muqarrabín hat sein Leben lang mit der ganzen Aufrichtigkeit seiner makellosen Seele für die Gläubigen in Najaf-Abád gebetet und Gottes Gnade und Seine göttliche Bestätigung für sie erfleht.
63.14 Dem Herrn sei Dank, dass die Gebete dieser gütigen Seele erhört wurden; die Wirkungen sind überall offenkundig.
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64.1 Der Mashriqu’l-Adhkár ist eine der wichtigsten Institutionen auf der Welt. Er hat viele ergänzende Einrichtungen. Zwar ist er ein Haus der Andacht, im sind aber ein Krankenhaus, eine Apotheke, ein Hospiz für Reisende, eine Schule für Waisen und eine Universität für fortgeschrittene Studien angeschlossen. Zu jedem Mashriqu’l-Adhkár gehören diese fünf Dinge. Es ist meine Hoffnung, dass in Amerika jetzt der Mashriqu’l-Adhkár errichtet werde und dass dann allmählich das Krankenhaus, die Schule, die Universität, die Apotheke und das Hospiz folgen werden, alle nach dem wirksamsten, zweckmäßigsten Verfahren arbeitend. Macht dies alles unter den Geliebten des Herrn bekannt, so dass sie verstehen, wie überragend groß die Bedeutung dieses „Aufgangsortes des Gedenkens Gottes“ ist. Der Tempel ist nicht nur ein Ort der Anbetung. Er ist vielmehr in jeder Hinsicht ein umfassendes Ganzes.
64.2 O du liebe Magd Gottes! Wenn du nur erkennen könntest, welch hohe Stufe denjenigen Seelen bestimmt ist, die sich von der Welt lösen, mit aller Macht zum Glauben hingezogen sind und unter dem schützenden Schatten Bahá’u’lláhs lehren! Wie würdest du jubeln, wie würdest du voll Begeisterung und Entzücken die Flügel breiten und himmelwärts steigen – weil du ein Jünger auf diesem Pfad, ein Wanderer zu diesem Königreich bist.
64.3 Die Bedeutung der Worte, die ich in meinem Brief gebrauchte, als ich dich hieß, dich dem Dienst an der Sache Gottes zu weihen, ist: Richte deine Gedanken allein auf das Lehren des Glaubens. Handle Tag und Nacht nach den Lehren, Ratschlägen und Ermahnungen Bahá’u’lláhs. Das schließt eine Ehe nicht aus. Du kannst dir einen Mann nehmen und zugleich der Sache Gottes dienen; das eine schließt das andere nicht aus. Erkenne den Wert dieser Tage; lass diese Gelegenheit nicht verstreichen. Bitte Gott, dich zu einer leuchtenden Kerze zu machen, damit du eine große Schar durch diese dunkle Welt führest.
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65.1 O du begünstigte Magd des Himmelreiches! Dein Brief ist eingetroffen. Er zeigt hohes Streben und edle Ziele, denn du möchtest eine Reise in den Fernen Osten unternehmen und bist bereit, große Mühsal auf dich zu laden, um die Seelen zu führen und weit und breit die frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Dieses Vorhaben zeigt, dass du, liebe Magd Gottes, das edelste aller Ziele im Herzen trägst.
65.2 Wenn du die frohe Botschaft überbringst, sprich gerade heraus und sage: Der Verheißene aller Völker der Welt ist jetzt offenbar. Denn alle Völker und Religionen erwarten einen Verheißenen, und Bahá’u’lláh ist der Eine, den alle erwarten; deshalb wird die Sache Bahá’u’lláhs die Einheit der Menschheit zustande bringen. Das Thronzelt der Einheit wird auf den Höhen der Welt errichtet werden, die Fahnen der einen Menschheit werden auf den Gipfeln der Erde gehisst. Wenn du deine Zunge lösest, diese große, frohe Botschaft zu künden, ist dies das Mittel, die Menschen zu lehren.
65.3 Deine geplante Reise geht allerdings in ein sehr fernes Land, und wenn nicht eine ganze Gruppe Menschen zur Verfügung steht, werden die frohen Botschaften dort nicht viel bewirken. Wenn du es für das beste hältst, reise stattdessen nach Persien und nimm den Rückweg über Japan und China. Dies scheint viel besser zu sein und weit vergnüglicher. In jedem Fall tu, was möglich erscheint, und es wird gutgeheißen.
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66.1 O du, der du Erleuchtung suchst beim Licht der Führung! Preise Gott, dass Er dich zum Licht der Wahrheit leitet und dich einlädt, das Reich Abhá zu betreten. Dein Blick ward erleuchtet, dein Herz in einen Rosengarten verwandelt. Ich bete für dich, dass du immerdar an Glauben und Gewissheit wachsest, einer Fackel gleich in den Versammlungen strahlest und ihnen das Licht der Führung spendest.
66.2 Sooft die Freunde Gottes zu einer erleuchteten Versammlung zusammentreten, ist Abdu’l-Bahá, obzwar körperlich abwesend, mit Geist und Seele dabei. Ich bin immer auf der Reise nach Amerika und gewisslich mit durchgeistigten, erleuchteten Freunden vereint. Die Entfernung ist aufgehoben. Sie kann die enge, innige Verbindung zweier Seelen, die sich von Herzen nah sind, selbst dann nicht verhindern, wenn sie in zwei verschiedenen Ländern sind. So bin ich dein enger Gefährte, ganz auf dich eingestimmt und im Einklang mit deiner Seele.
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67.1 O du Herrin des Königreiches! Dein Brief aus Neu York ist angekommen. Sein Inhalt schenkt Freude und Glück, denn er zeigt, dass du mit festem Sinn und reiner Absicht entschlossen bist, nach Paris zu reisen, damit du in dieser stummen Stadt das Feuer der Liebe Gottes entzündest und mitten im Dunkel der stofflichen Welt wie eine strahlende Kerze leuchtest. Diese Reise ist sehr lobenswert und angebracht. Wenn du Paris erreichst, musst du dich bemühen, wie klein die Anzahl der Freunde auch sei, die Versammlung des Bündnisses zu errichten und die Seelen durch die Macht des Bündnisses zu beleben.
67.2 Paris ist tief entmutigt, in einem Zustand der Starre und bis jetzt nicht entflammt, obwohl die französische Nation aktiv und lebhaft ist. Die Stoffwelt hat Paris mit ihrem großen Zelt zugedeckt und religiöse Empfindungen beseitigt. Aber die Kraft des Bündnisses wird jede fröstelnde Seele erwärmen, wird auf alles Dunkle Licht verströmen und dem Gefangenen in den Klauen der stofflichen Welt Gottes Reich mit seiner wahren Freiheit bringen.
67.3 Erhebe dich jetzt in Paris mit der Kraft des Königreiches, mit göttlicher Bestätigung, mit echtem Eifer und Inbrunst, mit der Flamme der Liebe Gottes. Brülle wie eine Löwin, zeige solche Begeisterung und Liebe unter diesen wenigen Seelen, dass dir der Preis und Ruhm aus dem Gottesreich ständig zufließe und machtvolle Bestätigung auf dich herniederkomme. Bleibe gewiss! Wenn du entsprechend handelst und das Banner des Bündnisses hissest, wird Paris in Flammen stehen. Halte dich ständig an die Bestätigungen Bahá’u’lláhs und suche sie immerdar; denn sie verwandeln den Tropfen in ein Meer, die Mücke in einen Adler.
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68.1 O ihr, die ihr fest seid im Bund und Testament! Euer Brief kam an, und jeder eurer gesegneter Namen wurde zur Kenntnis genommen. Dieser Brief hatte göttliche Eingebungen und offenbare Gnadengaben zum Inhalt, denn er zeigte die Einheit der Freunde und den Einklang aller Herzen.
68.2 Heute kreist Gottes ganz besondere Gunst um Einheit und Einklang unter den Freunden, auf dass diese Einheit und dieser Einklang die Einheit der Menschenwelt verkünden, die Erde aus dem tiefen Dunkel des Hasses und der Feindschaft befreien und die Sonne der Wahrheit in hellem, vollkommenem Mittagsglanz erstrahlen lassen.
68.3 Alle Völker der Welt geben sich heute dem Eigennutz hin und bieten alles auf, ihre materiellen Interessen voranzutreiben. Sie beten sich selbst an, statt die göttliche Wirklichkeit und die Welt der Menschheit anzubeten. Mit Bedacht suchen sie ihren eigenen Vorteil und nicht das Gemeinwohl; denn sie sind Gefangene der stofflichen Welt, ohne Bewusstsein für die göttlichen Lehren, die Gaben des Königreiches und die Sonne der Wahrheit. Ihr aber, Preis sei Gott, seid derzeit mit dieser Gabenfülle besonders gesegnet: Ihr seid unter die Erwählten aufgenommen, ihr seid über den himmlischen Befehl im Bilde, ihr habt Einlass ins Reich Gottes erlangt, ihr wurdet Empfänger grenzenlosen Segens, getauft mit dem Wasser des Lebens, dem Feuer der Liebe Gottes und dem Heiligen Geist.
68.4 Strebet deshalb mit Herz und Seele danach, brennende Kerzen in der Versammlung der Welt zu werden, funkelnde Sterne am Horizont der Wahrheit, Sprachrohre für die Verkündigung des strahlenden Gottesreiches, damit die Menschenwelt verwandelt werde in ein Reich des Himmels, die niedere Welt in die Welt der Höhe, damit die Liebe Gottes und die Gnade des Herrn ihren Baldachin hoch über der Welt aufrichten, die Menschenseelen zu Meereswellen der Wahrheit werden, die Welt der Menschheit zu einem gesegneten Baum zusammenwachse, die Verse der Einheit erklingen und die Lieder der Heiligkeit bis zu den himmlischen Heerscharen aufsteigen.
68.5 Tag und Nacht flehe ich demütig zum Reiche Gottes und erbitte für euch grenzenlosen Beistand und Bestätigung. Schaut nicht auf eure eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, sondern richtet euren Blick auf die vollendete Gnade, die göttlichen Segnungen und die Macht des Heiligen Geistes – die Macht, die den Tropfen zur See, den Stern zur Sonne werden lässt.
68.6 Preis sei Gott, die himmlischen Heerscharen sichern den Sieg, die Macht des Königreiches ist bereit zu helfen und beizustehen. Wolltet ihr jeden Augenblick eure Zunge lösen, um Dank zu sagen, ihr wäret dennoch unfähig, eurer Dankespflicht für diese Gaben gerecht zu werden.
68.7 Bedenkt: Wichtige Persönlichkeiten, deren Ruf über die ganze Welt verbreitet ist, werden binnen kurzem zu völliger Bedeutungslosigkeit dahinwelken, weil sie von dieser himmlischen Gabenfülle ausgeschlossen sind. Weder Ruf noch Namen lassen sie zurück, keine Frucht und keine Spur wird von ihnen bleiben. Aber über euch ist die Sonne der Wahrheit mit all ihrem Glanz aufgegangen, ihr habt ewiges Leben erlangt, ihr werdet immerdar am Horizont des Seins funkeln und strahlen.
68.8 Petrus war ein Fischer, Maria Magdalena eine Bäuerin. Aber weil ihnen Christi Segen zuteil ward, erstrahlte der Horizont ihres Glaubens, und sie leuchten bis zum heutigen Tage vom Himmel ewigwährender Herrlichkeit. Auf dieser Stufe zählen Verdienste und Fähigkeiten nicht. Nein, die Sonne der Wahrheit muss mit ihrem Strahlenglanz, der diese Spiegel erleuchtet, in Betracht gezogen werden.
68.9 Ihr ladet mich nach Amerika ein. Ich sehne mich selbst danach, dort in die strahlenden Angesichter zu schauen, mich mit den treuen Freunden zu unterhalten und mit ihnen zusammenzusein. Aber die Magnetkraft, die mich an jene Gestade ziehen wird, ist die Einheit und Eintracht der Freunde, ihr Verhalten und Betragen im Einklang mit den Lehren Gottes, ihrer aller Standhaftigkeit im Bund und Testament.
68.10 „O göttliche Vorsehung! Diese Versammlung Deiner Freunde ist von Deiner Schönheit angezogen und vom Feuer Deiner Liebe entflammt. Mache aus diesen Seelen himmlische Engel, erwecke sie zu neuem Leben durch den Odem Deines heiligen Geistes, verleihe ihnen beredte Zungen und mutige Herzen, gib ihnen himmlische Kraft und barmherzige Empfindsamkeit. Mache sie zu Wegbereitern für die Einheit der Menschheit, zur Wirkkraft der Liebe und Eintracht in der Menschenwelt, so dass die gefährliche Finsternis dummer Vorurteile dem Sonnenlicht der Wahrheit weiche, diese düstere Welt erleuchtet werde, das stoffliche Reich die Strahlen der Geisteswelt aufnehme, die Farbenvielfalt zu einer Farbe verschmelze und das Loblied sich erhebe im Königreich Deiner Heiligkeit.“ „Wahrlich, Du bist der Allmächtige, der Allgewaltige!“
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69.1 Du schreibst über Organisation. Bahá’u’lláhs göttliche Lehren, Warnungen und Ermahnungen sind offenkundig und klar. Sie bilden die Organisation des Gottesreiches, ihre Anwendung ist Pflicht. Die geringste Abweichung davon ist völliger Irrtum.
69.2 Du schreibst über meine Reise nach Amerika. Könntest du sehen, wie die Wogen der Arbeit ständig branden, so wüsstest du, dass die Zeit zum Reisen einfach nicht da ist. Selbst zu Zeiten eines festen Wohnsitzes ist stundenweise Ruhe fast unmöglich. So Gott will, hoffe ich, dass ich mich durch Bahá’u’lláhs Segen zur Reise entschließen kann, sobald Möglichkeiten vorhanden sind, Sinn und Herz zu beruhigen. Ich werde dir dann Nachricht geben.
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70.1 O du entzündete Kerze! Dein Brief ist angekommen. Sein Inhalt brachte geistige Freude, denn er war erfüllt von geistigen Gefühlen und zeigte, wie hingezogen dein Herz ist, wie hingegeben an das Reich Gottes und die Liebe zu Seinen göttlichen Lehren.
70.2 Wahrlich, du zeigst hehres Mühen, hast reine, heilige Vorsätze, wünschst nichts als Gottes Wohlgefallen, suchst nur grenzenlose Gnadengaben zu erreichen und bist bemüht, die göttlichen Lehren zu verbreiten und schwierige metaphysische Fragen zu erklären. Ich hoffe, dass du und deine verehrte Gemahlin durch die Gunst Bahá’u’lláhs täglich an Festigkeit und Standhaftigkeit wachsen werden, bis ihr in jenem gepriesenen Land zwei hoch flatternde Fahnen und zwei strahlende Leuchten werdet.
70.3 Ausgedehnte Reisen im Oktober nach Norden, Süden, Osten und Westen in Begleitung von Frau Maxwell, jener Kerze der Liebe Gottes, wären sehr zu begrüßen. Ich hoffe, dass sie sich vollständig erholen wird. Diese geliebte Dienerin Gottes gleicht einer Feuerflamme; Tag und Nacht denkt sie nur daran, Gott zu dienen. Einstweilen reist durch die nördlichen Staaten, und im Winter eilt in die Staaten des Südens. Euer Dienst sollte in beredten Vorträgen bei Versammlungen bestehen, in denen ihr die göttlichen Lehren verkündigt. Wenn möglich, unternehmt irgendwann eine Reise auf die Hawaii-Inseln.
70.4 Die Ereignisse, die bekannt geworden sind, wurden alle vor fünfzig Jahren aufgezeichnet in Bahá’u’lláhs Sendschreiben, die gedruckt, veröffentlicht und in aller Welt verbreitet wurden. Bahá’u’lláhs Lehren sind das Licht des Zeitalters und der Geist des Jahrhunderts. Erklärt sie einzeln bei jeder Zusammenkunft.
70.5 Die erste ist das Suchen nach Wahrheit, die zweite die Einheit der Menschheit, die dritte der Weltfrieden, die vierte die Übereinstimmung zwischen Wissenschaft und göttlicher Offenbarung, die fünfte das Ablegen rassischer, religiöser, weltlicher und politischer Vorurteile, welche die Grundlage der Menschheit zerstören, die sechste ist Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit, die siebte ist die Hebung der Sittlichkeit und himmlische Erziehung, die achte ist die Gleichwertigkeit der beiden Geschlechter, die neunte ist die Verbreitung von Wissen und Erziehung, die zehnte betrifft wirtschaftliche Fragen und so weiter und so fort. Strebet danach, dass die Seelen zum Lichte der Führung gelangen und sich an den Saum Bahá’u’lláhs klammern.
70.6 Der Brief, den du beigelegt hast, wurde durchgelesen. Wenn des Menschen Seele geläutert und gereinigt ist, werden geistige Bande geknüpft, und von diesen Banden kommen Empfindungen, die das Herz fühlt. Das Herz des Menschen gleicht einem Spiegel. Ist der Spiegel rein, so stellen sich die Herzen aufeinander ein und spiegeln sich gegenseitig; so werden geistige Gefühle erzeugt. Das ist wie in der Traumwelt, wenn der Mensch vom Greifbaren gelöst ist und Geistiges erfährt. Was für erstaunliche Gesetze wirken da, was für einzigartige Entdeckungen werden gemacht! Es kann sogar sein, dass ausführliche Botschaften empfangen werden …
70.7 Zum Schluß hoffe ich, dass die Freunde in Chikago vereint werden und jene Stadt erleuchten; denn in ihr ist das erste Morgenlicht der Sache Gottes erschienen, und darin liegt ihr Vorzug vor anderen Städten. Deshalb gebührt ihr besondere Achtung; vielleicht kann sie – so Gott will – von aller geistigen Not befreit werden, vollkommene Gesundheit erlangen und für Bund und Testament ein Mittelpunkt sein.
71
71.1 O du geliebte Dienerin Gottes! Dein Brief ist angekommen. Sein Inhalt belegt die Tatsache, dass die Freunde sich mit vollendeter Ausdauer und Lebenskraft um die Verbreitung der himmlischen Lehren mühen. Diese Nachricht macht sehr froh und glücklich, hat doch jedes Zeitalter einen besonderen Geist, und liegt doch der Geist dieses erleuchteten Zeitalters in den Lehren Bahá’u’lláhs; denn sie begründen die Einheit der Menschenwelt und verbreiten weltumspannende Brüderschaft. Sie beruhen auf der Einheit von Wissenschaft und Religion sowie auf dem Forschen nach Wahrheit. Sie vertreten den Grundsatz, dass die Religion Freundschaft, Einheit und Einklang unter den Menschen bewirken muss. Sie begründen die Gleichwertigkeit beider Geschlechter und vertreten wirtschaftliche Grundsätze für das Glück jedes Menschen. Sie verbreiten Erziehung, so dass jede Seele möglichst hohen Anteil am Wissen hat. Sie tilgen und beseitigen Vorurteile religiöser, rassischer, politischer, patriotischer, wirtschaftlicher und anderer Art. Diese Lehren sind überall in den Schriften und Sendschreiben zu finden; sie bringen der Menschenwelt Erleuchtung und Leben. Wer sie verbreitet, dem steht wahrlich das Reich Gottes bei.
71.2 Der Präsident der Republik, Dr. Wilson, dient in der Tat dem Reich Gottes, denn er gönnt sich keine Ruhe und bemüht sich Tag und Nacht darum, dass die Rechte aller Menschen gewahrt und gesichert seien, dass die kleinen Nationen wie die größeren in Frieden und Wohlfahrt unter dem Schutz von Recht und Gerechtigkeit leben. Dies ist in der Tat eine edle Absicht. Ich vertraue darauf, dass die unvergleichliche Vorsehung solche Seelen in jeder Lage unterstützt und bestätigt.
72
72.1 O du wahrer Freund! Lies in der Schule Gottes die Lektionen des Geistes und lerne vom Lehrer der Liebe die tiefsten Wahrheiten. Suche nach den Geheimnissen des Himmels und sprich über Gottes überströmende Gunst und Gnade.
72.2 Zwar bedeutet es den höchsten Ruhm der Menschheit, Wissenschaften und Künste zu erwerben, aber nur unter der Bedingung, dass des Menschen Strom in die mächtige See mündet und aus Gottes urewigem Quell Gottes Eingebung schöpft. Sobald das geschieht, ist jeder Lehrer ein uferloses Meer, jeder Schüler ein üppiger Springquell des Wissens. Wenn so das Streben nach Wissen zur Schönheit Dessen führt, der das Ziel allen Wissens ist, wie wunderbar ist dann die Absicht! Andernfalls mag vielleicht ein winziger Tropfen den Menschen vom Strom der Gnade fernhalten, denn mit Gelehrsamkeit gehen Hochmut und Stolz einher; das aber führt zu Irrtum und Gleichgültigkeit gegen Gott.
72.3 Die Wissenschaften von heute sind Brücken zur Wirklichkeit. Wenn sie also nicht zur Wirklichkeit führen, bleibt nur nutzlose Einbildung. Bei dem einen wahren Gott! Wenn Wissenserwerb nicht den Zugang bahnt zu Ihm, dem Alloffenbarsten, ist er nur offensichtlicher Verlust.
72.4 Es ist deine Pflicht, dir die verschiedenen Wissenszweige anzueignen und dein Antlitz der offenbaren Schönheit zuzuwenden, auf dass du ein Zeichen rettender Führung unter den Völkern der Welt seist, ein Brennpunkt des Verstehens in dieser Sphäre, von der die Weisen mit all ihrer Weisheit ausgeschlossen sind, außer denen, die das Reich des Lichtes betreten und Kunde erhalten von dem verschleierten, verborgenen Mysterium, dem wohlgehüteten Geheimnis.
73
73.1 O Tochter des Gottesreiches! Dein Brief ist angekommen. Er zeigt, dass du alle deine Gedanken darauf richtest, Licht aus den Reichen des Geheimnisses zu empfangen. Solange der Mensch seine Gedanken verzettelt, erreicht er nichts; wenn sich aber sein Denken auf einen Punkt konzentriert, werden die Früchte wundervoll sein.
73.2 Die volle Kraft des Sonnenlichts kann man nicht erhalten, wenn es auf einen flachen Spiegel fällt. Scheint die Sonne aber auf einen konkaven Spiegel oder auf eine konvexe Linse, wird ihre ganze Hitze auf einen einzigen Punkt konzentriert, und dieser eine Punkt wird am heißesten brennen. So ist es auch notwendig, unser Denken auf einen Brennpunkt zu richten, damit es zu einer wirksamen Kraft wird.
73.3 Du möchtest den Ridván-Tag mit einem Fest begehen und die Anwesenden in Frohsinn und Freude Sendschreiben vortragen lassen. Du bittest mich, dir einen Brief zu senden, der an diesem Tag verlesen werden soll. Hier ist mein Brief:
73.4 O ihr Geliebten und ihr Dienerinnen des Gnadenvollen! Dies ist der Tag, da die Sonne der Wahrheit am Horizont des Lebens aufging, ihre Herrlichkeit verbreitete und ihren Glanz mit solcher Macht verströmte, dass sie die dichten, hochgetürmten Wolken spaltete und an den Himmeln der Welt in ihrer ganzen Lichtfülle emporstieg. So seid ihr Zeugen, wie alles Erschaffene neu sich regt.
73.5 Seht, wie an diesem Tag Wissenschaften und Künste ihren Wirkkreis ausdehnen, welche wunderbaren technischen Fortschritte gemacht werden, zu welcher Höhe sich die Verstandeskräfte erheben und was für erstaunliche Erfindungen erscheinen.
73.6 Dieses Zeitalter ist in der Tat wie hundert andere Zeitalter zusammengenommen. Wenn ihr den Gewinn von hundert Zeitaltern zusammentragt und das Gesamtergebnis unserer Zeit dagegensetzt, wird der Gewinn dieses einen Zeitalters sich größer erweisen als der von hundert vergangenen. Nehmt zum Beispiel alle Bücher zusammen, die in vergangenen Zeitaltern geschrieben wurden, und vergleicht sie mit den Büchern und Abhandlungen unserer Zeit: Die Bücher, die allein in unseren Tagen geschrieben werden, übersteigen bei weitem die Gesamtzahl der Bände aller Jahrhunderte. Seht, welch mächtigen Einfluss die Sonne der Welt auf das innerste Wesen alles Erschaffenen ausübt.
73.7 Aber weh und ach, tausendmal weh und ach! Die Augen sehen es nicht, die Ohren sind taub, die Herzen und Gemüter vergessen diese höchste Gnadengabe. Strebt mit ganzem Herzen und ganzer Seele danach, die Schlafenden zu erwecken, die Blinden sehen und die Toten auferstehen zu lassen.
74
74.1 O du Vöglein, das so lieblich die Schönheit Abhá besingt! In dieser neuen, wunderbaren Sendung wurden die Schleier des Aberglaubens zerrissen und die Vorurteile der östlichen Völker missbilligt. Die Musik wurde bei einigen östlichen Völkern als verwerflich angesehen, aber in diesem neuen Zeitalter hat das Licht der Offenbarung in Seinen heiligen Sendbriefen besonders dargelegt, dass Musik, gesungen oder gespielt, geistige Nahrung für Herz und Seele ist.
74.2 Die Musik gehört zu den Künsten, die höchstes Lob verdienen. Sie bewegt alle Herzen, die traurig sind. O Shahnáz,1 spiele und singe darum die heiligen Worte Gottes in den Versammlungen der Freunde mit herrlichen Tönen, so dass die Ketten des Kummers und der Sorge von den Hörern abfallen, ihre Seelen sich vor Freude erheben und sich demütig im Gebet dem Reiche der Herrlichkeit zuwenden.
1 Shahnáz, der Name der Empfängerin dieses Sendbriefes, ist auch die Bezeichnung einer musikalischen Tonart.
75
75.1 Strebe mit Herz und Seele danach, Einigkeit und Harmonie zwischen Schwarz und Weiß zu schaffen; zeige damit die Einheit der Bahá’í-Welt, in der es keine Unterscheidung nach Rassen gibt, sondern nur auf die Herzen geachtet wird. Preis sei Gott, denn die Herzen der Freunde sind vereint und miteinander verbunden, seien sie vom Osten oder Westen, Norden oder Süden, seien sie Deutsche, Franzosen, Japaner oder Amerikaner, gehören sie der weißen, schwarzen, roten, gelben oder braunen Rasse an. Unterschiede der Hautfarbe, der Herkunft oder Rasse haben in der Bahá’í-Religion keine Bedeutung, im Gegenteil, die Bahá’í-Einheit überwindet sie alle und lässt all diese Einbildungen verschwinden.
76
76.1 O du, der du ein erleuchtetes Herz besitzt! Du bist wie die Pupille des Auges, der wirkliche Quell des Lichtes, denn Gottes Liebe hat ihre Strahlen auf dein innerstes Sein gerichtet, und du hast dein Antlitz dem Reich deines Herrn zugewandt.
76.2 Der Hass zwischen Schwarz und Weiß sitzt in Amerika sehr tief, aber ich hoffe, dass die Macht des Königreiches diese beiden Rassen in Freundschaft verbinden und ihnen als heilender Balsam dienen wird.
76.3 Führt sie dazu, nicht auf die Hautfarbe eines Menschen zu achten, sondern auf sein Herz. Ist des Menschen Herz von Licht erfüllt, so ist er der Schwelle seines Herrn nahe, wenn nicht, ist er seinem Herrn gegenüber gleich gültig, sei er weiß oder schwarz.
77
77.1 O du verehrte Dienerin Gottes! Dein Brief aus Los Angeles ist angekommen. Danke der göttlichen Vorsehung, dass du im Dienen Beistand fandest und die Einheit der Menschenwelt verkünden konntest, so dass die düsteren Unterschiede zwischen den Menschen verschwinden und die Einheit der Nationen wie ein Festzelt alle Bereiche überschattet. Ohne diese Einheit sind Ruhe und Behagen, Frieden und weltweite Aussöhnung unerreichbar. Unser erleuchtetes Jahrhundert braucht diese Erfüllung und verlangt danach. In jedem Jahrhundert wird nach den Bedürfnissen der Zeit ein besonderes, zentrales Thema von Gott bestätigt. In unserem erleuchteten Zeitalter ist es die Einheit der Menschenwelt. Jede Seele, die dieser Einheit dient, wird zweifelsohne unterstützt und bestätigt.
77.2 Ich hoffe, dass du in den Versammlungen mit einer süßen Melodie Lobpreisungen singen und allen damit Glück und Freude bringen wirst.
78
78.1 O du, der du reinen Herzens, geheiligten Geistes, unvergleichlichen Charakters und strahlenden Antlitzes bist! Dein Lichtbild ist angekommen und zeigt deine leibliche Gestalt in höchster Anmut und vollendeter Erscheinung. Du bist dunkel im Angesicht und hell im Charakter. Du bist wie die Pupille des Auges: dunkel an Farbe und doch Urquell des Lichtes und Offenbarer der abhängigen Welt.
78.2 Ich habe dich nicht vergessen, noch werde ich dich je vergessen. Ich flehe zu Gott, Er möge dich in Seiner Gnade zum Zeichen Seiner Gaben unter der Menschheit machen, dein Antlitz erleuchten mit dem Lichte solcher Segnungen, wie sie der barmherzige Herr verleiht, und dich damit für Seine Liebe auswählen in dieser Zeit, die vor allen vergangenen Jahrhunderten und Zeitaltern ausgezeichnet ist.
79
79.1 O verehrte Persönlichkeit! Ich habe Ihr Werk „The Gospel of Wealth“1 gelesen und darin sehr zutreffende, vernünftige Empfehlungen gefunden.
79.2 Um es kurz zu fassen: Die Lehren Bahá’u’lláhs empfehlen freiwilliges Teilen, und das bedeutet mehr als den Ausgleich des Wohlstands; denn der Ausgleich muss von außen auferlegt werden, Teilen aber ist Sache der freien Wahl.
79.3 Der Mensch vervollkommnet sich durch gute Taten, die er freiwillig ausführt, nicht durch gute Taten, zu denen er gezwungen wird. Teilen ist ein persönlich gewählter Akt der Gerechtigkeit. Das heißt, die Reichen sollten den Armen Hilfe gewähren, sollten ihre Mittel für die Armen ausgeben, aber aus freien Stücken und nicht deshalb, weil die Armen dieses Ziel durch Gewalt erreichen. Denn die Ernte der Gewalt ist Aufruhr und der Zerfall der Gesellschaftsordnung. Andererseits führt freiwilliges Teilen, die frei gewählte Ausgabe der eigenen Mittel, zu Wohlfahrt und Frieden der Gesellschaft. Es erleuchtet die Welt; es verleiht der Menschheit Ehre.
79.4 Ich habe die edlen Wirkungen Ihrer Menschenfreundlichkeit in Amerika an verschiedenen Universitäten, in Friedensversammlungen und Vereinigungen zur Bildungsförderung gesehen, als ich dort von Stadt zu Stadt reiste. Deshalb bete ich für Sie, dass Sie allezeit von den Gnadengaben und Segnungen des Himmels umfangen sein mögen, um viele menschendienliche Werke in Ost und West zu vollbringen. Mögen Sie wie eine flammende Kerze im Reiche Gottes leuchten, mögen Sie Ehre und ewiges Leben erlangen, strahlend wie ein heller Stern am Horizonte der Ewigkeit.
1 Ein Aufsatz aus dem Buch The Gospel of Wealth von Andrew Carnegie (1835 – 1919) wurde in England im Pall Mall Budget unter der Überschrift The Gospel of Wealth wiedergegeben; vgl. Andrew Carnegie, Autobiography, p. 255, deutsch Geschichte meines Lebens (1921).
80
80.1 O du, der du dein Angesicht Gott zuwendest! Dein Brief ist angekommen. Seinem Inhalt entnehme ich, dass du den Armen zu dienen wünschst. Welcher Wunsch könnte edler sein! Seelen, die aus dem Reich Gottes stammen, wünschen sich sehnsüchtig, den Armen dienen zu können, mit ihnen zu fühlen, freundlich zu den Unglücklichen zu sein und ihr Leben fruchtbar zu machen. Glücklich bist du, dass du diesen Wunsch hegst.
80.2 Übermittle deinen beiden Kindern meine innige Liebe und Güte. Ihre Briefe sind angekommen, aber weil ich keine Zeit habe, kann ich keine besonderen Briefe schreiben. Zeige ihnen in meinem Namen höchste Güte.
81
81.1 Die Dienste der Seelen, die während des Krieges für die Armen sorgten und in der Rot-Kreuz-Mission tätig waren, werden im Reiche Gottes angenommen und verhelfen ihnen zu ewigem Leben. Übermittle ihnen diese frohe Botschaft.
82
82.1 O du, der du fest im Bündnis stehst! Dein Brief ist angekommen. Du hast dir um jenen Gefangenen große Mühe gemacht, vielleicht trägt das Früchte. Sage ihm aber: „Die Bewohner dieser Welt sind eingesperrt im Gefängnis der Natur – einem Gefängnis, das immer währt und ewig ist. Wenn du derzeit in einem vergänglichen Gefängnis festgehalten wirst, sei nicht bekümmert. Es ist meine Hoffnung, dass du aus dem Gefängnis der Natur befreit werdest und zum Hofe des ewigen Lebens gelangest. Bete Tag und Nacht zu Gott, bitte um Vergebung und Verzeihung. Die Allmacht Gottes wird jede Schwierigkeit lösen.“
83
83.1 Übermittle im Namen Abdu’l-Bahás deiner verehrten Frau meine Abhá-Grüße und sage ihr: „Güte, Ausbildung und Erziehung für die Gefangenen sind äußerst wichtig. Du hast dich bemüht, hast einige von ihnen erweckt und veranlasst, ihr Angesicht dem Reiche Gottes zuzuwenden. Diese edle Tat ist höchst annehmbar. Fahre voller Zuversicht damit fort. Übermittle den beiden Gefangenen in San Quentin meine freundlichsten Grüße und sage ihnen: `Dieses Gefängnis ist in den Augen weiser Seelen eine Schule der Übung und der Entwicklung. Ihr müsst mit Herz und Seele danach streben, dass ihr für euren Charakter und eure Erkenntnis berühmt werdet.`“
84
84.1 O du geliebte Magd Gottes! Dein Brief kam an und sein Inhalt wurde zur Kenntnis genommen.
84.2 Für die Masse des Volkes ist die Ehe ein leibliches Band, und die Verbindung kann nur vorübergehend sein, weil sie von vornherein dazu verurteilt ist, in einer körperlichen Trennung zu enden.
84.3 Unter dem Volk Bahás jedoch muss die Ehe sowohl eine leibliche als auch eine geistige Verbindung sein, da Mann und Frau vom selben Weine berauscht sind. Beide sind vom selben unvergleichlichen Antlitz bezaubert, beide leben und entwickeln sich durch den gleichen Geist, beide werden von der gleichen Herrlichkeit erleuchtet. Diese Verbindung ist geistiger Natur, und darum wird dieser Bund ewig bestehen. Ebenso werden sie sich in der stofflichen Welt einer starken, dauerhaften Verbindung erfreuen; denn wenn die Ehe auf Geist und Leib gegründet ist, ist sie eine echte Vereinigung, die überdauern wird. Ist die Verbindung jedoch nur eine leibliche, so ist sie gewiss nur vorübergehend und muss unvermeidlich zur Trennung führen.
84.4 Wenn daher das Volk Bahás zu heiraten gedenkt, muss dieser Bund eine echte Beziehung, ein geistiges wie körperliches Zusammenfinden sein, so dass diese Verbindung in allen Lebensabschnitten und Welten Gottes fortdauert, denn diese wahre Einheit ist ein Lichtstrahl der Liebe Gottes.
84.5 Ebenso werden die Seelen, wenn sie zu wahren Gläubigen heranwachsen, geistige Verwandtschaft erlangen und eine Zartheit aufweisen, die nicht von dieser Welt ist. Alle werden sie durch einen Hauch der göttlichen Liebe erhoben, und ihre Vereinigung, ihre Verbindung wird ebenfalls ewig bestehen. Seelen, die ihr Selbst dem Vergessen preisgeben, die menschliche Schwächen ablegen und sich von irdischen Bindungen lösen, werden zweifellos mit dem himmlischen Glanz der Einheit erleuchtet und in der unvergänglichen Welt alle zur wahren Vereinigung gelangen.
85
85.1 Was die Frage der Heirat im Einklang mit dem Gesetz Gottes betrifft: Zunächst musst du jemanden finden, der dir gefällt, und dann unterliegt die Sache der Zustimmung von Vater und Mutter. Ehe du nicht gewählt hast, haben sie kein Recht, sich einzumischen.
86
86.1 Bahá’í-Ehe bedeutet die Bindung zweier Partner aneinander, ihre gegenseitige Zuneigung mit Kopf und Herz. Jeder von beiden muss sich jedoch voller Sorgfalt bemühen, mit der Wesensart des anderen gründlich vertraut zu werden, so dass der feste Bund zwischen ihnen eine ewige Bindung werde. Ihr Bestreben muss sein, liebevolle Gefährten und für immer und ewig miteinander eins zu sein…
86.2 Die wahre Bahá’í-Ehe bedeutet, dass Mann und Frau leiblich und geistig eins sein sollen, dass sie einander ständig in ihrem geistigen Leben vervollkommnen und sich in allen Welten Gottes ewiger Einheit erfreuen. Dies ist die Bahá’í-Ehe.
87
87.1 O du Zeichen der Erinnerung an den, der für die Gesegnete Schönheit starb! Kürzlich kam die glückliche Nachricht deiner Vermählung mit jenem leuchtenden Blatt und hat die Herzen des Volkes Gottes ungemein erfreut. Voller Bescheidenheit wurden Fürbitten an der Heiligen Schwelle dargebracht, dass diese Ehe den Freunden ein Freudenbote sei, dass sie ein Liebesband werde für alle Ewigkeit, dass sie ewigwährende Gaben und Früchte hervorbringe.
87.2 Aus der Trennung kommt alle Art Schaden und Leid, aber die Vereinigung von Erschaffenem führt zu höchst löblichen Ergebnissen. In der Paarung selbst der kleinsten Teilchen aus der Welt des Seins offenbart sich Gottes Güte und Gnade, und je höher die Stufe, um so bedeutender ist die Vereinigung. „Ehre sei Ihm, der alle Paare erschaffen hat aus den Dingen, welche die Erde hervorbringt, aus den Menschen selbst und aus den Dingen jenseits ihres Gesichtskreises.“1 Und erhaben über jede andere Verbindung ist die Verbindung der Menschen miteinander, besonders wenn sie in der Liebe Gottes zustandekommt. So wird die Ureinheit sichtbar, so wird die Grundlage der Liebe im Geiste gelegt. Es ist gewiss, dass eine Heirat wie die eure zur Offenbarung göttlichen Segens führt. So wünschen wir euch Glück und himmlischen Segen und bitten Ihn, die Gesegnete Schönheit, durch Seine Hilfe und Gnade dieses Hochzeitsfest zu einer großen Freude für alle zu machen und es mit der Harmonie des Himmels zu schmücken.
1 Qur’án 36:36; vgl. 51:49
87.3 „O mein Herr, o mein Herr! Diese beiden hellen Gestirne sind in Deiner Liebe vermählt, vereint in der Dienstbarkeit an Deiner heiligen Schwelle, in der Arbeit für Deine Sache. Mache diese Ehe zum Leitstern Deiner überreichen Gnade, o mein Herr, Du Allbarmherziger, und zum leuchtenden Strahl Deines Segens, Du Wohltäter, Du Immergebender, auf dass von diesem großen Baum Zweige sprießen, die grünen und blühen durch die Gaben, die wieder Regen aus den Wolken Deiner Gnade fallen.“
87.4 „Wahrlich, Du bist der Freigebige, wahrlich, Du bist der Allmächtige, wahrlich, Du bist der Mitleidvolle, der Allbarmherzige.“
88
88.1 O meine beiden geliebten Kinder! Als mich die Nachricht eurer Verbindung erreichte, brachte sie mir große Freude und Dankbarkeit. Preis sei Gott, diese beiden treuen Vögel suchen Schutz im gleichen Nest. Ich flehe zu Gott, dass Er sie befähige, eine ehrbare Familie zu gründen, denn die Bedeutung der Ehe liegt darin, eine reich gesegnete Familie aufzuziehen, damit sie voller Freude wie Kerzen die Welt erleuchte. Denn die Erleuchtung der Welt hängt von des Menschen Dasein ab. Gäbe es in dieser Welt den Menschen nicht, so wäre sie ein Baum ohne Frucht. Ich hoffe, dass ihr beide wie ein Baum werdet, anmutig frisch durch den Regen aus der Wolke der Güte, blühend und Fruchtbar, so dass euer Geschlecht ewig fortdauert.
88.2 Auf euch sei die Herrlichkeit des Allherrlichen.
89
89.1 O du, der du standhaft im Bündnis bist! Dein Brief vom 2. Mai 1919 ist eingetroffen. Danke Gott, dass du in Prüfungen fest und standhaft bist und dich an das Reich Abhá hältst. Keine Betrübnis kann dich wankend machen, kein Unheil dich verwirren. Erst wenn der Mensch geprüft wird, trennt sich das reine Gold deutlich von der Schlacke. Schmerzenspein ist das Feuer der Prüfung, darin das reine Gold prächtig glänzt, alles Unreine jedoch schwarz wird und verbrennt. Du bist jetzt, Dank sei Gott, fest und standhaft in Prüfungen und Heimsuchungen. Sie erschüttern dich nicht.
89.2 Deine Frau ist nicht im Einklang mit dir, doch – Gott sei gelobt – die Gesegnete Schönheit, ist zufrieden mit dir und verleiht dir reiche Segensgaben. Bemühe dich aber auch weiterhin, geduldig mit deiner Frau zu sein; vielleicht wird sie verwandelt und ihr Herz erleuchtet. Dein Beitrag für die Lehrarbeit ist hoch anzuerkennen. Er wird im Reich Gottes ewig erwähnt werden; denn er führt zur Verbreitung der Düfte und zur Erhöhung von Gottes Wort.
90
90.1 „O Gott, mein Gott! Deine Magd ruft Dich an, wendet vertrauensvoll ihr Angesicht Dir zu mit Bitten und Flehen: Ergieße über sie Deine himmlischen Gnaden gaben, enthülle ihr Deine geistigen Geheimnisse und wirf auf sie das Licht Deiner Göttlichkeit.“
90.2 „O mein Herr! Mache die Augen meines Gemahls sehend, erfreue sein Herz mit dem Lichte Deiner Erkenntnis, ziehe sein Gemüt hin zu Deiner strahlenden Schönheit und erheitere seinen Geist mit der Enthüllung Deiner offenbaren Herrlichkeit.“
90.3 „O mein Herr! Nimm den Schleier von seinen Augen, lasse Deine reichen Gnadengaben auf ihn herabregnen, berausche ihn mit dem Wein der Liebe zu Dir, mache ihn zu einem Deiner Engel, deren Füße über die Erde wandeln, während ihre Seelen sich in die höchsten Himmel aufschwingen. Mache ihn zu einer strahlenden Lampe, die mit dem Licht Deiner Weisheit inmitten Deines Volkes scheint.“
90.4 „Wahrlich, Du bist der Kostbare, der Immergewährende, der Freigebige.“
91
91.1 O du, der du dich im Gebet vor dem Reiche Gottes niederbeugst. Selig bist du, denn die Schönheit des göttlichen Antlitzes hat dein Herz entzückt, das Licht innerer Weisheit hat es ganz erfüllt, und der Glanz des Gottesreiches leuchtet darin. Wisse, dass Gott in allen Lebenslagen mit dir ist, dass Er dich schützt vor den Wechselfällen dieser Welt und dich zu einer Dienerin in Seinem großen Weinberg gemacht hat …
91.2 Was deinen verehrten Gemahl betrifft, so musst du ihn voller Güte behandeln, auf seine Wünsche Rücksicht nehmen und stets auf Ausgleich bedacht sein, bis er sieht, dass deine Zuneigung zu ihm, deine Liebe zu Gott und auch deine Rücksicht auf seine Wünsche in allen Lebenslagen nur zugenommen haben, weil du dich dem Reiche Gottes zugewandt hast.
91.3 Ich bitte den Allmächtigen, dich fest in Seiner Liebe zu bewahren und dich immerdar die süßen Düfte der Heiligkeit in alle jene Bereiche verströmen zu lassen.
92
92.1 O ihr, die ihr beide an Gott glaubt! Der Herr, einzig ist Er, hat Mann und Frau erschaffen, damit sie in engster Gemeinschaft miteinander leben und wie eine einzige Seele seien. Sie sind zwei Gefährten, zwei nahe Freunde, die gegenseitig auf ihr Wohl bedacht sein sollten.
92.2 Wenn sie so leben, werden sie diese Welt vollkommen zufrieden, glückselig und heiteren Gemüts durchschreiten, um im Himmelreich zum Ziel göttlicher Gnade und Gunst zu werden. Aber wenn sie sich anders verhalten, wird sich ihr Leben in großer Bitterkeit verzehren, jeden Augenblick werden sie den Tod herbeisehnen, und im Himmelreich werden sie beschämt sein.
92.3 Seid daher bemüht, mit Leib und Seele wie zwei Tauben in einem Nest miteinander zu wohnen, denn dies bedeutet Segen in beiden Welten.
93
93.1 O du Dienerin Gottes! Jede Frau, die Gottes Dienerin wird, überstrahlt in ihrer Herrlichkeit die Kaiserinnen der Welt, denn sie ist Gott verbunden, und ihre Souveränität währt ewiglich. Dagegen wird eine Handvoll Staub Namen und Ruf jener Kaiserinnen auslöschen. Mit anderen Worten: Sobald sie ins Grab sinken, werden sie zunichte. Die Dienerinnen des Königreichs Gottes dagegen genießen ewige Souveränität, unangetastet von der Vergänglichkeit der Jahrhunderte und der Geschlechterfolgen.
93.2 Denke darüber nach, wieviele Kaiserinnen seit der Zeit Christi kamen und gingen. Jede herrschte über ein Land; aber heute sind alle Spuren und Namen von ihnen verloren, während Maria Magdalena, die nur eine Bäuerin und Gottes Dienerin war, noch immer vom Horizonte ewiger Herrlichkeit strahlt. Strebe deshalb danach, Gottes Dienerin zu bleiben.
93.3 Du hast die Tagung gelobt. Diese Jahrestagung wird in Zukunft große Bedeutung erlangen, denn sie dient dem Reiche Gottes und der Menschenwelt. Sie verkündet den Weltfrieden und legt den Grund für die Einheit der Menschheit. Sie befreit die Seelen von religiösen, rassischen und weltlichen Vorurteilen und versammelt sie im Schatten von Gottes einfarbigem Thronzelt. So preise denn Gott, dass du solch einer Tagung beiwohnen und den göttlichen Lehren lauschen durftest.
94
94.1 O Dienerinnen der Schönheit Abhá! Euer Brief kam an, und ihn zu lesen, brachte große Freude. Gelobt sei Gott, die Frauen unter den Gläubigen haben Treffen veranstaltet, um zu lernen, wie man den Glauben verbreitet, die süßen Düfte der Lehren verströmt und Pläne für die Erziehung der Kinder aufstellt.
94.2 Diese Zusammenkunft muss durch und durch geistig sein. Das bedeutet, die Diskussionen müssen sich darauf beschränken, klare und schlüssige Beweise aufzustellen, dass die Sonne der Wahrheit in der Tat aufgegangen ist. Weiterhin sollten sich die Anwesenden mit allen Möglichkeiten der Mädchenerziehung beschäftigen, mit dem Mädchenunterricht auf verschiedenen Wissensgebieten: Wohlverhalten und ordentliche Lebensführung, Charakterbildung, Keuschheit und Treue, Standhaftigkeit, Kraft, Entschlossenheit, fester Vorsatz; ferner Haushaltsführung, Kindererziehung und was sonst Mädchen besonders brauchen. Aufgezogen in der Hochburg aller Vollkommenheiten, versehen mit dem Schutz eines edlen Charakters, werden diese Mädchen, wenn sie selbst Mütter sind, ihre Kinder von frühester Jugend an zu einem edlen Charakter und zu rechtem Verhalten erziehen.
94.3 Lasst sie auch lernen, was der leiblichen Gesundheit dient und wie sie ihre Kinder vor Krankheit schützen können.
94.4 Wenn so alles wohl geordnet ist, wird jedes Kind zu einer unvergleichlichen Pflanze in den Gärten des Paradieses Abhá.
95
95.1 O Dienerinnen des Herrn! Die geistige Versammlung, die ihr in jener erleuchteten Stadt einberufen habt, ist überaus segensreich. Ihr habt große Anstrengungen unternommen, habt die anderen übertroffen, euch erhoben, an der Heiligen Schwelle zu dienen, und himmlische Gnadengaben erlangt. Nun müsst ihr euch mit allem geistigen Eifer in dieser erleuchteten Versammlung treffen, die Heiligen Schriften vorlesen und des Herrn gedenken. Legt Seine Zeugnisse und Beweise dar. Arbeitet für die Führung der Frauen in jenem Lande, lehrt die jungen Mädchen und Kinder, damit die Mütter ihre Kleinen von frühester Kindheit an sorgfältig erziehen, sie zu einem guten Charakter und hoher Sittlichkeit anleiten, sie zu allen Tugenden der Menschheit führen, die Entwicklung tadelnswerten Betragens verhindern und sie im Schoße der Bahá’í-Erziehung fördern. So sollen diese zarten Kinder am Busen der Erkenntnis und Liebe Gottes genährt werden. So sollen sie wachsen und gedeihen, erzogen in Rechtschaffenheit, menschlicher Würde, Entschlossenheit und im Willen zu Strebsamkeit und Ausdauer. So sollen sie Beständigkeit in allen Dingen lernen, den Willen, voranzukommen, Hochherzigkeit und edle Entschlossenheit, Keuschheit und Reinheit des Lebens. So sollen sie fähig werden, was immer sie untemehmen, zu einem erfolgreichen Ende zu führen.
95.2 Die Mütter sollten daran denken, dass alles, was Kindererziehung berührt, den Vorrang hat. Sie sollten in dieser Hinsicht jede Anstrengung unternehmen, denn wenn der Zweig grün und zart ist, wird er in jede vorgegebene Richtung wachsen. Darum ist es die Pflicht der Mütter, ihre Kleinen so heranzuziehen, wie ein Gärtner seine jungen Pflanzen pflegt. Tag und Nacht sollen sie sich bemühen, in ihren Kindern Glauben und Gewissheit, Gottesfurcht, Liebe zu dem Geliebten der Welten sowie alle guten Eigenschaften und Charakterzüge zu verankern. Wann immer eine Mutter sieht, dass ihr Kind etwas gut gemacht hat, soll sie es loben, ihre Anerkennung äußern und sein Herz erfreuen. Und wenn sich der kleinste unerwünschte Zug zeigt, soll sie dem Kind raten, die Mittel der Vernunft gebrauchen und erforderlichenfalls das Kind auch durch sanften mündlichen Tadel strafen. Es ist jedoch nicht erlaubt, ein Kind zu schlagen oder es verächtlich zu machen, denn der Charakter des Kindes wird durch Prügel oder Beschimpfung völlig verdorben.
96
96.1 O Dienerinnen des Barmherzigen! Bringt der Urewigen Schönheit euren Dank dar, dass ihr erhoben und versammelt wurdet in diesem mächtigsten Jahrhundert, diesem erleuchtetsten Zeitalter. Als angemessenen Dank für diesen Segen bleibt fest und stark im Bündnis, folgt den Geboten Gottes und dem heiligen Gesetz und säugt eure Kinder vom ersten Tag an mit der Milch allumfassender Erziehung! Erzieht sie so, dass von frühester Kindheit an tief in ihren Herzen, in ihrem ureigensten Wesen, eine Lebensart fest begründet wird, die mit den göttlichen Lehren völlig übereinstimmt.
96.2 Mütter sind die ersten Erzieher, die ersten Berater; sie sind es wahrlich, die das Glück, die zukünftige Bedeutung, die Liebenswürdigkeit, Bildung und Urteilskraft, das Verständnis und den Glauben ihrer Kleinen vorherbestimmen.
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97.1 Es gibt bestimmte Pfeiler, die als unerschütterliche Stützen des Glaubens Gottes errichtet sind. Die mächtigsten Pfeiler sind Bildung, der Gebrauch des Verstandes, die Erweiterung des Bewußtseins, die Einsicht in die Wirklichkeiten des Weltalls und in die verborgenen Geheimnisse des allmächtigen Gottes.
97.2 Wissen zu fördern, ist somit eine unausweichliche Pflicht für jeden einzelnen Freund Gottes. Es obliegt jenem Geistigen Rat, jener Versammlung Gottes, alle Mühe für die Erziehung der Kinder auf sich zu nehmen, damit sie sich von frühester Kindheit in der Lebensführung als Bahá’í auf Gottes Wegen üben, um wie junge Pflanzen an den sanft fließenden Wassern der Ratschläge und Ermahnungen der Gesegneten Schönheit zu gedeihen und zu blühen.
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98.1 Gäbe es keinen Erzieher, blieben alle Seelen roh und wild, und gäbe es keinen Lehrer, so wären die Kinder unwissende Geschöpfe.
98.2 Deshalb sind in diesem neuen Zyklus Erziehung und Ausbildung im Buche Gottes als Pflicht verzeichnet, nicht als freiwillige Angelegenheit. Das bedeutet, Vater und Mutter sind verpflichtet, Tochter und Sohn mit größter Anstrengung auszubilden, sie an der Brust der Erkenntnis zu nähren und sie aufzuziehen am Busen der Wissenschaften und Künste. Wer diese Aufgabe vernachlässigt, der wird in Gegenwart des gestrengen Herrn zur Rechenschaft gezogen und mit Vorwürfen überhäuft werden.
99
99.1 Du schreibst über die Kinder: Von allem Anfang an müssen die Kinder göttliche Erziehung erhalten und ständig erinnert werden, ihres Gottes zu gedenken. Lass die Liebe Gottes mit der Muttermilch ihr tiefstes Wesen durchdringen.
100
100.1 Es ist mein Wunsch, dass diese Kinder eine Bahá’í-Erziehung erhalten, so dass sie hienieden wie im Gottesreich Fortschritte machen und dein Herz erfreuen.
100.2 In nächster Zeit werden die Sitten auf eine sehr niedere Stufe sinken. Es ist wichtig, dass die Kinder nach Bahá’í-Art erzogen werden, damit sie in dieser und der zukünftigen Welt glücklich werden. Gelingt das nicht, so werden sie von Kummer und Mühsal umgeben sein; denn menschliches Glück gründet sich auf geistiges Verhalten.
101
101.1 O ihr, die ihr Seelenfrieden habt! In den göttlichen Versen des Heiligsten Buches wie auch in anderen Sendschreiben steht: Es ist Pflicht des Vaters und der Mutter, ihre Kinder sowohl zu rechtem Verhalten als auch zum Studium der Bücher zu erziehen. Studium bedeutet im erforderlichen Umfang, so dass kein Kind, ob Mädchen oder Junge, Analphabet bleibt. Wenn der Vater seine Pflicht versäumt, muss er gezwungen werden, seiner Verantwortung nachzukommen, und wenn ihm das nicht möglich ist, hat das Haus der Gerechtigkeit die Erziehung der Kinder zu übernehmen; in keinem Fall darf ein Kind ohne Erziehung bleiben. Das ist eines der bindenden, unumstößlichen Gebote. Seine Missachtung würde den zornigen Unwillen des allmächtigen Gottes hervorrufen.
102
102.1 O ihr wahren Gefährten! Die ganze Menschheit gleicht Kindern in der Schule, und die Aufgangsorte des Lichtes, die Quellen göttlicher Offenbarung, sind die Lehrer, wundersam und ohnegleichen. In der Schule der Wirklichkeiten erziehen sie diese Söhne und Töchter nach Gottes Lehren und nähren sie an der Brust der Gnade, damit sie sich in jeder Hinsicht entwickeln, die vortrefflichen Gnadengaben des Herrn dartun und menschliche Vollkommenheiten in sich vereinen, damit sie ferner auf allen Gebieten menschlichen Bemühens, äußerlich wie innerlich, erkennbar oder verborgen, stofflich oder geistig, Fortschritte machen, bis sie diese vergängliche Welt zu einem großflächigen Spiegel machen, der die andere, die unsterbliche Welt, widerspiegelt.
102.2 O ihr Freunde Gottes! Weil die Sonne der Wahrheit in diesem bedeutendsten aller Zeitalter zum höchsten Punkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche emporgestiegen ist und ihre Strahlen auf alle Landstriche wirft, wird sie in der Welt des Seins solch prickelnde Erregung entfachen, solche Schwingungen auslösen, solches Wachstum und solche Entwicklung in Gang setzen, mit solcher Herrlichkeit ihr Licht verströmen, die Wolken der Gnade in solcher Fülle ergießen, Felder und Auen mit einer solchen Myriade süßduftender Pflanzen und Blumen übersäen, dass diese bescheidene Erde zum Reich Abhá, diese niedere Welt zur Welt der Höhe erhoben wird. Dann wird dieser kleine Staubfleck wie der weite Himmelskreis, diese menschliche Stätte wird Gottes Königshof, diese Handvoll Lehm wird zum Morgen unendlicher Gunstbeweise des Herrn der Herren.
102.3 So strengt euch denn mächtig an, ihr Geliebten Gottes, damit ihr diesen Fortschritt und alle diese Bestätigungen an euch selber zeigt und Brennpunkte für Gottes Gnadengaben, Aufgangsorte Seiner lichtvollen Einheit, Förderer aller Segnungen und Gunstbeweise kultivierten Lebens werdet! Werdet dortzulande zur Vorhut menschlicher Vollkommenheit, tragt die verschiedenen Wissenszweige voran, seid aktiv und fortschrittlich auf dem Gebiet der Erfindungen und Künste. Bemüht euch, das menschliche Verhalten zu verbessern, und trachtet danach, die ganze Welt sittlich zu übertreffen. Solange die Kinder noch klein sind, nährt sie an der Brust himmlischer Gnade, hegt sie in der Wiege aller Vollkommenheiten, zieht sie groß in den Armen der Gabenfülle. Gönnt ihnen den Vorzug alles brauchbaren Wissens. Lasst sie teilhaben an jedem neuen, trefflichen, wundersamen Handwerk und Kunstgewerbe. Erzieht sie zu Arbeit und Einsatz, gewöhnt sie an Mühsal. Lehrt sie, ihr Leben wichtigen Dingen zu widmen, begeistert sie zu Studien, die der Menschheit nützen.
103
103.1 Die Erziehung und Ausbildung der Kinder gehört zu den verdienstvollsten Taten der Menschheit. Sie zieht die Gnade und den Segen des Allbarmherzigen auf sich; denn Erziehung ist die unentbehrliche Grundlage jeder herausragenden menschlichen Leistung und erlaubt dem Menschen, sich seinen Weg zu den Höhen immerwährender Herrlichkeit zu bahnen. Wird ein Kind vom Säuglingsalter an erzogen, so trinkt es durch die liebende Fürsorge des heiligen Gärtners aus den kristallenen Wassern des Geistes und der Erkenntnis, wie ein junger Baum an plätschernden Bächen. Es wird gewiss die hellen Sonnenstrahlen der Wahrheit auf sich ziehen; durch der Sonne Licht und Wärme wird es allzeit frisch und schön im Garten des Lebens gedeihen.
103.2 Deshalb muss der treue Ratgeber zugleich Arzt sein, das heißt, er muss das Kind beim Unterricht von Fehlern heilen, ihm Wissen vermitteln und es gleichzeitig zu geistiger Wesensart erziehen. Lasst den Lehrer Arzt sein für den Charakter des Kindes. Damit wird er die geistigen Leiden der Menschenkinder heilen.
103.3 Wenn große Mühe auf diese wichtige Aufgabe verwandt wird, erstrahlt die Menschenwelt in neuem Schmuck und verströmt helles Licht. Dann wird dieser dunkle Ort erleuchtet, dieser irdene Wohnsitz in den Himmel verwandelt. Selbst Teufel werden dann zu Engeln, Wölfe zu Hirten, die Meute wilder Hunde zu Gazellen, die auf den Auen der Einheit grasen; reißende Bestien werden zu friedlichen Herden, Greifvögel mit messerscharfen Krallen werden zu Sängern, die ihre süßen Lieder trillern.
103.4 Denn die innere Wirklichkeit des Menschen ist eine Grenzlinie zwischen Schatten und Licht, der Ort, an dem die beiden Meere aufeinandertreffen.1 Sie ist der niedrigste Punkt des absteigenden Bogens2 und deshalb fähig, alle Stufen darüber zu erreichen. Durch Erziehung kann sie jeden Vorzug gewinnen; ohne Erziehung bleibt sie dem niedersten Punkt der Unvollkommenheit verhaftet.
1 Qur’án 25:53, 35:12, 55:19-25. Vgl. auch das Hochzeitsgebet Abdu’l-Bahás in: Gebete, Hofheim-Langenhain 1984, Nr. 224
2 siehe Abdu’l-Bahá, Beantwortete Fragen, Kap. 81, S.275 zur Erläuterung des absteigenden und des aufsteigenden Bogens.
103.5 Jedes Kind hat die Möglichkeit in sich, das Licht der Welt zu sein – und genauso ihre Dunkelheit. Deshalb muss der Frage der Erziehung höchste Bedeutung beigemessen werden. Vom Säuglingsalter an muss das Kind an der Brust der Liebe Gottes genährt und in den Armen Seiner Erkenntnis gehegt werden, damit es Licht verströme, in der Geistigkeit wachse, erfüllt sei von Weisheit und Bildung und die Eigenschaften der Engelsschar annehme.
103.6 Euch ist diese heilige Aufgabe übertragen. So müsst ihr euch Mühe geben, jene Schule in jeder Hinsicht auf der ganzen Welt berühmt zu machen. Sorgt dafür, dass durch sie das Wort des Herrn verherrlicht wird.
104
104.1 O ihr Geliebten Gottes und Dienerinnen des Barmherzigen! Ein großer Teil der Gelehrten ist der Ansicht, dass Abweichungen bei den Verstandeskräften und verschiedenartige Stufen der Wahrnehmungsfähigkeit auf Unterschiede der Erziehung, Ausbildung und Kultur zurückgehen. Sie glauben also, dass die Verstandeskräfte anfangs gleich sind, dass jedoch Ausbildung und Erziehung geistige Unterschiede und Abstufungen der Intelligenz hervorbringen und dass solche Unterschiede kein angeborener Teil der Person, sondern Ergebnis der Erziehung sind, dass also niemand von Geburt an anderen überlegen ist …
104.2 Die Manifestationen Gottes stimmen darin überein, dass die Erziehung den größtmöglichen Einfluss auf die Menschheit ausübt. Sie betonen jedoch, dass Unterschiede im Grad der Intelligenz angeboren sind. Diese Tatsache ist offensichtlich, sie braucht nicht diskutiert zu werden. Wir sehen, wie Kinder desselben Alters, desselben Landes, derselben Rasse, ja sogar derselben Familie, die durch dieselbe Person ausgebildet werden, trotzdem verschieden in ihrer Aufnahmefähigkeit und Intelligenz sind. Der eine macht schnelle Fortschritte, der zweite nimmt die Anleitungen nur allmählich auf, ein dritter bleibt auf der niedersten Stufe stehen. Wie sehr man auch eine Muschelschale poliert, es wird keine glänzende Perle daraus. Auch kann man keinen stumpfen Kiesel in einen Edelstein verwandeln, dessen reines Funkeln die Welt erleuchtet. Niemals wird sich der Bitterapfel und der Höllenbaum1 durch Erziehung und Kultivierung in den Baum des Segens2 verwandeln. Das heißt, Erziehung kann das innere Wesen des Menschen nicht ändern; aber sie übt gewaltigen Einfluss aus, und mit dieser Kraft kann sie aus dem einzelnen hervorbringen, was an Vollkommenheiten und Fähigkeiten in ihm angelegt ist. Ein Weizenkorn wird eine ganze Ernte bringen, wenn es vom Bauern kultiviert wird, und ein Samenkorn wird durch die Pflege des Gärtners zu einem großen Baum heranwachsen. Dank den liebevollen Bemühungen eines Lehrers können Grundschulkinder die höchsten Stufen der Vollendung erreichen; seine Wohltat kann tatsächlich manches unscheinbare Kind auf einen hehren Thron heben. Das zeigt klar, dass die Verstandeskräfte von Natur aus in ihrer Leistungsfähigkeit voneinander abweichen, die Erziehung aber für ihre Entwicklung eine große Rolle spielt und machtvollen Einfluss ausübt.
1 Kolaquinte und Baum Zaqqúm (vgl. Qur’án 37:62)
2 vgl. Qur’án 24:35
105
105.1 Der Unterschied zwischen der heute herrschenden materiellen Zivilisation und der göttlichen Kultur, die eine der vom Haus der Gerechtigkeit ausgehenden Wohltaten sein wird, besteht im folgenden: Die materielle Zivilisation schreckt das Volk durch den Zwang vergeltender Strafgesetze von Verbrechen ab, und obwohl diese vergeltenden Strafgesetze ständig weiter wuchern, gibt es, wie ihr seht, keine Gesetze, die den Menschen belohnen. In allen Städten Europas und Amerikas wurden riesige Gebäude errichtet, die als Gefängnisse für Straffällige dienen.
105.2 Die göttliche Kultur indessen erzieht jedes Glied der Gesellschaft so, dass außer ganz wenigen niemand ein Verbrechen begeht. Es besteht daher ein großer Unterschied zwischen der Verbrechensverhütung durch gewalttätige, vergeltende Maßnahmen und derartiger Erziehung, Aufklärung und Vergeistigung, dass die Menschen ohne Angst vor Strafe oder Rache Verbrechen unterlassen. Sie werden fürwahr schon das Begehen eines Verbrechens als eine große Schande und als die härteste Strafe ansehen. Sie werden sich in die menschlichen Vollkommenheiten verlieben und ihr Leben dem weihen, was der Welt Licht bringt und die an der heiligen Schwelle Gottes annehmbaren Tugenden fördert.
105.3 Sieh nun, wie groß der Unterschied zwischen der materiellen Zivilisation und der göttlichen Kultur ist. Die materielle Zivilisation will das Volk durch Gewalt und Strafe abschrecken, Unheil zu stiften, der Gesellschaft Schaden zuzufügen und Verbrechen zu begehen. In einer göttlichen Kultur wird der Mensch jedoch so erzogen sein, dass er ohne Angst vor Strafe vor dem Verbrechen zurückschaudert, das Verbrechen als die größte Pein ansieht und sich mit freudiger Dienstbereitschaft anschickt, die Tugenden der Menschheit zu erwerben, den menschlichen Fortschritt zu fördern und Licht über die Welt zu verbreiten.
106
106.1 Zu den größten Diensten, die der Mensch dem allmächtigen Gott je erweisen kann, gehört die Erziehung und Ausbildung von Kindern, jungen Pflanzen im Paradies Abhá, so dass diese Kinder wie Perlen göttlicher Großmut in der Muschel der Erziehung wachsen, gehegt in Gnade auf dem Pfade des Heils, bis sie schließlich juwelengleich die Krone ewiger Herrlichkeit schmücken.
106.2 Es ist jedoch sehr schwierig, diesen Dienst zu leisten, und noch schwerer ist es, darin Erfolg zu haben. Ich hoffe, du wirst dich bei dieser wichtigsten Aufgabe bewähren, den Sieg davontragen und zum Banner der überfließenden Gnade Gottes werden. Auch hoffe ich, dass diese Kinder, allesamt in den heiligen Lehren gehegt und behütet, Charaktere wie die süßen Lüfte aus den Gärten des Allherrlichen entwickeln und ihren Duft über die ganze Welt verbreiten.
107
107.1 Abdu’l-Bahá hofft, dass jene jungen Seelen im Schulsaal vertieften Wissens von einem Lehrer geführt werden, der sie lieben lehrt. Mögen sie in allen Bereichen des Geistes viel über die verborgenen Geheimnisse lernen, so viel, dass jeder im Königreich des Allherrlichen wie eine sprachbegabte Nachtigall die Geheimnisse des Himmelreiches kündet und wie ein sehnsüchtig Liebender seine brennende Not, sein heißes Verlangen nach dem Geliebten hervorstößt
108
108.1 Der Charakterfrage solltet ihr die größte Bedeutung zumessen. Es ist die Pflicht jeden Vaters und jeder Mutter, ihre Kinder lange Zeit zu beraten und sie zu den Dingen zu führen, die zu ewiger Ehre gereichen.
108.2 Ermutigt die Schulkinder von Jugend auf, wohlgesetzte Reden zu halten, so dass sie in ihrer Freizeit damit beschäftigt sind, überzeugende, wirksame Ansprachen zu halten und sich dabei klar und beredt auszudrücken.
109
109.1 O ihr, die ihr Gottes Gunst empfanget! Die unerschütterliche Grundlage dieses neuen, wunderbaren Zeitalters ist das Lehren der Wissenschaften und Künste. Nach den ausdrücklichen Heiligen Worten muss jedes Kind in ausreichendem Maß in Kunst und Handwerk unterwiesen werden. Deshalb müssen in jeder Stadt und jedem Dorf Schulen errichtet werden, und jedes Kind dieser Stadt oder dieses Dorfes muss im nötigen Umfang lernen.
109.2 Es folgt daraus, dass jede Seele, die mithilft, das zu verwirklichen, an der himmlischen Schwelle mit Sicherheit aufgenommen und von den himmlischen Heerscharen gepriesen wird.
109.3 Da ihr euch um dieses überragend wichtige Ziel so sehr bemüht habt, hoffe ich, dass ihr euren Lohn vom Herrn klarer Zeichen und Beweise erntet und die Blicke himmlischer Gnade sich auf euch richten.
110
110.1 Was die Organisation der Schulen betrifft: Wenn möglich, sollten die Kinder alle dieselbe Art Kleidung tragen, selbst wenn der Stoff verschieden ist. Am besten wäre auch der Stoff einheitlich; ist das aber unmöglich, so schadet es auch nicht. Je sauberer die Schüler sind, desto besser. Sie sollten makellos sein. Die Schule muss an einem Ort mit guter, reiner Luft sein. Die Kinder müssen sorgfältig dazu erzogen werden, äußerst höflich zu sein und sich gut zu betragen. Sie müssen fortwährend ermutigt und begeistert werden, zu den Gipfeln menschlicher Vervollkommnung zu streben, so dass sie von frühester Kindheit an gelehrt werden, sich hohe Ziele zu setzen, sich richtig zu verhalten, keusch, rein und makellos zu sein, und dass sie lernen, in jeder Hinsicht starke Entschlußkraft und festen Vorsatz zu zeigen. Lasst sie nicht spaßen und tändeln, sondern ihre Ziele gewissenhaft verfolgen, dass sie in jeder Lage entschlossen und gefestigt sind.
110.2 Moralische Erziehung und gutes Benehmen sind viel wichtiger als Bücherwissen. Ein sauberes, anmutiges Kind mit gutem Charakter und richtigem Benehmen ist – selbst dann, wenn es nicht viel weiß – einem Kind vorzuziehen, das unhöflich, ungewaschen und boshaft, doch in allen Künsten und Wissenschaften bewandert ist. Der Grund ist, dass das Kind, das sich gut benimmt, auch wenn es nicht viel weiß, für andere zum Gewinn wird, während das boshafte, ungezogene Kind verderbt ist und anderen schadet, selbst wenn es viel weiß. Wenn jedoch das Kind so erzogen wird, dass es beides ist, gebildet und gut, so führt das zum strahlendsten Licht.
110.3 Kinder sind wie ein frischer, grüner Zweig; sie werden in diejenige Richtung wachsen, in die ihr sie biegt. Verwendet die allergrößte Sorgfalt darauf, ihnen hohe Ideale und Ziele zu vermitteln, so dass sie als Erwachsene ihre Lichtstrahlen wie leuchtende Kerzen über die Welt ergießen und sich nicht achtlos-unwissend durch tierische Gelüste und Leidenschaften entehren. Sie sollen stattdessen ihre Herzen darauf richten, ewigwährende Ehre zu erlangen und sich alle Vollkommenheiten der Menschheit anzueignen.
111
111.1 Die Wurzel schlechter Taten ist Unwissenheit; wir müssen uns deshalb fest an die Werkzeuge der Wahrnehmung und Erkenntnis halten. Ein guter Charakter muss gelehrt werden. Das Licht muss weithin verbreitet werden, damit alle in der Schule der Menschlichkeit die himmlischen Eigenschaften des Geistes erwerben und zweifelsfrei erkennen, dass es keine heißere Hölle, keinen feurigeren Abgrund gibt als einen unzuverlässigen, verderbten Charakter. Es gibt keine dunklere Grube, keine abscheulichere Qual als verdammungswürdige Eigenschaften.
111.2 Jeder Mensch muss zu einer so hohen Stufe erzogen werden, dass er sich lieber die Kehle durchschneiden lässt, als eine Lüge auszusprechen, und dass es für ihn leichter ist, vom Schwert geteilt oder vom Speer durchbohrt zu werden, als eine Verleumdung zu äußern oder dem Jähzorn zu verfallen.
111.3 So wird der Sinn für Würde und Stolz entzündet, damit er die Ernten wollüstiger Begierden verbrenne. Dann wird jeder Geliebte Gottes wie ein leuchtender Mond mit den Tugenden des Geistes erstrahlen, und die Beziehung jedes einzelnen zur Heiligen Schwelle seines Herrn wird kein Trug sein, sondern echt und wahr; sie wird die Grundmauer des Bauwerks sein, kein Zierat an der Fassade.
111.4 Daraus folgt, dass die Schule eine Stätte höchster Zucht und Ordnung sein muss, dass der Unterricht gründlich sein muss, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen für die Formung und Bildung des Charakters, so dass im innersten Wesen des Kindes früh die göttliche Grundlage gelegt und das Bauwerk der Heiligkeit errichtet wird.
111.5 Wisse, dass diese Fragen des Unterrichts, der Charakterformung und -bildung, der Freude und Ermutigung des Kindes von allergrößter Bedeutung sind; denn sie sind Leitgrundsätze Gottes.
111.6 So werden, wenn Gott will, aus diesen geistigen Schulen erleuchtete Kinder hervorgehen, geschmückt mit den herrlichsten Tugenden der Menschheit. Nicht nur auf Persien werden sie ihr Licht ergießen, sondern auf die ganze Welt.
111.7 Es ist äußerst schwierig, nach der Pubertät den Menschen zu lehren und seinen Charakter zu verbessern. Dann nämlich, so zeigt uns die Erfahrung, nützt alles nichts mehr, auch wenn noch so große Anstrengungen unternommen werden, seine Neigungen zu verändern. Er wird sich heute vielleicht etwas bessern. Aber einige Tage später vergißt er alles wieder und fällt zurück in seinen gewohnten Trott, seine eingefahrenen Geleise. Deshalb muss in frühester Kindheit eine feste Grundlage gelegt werden. Solange der Zweig grün und zart ist, kann er leicht gerade gebogen werden.
111.8 Unserer Meinung nach sind die Eigenschaften des Geistes die erste, die göttliche Grundlage. Sie schmücken das wahre Wesen des Menschen, und Wissen ist die Ursache menschlichen Fortschritts. Die Geliebten Gottes müssen dieser Angelegenheit große Bedeutung beimessen und sie mit Eifer und Begeisterung vorantreiben.
112
112.1 In dieser heiligen Sache hat die Frage der Waisen besondere Bedeutung. Waisen muss größte Beachtung geschenkt werden. Sie müssen gelehrt, ausgebildet und erzogen werden. Insbesondere müssen ihnen, soweit möglich, die Lehren Bahá’u’lláhs vermittelt werden.
112.2 Ich flehe zu Gott, dass du den Waisenkindern eine gütige Mutter werdest und sie mit den Düften des Heiligen Geistes belebst, so dass sie das Alter der Reife als wahrhafte Diener der Menschenwelt, als leuchtende Kerzen in der Versammlung der Menschheit erreichen werden.
113
113.1 O Dienerin Gottes! … Den Müttern müssen die göttlichen Lehren und wirksame Ratschläge gegeben werden, sie müssen ermutigt und begeistert werden, ihre Kinder auszubilden, denn die Mutter ist die erste Erzieherin des Kindes. Sie ist es, die zunächst das Neugeborene an der Brust des Gottesglaubens und des Gottesgesetzes stillt. So soll das Kind göttliche Liebe schon mit der Muttermilch saugen und bis zum letzten Atemzug bewahren.
113.2 Wenn die Mutter in der Erziehung ihrer Kinder versagt und sie nicht auf eine ordentliche Lebensbahn lenkt, wird auch alle spätere Erziehung nicht voll zur Wirkung kommen. Es obliegt den Geistigen Räten, den Müttern ein wohldurchdachtes Programm für die Kindererziehung zu vermitteln und ihnen zu zeigen, wie das Kind vom Säuglingsalter an behütet und belehrt werden muss. Diese Anweisungen müssen jeder Mutter gegeben werden, so dass sie sich danach richten und ihre Kinder nach den göttlichen Lehren bilden und hegen kann.
113.3 So werden diese jungen Pflanzen im Garten der Liebe Gottes in der warmen Sonne der Wahrheit, den sanften Frühlingswinden des Himmels und an der führenden Hand ihrer Mutter wachsen und blühen, bis jede im Paradies Abhá zu einem Baum wird, der reiche Frucht trägt und in dieser neuen, wundersamen Jahreszeit durch den Frühlingssegen alle Schönheit und Anmut empfängt.
114
114.1 Wisset, o ihr liebenden Mütter: In den Augen Gottes ist der beste Weg, Ihn zu verherrlichen, die Erziehung der Kinder und ihre Bildung in allen Vollkommenheiten der Menschheit. Keine edlere Tat ist denkbar.
115
115.1 O ihr beiden innig geliebten Dienerinnen Gottes! Was immer des Menschen Zunge verkündet, soll er durch seine Taten beweisen. Wenn er behauptet, ein Gläubiger zu sein, so handle er nach den Geboten des Reiches Abhá.
115.2 Gelobt sei Gott! Ihr beide habt die Wahrheit eurer Worte durch eure Taten erwiesen und habt die Bestätigungen Gottes, des Herrn, erlangt. Täglich im Morgengrauen versammelt ihr die Bahá’í-Kinder; ihr lehrt sie, zu beten und sich Gott zuzuwenden. Das ist sehr lobenswert und bringt den Herzen der Kinder Freude. So sollten sie jeden Morgen ihr Angesicht dem Königreich zuwenden, den Herrn anrufen, Seinen Namen preisen und mit der süßesten Stimme Gottes Verse singen und aufsagen.
115.3 Die Kinder sind wie junge Pflanzen. Sie die Gebete zu lehren, gleicht dem Regen, der auf sie niedergeht, damit sie zart und frisch heranwachsen, damit die sanften Winde der Liebe Gottes über sie hinwehen und sie vor Freude erschauern lassen.
115.4 Glückseligkeit erwartet euch und eine sichere Zuflucht.
116
116.1 O du Tochter des Königreichs! Deine Briefe sind angekommen. Sie besagen, dass deine Mutter in das unsichtbare Reich emporgestiegen ist und dich zurückließ. Du möchtest deinem Vater dienen, der dir teuer ist, gleichzeitig aber auch dem Reich Gottes, und weißt nicht, wie du dich entscheiden sollst. Gewiss sollst du deinem Vater dienen und, sooft du Zeit findest die göttlichen Düfte verbreiten.
117
117.1 O du Freund Abdu’l-Bahás! Sei der Sohn deines Vaters und die Frucht jenes Baumes. Sei ein Sohn, geboren aus seiner Seele und seinem Herzen, nicht nur aus Wasser und Lehm. Der ist ein wahrer Sohn, der aus dem geistigen Sein eines Menschen entsprossen ist. Ich bitte Gott, dass du zu allen Zeiten bestätigt und gestärkt werdest.
118
118.1 O ihr jungen Bahá’í-Kinder, ihr Sucher nach Wahrheit, Verständnis und Wissen! Ein menschliches Wesen unterscheidet sich von einem Tier auf vielerlei Art. Vor allen Dingen ist der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen, in der Gestalt des himmlischen Lichtes, wie die Thora sagt: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei.“1 Dieses göttliche Bild bezeichnet alle Eigenschaften der Vollkommenheit, deren Licht von der Sonne der Wahrheit ausgeht und die Wirklichkeit der Menschen erleuchtet. Zu den höchsten dieser Eigenschaften gehören Weisheit und Wissen. Ihr müsst euch deshalb gewaltig anstrengen, Tag und Nacht streben und keinen Augenblick rasten, damit ihr einen großen Anteil an allen Wissenschaften und Künsten erwerbt und damit Gottes Bild, aus der Sonne der Wahrheit strahlend, den Spiegel der Menschenherzen erleuchte.
1 1.Mose 1:26
118.2 Es ist Abdu’l-Bahás sehnlichster Wunsch, jeden von euch als vorzüglichen Lehrer an den Akademien und den Schulen innerer Bedeutungen anerkannt zu sehen, jeder ein Führer der Weisheit.
119
119.1 Die Bahá’í-Kinder müssen die anderen Kinder beim Studium der Wissenschaften und Künste übertreffen, denn sie werden in der Gnade Gottes aufgezogen.
119.2 Was andere Kinder in einem Jahr lernen, sollen Bahá’í-Kinder in einem Monat lernen. Abdu’l-Bahás Herz sehnt sich voller Liebe danach mitzuerleben, wie alle jungen Bahá’í wegen ihrer intellektuellen Fähigkeiten in der ganzen Welt bekannt werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie all ihre Mühe, ihre Kraft und ihren Stolz darauf verwenden werden, sich Wissenschaften und Künste anzueignen.
120
120.1 O meine lieben Kinder! Euer Brief ist angekommen. Er brachte so große Freude, dass Wort und Schrift sie nicht ausdrücken können, hat doch, gelobt sei Gott, die Macht des Gottesreiches Kinder herangebildet, die von frühester Jugend an sehnsüchtig eine Bahá’í-Erziehung erlangen möchten, damit sie sich von Kindesbeinen an dem Dienst an der Menschenwelt widmen können.
120.2 Es ist mein höchster Wunsch und mein größtes Verlangen, dass ihr, die ihr meine Kinder seid, nach den Lehren Bahá’u’lláhs erzogen werdet und eine Bahá’í-Ausbildung erhaltet, auf dass jeder von euch eine brennende Kerze in der Menschenwelt werde, sich dem Dienst an der ganzen Menschheit widme, Ruhe und Behagen aufgebe, um für die Befriedung der erschaffenen Welt zu wirken.
120.3 Das ist meine Hoffnung für euch. Ich glaube fest, dass ihr mir Grund zur Freude und zum Glück im Reiche Gottes geben werdet.
121
121.1 O du, der du erst wenige Jahre zählst und schon viele Geistesgaben hast! Wie ist so manches Kind noch jung an Jahren und doch schon reif und sicher in seinem Urteil! Und wie ist so mancher betagte Mensch unwissend und verwirrt! Denn Wachstum und Entwicklung hängen von den Verstandeskräften und der Vernunft eines Menschen ab, nicht von seinem Alter oder der Dauer seiner Erdentage.
121.2 Du befindest dich noch in der Zeit der Kindheit und hast doch bereits deinen Herrn erkannt, während zahllose Frauen Ihn vergessen haben und ausgeschlossen sind aus Seinem Himmelreich, Seiner Segnungen beraubt. Danke deinem Herrn für diese wundersame Gabe.
121.3 Ich bitte Gott, dass Er deine Mutter heile; sie ist hochverehrt im himmlischen Königreich.
122
122.1 Zu deiner Frage über die Kindererziehung: Du hast die Pflicht, die Kinder an der Brust der Liebe Gottes zu nähren und sie an das Geistige heranzuführen, damit sie ihr Angesicht Gott zuwenden, damit ihre Lebensführung den Maßstäben rechten Verhaltens entspricht und ihr Charakter unübertroffen sei, damit sie sich alle Anmut, alle löblichen Eigenschaften der Menschheit zu eigen machen, damit sie auf den verschiedenen Wissensgebieten gründliche Kenntnisse erwerben, vom ersten Atemzug an geistige Wesen werden, Bewohner des Königreiches, verliebt in den süßen Duft der Heiligkeit, und damit sie eine religiöse, geistige Erziehung empfangen, geboren aus dem himmlischen Reich. Ich will wahrlich Gott bitten, ihnen ein glückhaftes Ergebnis dieser Bemühungen zu schenken.
123
123.1 O du, die du deinen Blick fest auf das Reich Gottes richtest! Dein Brief ist angekommen; wir entnehmen ihm, dass du dich bemühst, die Kinder der Gläubigen zu lehren, und dass die Kleinen die Verborgenen Worte, die Gebete sowie die Bedeutung des Bahá’í-Seins gelernt haben.
123.2 Die Unterweisung dieser Kinder ist der Arbeit eines liebenden Gärtners zu vergleichen, der seine jungen Pflanzen auf den blühenden Feldern des Allherrlichen pflegt. Das wird zweifellos die gewünschten Ergebnisse bringen. Dies gilt besonders für die Unterweisung in den Bahá’í-Pflichten und in der Lebensführung als Bahá’í, denn die kleinen Kinder müssen tief in Herz und Seele erkennen, dass „Bahá’í“ nicht nur ein Name, sondern eine Wahrheit ist. Jedes Kind muss in geistigen Dingen erzogen werden, so dass e alle Tugenden verkörpert und ein Quell des Ruhme für die Sache Gottes wird. Das bloße Wort „Bahá’í“ führt zu nichts, wenn es keine Frucht hervorbringt.
123.3 Bemühe dich, so gut du irgend kannst, und lehre diese Kinder, dass ein Bahá’í ein Mensch ist, der alle Vollkommenheiten verkörpert, strahlend wie eine entzündete Kerze – keine schwarze Finsternis und doch Bahá’í dem Namen nach.
123.4 Nenne diese Schule die Bahá’í-Sonntagsschule.1
1 Bahá’í-Kinderklasse in Kenosha Wisconsin USA
124
124.1 Die Sonntagsschule Für Kinder, in der die Sendbriefe und Lehren Bahá’u’lláhs gelesen werden und das Wort Gottes den Kindern vorgetragen wird, ist fürwahr ein Segen. Du musst diese organisierte Tätigkeit unaufhörlich fortsetzen und wichtig nehmen, so dass sie Tag für Tag wachse und vom Hauch des Heiligen Geistes gestärkt werde. Sei ganz sicher, dass diese Tätigkeit große Ergebnisse zeitigen wird, wenn sie gut organisiert ist. Festigkeit und Standhaftigkeit sind jedoch nötig; sonst wird sie nur kurz bestehen und allmählich in Vergessenheit geraten. Ausdauer ist eine wesentliche Voraussetzung. Bei jedem Vorhaben werden Festigkeit und Standhaftigkeit zweifelsohne zu guten Ergebnissen führen; sonst besteht es nur ein paar Tage und wird dann wieder aufgegeben.
125
125.1 Die Lehrer sollten weder zu häufig wechseln, noch sollte man dies zu lange hinauszögern. Das rechte Maß ist vorzuziehen. Es ist nicht ratsam, dass ihr eure Versammlungen zu einer Zeit abhaltet, da in anderen Kirchen Gebetszeit ist. Das würde zu Entfremdung führen, weil Bahá’í-Kinder, die ihre eigene Sonntagsschule haben, nicht dabei sein könnten, wenn sie gerne andere Sonntagsschulen besuchen möchten. Auch ist es statthaft, Kinder, deren Eltern nicht Bahá’í sind, zur Schule für Bahá’í-Kinder zuzulassen. Und wenn in dieser Schule die Hauptgrundsätze aller Religionen im Überblick zur Unterrichtung der Kinder dargelegt werden, kann das nicht schaden.
125.2 Da nur wenige Kinder teilnehmen, ist es nicht möglich, verschiedene Klassen einzurichten. So ist natürlich nur eine Klasse notwendig. Was die letzte Frage zu Streitigkeiten zwischen den Kindern betrifft, handelt so, wie es euch ratsam erscheint.
126
126.1 Dein Brief ist angekommen. Gelobt sei Gott, er enthält die gute Nachricht, dass du gesund und sicher bist und in eine Landwirtschaftsschule eintreten willst. Das ist sehr gut. Bemühe dich, so sehr du kannst, in der Agrarwissenschaft gut bewandert zu sein, denn nach den göttlichen Lehren ist der Erwerb von Wissen und die Vervollkommnung in den Künsten als Gottesdienst zu betrachten. Wenn ein Mensch sich mit ganzer Kraft müht, eine Wissenschaft zu erlernen oder sich in einer Kunst zu vervollkommnen, so ist es, als bete er Gott in Kirchen und Tempeln an. Da du nun in eine Landwirtschaftsschule eintrittst und danach strebst, dir diese Wissenschaft anzueignen, hältst du Tag und Nacht Gottesdienst ab – ein Dienst, der an der Schwelle des Allmächtigen angenommen wird. Welcher Segen ist größer als der, dass Wissenschaft als Gottesdienst und Kunst als Dienst am Reiche Gottes zu betrachten sind!
127
127.1 O du Diener des einen wahren Gottes! In dieser allumfassenden Sendung wird des Menschen wundersame Kunstfertigkeit als Anbetung der Strahlenden Schönheit gewertet. Bedenke, welche Gabe, welchen Segen es bedeutet, dass Handwerk als Gottesdienst gilt. Früher glaubte man, solche Fähigkeiten seien gleichbedeutend mit Unwissenheit oder gar ein Unglück, weil sie den Menschen daran hindern, Gott näherzukommen. Nun überlege, wie Seine unendlichen Gnadengaben, Seine reichen Segnungen das Höllenfeuer in ein glückseliges Paradies, einen Haufen grauen Staub in einen leuchtenden Garten verwandelten.
127.2 Den Künstlern und Handwerkern dieser Welt geziemt es, in jedem Augenblick an der Heiligen Schwelle tausend Beweise der Dankbarkeit darzubringen, sich größte Mühe zu geben und fleißig ihrem Beruf nachzugehen, so dass aus ihrem Bemühen erstehe, was vor den Augen aller Menschen die höchste Schönheit und Vollkommenheit offenbar werden lässt.
128
128.1 Dein Brief ist angekommen. Ich hoffe auf Schutz und Hilfe für dich unter der Fürsorge des Wahrhaftigen. Ich hoffe, du bist allezeit damit befaßt, den Herrn zu erwähnen, und du bemühst dich, deine Berufsausbildung abzurunden. Du musst dich sehr anstrengen, damit du in deinem Fach einzigartig wirst und berühmt für deine Fähigkeiten; denn in diesem begnadeten Zeitalter gilt die Vervollkommnung im Beruf als Gottesdienst. Und während du deinen Beruf ausübst, kannst du des Wahrhaftigen gedenken.
129
129.1 O ihr Freunde des reinen, allmächtigen Gottes! Reinheit und Heiligkeit in allen Dingen sind Kennzeichen der gesegneten Seele und Wesensmerkmale edlen Denkens. Die höchste Vervollkommnung besteht aus Makellosigkeit und der Befreiung von jeder Unzulänglichkeit. Ist der Mensch in jeder Beziehung gereinigt und geläutert, so wird er zum Brennpunkt, der das Offenbare Licht widerstrahlt.
129.2 Das erste im Lebenswandel eines Menschen muss Reinheit sein, sodann Frische, Sauberkeit und Unabhängigkeit des Denkens. Das Bachbett muss zuerst gereinigt werden, dann mag das frische Wasser hineinfließen. Das keusche Auge erfreut sich der glückseligen Schau Gottes und versteht, was diese Begegnung bedeutet; der klare Sinn atmet die Düfte, die dem Rosengarten Seiner Großmut entströmen; das geläuterte Herz wird zum Spiegel für das liebliche Antlitz der Wahrheit.
129.3 Das ist der Grund, weshalb in den himmlischen Büchern die göttlichen Ratschläge mit Wasser verglichen werden. So wird im Qur’án gesagt: „Und wir lassen reines Wasser vom Himmel herabkommen“1, und im Evangelium heißt es: „Es sei denn, dass jemand getauft werde mit Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“2 Daraus wird klar, dass die göttlichen Lehren himmlische Ausflüsse der Gnade, Regenschauer göttlicher Barmherzigkeit sind und das Menschenherz reinigen.
1 Qur’án 25:48
2 vgl. Joh. 3:5
129.4 Damit will ich sagen, dass Reinheit und Heiligkeit, Sauberkeit und feine Sitten in jeder Hinsicht den Zustand des Menschen verbessern und die Entwicklung seiner inneren Wirklichkeit fördern. Selbst im stofflichen Reich führt Reinlichkeit zu Geistigkeit, wie die Heiligen Schriften eindeutig bezeugen. Obwohl körperliche Sauberkeit nur etwas Stoffliches ist, hat sie großen Einfluss auf das geistige Leben. Sie wirkt wie eine wundervolle Stimme oder ein schöner Klang. Obwohl Töne nur Schwingungen der Luft sind, die auf den Hörnerv wirken, obwohl diese Schwingungen nur von der Luft transportierte Zufallserscheinungen sind – sieh, wie sie das Herz bewegen! Eine wundersame Melodie beflügelt den Geist und lässt die Seele vor Freude erschauern. Damit soll gesagt werden, dass auch körperliche Reinheit Einfluss auf die Seele des Menschen hat.
129.5 Sieh nun, wie willkommen die Reinlichkeit vor Gott ist, wie ausdrücklich sie in den heiligen Büchern der Propheten betont wird; denn die Heiligen Schriften verbieten den Verzehr und den Gebrauch alles Unreinen. Manche dieser Verbote waren absolut und für alle bindend; wer das gegebene Gesetz übertrat, wurde von Gott verabscheut und aus der Gemeinschaft der Gläubigen aus geschlossen. Gewisse Dinge waren zum Beispiel kategorisch verboten und als besonders schwere Sünden bewertet, darunter so abscheuliche Taten, dass ihre Erwähnung schon schändlich ist.
129.6 Es gibt aber andere verbotene Dinge, die keinen sofortigen Schaden verursachen und deren verderbliche Wirkungen erst allmählich zutage treten. Auch diese Taten werden vom Herrn verabscheut, getadelt und zurückgewiesen. Ihre absolute Gesetzwidrigkeit ist jedoch in den Heiligen Schriften nicht niedergelegt, obwohl Reinheit und Makellosigkeit, der Schutz der Gesundheit und die Freiheit von Sucht erfordern, dass man sie meidet.
129.7 Zu diesen letzteren zählt das Tabakrauchen, das schmutzig, übelriechend und anstößig ist – ein übler Brauch, dessen Schädlichkeit allmählich allen offenkundig wird. Jeder fähige Arzt bestätigt – und Versuche zeigen -, dass einer der Bestandteile des Tabaks ein tödliches Gift ist und dass sich der Raucher vielerlei Krankheiten aussetzt. Deshalb wird das Rauchen vom hygienischen Standpunkt aus für rundum verabscheuungswürdig erklärt.
129.8 Der Báb verbot den Tabak zu Beginn Seiner Sendung ausdrücklich, und die Freunde hörten allesamt auf zu rauchen. Da es aber zu jener Zeit gestattet war, den Glauben zu verbergen, und jeder, der nicht rauchte, geplagt, misshandelt und sogar zu Tode gebracht werden konnte, haben die Freunde wiederum geraucht, um ihren Glauben nicht allgemein kundzutun. Später wurde der Kitáb-i-Aqdas offenbart, und weil dort das Tabakrauchen nicht ausdrücklich verboten war, gaben die Freunde es nicht auf. Doch die Gesegnete Schönheit zeigte immer eine Abneigung dagegen; obwohl Er früher aus bestimmten Gründen ein wenig geraucht hatte, stellte Er es später gänzlich ein, und die reinen Seelen, die in allem Seinem Vorbild folgten, gaben es ebenfalls auf.
129.9 Nach meinem Urteil ist das Tabakrauchen in den Augen Gottes verwerflich, anstößig und äußerst schmutzig; es richtet langsam, aber sicher die Gesundheit zugrunde. Außerdem ist es eine Geld- und Zeitvergeudung und lässt den Raucher einer schädlichen Sucht zum Opfer fallen. Diese Gewohnheit wird von den im Bündnis Standhaften aus Gründen der Vernunft und der Erfahrung für tadelnswert erachtet. Sie aufzugeben, wird allen Menschen Erleichterung und inneren Frieden bringen. Sie werden überdies den Mund frisch, die Finger sauber und die Haare frei von abstoßendem Gestank halten. Sicherlich werden die Freunde Gottes, sobald dieses Sendschreiben sie erreicht, diese schädliche Gewohnheit unter allen Umständen, wenn auch Schritt für Schritt, aufgeben. Dies ist meine Hoffnung.
129.10 Was jedoch die Frage des Opiums betrifft: Es ist abscheulich und verflucht, und Gott möge uns vor Seiner Strafe für den, der es gebraucht, beschützen! Der Text des Heiligsten Buches verbietet es ausdrücklich und verurteilt seinen Gebrauch in höchstem Maße. Die Vernunft sieht im Opiumrauchen eine Wahnsinnstat, und die Erfahrung zeigt, dass der Opiumraucher aus der menschlichen Gesellschaft völlig aus geschlossen wird. Möge Gott alle beschützen vor einer so abscheulichen Tat, welche die Grundlage des Menschseins zerstört und den Süchtigen für Zeit und Ewigkeit zugrunde richtet. Opium ergreift Besitz von der Seele des Menschen, so dass sein Gewissen stirbt, sein Verstand besudelt und sein Wahrnehmungsvermögen zerfressen wird. Es tötet das Leben und löscht die natürliche Wärme. Kein größerer Schaden ist vorstellbar als der durch Opium. Wohl denen, die nicht einmal das Wort Opium über die Lippen bringen; bedenkt somit, wie erbärmlich derjenige ist, der es gebraucht!
129.11 O ihr Freunde Gottes! Zwang, Gewalt, Nötigung und Unterdrückung sind in diesem Zeitalter Gottes, des Allmächtigen, allesamt verurteilt. Aber um den Opiumgebrauch zu verhindern, müssen alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Menschheit von dieser schlimmsten Seuche erlöst werde. Ansonsten: Wehe und Elend einem jeden, der seine Pflicht vor Gott versäumt!1
1 Qur’án 39:57
129.12 „O göttliche Vorsehung! Verleihe dem Volke Bahás in allen Dingen Reinheit und Makellosigkeit. Gib, dass die Bahá’í von jeder Befleckung und Sucht befreit werden. Bewahre sie vor jeder anstößigen Tat,- mache sie frei von den Fesseln jeder schlechten Gewohnheit, so dass sie rein und frei, gesund und geläutert leben, würdig des Dienstes an Deiner heiligen Schwelle und der Verbindung zu ihrem Herrn. Befreie sie von berauschendem Trank und vom Tabak, rette und befreie sie vom Opium, das Wahnsinn bringt. Lass sie sich freuen an den süßen Düften der Heiligkeit, in vollen Zügen trinken aus dem mystischen Kelch himmlischer Liebe und die Verzückung des Hingezogenseins zum Reich des Allherrlichen erfahren. Ist es doch, wie Du sagst: `Alles, was du in deinem Weinkeller hast, wird meiner Liebe Durst nicht stillen – bring mir, o Mundschenk, vom Wein des Geistes einen Kelch, voll wie das Meer!`“
129.13 O ihr Geliebten Gottes! Die Erfahrung zeigt, wie nachhaltig die Enthaltsamkeit von Tabak, berauschenden Getränken und Opium zu Gesundheit und Lebenskraft, zu klarem, geschliffenem Denken und zu Körperkräften führt. Es gibt heute ein Volk,1 das Tabak berauschende Getränke und Opium strikt ablehnt. Dieses Volk übertrifft bei weitem alle anderen an Kraft, Tapferkeit, Gesundheit, Schönheit und Anmut. Ein einziger seiner Männer kann es mit zehn Männern eines anderen Stammes aufnehmen. Dies trifft für das ganze Volk zu und bedeutet, dass alle Angehörigen dieser Gemeinschaft, Mann für Mann, den Angehörigen anderer Gemeinschaften überlegen sind.
1 Möglicherweise bezieht sich Abdu’l-Bahá auf die Sikhs; die Schilderung scheint auf sie zuzutreffen.
129.14 Strengt euch deshalb kräftig an, damit Reinheit und Heiligkeit, wie sie Abdu’l-Bahá über alles schätzt, das Volk Bahás auszeichnen, damit Gottes Volk die anderen Menschen in allen Vortrefflichkeiten überrage, damit es sich äußerlich wie innerlich vor den anderen auszeichne, an Reinheit, Makellosigkeit, Vornehmheit und Gesundheit führend unter den Wissenden sei. Und durch ihre Freiheit von Sklaverei, ihre Erkenntnis und Selbstbeherrschung sollen die Bahá’í die ersten unter den Reinen, Freien und Weisen sein.
130
130.1 O du vortrefflicher Arzt! … Dank sei Gott, dass du zwei Kräfte besitzest: zum einen, körperlich zu heilen, zum andern, geistig zu heilen. Was den menschlichen Geist betrifft, hat großen Einfluss auf seine körperliche Verfassung. So solltest du beispielsweise deinem Patienten Fröhlichkeit schenken, ihm Wohlbehagen und Freude vermitteln, ihn begeistern und frohlocken lassen. Wie oft schon hat dies baldige Genesung bewirkt. Deshalb behandle die Kranken mit beiden Kräften.
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131.1 Wenn du als Arzt Menschen behandelst, wende dich der Gesegneten Schönheit zu, dann folge den Eingebungen deines Herzens. Hilf den Kranken durch himmlische Freude und geistiges Frohlocken, heile die schwer Leidenden, indem du ihnen frohe, glückselige Botschaften enthüllst, und versorge die Verletzten mit Seinen strahlenden Gnadengaben. Wenn du am Bett eines Patienten stehst, ermutige und erfreue sein Herz, entzücke seinen Geist durch himmlische Kraft. Solch ein himmlischer Hauch stärkt in der Tat jedes modernde Gebein und belebt den Geist jedes Kranken und Leidenden.
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132.1 Obwohl Krankheit zu den unvermeidlichen Bedingungen des Menschseins gehört, ist sie doch wahrlich schwer zu tragen. Die Gabe guter Gesundheit ist das größte Geschenk.
133
133.1 Es gibt zweierlei Mittel, Krankheiten zu heilen: stoffliche und geistige. Das erste ist ärztliche Behandlung, das zweite sind Gebete, die geistige Menschen an Gott richten, und Hinwendung zu Ihm. Beide Mittel sollten angewandt werden.
133.2 Erkrankungen, die auf stofflichen Ursachen beruhen, sollten von den Ärzten mit medizinischen Heilmitteln behandelt werden; solche, die geistige Ursachen haben, verschwinden durch geistige Mittel. So lässt sich eine von Kummer, Angst und nervösen Einflüssen verursachte Krankheit eher durch geistige als durch körperliche Behandlung heilen. Es sollten also beide Heilmethoden Anwendung finden; sie stehen nicht im Widerspruch zueinander. Du solltest deshalb auch die körperlichen Heilmittel annehmen, zumal auch sie der Barmherzigkeit und Gunst Gottes entspringen, der die ärztliche Wissenschaft offenbart hat und ins Dasein treten ließ, damit Seine Diener auch aus dieser Heilweise Nutzen ziehen. Die gleiche Beachtung solltest du auch den geistigen Heilverfahren schenken, denn sie bringen wunderbare Wirkungen hervor.
133.3 Wenn du nun das wahre Heilmittel wissen willst, das den Menschen von jeglicher Krankheit heilt und ihm die Gesundheit des göttlichen, Reiches verleiht, so wisse, dass dies die Gebote und Lehren Gottes sind. Richte deine ganze Aufmerksamkeit auf sie!
134
134.1 O du, der du hingezogen bist zu Gottes duftendem Hauch! Ich habe deinen Brief an Frau Lua Getsinger gelesen. Du hast in der Tat mit großer Sorgfalt die Gründe geprüft, warum Krankheit den menschlichen Körper befällt. Sicher sind Sünden eine mächtige Ursache körperlicher Leiden. Wäre die Menschheit frei vom Makel der Sünde und des kindischen Eigensinns, lebte sie nach ihrem natürlichen, eingeborenen Gleichgewicht, ohne sich von ihren Leidenschaften verführen zu lassen, so nähmen Krankheiten zweifelsohne nicht länger zu und verbreiteten sich nicht mit solcher Heftigkeit.
134.2 Aber der Mensch frönt seit je widernatürlich seinen lüsternen Begierden und gibt sich nicht mit einfacher Nahrung zufrieden. Vielmehr bereitet er sich Mahlzeiten, aus vielen Zutaten zusammengesetzt, aus Substanzen, die völlig verschieden voneinander sind. Dies und gemeine, widerliche Laster, nahmen seine Aufmerksamkeit völlig in Anspruch, so dass er die Selbstbeherrschung und Mäßigung einer natürlichen Lebensweise aufgab. Das führte zu Krankheiten, die zugleich heftig und vielschichtig sind.
134.3 Das Tier ist leiblich aus den gleichen Bestandteilen erschaffen wie der Mensch. Weil sich aber das Tier mit einfacher Nahrung zufrieden gibt, in keinem nennenswerten Umfang drängenden Gelüsten nachzugeben sucht und keine Sünden begeht, hat es, verglichen mit dem Menschen, nur wenige Gebrechen. Daraus sehen wir deutlich, wie machtvoll sich Sünde und Aufsässigkeit als krankheitserregende Faktoren auswirken. Und sind sie erst einmal da, dann verbinden sich diese Krankheiten miteinander; sie vermehren sich und werden auf andere übertragen. Das sind die geistigen, inneren Ursachen der Krankheit.
134.4 Die äußere, stoffliche Ursache der Krankheit ist eine Störung der Ausgewogenheit, des rechten Gleichgewichts all der Bausteine, aus denen der menschliche Körper zusammengesetzt ist. Um das zu veranschaulichen: Der Menschenleib ist eine Mischung aus vielen Substanzen; jeder Bestandteil ist in vorgeschriebener Menge vorhanden und trägt zum lebensnotwendigen Gleichgewicht des Ganzen bei. Solange diese Bestandteile im richtigen Verhältnis zueinander bleiben, im Einklang mit dem natürlichen Gleichgewicht des Ganzen – das heißt, solange kein Bestandteil eine Veränderung in seinem natürlichen Anteil, Maß und Gleichgewicht erleidet, solange kein Bestandteil vermehrt oder vermindert wird – gibt es keine körperliche Ursache für das Eindringen einer Krankheit.
134.5 Zum Beispiel muss der Bestandteil Stärke in vorgegebener Menge vorhanden sein, auch Zucker in vorgegebener Menge. Solange jedes in seinem natürlichen Verhältnis zum Ganzen verbleibt, hat die Krankheit keinen Angriffspunkt. Wenn jedoch diese Bestandteile von ihren natürlichen, richtigen Mengen abweichen – das heißt, wenn sie vermehrt oder vermindert werden – ebnet dies sicherlich der Krankheit den Weg.
134.6 Diese Frage bedarf der gründlichsten Untersuchung. Der Báb sagt, das Volk Bahá müsse die ärztliche Wissenschaft zu einer so hohen Stufe entwickeln, dass es Krankheiten durch die Ernährung heilt. Die Grundüberlegung ist: Wenn in einer Teilsubstanz des menschlichen Körpers ein Ungleichgewicht entsteht, das ihr richtiges Verhältnis zum Ganzen verändert, wird dies unausweichlich zum Ausbruch einer Krankheit führen. Wird beispielsweise der Stärkeanteil übermäßig erhöht oder der Zuckeranteil gesenkt, so tritt eine Krankheit ein. Ein erfahrener Arzt hat herauszufinden, welcher Bestandteil im Körper seines Patienten vermindert und welcher vermehrt wurde. Wenn er das entdeckt hat, muss er ein Nahrungsmittel verschreiben, das den herabgesetzten Bestandteil in hohem Maße enthält, um so das lebensnotwendige Gleichgewicht des Körpers wiederherzustellen. Der Patient ist seine Krankheit los, sobald seine leibliche Verfassung wieder im Gleichgewicht ist.
134.7 Der Beweis dafür ist, dass die anderen Lebewesen niemals die medizinische Wissenschaft studieren, niemals Krankheiten, Arzneien, Behandlungen oder Heilverfahren erforschen; aber, wenn eines von ihnen der Krankheit zum Opfer fällt, führt es die Natur auf den Weiden und Wüsten gerade zu der Pflanze hin, die das Tier, das davon frißt, von seiner Krankheit befreit. Ist zum Beispiel der Zuckeranteil im Körper des Tieres abgesunken, so verlangt das Tier, einem Naturgesetz folgend, nach einem Kraut, das reich an Zucker ist. Dann entdeckt und frißt es durch seinen Appetit als einen natürlichen Trieb unter den tausend verschiedenen Pflanzen der Steppe gerade das Kraut mit einem hohen Anteil Zucker. So wird das lebensnotwendige Gleichgewicht der Substanzen, die seinen Körper ausmachen, wiederhergestellt, und das Tier ist seine Krankheit los.
134.8 Diese Frage erfordert die sorgfältigste Untersuchung. Wenn erfahrene Ärzte sich diesen Dingen mit der nötigen Sorgfalt und Ausdauer widmen, wird sich herausstellen, dass eine Krankheit dann in den Körper eindringt, wenn die relativen Mengen der Körperbestandteile durcheinandergebracht sind, und dass die Behandlung darin besteht, diese relativen Anteile richtig einzustellen. Es wird sich auch zeigen, dass dies erkennbar und durch die Ernährung möglich ist.
134.9 Ganz sicher wird sich in diesem wundervollen neuen Zeitalter die medizinische Wissenschaft so weit entwickeln, dass die Ärzte ihre Patienten durch Nahrungsmittel heilen; denn Gesicht, Gehör, Geschmack, Geruch und Tastsinn sind Unterscheidungsfähigkeiten mit dem Zweck, Nützliches und Schädliches auseinanderzuhalten. Ist es möglich, dass des Menschen Geruchssinn, der die Düfte unterscheidet, einen bestimmten Geruch widerlich findet und dieser Geruch heilsam für den menschlichen Körper ist? Absurd! Unmöglich! Oder könnte dem menschlichen Körper etwa durch die Fähigkeit des Sehens, die Sichtbares unterscheidet, der Anblick einer ekelhaften Masse Kot nützen? Niemals! Und wenn nun der Geschmack, gleichfalls eine Fähigkeit, die aussondert und zurückweist, an etwas Anstoß nimmt, ist es bestimmt nicht nützlich. Selbst wenn es anfangs Vorteile brächte, erwiese sich auf die Dauer seine Schädlichkeit.
134.10 Zweifellos dient alles, was mit Appetit genossen wird, der Gesundheit, sofern die Körperbeschaffenheit im Gleichgewicht ist. Beobachte, wie ein Tier auf der Wiese grast, wo hunderttausend verschiedene Kräuter und Gräser wachsen, wie es mit seinem Geruchssinn den Duft der Pflanzen aufnimmt und sie mit seinem Geschmackssinn kostet. Dann frißt es die Gräser, die diesen Sinnen gefallen, und das tut ihm gut. Gäbe es nicht diese Fähigkeit des Auswählens, verendeten alle Tiere an einem einzigen Tag; denn es gibt viele giftige Pflanzen und die Tiere wissen nichts über das Arzneibuch. Doch beobachte nur, was für verlässliche Maßstäbe sie haben, um Gutes von Schädlichem zu unterscheiden. Welcher Bestandteil ihres Körpers auch abnimmt, sie können das wiedergutmachen, indem sie eine Pflanze, in der dieses verminderte Element reichlich vorhanden ist, aussuchen und fressen. So wird das Gleichgewicht ihrer Körperbestandteile wiederhergestellt, und sie sind ihre Krankheiten los.
134.11 Sobald erfahrene Ärzte die Heilkunst durch Nahrung entwickelt haben, sobald sie für einfache Speisen sorgen und die Menschheit hindern, als Sklaven ihrer Lüste und Süchte zu leben, werden die Fälle chronischer, vielschichtiger Krankheiten mit Sicherheit drastisch vermindert und das Allgemeinbefinden der ganzen Menschheit stark verbessert. Es wird bestimmt soweit kommen. Ebenso werden im Charakter, in der Lebensführung und den Sitten der Menschen umfassende Veränderungen eintreten.
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135.1 Nach dem ausdrücklichen Gebot Bahá’u’lláhs darf man sich vom Rat eines fähigen Arztes nicht abwenden. Es ist Pflicht, solch einen Arzt beizuziehen, selbst wenn der Patient seinerseits ein bekannter, angesehener Arzt ist. Kurz, du sollst deine Gesundheit bewahren, indem du einen sehr erfahrenen Arzt zu Rate ziehst.
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136.1 Es ist jedermanns Pflicht, sich in ärztliche Behandlung zu begeben und den Anweisungen des Arztes Folge zu leisten, denn das entspricht dem göttlichen Gebot, aber in Wirklichkeit ist es Gott, der Heilung gewährt.
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137.1 O du, der du den Lobpreis deines Herrn in Worte fassest! Ich habe deinen Brief gelesen, in dem du dein Erstaunen über einige Gesetze Gottes ausdrückst, beispielsweise über die Gesetze betreffend die Jagd auf unschuldige Tiere, Geschöpfe, die nichts Böses getan haben.
137.2 Sei darüber nicht erstaunt. Sinne nach über die inneren Wirklichkeiten des Weltalls, seine geheimen Weisheiten, seine Rätsel und Wechselbeziehungen, seine alles steuernden Regeln; denn jeder Teil des Weltalls ist mit jedem anderen Teil verknüpft durch mächtige Bande, die kein Ungleichgewicht zulassen und nicht erschlaffen. Im Reich der natürlichen Schöpfung sind alle Fresser oder Gefressene: die Pflanze saugt das Mineral auf, das Tier frißt und schluckt die Pflanze, der Mensch ernährt sich vom Tier und das Mineral zersetzt den Menschenleib. Die stofflichen Leiber überschreiten eine Schranke nach der anderen, durchmessen ein Leben nach dem anderen. Alle Dinge unterliegen dem Wandel und Wechsel. Ausgenommen ist nur das eigentliche Wesen des Seins; denn es ist beständig und unwandelbar, und auf ihm beruht das Leben jeder Gattung und Art, jeder abhängigen Wirklichkeit in der ganzen Schöpfung.
137.3 Wenn du unter dem Mikroskop das Wasser untersuchst, das der Mensch trinkt, oder die Luft, die er atmet, wirst du sehen, dass der Mensch mit jedem Atemzug eine Fülle tierischen Lebens in sich aufnimmt, und dass er mit jedem Schluck Wasser eine Vielzahl von Tieren aufnimmt. Wie könnte es jemals möglich sein, diesem Vorgang Einhalt zu gebieten? Alle Geschöpfe sind Fresser oder Gefressene, das ganze System des Lebens ist auf dieser Tatsache aufgebaut. Wäre dem nicht so, würden die Bindungen aufgelöst, die alles Erschaffene miteinander verflechten.
137.4 Überdies wird ein Ding, das zugrundegeht, zerfällt und vom Leben abgeschnitten wird, in eine Welt versetzt, die größer ist als die Welt, die es vorher kannte. Es verlässt beispielsweise das Leben des Minerals und schreitet fort in das Leben der Pflanze; dann verlässt es das pflanzliche Leben und steigt auf in das des Tieres. Schließlich gibt es das Tierleben auf und steigt in das Reich des Menschenlebens empor. Und dies geschieht durch die Gnade deines Herrn, des Barmherzigen, des Mitleidvollen.
137.5 Ich bitte Gott, dass Er dir beistehe, die Mysterien im Herzen der Schöpfung zu erfassen, dass Er den Schleier vor deinen und deiner Schwester Augen hinwegnehme, damit dir das wohlgehütete Geheimnis enthüllt und das verborgene Mysterium klar wie die Mittagssonne offenbart werde, dass Er deiner Schwester und deinem Mann helfe, das Gottesreich zu betreten, und dich heile von jeder Krankheit körperlicher oder geistiger Art, die uns in diesem Leben befällt.
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138.1 O ihr Geliebten des Herrn! Das Reich Gottes ist auf Unparteilichkeit und Gerechtigkeit, auf Erbarmen, Mitleid und Güte für jede lebendige Seele gegründet. So bemühet euch denn aus ganzem Herzen, alle Menschen voll Mitleid zu behandeln – die ausgenommen, die selbstische Beweggründe hegen oder an der Seele krank sind. Dem Menschenschinder, dem Betrüger oder dem Dieb kann keine Güte entgegengebracht werden; denn Güte würde ihnen keinesfalls ihren Irrtum vor Augen führen, sie vielmehr in ihrem falschen Tun fortfahren lassen. Wieviel Güte ihr auch dem Lügner bezeigt, er wird weiterlügen; denn er glaubt, ihr hättet euch täuschen lassen, auch wenn ihr ihn nur zu gut durchschaut habt und aus Übermaß an Mitleid schweigt.
138.2 Kurz, nicht nur ihren Mitmenschen müssen die Geliebten Gottes voll Erbarmen und Mitleid begegnen; sie müssen vielmehr jedem Lebewesen höchste Güte bezeigen, hegen doch in allen körperlichen Vorgängen, wo immer der Tiergeist betroffen ist, Mensch und Tier dieselben Gefühle. Der Mensch hat diese Wahrheit allerdings nicht begriffen. Er wähnt, dass sich körperliche Empfindungen auf menschliche Wesen beschränken. Deshalb ist er zu den Tieren ungerecht und grausam.
138.3 Und doch: Welcher Unterschied besteht denn wirklich, wenn es um körperliche Empfindungen geht? Die Gefühle sind dieselben, ob man einem Menschen oder einem Tier Schmerz zufügt. Da gibt es keinerlei Unterschied. Tatsächlich ist es schlimmer, einem Tier zu schaden; denn der Mensch hat Sprache, er kann sich beklagen, kann schreien und jammern. Wenn ihm Unrecht geschieht, kann er sich an die Behörden wenden, und sie werden ihn vor seinem Angreifer schützen. Aber das unglückliche Tier ist stumm. Es kann weder seinen Schmerz ausdrücken noch seinen Fall vor die Behörden bringen. Wenn ein Mensch einem Tiere tausend Übel zufügt, kann es ihn weder mit Worten abwehren noch vor Gericht ziehen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass ihr den Tieren die größte Rücksicht erweist und zu ihnen eher noch gütiger seid als zu euren Mitmenschen.
138.4 Erzieht eure Kinder von den frühesten Tagen an, unendlich zart und liebevoll zu Tieren zu sein. Ist ein Tier krank, lasst die Kinder es zu heilen versuchen; ist es hungrig, lasst sie es füttern; ist es durstig, lasst sie es tränken; ist es schwach, lasst sie dafür sorgen, dass es ausruht.
138.5 Die meisten Menschen sind Sünder; aber die Tiere sind schuldlos. Wer ohne Sünde ist, sollte gewiss die größte Güte und Liebe empfangen – alle Tiere außer den Schädlingen wie reißende Wölfe, Giftschlangen oder andere gefährliche Geschöpfe. Der Grund für diese Ausnahme: Würden Schädlinge dieselbe Güte erfahren, so wäre das ein Unrecht gegen die Menschen und die anderen Tiere. Ist man beispielsweise dem Wolf gegenüber weichherzig, so bedeutet dies Grausamkeit für das Schaf; denn der Wolf wird eine ganze Schafherde vernichten. Ein tollwütiger Hund kann tausend Menschen und Tiere umbringen, wenn man ihn lässt. Deshalb ist Mitleid mit wilden, beutegierigen Bestien Grausamkeit gegenüber den sanften Tieren; die schädlichen müssen richtig behandelt werden. Aber den gesegneten Tieren muss man große Güte erweisen – je mehr, desto besser. Zartheit und Güte sind grundlegende Leitlinien für Gottes himmlisches Reich. Das solltet ihr besonders sorgsam im Herzen tragen.
139
139.1 O du Magd Gottes! Die himmlische frohe Botschaft muss mit höchster Würde und Großmut verkündet werden. Ehe die Seele, die sich erhebt, nicht die für den Träger dieser Botschaft wesentlichen Eigenschaften besitzt, werden ihre Worte ohne Wirkung sein.
139.2 O du Leibeigene Gottes! Der Menschengeist birgt wundersame Kräfte, aber er muss durch den Heiligen Geist verstärkt werden. Was du anderes hörst, ist reine Einbildung. Jedoch von der Gnade des Heiligen Geistes unterstützt, wird seine Kraft erstaunlich sein. Dann wird dieser Menschengeist Wirklichkeiten aufdecken und Geheimnisse enthüllen. Wende dein Herz ganz dem Heiligen Geist zu und fordere andere auf, dasselbe zu tun; so wirst du wunderbare Ergebnisse schauen.
139.3 O Magd Gottes! Die Sterne am Himmel üben keinerlei geistigen Einfluss auf diese Welt des Staubes aus. Aber alle Glieder und Teile des Weltalls sind in diesem endlosen Raum eng miteinander verbunden, und diese Verbindung schafft materielle Wirkungen auf Gegenseitigkeit. Was du jenseits der Gnade des Heiligen Geistes über die Wirkungen von Entrückungszuständen oder über Medien als Sprachrohr hörst, welche die singenden Stimmen der Toten vermitteln, ist reine, schlichte Einbildung. über die Gabenfülle des Heiligen Geistes erzähle, was du willst; es kann nicht übertrieben sein. Glaube deshalb, was immer du darüber hörst. Die Menschen hingegen, auf die du dich beziehst, diese Sprachrohrleute, sind von jener Gabenfülle völlig ausgeschlossen und erhalten keinen Anteil; ihr Weg ist ein Hirngespinst.
139.4 O Magd Gottes! Gebete werden durch die allumfassenden Offenbarer Gottes erhört. Selbst wenn der Wunsch auf Stoffliches gerichtet ist, selbst wenn Achtlose beten, hat es eine Wirkung, so sie nur flehentlich und demütig Gottes Hilfe erbitten.
139.5 O Magd Gottes! Während die göttliche Wirklichkeit geheiligt und grenzenlos ist, sind die Ziele und Bedürfnisse der Geschöpfe beschränkt. Gottes Gnade ist wie der Regen, der vom Himmel fällt: Das Wasser ist nicht durch eine Form begrenzt; sobald es jedoch auf einen Ort herabströmt, nimmt es Begrenzungen an – Ausmaße, Aussehen, Gestalt – entsprechend den Besonderheiten dieses Ortes. In einem quadratischen Becken wird das vorher formlose Wasser zum Quadrat; in einem sechseckigen Becken wird es ein Sechseck, in einem achteckigen Becken ein Achteck, und so fort. Der Regen selbst hat keine geometrische Gestalt, keine Begrenzungen, aber er nimmt je nach den Begrenzungen des Gefäßes diese oder jene Gestalt an. Genauso ist das Heilige Wesen Gottes, des Herrn, schrankenlos und unermeßlich, aber Seine Gnadengaben und Lichtstrahlen werden in den Geschöpfen wegen deren Begrenztheit eingeschränkt, weshalb die Gebete gewisser Personen in bestimmten Fällen eine günstige Antwort erhalten.
139.6 O Magd Gottes! Mit dem Herrn Christus ist es wie mit Adam. Hatte der erste Mensch, der auf dieser Erde entstand, einen Vater oder eine Mutter? Es ist sicher, dass er keinen von beiden hatte. Aber Christus hatte nur keinen Vater.
139.7 O Magd Gottes! Die Gebete, die offenbart wurden, Heilung zu erbitten, sind für leibliche wie geistige Heilung anwendbar. Sprich sie also, um Leib und Seele zu heilen. Wenn die Heilung für den Kranken das Rechte ist, wird sie sicher gewährt; aber für manche Kranke wäre die Heilung nur die Ursache anderer Leiden, und daher erlaubt die Weisheit nicht, dass das Gebet erhört wird.
139.8 O Magd Gottes! Die Macht des Heiligen Geistes heilt körperliche wie geistige Gebrechen.
139.9 O Magd Gottes! In der Thora steht geschrieben: Und ich werde dir das Tal Achor als ein Tor der Hoffnung geben. Dieses Tal Achor ist die Stadt ‚Akká, und wer immer dies anders auslegt, gehört zu den Unwissenden.
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140.1 Du fragst nach der Verklärung Jesu mit Moses, Elias und dem himmlischen Vater auf dem Berg Tabor, wie in der Bibel erwähnt. Dieses Ereignis nahmen die Jünger mit ihrem inneren Auge wahr; deshalb war es ein verborgenes Geheimnis und ihre geistige Entdeckung. Wäre die Bedeutung nämlich, dass sie leibliche Gestalten sahen, das heißt, diese Verklärung mit ihren äußeren Augen wahrnahmen, warum sahen es dann nicht die vielen anderen, die auf dem Berg und in der Ebene zugegen waren? Und warum verlangte dann der Herr von ihnen, niemandem davon zu erzählen? Es ist eindeutig, dass es eine geistige Schau war, ein Aufzug des Gottesreiches. Warum sonst gebot ihnen der Messias, es verborgen zu halten, „bis der Menschensohn von den Toten auferweckt worden ist“1, – das heißt, bis die Sache Gottes verherrlicht würde, das Wort Gottes sich durchsetzte und die Wirklichkeit Christi sichtbar wäre?
1 Matth.17:1-19; Mark.9:2-9; Luk.9:28-36
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141.1 O du sehnsuchtsvolle Flamme, die du in der Liebe zu Gott loderst! Ich habe deinen Brief gelesen; sein beredter, wohlgesetzter Inhalt erfreute mein Herz, weil er deine tiefe Aufrichtigkeit in der Sache Gottes zeigt, deine ausdauernden Schritte auf dem Pfade Seines Königreiches und deine Treue zu Seinem Glauben – und von allen großen Dingen ist dies in Seinen Augen das bedeutendste.
141.2 Wieviele Seelen wandten sich doch dem Herrn zu, betraten Seines Wortes schützenden Schatten und wurden auf der ganzen Welt berühmt – zum Beispiel Judas Ischariot. Doch dann, als die Prüfungen härter und heftiger wurden, glitten ihre Füße auf dem Pfade aus. Sie wandten sich vom Glauben ab, nachdem sie seine Wahrheit anerkannt hatten, und verleugneten ihn; von Einklang und Liebe fielen sie ab in Unheil und Hass. So zeigte sich die Macht der Prüfungen, die starke Pfeiler zittern macht.
141.3 Judas Ischariot war der bedeutendste der Jünger; er rief die Menschen zu Christus. Dann schien es ihm, als ob Jesus dem Apostel Petrus zunehmend mehr Aufmerksamkeit schenkte. Als Jesus sagte: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“, hatten diese an Petrus gerichteten Worte, die Auserwählung des Petrus zu besonderer Ehre, deutliche Wirkung auf den Apostel – und sie entfachten Neid im Herzen des Judas. So wandte sich der einst Nahegekommene ab, der vormals Glaubende verleugnete nun seinen Glauben; seine Liebe wurde zu Hass, bis er die Kreuzigung dieses herrlichen Herrn, dieses offenbarten Lichtes herbeiführte. Solches bewirkt der Neid. Deshalb wenden sich die Menschen vom geraden Pfad ab. So geschah es früher, so wird es auch in dieser großen Sache geschehen. Aber es macht nichts, denn bei den übrigen bewirkt es Treue und lässt Seelen erstehen, die nicht zaudern, die wie Berge so fest und unerschütterlich sind in ihrer Liebe zu dem offenbaren Licht.
141.4 Übermittle den Dienerinnen des Barmherzigen die Botschaft, dass sie standhaft und treu in ihrer Liebe zu Bahá bleiben müssen, wenn eine Prüfung schwer wird. Im Winter kommen die Stürme, heftige Winde blasen. Aber dann folgt der Frühling in all seiner Schönheit, lieblich anzusehen mit geschmückten Hügeln und Tälern, mit duftenden Blumen und roten Anemonen. Dann werden die Vögel in den Zweigen ihre Freudengesänge schmettern und mit beschwingten Weisen von den Kanzeln der Bäume predigen. Bald werdet ihr schauen, wie die Lichter fluten, die Banner des Himmelreichs flattern, die süßen Düfte des Allbarmherzigen sich überallhin verbreiten, die Heerscharen des Königreiches herniederkommen, die Himmelsengel vorwärtsstürmen und der Heilige Geist über alle jene Lande weht. Dann werdet ihr die Zauderer sehen, Männer wie Frauen, enttäuscht in ihren Hoffnungen und in offensichtlichem Verlust. So ist es verordnet vom Herrn, dem Offenbarer der Verse.
141.5 Du aber bist selig, denn du bist standhaft in der Sache Gottes, fest in Seinem Bund. Ich bete zu Ihm, dir eine geistige Seele und das Leben des Gottesreiches zu verleihen und dich als ein grünes Blatt am Baum des Lebens gedeihen zu lassen, damit du vergeistigt und frohgemut den Mägden des Barmherzigen dienst.
141.6 Dein freigebiger Herr wird dir bei der Arbeit in Seinem Weinberg beistehen und dich zum Werkzeug machen, den Geist der Einheit unter Seinen Dienerinnen zu verbreiten. Er wird dein inneres Auge sehend machen mit dem Licht der Erkenntnis, deine Sünden vergeben und sie in gute Taten wandeln. Wahrlich, Er ist der Vergebende, der Mitleidige, der Herr unermeßlicher Gnade.
142
142.1 O du liebe Dienerin Gottes! Preise Gott, denn du bist begünstigt an Seiner Heiligen Schwelle, gehegt im Reiche Seiner Macht. Du bist Vorsitzende eines Rates, der geprägt ist von den himmlischen Heerscharen und das allherrliche Reich widerspiegelt. Strebe mit Herz und Seele, in demütigem Gebet und in Selbstauslöschung, Gottes Gesetz zu vertreten und Seine süßen Düfte allenthalben zu verbreiten. Mühe dich, den Versammlungen geistiger Seelen die wahre Vorsitzende zu sein, eine Gefährtin der Engel im Reich des Allbarmherzigen.
142.2 Du fragst nach dem zehnten bis siebzehnten Vers im einundzwanzigsten Kapitel der Johannes-Offenbarung. Wisse, dass das Firmament der strahlenden Sonne über unserer Erde nach mathematischen Regeln in zwölf Sternbilder eingeteilt wird, die man die zwölf Tierkreiszeichen nennt. Genauso scheint und ergießt die Sonne der Wahrheit ihre Gnadengaben in zwölf Stufen der Heiligkeit; mit diesen himmlischen Zeichen sind makellose, unbefleckte Menschen gemeint, Quellen der Heiligkeit, Dämmerorte für die Verkündung der Einheit Gottes.
142.3 Beachte, wie es in den Tagen Dessen, der Zwiesprache hielt,1 zwölf heilige Wesen gab, welche die Führer der zwölf Stämme waren. Ebenso findest du in der Sendung des Geistes2 zwölf Apostel im schirmenden Schatten jenes erhabenen Lichtes versammelt; von diesen leuchtenden Dämmerorten strahlte die Sonne der Wahrheit wie die Sonne am Himmel hervor. Sieh, wie es in den Tagen Muhammads wieder zwölf Dämmerorte der Heiligkeit gab, Offenbarer der bestätigenden Hilfe Gottes. So geht das zu.
1 Moses
2 Jesus
142.4 Demgemäß berichtete der heilige Johannes von zwölf Toren in seiner Vision und von zwölf Grundsteinen. Mit der „großen Stadt, dem heiligen Jerusalem, das aus dem Himmel von Gott herabkommt“ ist das heilige Gesetz Gottes gemeint: Dies ist in vielen Tablets erklärt und bei den Propheten der Vergangenheit in den Schriften zu lesen, zum Beispiel, dass Jerusalem gesehen wurde, als es in die Wüste zog.
142.5 Die Bedeutung dieses Abschnitts ist, dass das göttliche Jerusalem zwölf Tore hat, durch welche die Seligen in die Stadt Gottes einziehen. Diese Tore sind Seelen, die Leitsternen gleichen, Tore des Wissens und der Gnade; unter diesen Toren stehen zwölf Engel. Mit „Engel“ ist die Macht der Bestätigungen Gottes gemeint – die Kerze der bestätigenden Macht Gottes scheint aus der Lampennische jener Seelen hervor -; es bedeutet, dass jedem dieser Wesen die gewaltigste Bestätigung und Hilfe zuteil wird.
142.6 Diese zwölf Tore umgeben die ganze Welt, das heißt, sie sind eine Zuflucht für alle Geschöpfe. Darüber hinaus sind diese zwölf Tore die Grundsteine der Stadt Gottes, des himmlischen Jerusalems, und auf jedem dieser Grundsteine steht der Name eines Apostels Christi geschrieben. Das bedeutet, jeder offenbart die Vollkommenheiten, die frohe Botschaft und die Vortrefflichkeit jenes heiligen Wesens.
142.7 Kurz, die Schrift sagt: „Und der mit mir redete, hatte ein gülden Rohr, einen Maßstab, dass er die Stadt, ihre Tore und Türme messe.“1 Die Bedeutung ist, dass bestimmte Persönlichkeiten das Volk mit einem Stecken, der aus der Erde gewachsen war, führten und sie mit einem Stab gleich dem des Mose hüteten. Andere erzogen und führten das Volk mit einem eisernen Stab wie in der Sendung Muhammads. Im gegenwärtigen Zyklus wird, da es die mächtigste Sendung ist, der Stab, der aus dem Pflanzenreich wuchs, und der Stab aus Eisen in ein Rohr aus reinstem Gold verwandelt, den unermeßlichen Schatzkammern des Reiches Gottes entnommen. Durch dieses Rohr werden die Menschen erzogen.
1 vgl. Offenbarung 21:15
142.8 Achte auf den Unterschied: Einst waren die Lehren Gottes wie ein Stecken, durch den die Heiligen Schriften überallhin verbreitet, das Gesetz Gottes verkündet und Sein Glaube errichtet wurde. Dann folgte eine Zeit, in der der Stab des wahren Hirten wie aus Eisen war. Heute, in diesem neuen, herrlichen Zeitalter, ist der Stab wie reines Gold. Welcher Unterschied! Erkenne daraus, wie weit das Gesetz Gottes und Seine Lehren in dieser Sendung fortgeschritten sind, wie sie solche Höhen erreicht haben, dass sie die vorangegangenen Sendungen weit überragen. Dieser Stab ist wahrlich aus reinstem Gold, während die Stäbe früherer Tage aus Eisen und Holz waren.
142.9 Das ist eine kurze Antwort, für dich verfaßt; für mehr fehlt die Zeit. Sicherlich wirst du mir vergeben. Gottes Dienerinnen müssen sich auf eine solche Stufe erheben, dass sie von selbst und ohne Hilfe diese inneren Bedeutungen begreifen und fähig werden, jedes Wort in allen Einzelheiten zu erläutern – eine Stufe, auf der aus der Wahrheit ihres tiefsten Herzens ein Quell der Weisheit sprudelt, wie sich ein Springbrunnen aus seinem eigenen Urgrund ergießt.
143
143.1 O du, der du im Reiche Gottes dem Geiste Christi nahegekommen bist! Wahrlich, der Leib ist aus stofflichen Elementen zusammengesetzt, und alles Zusammengesetzte muss sich auflösen. Der Geist jedoch ist eine einzige Wesenheit, zart und fein, körperlos, ewig und göttlich. Wer deshalb Christus in Seinem stofflichen Leib erwartet, der hält vergebliche Ausschau und wird wie durch einen Schleier von Ihm ausgeschlossen sein. Wer sich aber sehnt, Ihn im Geiste zu finden, wird Tag für Tag wachsen vor freudigem Verlangen und brennender Liebe, weil er Ihm nahekommt und Ihn klar und deutlich erkennt. An diesem neuen, wundersamen Tag steht dir an, nach Christi Geist zu suchen.
143.2 Wahrlich, der Himmel, in den sich der Messias erhob, war nicht dieses unendliche Firmament; vielmehr war Sein Himmel das Reich Seines gütigen Herrn. So sagt Er selbst: „Ich bin vom Himmel gekommen“1, und ein andermal: „Des Menschen Sohn ist im Himmel“2. Daraus erhellt, dass Sein Himmel jenseits aller Himmelsrichtungen ist, das ganze Sein umschließt und für diejenigen errichtet ist, die Gott anbeten. Bete und flehe zu deinem Herrn, dass Er dich in diesen Himmel emporhebe und dir von seiner Nahrung in diesem Zeitalter der Macht und Majestät zu essen gebe.
1 Johannes 6:38
2 Johannes 3:13
143.3 Wisse, dass das Volk bis auf den heutigen Tag die Geheimnisse des Buches nicht entwirrt hat. Sie wähnen, Christus sei während Seines Erdenwandels von Seinem Himmel ausgeschlossen gewesen, sei vom Gipfel Seiner Erhabenheit abgefallen und hinterher in die höheren Gefilde des Himmels aufgestiegen, zu dem Himmel, der überhaupt nicht existiert, da er nur Weltraum ist. Sie warten darauf, dass Er von dort auf einer Wolke reitend wiederkomme. Sie bilden sich ein, dass es in diesem unendlichen All Wolken gebe, dass Er auf ihnen reite und so herniederfahre. Die Wahrheit ist indessen, dass eine Wolke nur Dampf ist, der von der Erde aufsteigt; sie kommt nicht vom Himmel herab. Vielmehr ist die Wolke, auf die sich das Evangelium bezieht, der Menschenleib. Er wird so bezeichnet, weil für den Menschen der Körper ein Schleier ist, der ihn wie eine Wolke daran hindert, die Sonne der Wahrheit zu erkennen, die vom Horizonte Christi scheint.
143.4 Ich bitte Gott, deinen Augen die Tore der Entdeckungen und Wahrnehmungen zu öffnen, damit du an diesem offenbarsten Tag Seine Geheimnisse erkennst.
143.5 Ich bin sehr begierig, dich zu treffen, aber die Zeiten sind ungünstig. So Gott will, werden wir dich wissen lassen, wann du zu einer besseren Zeit frohlockend kommen kannst.
144
144.1 O du, der du die Menschen liebst! Dein Brief ist angekommen, und er berichtet, Gott sei gepriesen, über deine Gesundheit und dein Wohlbefinden. Aus deiner Antwort auf einen früheren Brief geht hervor, dass zwischen dir und den Freunden Gefühle der Zuneigung entstanden sind.
144.2 Man darf in jedem menschlichen Wesen nur das sehen, was des Lobes würdig ist. Wenn man so handelt, kann man der ganzen Menschheit Freund sein. Betrachten wir die Menschen jedoch vom Standpunkt ihrer Fehler aus, dann ist es eine äußerst schwierige Aufgabe, mit ihnen Freundschaft zu pflegen.
144.3 Es geschah eines Tages zur Zeit Christi – möge das Leben der ganzen Welt ein Opfer für Ihn sein – dass Er an einem toten Hund vorbeikam, einem übelriechenden Kadaver, widerlich anzusehen, mit faulenden Gliedern. Einer Seiner Begleiter sagte: „Wie faul ist sein Gestank!“ Ein anderer meinte: „Wie ekelerregend, wie abscheulich!“ Kurzum, jeder hatte etwas hinzuzufügen.
144.4 Aber dann sprach Christus, und Er sagte ihnen: „Sehet die Zähne des Hundes! Wie strahlend weiß sie sind!“
144.5 Der sündenbedeckende Blick des Messias verweilte keinen Augenblick lang auf dem Widerwärtigen des Aases. Der einzige Teil des Kadavers, der keine Abscheu erregte, waren seine Zähne, und Jesus schaute auf ihren Glanz.
144.6 So sollten wir, wenn wir unseren Blick auf andere Menschen richten, das sehen, worin sie sich auszeichnen, und nicht das, worin sie versagen.
144.7 Preis sei Gott! Dein Ziel ist, das Wohlbefinden der Menschheit zu fördern und den Seelen zu helfen, ihre Fehler zu überwinden. Diese gute Absicht wird löbliche Früchte zeitigen.
145
145.1 Du schriebst über die Frage geistiger Entdeckungen. Des Menschen Geist ist eine Kraft, welche alle Dinge umkreist und ihre Wirklichkeiten umfängt. Was immer du um dich her erblickst – wunderbare Ergebnisse menschlicher Kunstfertigkeit, Erfindungen, Entdeckungen und ähnliche Erscheinungen -, all dies war einmal ein Geheimnis, das im Reiche des Unbekannten verborgen lag. Der Menschengeist deckte dieses Geheimnis auf, holte es aus der unsichtbaren in die sichtbare Welt. So steht es zum Beispiel mit der Dampfkraft, der Photographie und dem Phonographen, der drahtlosen Telegraphie und den Fortschritten in der Mathematik: Alles war einst ein Mysterium, ein streng bewachtes Geheimnis; der Menschengeist enthüllte jedoch diese Geheimnisse und brachte sie aus dem Unsichtbaren ans Tageslicht. So ist deutlich, dass der menschliche Geist eine alles umfangende Kraft ist, die ihre Herrschaft über das innere Wesen alles Erschaffenen ausübt und die wohlverwahrten Mysterien der Erscheinungswelt aufdeckt.
145.2 Der göttliche Geist hingegen enthüllt göttliche Wirklichkeiten und allumfassende Geheimnisse, die in der geistigen Welt liegen. Ich hoffe, dass du diesen göttlichen Geist erlangen wirst, so dass du die Geheimnisse der anderen Welt ebenso entdeckst wie die Mysterien der Welt hienieden.
145.3 Du fragst hinsichtlich des 14. Kapitels, Vers 30, des Johannes-Evangeliums, wo Christus, der Herr, sagt: „Ich werde nicht mehr viel mit euch reden, denn es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an Mir.“ Der Fürst dieser Welt ist die Gesegnete Schönheit; und „hat nichts an Mir“ bedeutet: Nach Mir werden alle Gnade von Mir empfangen, aber Er ist von Mir unabhängig und wird keine Gnade von Mir empfangen. Das bedeutet, dass Er reich ist über Meine Gnade hinaus.
145.4 Zu deiner Frage über Entdeckungen, welche die Seele macht, nachdem sie ihre menschliche Hülle abgelegt hat: Sicherlich ist jene Welt eine Welt der Wahrnehmungen und Entdeckungen; denn der dazwischenliegende Schleier wird weggenommen werden, und der menschliche Geist wird auf Seelen schauen, die sich über ihm, unter ihm und auf gleicher Stufe mit ihm befinden. Man kann es mit dem Zustand des Menschen im Mutterleib vergleichen, wo seine Augen verschleiert und alle Dinge vor ihm verborgen sind. Wenn er aus der Welt des Mutterleibs geboren wird und ins Leben tritt, empfindet er dieses Leben, verglichen mit dem im Mutterleib, als einen Ort der Wahrnehmungen und Entdeckungen, nimmt er doch alle Dinge mit seinem äußeren Auge wahr. Genauso wird er, wenn er dieses Leben hinter sich lässt, in jener Welt alles sehen, was ihm hier verborgen war; aber dort wird er alles mit seinem inneren Auge sehen und verstehen. Dort wird er seine Gefährten und Ebenbürtigen schauen und diejenigen, die sich auf den Stufen über und unter ihm befinden. Was die Gleichheit der Seelen in dem allerhöchsten Reich betrifft, so bedeutet sie: Die Seelen der Gläubigen sind zu der Zeit, da sie zuerst in der Welt des Leibes erscheinen, gleich; jede ist heilig und rein. In dieser Welt jedoch fangen sie an, sich voneinander zu unterscheiden. Einige erreichen die höchste Stufe, manche eine mittlere, andere bleiben auf der untersten Stufe des Seins. Ihre Gleichstellung besteht am Anfang ihrer Existenz; die Unterscheidung folgt ihrem Hinscheiden.
145.5 Du schriebst wegen Seir. Seir ist ein Ort bei Nazareth in Galilea.
145.6 Was die Stelle bei Hiob, 19. Kapitel, Vers 25-27, betrifft: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und dass Er am Jüngsten Tage auf Erden weilen wird“, so bedeutet sie: Ich werde nicht erniedrigt werden, denn ich habe einen Erhalter und Hüter; und mein Helfer, mein Verteidiger wird schließlich offenbart werden. Obwohl mein Fleisch jetzt schwach und von Würmern bedeckt ist, werde ich geheilt werden, und mit diesen meinen eigenen Augen, das heißt mit meiner inneren Wahrnehmung, werde ich Ihn schauen. Dies sagte Hiob, nachdem ihm die anderen Vorwürfe gemacht hatten, und er selbst über das Leid seiner Prüfungen geklagt hatte. Selbst als sein Körper durch den unbarmherzigen Würgegriff der Krankheit mit Würmern bedeckt war, versuchte er noch, denen um ihn herzu sagen, dass er vollständig geheilt werde und in seinem Leib mit eigenen Augen seinen Erlöser schauen werde.
145.7 Was die Frau in der Offenbarung des Johannes, 12. Kapitel, anbelangt, die in die Wüste floh, und das große Wunder, das am Himmel erschien – die Frau, mit der Sonne bekleidet und dem Mond unter den Füßen: Mit der Frau ist Gottes Gesetz gemeint; denn nach der Begriffswelt der Heiligen Bücher bezieht sich diese Stelle auf das Gesetz, dessen Symbol hier die Frau ist. Die zwei Leuchten, Sonne und Mond, sind zwei Throne, der türkische und der persische, die beide unter der Herrschaft des Gesetzes Gottes stehen. Die Sonne ist das Symbol des persischen Reiches, und der Mond ist der Halbmond des türkischen Reiches. Die zwölffache Krone sind die zwölf Imame, die wie die Apostel den Gottesglauben unterstützten. Das neu geborene Kind ist die Schönheit des Angebeteten1, die aus dem Gesetz Gottes hervorkam. Er sagt dann, dass die Frau in die Wüste floh, das heißt, das Gesetz Gottes wurde aus Palästina in die Wüste Hijáz getragen und blieb dort 1260 Jahre – also bis zur Ankunft des verheißenen Kindes. Wie wohl bekannt ist, wird in den Heiligen Büchern jeder Tag als ein Jahr gezählt.
1 der Báb, siehe ABFRAG Kap.13
146
146.1 O Dienerin, entflammt in der Liebe zu Gott! Ich habe deinen ausgezeichneten Brief gründlich gelesen und Gott für deine sichere Ankunft in jener großen Stadt gedankt. Ich bitte Ihn, durch Seine unfehlbare Hilfe deine Rückkehr dorthin mit machtvoller Wirkung auszustatten. Das kann nur dann geschehen, wenn du dich aller Bindungen an diese Welt entledigst und dich in das Gewand der Heiligkeit kleidest, wenn du all deine Gedanken und Worte auf das Gedenken Gottes und Seinen Lobpreis beschränkst, auf die Verbreitung Seiner süßen Düfte überallhin und auf die Verrichtung guter Taten, wenn du dich der Aufgabe widmest, die Achtlosen zu erwecken, die Blinden sehend zu machen, die Tauben hörend, die Stummen sprechend, und wenn du durch die Macht des Geistes den Toten belebst.
146.2 Denn die Menschen sind blind, wie Jesus im Evangelium von ihnen sprach, sie sind taub und stumm; und Er sagte: „Ich werde sie heilen.“
146.3 Sei freundlich und mitleidig zu deiner schwachen Mutter. Sprich mit ihr über das Gottesreich, damit ihr Herz frohlocke.
146.4 Richte Fräulein Ford Grüße von mir aus. Übermittle ihr die frohe Botschaft, dass dies die Tage des Gottesreiches sind. Sage ihr: Gesegnet bist du ob deiner erhabenen Ziele, gesegnet bist du ob deiner guten Werke, gesegnet bist du ob deines geistigen Wesens. Wahrlich, ich liebe dich wegen dieser deiner Ziele, Eigenschaften und Taten. Sprich weiter zu ihr: Denke an den Messias, an Seine Tage auf Erden, Seine Erniedrigung, Seine Heimsuchung und wie die Menschen Ihm keine Aufmerksamkeit schenkten. Denke daran, wie die Juden Ihn dem Spott preisgaben, sich über Ihn lustig machten und zu Ihm sprachen: „Friede sei mit dir, König der Juden! Friede sei mit dir, König der Könige!“ Wie sie sagten, Er sei verrückt, und fragten, wie sich die Sache dieses Gekreuzigten jemals im Osten und Westen der Welt verbreiten könne. Keiner folgte Ihm außer ein paar Seelen: Fischer, Zimmerleute und andere aus dem gemeinen Volk. Wehe, wehe ob der Verblendung!
146.5 Und siehe, was dann geschah: wie ihre mächtigen Fahnen eingeholt wurden und stattdessen Sein erhabenes Banner gehisst wurde, wie all die hellen Sterne an jenem Himmel der Ehre und des Stolzes versanken, wie sie im Westen der Vergänglichkeit untergingen – und wie Sein Lichtgestirn von den Himmeln unsterblichen Ruhmes strahlt, während die Jahrhunderte und Zeitalter verrinnen. Seid also gewarnt, ihr, die ihr Augen habt zu sehen! Bald werdet ihr noch größere Dinge schauen als diese.
146.6 Wisse, dass alle Mächte vereint nicht die Kraft haben, den Weltfrieden zu errichten oder zu allen Zeiten der überwältigenden Vorherrschaft dieser endlosen Kriege standzuhalten. Bald jedoch wird die Macht des Himmels, die Vorherrschaft des Heiligen Geistes, auf den hohen Gipfeln die Fahnen der Liebe und des Friedens hissen; hoch über den Burgen der Majestät und Macht werden diese Fahnen wehen in den rauschenden Winden, die Gottes liebender Gnade entströmen.
146.7 Richte Frau Florence meine Grüße aus und sage ihr: Die verschiedenen Kirchengemeinschaften haben das Fundament ihres Glaubens aufgegeben und Lehren angenommen, die in den Augen Gottes keinerlei Bedeutung haben. Sie sind wie die Pharisäer, die beteten, fasteten und dann Christus zum Tode verurteilten. Beim Leben Gottes! Es ist eine eigenartige Sache!
146.8 Und du, o Dienerin Gottes, lies du liebevoll dieses Gebet zu deinem Herrn und sprich zu Ihm:
146.9 „O Gott, mein Gott! Fülle mir den Kelch völliger Loslösung, und umgeben von Deinen herrlichen Gaben, erfreue mich mit dem Wein der Liebe zu Dir. Befreie mich vom Angriff der Leidenschaft und Begierde und löse mich aus den Fesseln der niederen Welt. Ziehe mich verzückt hinan zu Deinem hehren Reich, und belebe mich im Kreis Deiner Mägde mit dem Odem Deiner Heiligkeit.“
146.10 „O Herr, erleuchte mein Angesicht mit dem Lichte Deiner Gaben. Lass meine Augen strahlen, wenn sie die Zeichen Deiner allbeherrschenden Macht schauen. Ergötze mein Herz mit der Herrlichkeit Deines allumfassenden Wissens, mache meine Seele floh mit Deiner belebenden Freudenbotschaft, o Du König dieser Welt und des Reiches droben, o Du Herr der Herrschaft und Macht, damit ich Deine Beweise und Zeichen verbreite, Deine Sache verkünde, Deine Lehren fördere, Deinem Gesetz diene und Dein Wort erhöhe.“
146.11 „Du bist wahrlich der Machtvolle, der Immervergebende, der Fähige, der Allmächtige.“
146.12 Was die grundlegenden Lehren des Glaubens angeht: Wisse, dass die Botschaft nur durch gute Taten und geistige Eigenschaften verbreitet werden kann, durch eine kristallklare Sprache und durch die Freude, die sich im Antlitz dessen widerspiegelt, der die Lehren darlegt. Es ist grundlegend, dass die Taten des Lehrers die Wahrheit seiner Worte bezeugen müssen. Dies ist der Zustand dessen, der die süßen Düfte Gottes allenthalben verbreitet, und die Eigenschaft dessen, der aufrichtig in seinem Glauben ist.
146.13 Hat der Herr dich dazu befähigt, diesen Zustand zu erreichen, so sei versichert, dass Er dir Worte der Wahrheit eingeben und dich durch den Odem des Heiligen Geistes sprechen lassen wird.
147
147.1 Denke über die Ereignisse zur Zeit Christi nach; dann werden die gegenwärtigen Ereignisse verständlich und offenbar werden.
148
148.1 O ihr Söhne und Töchter des Gottesreiches! In ihrer Dankbarkeit streben die Vögel des Geistes nur danach, zu den Himmelshöhen emporzufliegen und mit wundersamer Kunst ihre Lieder zu singen. Die jämmerlichen Regenwürmer jedoch wollen sich nur in die Erde graben. Wie heftig sie sich mühen, in die tiefsten Tiefen zu gelangen! Genauso sind die Erdensöhne. Ihr höchstes Ziel ist, in dieser vergänglichen Welt, diesem Tod im Leben, ihren Unterhalt zu mehren. Und dies trotz des Umstandes, dass ihnen Hand und Fuß durch tausend Kümmernisse und Sorgen gebunden sind und sie keinen Augenblick vor Gefahren geschützt sind; niemals sind sie sicher, nicht einmal vor plötzlichem Tod. So werden sie nach kurzer Zeit völlig ausgelöscht; keine Spur bleibt, die von ihnen berichtet, keines ihrer Worte wird jemals wieder vernommen.
148.2 Darum lobet und preiset Bahá’u’lláh; denn durch Seine Gnade und Hilfe seid ihr Söhne und Töchter des Gottesreiches, dank Ihm seid ihr nun Singvögel auf den Auen der Wahrheit und schwingt euch himmelwärts zu den Höhen des Ruhmes, der nie vergeht. Ihr habt euren Platz gefunden in der unsterblichen Welt; der Hauch des Heiligen Geistes weht über euch; ihr habt ein anderes Leben erwählt, ihr habt Zutritt zur Schwelle Gottes erlangt.
148.3 So errichtet denn freudevoll Geistige Räte; befaßt euch mit dem Lobpreis und dem Ruhm des Herrn, nennt Ihn den Heiligen und den Größten. Richtet eure flehenden Hilferufe zum Reich des Allherrlichen, und stimmt jeden Augenblick eine Myriade Danksagungen an, dass ihr diese überreiche Gunst, diese überragende Gnade erlangt habt.
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149.1 O du, der du Augen hast zu sehen! Was du erlebt hast, ist die reine Wahrheit und gehört ins Reich der geistigen Schau.
149.2 Der Duft ist mit der Knospe eng verbunden und verschmolzen; sobald die Knospe sich öffnet, verbreitet sich ihr süßer Geruch weithin. Das Kraut ist nicht ohne Frucht auch wenn es so scheint; denn in diesem Gottesgarten übt jede Pflanze ihren Einfluss aus, jede hat ihre Sonderheiten jede kann es sogar mit der lachenden, hundertblättrigen Rose aufnehmen, wenn sie mit ihrem Duft die Sinne erfreut. Sei dessen gewiss! Wenngleich die Buchseiten nichts von den Worten und Bedeutungen auf ihnen wissen, werden sie doch wegen ihrer Verbindung mit diesen Worten von den Freunden ehrfürchtig von Hand zu Hand gereicht Diese Verbindung ist überdies die reinste Gnadengabe.
149.3 Schwingt sich die Seele aus diesem vergänglichen Haufen Staub empor, erhebt sie sich in die Welt Gottes, dann fallen die Schleier ab, alle Wahrheiten treten ans Licht, alles Unbekannte wird klar, und verborgene Einsichten werdet verstanden.
149.4 Bedenke, wie ein Wesen in der Welt des Mutterleibe taube Ohren, blinde Augen und eine stumme Zunge hat wie es jeglicher Wahrnehmung beraubt ist. Doch sobald es aus jener dunklen Welt in diese Welt des Lichtes tritt, sehet seine Augen, hören seine Ohren und spricht seine Zunge So wird es auch, wenn es von diesem sterblichen Ort in das Reich Gottes eilt, im Geiste wiedergeboren. Dann öffne sich seiner Wahrnehmung Auge, seiner Seele Ohr horch auf, und alle ihm bisher unbekannten Wahrheiten werden offenkundig.
149.5 Ein aufmerksamer Reisender wird sich seiner Entdeckungen unterwegs sicher wieder erinnern, es sei denn, er hätte einen Unfall, der seine Erinnerung auslöscht.
150
150.1 O Magd, entflammt im Feuer der Liebe Gottes! Gräme dich weder über die Misslichkeiten und die Not dieser niederen Welt noch freue dich in Zeiten ruhigen Behagens; denn beides wird vergehen. Das gegenwärtige Leben ist wie eine auflaufende Welle, eine Fata Morgana oder ein flüchtiger Schatten. Kann ein Zerrbild in der Wüste je als erquickendes Wasser dienen? Nein, bei dem Herrn der Herren! Niemals können die Wirklichkeit und ihr bloßer Schein dasselbe sein; groß ist der Unterschied zwischen Wahn und Tatsache, zwischen der Wahrheit und ihrem Trugbild.
150.2 Wisse, dass das Reich Gottes die wirkliche Welt, diese Welt hienieden aber nur sein vorausgeworfener Schatten ist. Ein Schatten hat kein eigenes Leben; sein Vorhandensein ist nur ein Hirngespinst und nichts mehr; es sind nur Bilder, vom Wasser gespiegelt, die dem Auge als Gemälde erscheinen.
150.3 Verlasse dich auf Gott. Vertraue Ihm. Preise Ihn und gedenke Seiner ständig. Er verwandelt wahrlich Kummer in Wohlbefinden, Sorge in Trost, Mühsal in vollkommenen Frieden. Er hat wahrlich Herrschaft über alle Dinge.
150.4 Wenn du auf meine Worte hörst, löse dich von den Fesseln allen Geschehens. Nein, danke deinem liebenden Herrn in allen Lebenslagen und stelle deine Angelegenheiten Seinem Willen anheim, der bewirkt, was Ihm gefällt. Dies ist wahrlich besser für dich als alles andere in beiden Welten.
151
151.1 O du, der du an die Einzigkeit Gottes glaubst! Wisse, dass nichts der Seele nützt außer der Liebe zum Allgütigen, nichts erleuchtet das Herz außer dem Glanz, der vom Reiche des Herrn scheint.
151.2 Sage dich los von allen anderen Sorgen, lass das Vergessen die Erinnerung an alles andere überwinden. Beschränke deine Gedanken auf das, was die Menschenseele zum Paradiese himmlischer Gnade erhebt, und lasse jeden Vogel des Gottesreiches zum höchsten Horizonte fliegen, zum Mittelpunkt ewiger Ehre in dieser vergänglichen Welt.
152
152.1 Zu der Frage nach der Seele eines Mörders und nach seiner Strafe ist die Antwort, dass der Mörder sein Verbrechen sühnen muss. Das heißt, wenn man den Mörder tötet, ist sein Tod die Sühne für sein Verbrechen, und nach seinem Tod wird Gott in Seiner Gerechtigkeit ihm keine zweite Strafe auferlegen, denn die göttliche Gerechtigkeit ließe dies nicht zu.
153
153.1 O du Dienerin Gottes! An diesem Tage besteht der Dank an Gott für Seine Gnadengaben darin, ein strahlendes Herz und eine Seele zu besitzen, die den Eingebungen des Geistes offensteht. Dies ist das Wesen des Dankes.
153.2 Was die Danksagung durch Wort oder Schrift angeht, so ist sie fürwahr annehmbar, verglichen mit jenem anderen Dank aber nur unwirklicher Schein; denn wesentlich ist, was der Geist dir eingibt, die Ausstrahlungen aus der Tiefe des Herzens. Ich hoffe, dass du damit begnadet wirst.
153.3 Was des Menschen Mangel an Fähigkeiten und Verdiensten am Tag der Auferstehung anbelangt, so schließt ihn dies nicht von Gaben und Gnadenerweisen aus; denn es ist nicht der Tag der Gerechtigkeit, sondern der Tag der Gnade, während die Gerechtigkeit jedem das zuteilt, was ihm gebührt. Schaue daher nicht auf den Grad deiner Fähigkeit, sondern schaue auf die grenzenlose Gunst Bahá’u’lláhs. Allumfassend ist Seine Gnade, vollkommen Seine Güte.
153.4 Ich bitte Gott Darum, dass du mit Seiner Hilfe und kraftvollen Untersitzung die tiefe Bedeutung der Thora mit Beredsamkeit, Verständnis, Nachdruck und Geschick lehrst. Wende dein Angesicht dem Reich Gottes zu, bitte um die Gaben des Heiligen Geistes, rede, und die Bestätigungen des Geistes werden sich zeigen.
153.5 Die mächtige Sonnenkugel, die du in deinem Traum sahst, war der Verheißene, ihre sich ausbreitenden Strahlen waren Seine Gnadengaben. Die lichtdurchlässige Wasseroberfläche bedeutet unbefleckte, reine Herzen, während die wogenden Wellen die große Erregung dieser Herzen und die Tatsache kennzeichnen, dass sie erschüttert und tief bewegt wurden; das heißt, die Wellen sind die Bewegungen des Geistes und die heiligen Eingebungen der Seele. Preise Gott, dass du in der Traumwelt solche Enthüllungen wahrnahmst.
153.6 Zur Bedeutung eines Menschen, der sich selbst völlig vergißt: Die Absicht ist, dass er sich erheben und sich im wahren Sinne opfern soll; das heißt, er soll die Antriebe des menschlichen Zustands auslöschen und sich solcher Merkmale entledigen, die tadelnswert sind und das trübe Dunkel dieses Erdenlebens ausmachen. Der Sinn ist nicht, seine Gesundheit zu vernachlässigen und seinen Leib zu schwächen.
153.7 Ich flehe inständig und demütig an der Heiligen Schwelle, dass deine liebe Mutter, deine lieben Schwestern und Verwandten himmlische Segnungen und göttliche Vergebung umfangen. Besonders bete ich für deinen Verlobten, der so plötzlich von dieser in die nächste Welt eilte.
154
154.1 O du Sohn des Königreiches! Deine höchst liebenswürdigen Briefe erfreuen allezeit mit ihrem gefälligen Stil unsere Herzen. Wenn das Lied vom Gottesreich handelt, frohlockt das Herz.
154.2 Preise Gott, dass du in jenes Land1 gereist bist, Sein Wort zu erhöhen und den heiligen Duft Seines Reiches zu verbreiten, dass du als Gärtner in den Himmelsgärten dienst. Bald werden deine Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein.
1 Deutschland
154.3 O du Sohn des Königreiches! Alles mit der Liebe Gottes Verbundene ist nützlich; ohne Seine Liebe sind alle Dinge schädlich und treten als Schleier zwischen den Menschen und den Herrn des Königreiches. Wo Seine Liebe ist, wird jede Bitternis süß und jede Gnadengabe bringt wohltuende Freude. So bringt zum Beispiel eine dem Ohr süße Melodie dem in Gott verliebten Herzen den wahren Geist des Lebens, die in sinnlichem Verlangen versunkene Seele jedoch besudelt sie mit Begierde. Jedes Wissensgebiet wird gebilligt und ist rühmenswert, wenn es mit der Liebe Gottes verbunden ist; Seiner Liebe beraubt, ist Wissen jedoch unfruchtbar – es führt fürwahr zum Wahnsinn. Jede Art von Erkenntnis, jede Wissenschaft ist wie ein Baum: Ist seine Frucht die Liebe zu Gott, so ist es ein gesegneter Baum; wo nicht, ist dieser Baum vertrocknetes Holz und nährt nur das Feuer.
154.4 O du treuer Diener Gottes, du geistiger Heiler der Menschen! Wann immer du einen Patienten behandelst, wende dein Antlitz dem Herrn des Himmelreiches zu, bitte den Heiligen Geist, dir beizustehen, und heile dann die Krankheit.
155
155.1 O du Flamme der Gottesliebe! Was du geschrieben hast, bereitete große Freude, denn dein Brief war wie ein Garten, aus dem die Rosen tiefer Bedeutungen den süßen Duft der Liebe Gottes verbreiten. So dienen meine Antworten als Regenschauer und Tau, um den geistigen Pflanzen, im Garten deines Herzens erblüht, mehr Frische und zarte Schönheit zu verleihen, als Worte ausdrücken können.
155.2 Du schriebst von schmerzlichen Prüfungen, die dich heimgesucht haben. Für die treue Seele ist eine Prüfung nur Gottes Gunst und Gnade; denn auf dem Feld des Schmerzes stürmt der Mutige freudig in die wilde Schlacht, während der Feigling vor Furcht winselt, zittert und bebt. So wird auch der tüchtige Student, der den Stoff mit großem Geschick beherrscht und seinem Gedächtnis einverleibt, den Prüfern am Tage der Prüfung froh sein Können vorführen; gediegenes Gold wird im Feuer des Münzprüfers wundersam glänzen und leuchten.
155.3 Es liegt auf der Hand, dass Prüfungen und Heimsuchungen für geheiligte Seelen nur Gottes Gunst und Gabe sind, während sie für den Schwachen ein unerwartetes, plötzlich auftretendes Unheil bedeuten.
155.4 Diese Prüfungen waschen nur, wie auch du schriebst, den Makel des Selbstes vom Spiegel des Herzens, bis die Sonne der Wahrheit ihre Strahlen darauf werfen kann; denn es gibt keinen schlimmeren Schleier als das Selbst, und wie fein dieser Schleier auch sei, wird er zuletzt einen Menschen vollständig ausschließen und ihn seines Anteils an der ewigen Gnade berauben.
155.5 O du entzückte Dienerin des Herrn! Wenn die Gläubigen, Männer wie Frauen, an meinem geistigen Auge vorüberziehen, fühle ich mich durch das Feuer der Gottesliebe erwärmt und flehe, dass der Allmächtige diesen heiligen Seelen mit Seinen unsichtbaren Heerscharen beistehe. Gepriesen sei der Herr, dass die Verheißungen all Seiner Manifestationen nun deutlich erfüllt sind an diesem größten aller Tage, in diesem heiligen, gesegneten Zeitalter!
155.6 O du entzückte Dienerin Gottes! Die Nähe ist wahrlich etwas Geistiges, nichts Leibliches; die Hilfe, nach der es uns verlangt, und die Hilfe, die kommt, ist nicht stofflicher, sondern geistiger Art. Trotzdem hoffe ich, dass du in jeder Hinsicht Nähe erlangst. Gottes Gnadengaben werden wahrlich eine geheiligte Seele umgeben, wie das Sonnenlicht den Mond und die Sterne einschließt: Sei dessen versichert.
155.7 Trage im Namen Abdu’l-Bahás zu allen Gläubigen, Männern wie Frauen, den duftenden Hauch der Heiligkeit. Begeistere sie alle und bewege sie dazu, die süßen Düfte des Herrn zu verbreiten.
156
156.1 O du Diener an der Heiligen Schwelle. Wir haben gelesen, was deiner Feder entfloß in deiner Liebe zu Gott, und der Inhalt deines Briefes gefiel uns sehr. Ich hoffe, dass dich durch Gottes Güte der Hauch des Allbarmherzigen allzeit beleben und erneuern wird.
156.2 Du schriebst über die Reinkarnation. Der Glaube an die Reinkarnation geht weit zurück in die Vorgeschichte der meisten Völker; er behauptete sich sogar bei den griechischen Philosophen, den römischen Weisen, den alten Ägyptern und den großen Assyrern. Trotzdem sind dieser Aberglaube und solche Redensarten in der Sicht Gottes barer Unsinn.
156.3 Das Hauptargument der Anhänger der Reinkarnation war, dass nach Gottes Gerechtigkeit jeder seinen Verdienst erhalten muss: Sooft zum Beispiel ein Mensch von einem Unheil bedrückt wird, ist dies wegen eines Unrechts, das er begangen hat. Doch nimm ein Kind, das noch im Mutterleib ist. Der Embryo sei eben erst geformt, das Kind sei blind, taub, lahm und unvollkommen – welche Sünde hat ein solches Kind begangen, dass es seine Leiden verdient? Sie antworten: Obwohl das Kind im Mutterleib äußerem Anschein nach keiner Sünde schuldig ist, hat es doch in seiner früheren Gestalt Unrecht begangen, und deshalb verdient es jetzt Strafe.
156.4 Diese Leute übersehen jedoch folgenden Punkt: Wenn die Schöpfung nur nach einer einzigen Regel voranschritte, wie könnte die allumfassende Macht sich wahrnehmbar machen? Wie könnte der Allmächtige Der sein, „der tut, was Ihm gefällt, und befiehlt, was Er will“?1
1 siehe Qur’án 3:35 , 2:253
156.5 Kurz, die Heiligen Schriften sprechen von einer Wiederkehr, aber damit ist die Wiederkehr der Eigenschaften, Bedingungen, Wirkungen, Vollkommenheiten und inneren Wirklichkeiten der Geistesleuchten gemeint, die in jeder Sendung wieder auftreten. Der Hinweis bezieht sich nicht auf bestimmte Seelen und Persönlichkeiten.
156.6 Man kann zum Beispiel sagen, dass dieses Lampenlicht die Wiederkehr des Lichtes des vergangenen Abends ist oder dass die Rose des vergangenen Jahres heuer in den Garten zurückgekommen ist. Hier bezieht man sich nicht auf die individuelle Wirklichkeit, die fest umrissene Identität, das besondere Wesen jener anderen Rose, vielmehr bedeutet es, dass die Eigenschaften, die Unterscheidungsmerkmale jenes anderen Lichtes, jener anderen Blume, jetzt in diesem Licht, dieser Blume gegenwärtig sind. Die Vollkommenheiten, das heißt, die Gnadengaben eines vergangenen Frühlings sind dieses Jahr zurückgekehrt. Wir sagen zum Beispiel, diese Frucht ist die gleiche wie die des letzten Jahres; wir denken dabei aber nur an die Feinheit, Schönheit, Frische und Süße; denn offensichtlich kann der unerschütterliche Kern der Wirklichkeit, die besondere Wesenheit, niemals wiederkehren.
156.7 Welchen Frieden, welches Behagen, welche Annehmlichkeit entdeckten Gottes Heilige während ihres Verweilens in dieser niederen Welt, dass sie immerfort danach streben sollten, zurückzukommen und dieses Leben noch einmal zu führen? Genügt nicht ein einziger Blick auf diese Angst, diese Heimsuchungen, dieses Unheil, diese Schläge, diese gräßlichen Schwierigkeiten? Sollten sie da eine mehrfache Rückkehr ins Erdenleben wünschen? Dieser Becher ist nicht so süß, dass man Lust hätte, ihn ein zweites Mal zu leeren.
156.8 Deshalb ersehnt, wer die Schönheit Abhá liebt, keinen anderen Trost als den, die Stufe zu erreichen, wo er Ihn im Reiche der Herrlichkeit schauen kann. Keinen anderen Pfad wandert er als den Pfad durch die Wüste der Sehnsucht nach diesen erhabenen Höhen. Er sucht das Behagen und den Trost, die immerdar bleiben; er sucht jene Gaben, die geheiligt sind über alle weltliche Gesinnung.
156.9 Wenn du dich scharfsichtigen Auges umschaust, merkst du, dass in dieser Welt des Staubes alle Menschen leiden. Hier findet kein Mensch Ruhe als Entschädigung für das, was er in früheren Leben begangen hat; auch ist hier niemand so selig, dass er vor aller Augen die Früchte vergangener Qualen pflückt. Fürwahr, wozu führte dann das Wirken und Walten der Gottheit? Wäre ein Menschenleben mit seinem geistigen Sein auf diese irdische Zeitspanne beschränkt, was wäre dann die Frucht der Schöpfung? Wäre solch eine Auffassung richtig, so wären alle erschaffenen Dinge, alle abhängigen Wirklichkeiten, ja die ganze Welt des Seins ohne jede Bedeutung. Gott behüte, dass jemand an solch einem Hirngespinst, solch einem schweren Irrtum festhält!
156.10 Wie die Wirkungen und der Nutzen des Lebens im Mutterleib nicht an jenem dunklen, engen Ort zu suchen sind, wie der Zweck und Nutzen des Wachstums und der Entwicklung in jener vorherigen Welt erst dann offenbar werden, wenn das Kind in unsere weite Welt eintritt, so werden Lohn und Strafe, Himmel und Hölle, Vergeltung und ausgleichende Gerechtigkeit für die im gegenwärtigen Leben begangenen Taten in jener anderen Welt offenbar werden. Und wie das Leben im Mutterleib, für sich genommen, ein unsinniges Leben ohne Bedeutung wäre, so wäre der gesamte Vorgang des Lebens sinnlos und töricht, trügen das Dasein in dieser Welt und die hier vollbrachten Taten nicht in der jenseitigen Welt ihre Frucht.
156.11 So wisse denn, dass Gott, der Herr, über unsichtbare Reiche gebietet, die des Menschen Verstand niemals erfassen, des Menschen Geist niemals begreifen kann. Hast du erst den Kanal deiner geistigen Wahrnehmung vom Schmutz des weltlichen Lebens gereinigt, so wirst du die süßen Düfte der Heiligkeit atmen, die aus den seligen Gemächern des Himmelreichs wehen.
156.12 Die Herrlichkeit sei mit dir und jedem, der sich dem Königreich des Allherrlichen zuwendet und es erschaut – das Reich, das der Herr geheiligt hat über das Verstehen derer, die Ihn vergessen, und das Er vor denen verbirgt, die stolz sind vor Ihm.
157
157.1 O ihr, die ihr mächtig hingezogen seid! O ihr Achtsamen! O ihr, die ihr dem Reiche Gottes nahekommt! Wahrlich, ich flehe aus vollem Herzen mit ganzer Seele und in aller Demut zum Herrn, dass Er euch zu Zeichen der Führung mache, zu Bannern der Rechtschaffenheit, zu Quellen des Verstehens und Wissens, um durch euch die Sucher auf den geraden Pfaden zu leiten und sie auf den breiten Weg der Wahrheit in diesem mächtigsten Zeitalter zu führen.
157.2 O ihr Geliebten Gottes! Wisset, dass die Welt wie eine Fata Morgana ist, die sich über dem Sand erhebt und die der Dürstende für Wasser hält. Der Wein dieser Welt ist nur Dunst in der Wüste, ihr Mitleid und Erbarmen nur Mühe und Arbeit, alle Erholung, die sie bietet, nur Müdigkeit und Sorge. Überlasst sie denen, die ihr angehören, und wendet euer Angesicht zum Reich eures Herrn, des Allgütigen, damit Seine Gnade und Großmut ihr Morgenlicht auf euch strahle, damit eine himmlische Tafel zu euch herabgesandt werde, euer Herr euch segne und Seine Reichtümer über euch ergieße, um eure Brust zu erfreuen, euer Herz mit Wonne zu erfüllen, euren Geist hinanzuziehen, eure Seelen zu reinigen und eure Augen zu trösten.
157.3 O ihr Geliebten Gottes! Gibt es einen Geber außer Gott? Er erwählt für Seine Gnadengaben, wen immer Er will. Bald wird Er vor euch die Tore Seines Wissens öffnen und Euer Herz mit Seiner Liebe erfüllen. Er wird eure Seelen erfreuen mit den sanften Winden Seiner Heiligkeit, euer Angesicht erleuchten mit dem Glanz Seines Lichtes und das Gedenken an euch unter allen Völkern erhöhen. Euer Herr ist wahrlich der Mitleidige, der Barmherzige.
157.4 Mit unsichtbaren Heerscharen wird Er euch zu Hilfe kommen und euch mit der himmlischen Streitmacht göttlicher Eingebung unterstützen; Er wird süße Düfte aus dem höchsten Paradies auf euch herabsenden und den reinen Hauch aus dem Rosengarten der höchsten Versammlung über euch wehen lassen. Ins Herz wird Er euch den Geist des Lebens hauchen, euch einlassen in die Arche des Heils und euch Seine klaren Zeichen und Beweise offenbaren. Wahrlich, dies ist überreiche Gnade. Wahrlich, dies ist der unleugbare Sieg.
158
158.1 Trauere nicht über das Hinscheiden meines geliebten Breakwell, denn er ist aufgestiegen zu einem Rosengarten der Herrlichkeit im Paradies Abhá, beschirmt von der Barmherzigkeit seines mächtigen Herrn, und mit lauter Stimme ruft er: „O wüsste doch mein Volk, wie barmherzig mein Herr mir vergeben und mich zu denen gesellt hat, die in Seine Gegenwart gelangt sind!“1
1 vgl. Qur’án 36:25
158.2 O mein geliebter Breakwell!
Wo ist dein schönes Antlitz, wo deine beredte Zunge? Wo deine leuchtende Stirn und wo deine strahlende Schönheit?
158.3 O mein geliebter Breakwell!
Wo ist dein Feuer, lodernd in Gottes Liebe? Wo deine Verzückung bei Seinem heiligen Hauch? Wo ist dein Lobpreis, den du zu Ihm erhobst? Machst du dich auf, Seiner Sache zu dienen?
158.4 O mein geliebter Breakwell!
Wo sind deine strahlenden Augen, wo deine lächelnden Lippen? Wo ist deine edle Wange, wo deine anmutige Gestalt?
158.5 O mein geliebter Breakwell!
Du hast diese irdische Welt verlassen, hast dich aufgeschwungen in das Gottesreich, du hast die Gnade der unsichtbaren Welt erlangt und dich geopfert an der Schwelle ihres Herrn!
158.6 O mein geliebter Breakwell!
Zurückgelassen hast du die Lampe, die dein Erdenleib war, das Glas deiner Menschengestalt, deine irdischen Elemente, deine Lebensart hienieden.
158.7 O mein geliebter Breakwell!
Du hast eine Flamme entfacht im Leuchter der himmlischen Heerscharen, bist eingetreten in das Paradies Abhá, hast Schutz gefunden im Schatten des Gesegneten Baumes, bist im himmlischen Hafen Ihm begegnet.
158.8 O mein geliebter Breakwell!
Nun bist du ein Himmelsvogel, hast dein irdisches Nest aufgegeben, bist weggeflogen zu einem Garten der Heiligkeit im Reich deines Herrn. Du hast dich erhoben auf eine Stufe voll des Lichts.
158.9 O mein geliebter Breakwell!
Dein Lied ist jetzt wie Nachtigallenschlag, üppig ergießest du Verse zum Lob der Gnade deines Herrn, der immer vergibt. Du warst ein dankbarer Diener, so gelangtest du zur seligsten Wonne.
158.10 O mein geliebter Breakwell!
Wahrlich, dein Herr hat dich auserwählt für Seine Liebe, hat dich in den Hof Seiner Heiligkeit geführt, hat dich den Paradiesesgarten Seiner Gefährten betreten lassen und dich damit gesegnet, Seine Schönheit zu schauen.
158.11 O mein geliebter Breakwell!
Du hast das ewige Leben erlangt, die unverbrüchliche Gnadengabe, ein Leben, das dir wohlgefällt, und Gottes Gunst die Fülle.
158.12 O mein geliebter Breakwell!
Du wurdest zu einem Stern am himmlischen Firmament, zu einer Lampe unter den Engeln des Himmels. Du wurdest zu einem lebendigen Geist im erhabensten Reich, thronend in Ewigkeit.
158.13 O mein geliebter Breakwell!
Ich bitte Gott, dich immer näher zu sich hinzuziehen, fest dich zu fassen, dein Herz mit der Nähe Seiner Gegenwart zu erfreuen, mit immer mehr Licht dich zu erfüllen, dir noch mehr Schönheit zu verleihen und dich mit Kraft und großer Herrlichkeit auszustatten.
158.14 O mein geliebter Breakwell!
Unablässig denke ich an dich, nie werde ich dich vergessen. Tag und Nacht bete ich für dich. Deutlich, wie im hellen Sonnenlicht, stehst du vor meinen Augen.
158.15 O mein geliebter Breakwell!
159
159.1 Zu deiner Frage, ob alle Seelen ausnahmslos ewiges Leben erlangen: Wisse, dass die Unsterblichkeit den Seelen eigen ist, denen von Gott der Geist des Lebens eingehaucht ward. Alle anderen sind leblos – sie sind tot, wie Christus im Evangelium erklärt hat. Wem der Herr die Augen öffnet, der wird die Menschenseelen in dem Rang sehen, den sie nach ihrer Befreiung aus dem Leib einnehmen werden. Er wird die Lebenden in der Nähe ihres Herrn blühen sehen, die Toten versunken in den tiefsten Abgrund der Verdammnis.
159.2 Wisse, dass jede Seele nach Gottes Wesen erschaffen, jede bei der Geburt rein und heilig ist. Später jedoch unterscheiden sich die Menschen je nach den Tugenden oder Lastern, die sie in der Welt erwerben. Wenn auch alles seinem Wesen nach in Rängen oder Stufen erschaffen wird, weil die Fähigkeiten verschieden sind, wird doch jeder einzelne heilig und rein geboren, und erst hernach kann er verderbt werden.
159.3 Im übrigen ist alles gut, wenn auch die Daseinsstufen verschieden sind. Betrachte den menschlichen Körper, seine Gliedmaßen, das Auge, das Ohr, den Geruchs- und Geschmackssinn, die Hände, die Fingernägel. Ungeachtet der Unterschiede zwischen diesen Teilen wirkt jeder innerhalb der ihm eigenen Grenzen am zusammenhängenden Ganzen mit. Versagt einer, so muss er geheilt werden; hilft kein Heilmittel, so muss dieser Teil entfernt werden.
160
160.1 O du treue, ergebene Dienerin des Herrn! Ich habe deinen Brief gelesen. Du bist wahrhaftig vom Königreich angezogen und hast dich dem allherrlichen Horizont geweiht. Ich bitte Gott, dich in Seiner Güte mit jedem neuen Tag im Feuer Seiner Liebe noch leuchtender brennen zu lassen.
160.2 Du warst, scheint es, im Zweifel darüber, ob du schreiben oder den Glauben lehren sollst. Es ist äußerst wichtig, den Glauben zu lehren, und Lehren ist im Augenblick besser für dich. Wann immer du eine Gelegenheit findest, löse deine Zunge und ihre das Menschengeschlecht.
160.3 Du fragst mich über den Erwerb von Wissen: Lies die Bücher und Sendschreiben Gottes und die Aufsätze, die geschrieben wurden, um die Wahrheit dieses Glaubens darzulegen. Zu ihnen gehören der Iqán, der ins Englische übersetzt ist, die Werke von Mirzá ‚Abu’l-Fadl und einigen anderen Gläubigen. In Zukunft wird eine große Anzahl heiliger Sendschreiben und anderer heiliger Schriften übersetzt werden, du solltest sie gut lesen. Desgleichen erbitte von Gott, dass der Magnet Seiner Liebe das Wissen um Ihn auf dich ziehe. Ist eine Seele in allen Dingen geheiligt, geläutert und geweiht, so werden sich die Tore der Erkenntnis Gottes weit vor ihren Augen öffnen.
160.4 Du schreibst über die liebe Dienerin Gottes, Frau Goodall. Diese von Gott begeisterte Seele dient wahrhaftig stets dem Glauben und tut alles, was ihr nur möglich ist, um den himmlischen Strahlenglanz zu verbreiten. Wenn sie so fortfährt, werden in künftigen Zeiten sehr große Wirkungen daraus folgen. Das wichtigste ist, standhaft und festverwurzelt zu bleiben und bis zum Ende auszuharren. Ich hoffe, dass die Dienerinnen des Herrn mit ihren hochherzigen Bemühungen jene Berge und jenes Meer1 so hell in der Liebe Gottes erstrahlen lassen, dass sie ihren Widerschein bis ans Ende der Erde werfen.
1 den Pazifischen Ozean
160.5 Du fragst, ob mit dem Kommen des Gottesreiches jede Seele gerettet werde. Die Sonne der Wahrheit strahlt in ihrer Herrlichkeit über die ganze Welt; ihr lichtvoller Aufgang ist des Menschen Heil und sein ewiges Leben; aber nur der gehört zu den Geretteten, der das Auge seiner Einsicht weit öffnet und diese Herrlichkeit erblickt.
160.6 Du hast auch gefragt, ob im Bahá’í-Zeitalter das Geistige schließlich den Sieg davontrage. Es ist gewiss, dass Geistigkeit den Materialismus überwinden wird, dass der göttliche Wille den menschlichen bezwingen wird, dass die Massen der Menschheit durch göttliche Erziehung große Fortschritte auf allen Lebensstufen machen werden – ausgenommen jene, die blind und taub, stumm und tot sind. Wie könnten sie das Licht verstehen? Selbst wenn die Sonnenstrahlen jeden noch so dunklen Winkel des Erdballs erhellen, haben die Blinden doch keinen Anteil an dieser Herrlichkeit, und selbst wenn der Regen göttlicher Barmherzigkeit in Strömen auf die ganze Erde fällt, blüht doch auf unfruchtbarem Boden kein Strauch und keine Blume.
161
161.1 O du, der du nach dem Reich des Himmels trachtest! Diese Welt ist wie des Menschen Leib, und Gottes Reich ist wie der Geist des Lebens. Sieh, wie eng und dunkel die stoffliche Welt des Leibes ist, wie sie Leiden und Krankheiten zum Opfer fällt. Wie frisch und strahlend ist dagegen das Reich des menschlichen Geistes. Schließe aus diesem Gleichnis, wie die Welt des Königreichs herniederstrahlt, wie ihre Gesetze geschaffen sind, in diesem niederen Reich zu wirken. Zwar ist der Geist dem Blick verborgen, doch strahlen seine Befehle wie der Sonnenschein auf die Welt des Menschenleibs. So ist auch für den, der mit dem inneren Auge schaut, das Himmelreich klar wie der Tag, obgleich es dem Blick dieses unwissenden Volkes verborgen bleibt.
161.2 Wohne du deshalb für immer im Reich Gottes und vergiß diese niedere Welt. Gehe völlig auf in der Ausstrahlung des Geistes, so dass nichts in der Menschenwelt dich ablenkt.
162
162.1 O ihr lieben Freunde Abdu’l-Bahás! Immerzu warte ich auf gute Nachrichten von euch und sehne mich danach zu hören, dass ihr täglich Fortschritte macht und immer heller vom Lichte der Führung erleuchtet werdet.
162.2 Bahá’u’lláhs Segnungen sind ein uferloses Meer, und selbst ewiges Leben ist nur ein Tautropfen daraus. Die Wogen dieser See branden ohne Unterlass gegen die Herzen der Freunde, und aus diesen Wellen rühren die Eingebungen des Geistes und die inbrünstigen Pulsschläge der Seele, bis das Herz nachgibt und, ob es will oder nicht, sich demütig im Gebet dem Königreich des Herrn zuwendet. Deshalb tut, was ihr könnt, und befreit euer innerstes Selbst, damit ihr jeden Augenblick neuen Strahlenglanz von der Sonne der Wahrheit widerspiegelt.
162.3 Ihr wohnt allesamt im Herzen Abdu’l-Bahás; mit jedem Atemzug wende ich mein Angesicht der Schwelle der Einheit zu und rufe Segnungen auf jeden einzelnen von euch hernieder.
163
163.1 O ihr beiden Wahrheitssucher! Euer Brief ist angekommen; sein Inhalt wurde zur Kenntnis genommen. Die früheren Briefe sind nicht alle eingetroffen. Einige kamen an, als die Grausamkeit der Unterdrücker so überhand nahm, dass es unmöglich war, eine Antwort abzusenden. Jetzt ist dieser Brief hier, und wir können ihn beantworten. Trotz dringender Geschäfte schreibe ich euch jetzt, damit ihr wißt, dass ihr von uns allen geliebt werdet und im Reich Gottes angenommen seid.
163.2 Eure Fragen können allerdings nur kurz behandelt werden; für eine ausführliche Antwort fehlt die Zeit. Zur ersten Frage: Die Seelen der Kinder des Königreiches erheben sich nach ihrer Trennung vom Leib in das Reich ewigen Lebens. Aber wenn ihr nach dem Ort fragt, so wißt, dass die Welt des Seins eine einzige Welt ist, wenn auch ihre Stufen verschiedenartig und voneinander getrennt sind. Zum Beispiel nimmt das mineralische Leben seine eigene Stufe ein; aber mineralisches Dasein ist sich des Pflanzenreiches in keiner Weise bewußt. Ja, es leugnet mit seiner inwendigen Zunge, dass es überhaupt so ein Reich gibt. Genauso weiß pflanzliches Dasein nichts über die tierische Welt. Es kümmert sich nicht um sie, und sie bleibt ihm verborgen; denn die Stufe des Tieres ist höher als die der Pflanze. Vor der Pflanze ist die Tierwelt verschleiert, und inwendig leugnet sie das Dasein jener Welt – das alles, obwohl Tier, Pflanze und Mineral in derselben Welt wohnen. Völlig unbewußt bleibt auch dem Tier die Macht des menschlichen Verstandes, der weltumfassende Ideen aufnimmt und die Geheimnisse der Schöpfung enthüllt, so dass ein Mensch, der im Osten lebt, Pläne und Vorkehrungen für den Westen entwickeln und Geheimnisse enträtseln kann. Er kann Amerika entdecken und befindet sich doch auf dem europäischen Kontinent; er kann die innersten Wirklichkeiten der Himmelssterne erfassen und ist doch auf der Erde. Diese dem menschlichen Verstand eigene Entdeckerkraft, diese Macht, abstrakte, weltumfassende Ideen aufzunehmen, bleibt dem Tier völlig verborgen; das Tier leugnet in der Tat ihr Vorhandensein.
163.3 Genauso können die Erdenbewohner die Welt des Reiches Gottes nicht erkennen und leugnen ihr Vorhandensein, Sie fragen zum Beispiel: „Wo ist das Königreich? Wo ist der Herr des Königreiches?“ Diese Menschen sind wie das Mineral und die Pflanze, die über das Tierreich und das Menschenreich nichts wissen. Sie sehen es nicht, sie finden es nicht. Und doch leben sie alle, das Mineral und die Pflanze, das Tier und der Mensch, zusammen in dieser Welt des Seins.
163.4 Zur zweiten Frage: Prüfungen und Heimsuchungen von Gott finden auf dieser Welt statt, nicht in der Welt des Gottesreichs.
163.5 Die Antwort auf die dritte Frage lautet, dass des Menschen Wirklichkeit in der anderen Welt keine leibliche Gestalt anlegt; vielmehr nimmt sie eine himmlische Gestalt an, die aus Elementen jenes himmlischen Reiches gemacht ist.
163.6 Und die Antwort auf die vierte Frage: Die Sonne der Wahrheit hat ihren Mittelpunkt in der überirdischen Welt, im Reich Gottes. Reine, makellose Seelen eilen bei der Auflösung ihrer stofflichen Gestalt hin zur Welt Gottes, und jene Welt ist inmitten dieser Weit. Nur sind sich die Menschen dieser Welt nicht bewußt. Sie sind wie das Mineral und die Pflanze, die über die Tierwelt und die Menschenwelt nichts wissen.
163.7 Die Antwort auf die fünfte Frage lautet: Bahá’u’lláh hat das Königszelt der Einheit der Menschheit errichtet. Wer immer unter diesem Dach Schutz sucht, wird gewiss aus anderen Behausungen herauskommen.
163.8 Zur sechsten Frage: Ergeben sich zu irgendwelchen Fragen Meinungsunterschiede zwischen zwei widerstreitenden Gruppen, so mögen sie sich zur Lösung des Problems an den Mittelpunkt des Bündnisses wenden.
163.9 Und zur siebten Frage: Bahá’u’lláh ist der ganzen Menschheit offenbart. Er lädt alle an Gottes Tafel, zum Festmahl göttlicher Großmut. Heute gehören jedoch die meisten, die an dieser Tafel sitzen, zu den Armen, und darum sagte Christus: „Selig sind die Armen“; denn die Reichen hält der Reichtum davon ab, das Königreich zu betreten. Und wiederum sagte Er: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“1 Wenn jedoch der Reichtum dieser Welt, irdischer Ruhm und Ansehen den Reichen nicht am Eintritt in das Gottesreich hindern, wird er an der Heiligen Schwelle begünstigt und vom Herrn des Königreiches angenommen.
1 Matth.19:24. Mark.10:25
163.10 Kurz gesagt, Bahá’u’lláh wurde offenbar, um alle Völker der Welt zu erziehen. Er ist der weltumfassende Erzieher, für Reiche und Arme, Schwarze und Weiße, für die Völker des Ostens wie des Westens, des Nordens wie des Südens.
163.11 Einige von denen, die ‚Akká besucht haben, machen große Fortschritte. Sie waren erloschene Kerzen und wurden entzündet; sie waren verwelkt und begannen zu blühen, sie waren tot, wurden zum Leben erweckt und kehrten heim mit der Botschaft großer Freude. Andere jedoch, das ist wahr, gingen, wie sie gekommen waren. Es war nur ein Ausflug für sie.
163.12 O ihr beiden, die ihr euch so stark vom Gottesreich angezogen fühlt. Danket Gott, dass ihr euer Heim zu einem Bahá’í-Zentrum und zum Versammlungsort für die Freunde macht.
164
164.1 O ihr beiden gläubigen, überzeugten Seelen! Der Brief ist angekommen. Gelobt sei Gott, er brachte gute Nachrichten. Kalifornien ist bereit für die Verkündigung der Lehren Gottes. Ich hoffe, ihr müht euch mit Herz und Seele, damit der süße Duft den Menschen in die Nase steige …
164.2 Überbringt Frau Chase meine ergebenen Grüße und sagt ihr: „Herr Chase ist ein funkelnder Stern am Horizont der Wahrheit; aber derzeit noch hinter den Wolken verborgen. Bald werden diese Wolken vertrieben, und der Strahlenglanz jenes Sterns wird das Land Kalifornien erleuchten. Würdige die Gnadengabe, dass du seine Frau und Lebensgefährtin warst.“
164.3 Jedes Jahr müssen die Freunde im Namen Abdu’l-Bahás am Todestag1 das Grabmal dieser gesegneten Seele besuchen, in tiefster Demut und Bescheidenheit voll Ehrerbietung Blumengebinde auf ihr Grab legen, den ganzen Tag in stillem Gebet verbringen, das Antlitz dem Königreich der Zeichen zugewandt, die Tugenden dieser ruhmreichen Persönlichkeit lobpreisend.
1 30. September 1912
165
165.1 „O mein Gott! O mein Gott! Wahrlich, Dein Diener, der demütig vor der Majestät Deiner höchsten, göttlichen Gewalt und bescheiden am Tor Deiner Einzigartigkeit steht, hat an Dich und Deine Verse geglaubt. Er hat für Dein Wort gezeugt und war entflammt vom Feuer Deiner Liebe. Tief war er in das Meer Deiner Erkenntnis eingetaucht und angezogen von Deinem Windhauch. Auf Dich hat er sich verlassen, Dir sein Angesicht zugewandt und Dir seine Gebete dargebracht, Deiner Vergebung und Verzeihung gewiss. Nun hat er dieses vergängliche Leben verlassen und sich emporgeschwungen ins Reich der Unsterblichkeit, voll Sehnsucht nach der Gnade, Dir zu begegnen.“
165.2 „O Herr, verherrliche seine Stufe, beherberge ihn unter dem Thronzelt Deines höchsten Erbarmens, gewähre ihm Einlass in Dein herrliches Paradies und lass ihn immerdar leben in Deinem erhabenen Rosengarten, eingetaucht in die Welt der Mysterien wie in ein Lichtermeer.“
165.3 „Wahrlich, Du bist der Freigebige, der Gewaltige, der Vergebende und der Schenkende.“
165.4 O du überzeugte Seele, du Dienerin Gottes…! Sei nicht traurig über den Tod deines verehrten Gatten. Er hat wahrlich die Begegnung mit seinem Herrn an der Stätte der Wahrheit in des mächtigen Königs Gegenwart erlangt. Wähne nicht, du hättest ihn verloren. Der Schleier wird hinweggetan, und du wirst sein Antlitz inmitten der höchsten Heerscharen leuchten sehen, wie Gott, der Erhabene, spricht: „Wir werden ihn gewiss zu einem glücklichen Leben erwecken.“ Höchste Bedeutung ist deshalb nicht dieser ersten Erschaffung beizumessen, sondern dem künftigen Leben.
166
166.1 O Diener Bahás! Opfere dich auf dem Pfade Gottes, nimm deinen Flug zum Himmel der Liebe zur Schönheit Abhá; denn von Liebe beseelte Bewegung zielt vom Umkreis zum Mittelpunkt hin, aus dem Raum zur Sonne des Alls. Vielleicht hältst du das für schwierig; aber ich sage dir, dass dem nicht so ist, denn wenn die bewegende, führende Kraft die göttliche Kraft der Anziehung ist, kann man mit ihrer Hilfe Zeit und Raum leicht und schnell durchmessen. Ruhm sei dem Volk Bahás.
167
167.1 Du fragst nach Schicksal, Vorherbestimmung und Willen. Schicksal und Vorherbestimmung bestehen aus den zwangsläufigen, unumgänglichen Beziehungen in den Wirklichkeiten der Dinge. Diese Beziehungen sind durch die Schöpferkraft in die Wirklichkeiten der bestehenden Wesen hineingelegt, und jedes Geschehnis ist eine Folge der zwangsläufigen Beziehung. Zum Beispiel hat Gott eine Beziehung zwischen der Sonne und der Erdkugel geschaffen, nach der die Sonnenstrahlen scheinen und der Erdboden Frucht tragen soll. Diese Beziehungen bedeuten Vorherbestimmung; ihre Offenbarung auf der Ebene des Daseins ist Schicksal. Der Wille ist die Wirkkraft, die diese Beziehungen und diese Geschehnisse überwacht. Das ist die kurze Erklärung des Schicksals und der Vorherbestimmung. Ich habe keine Zeit für eine ausführliche Erklärung. Denke darüber nach; der Zusammenhang von Schicksal, Vorherbestimmung und Willen wird dann offenbar werden.
168
168.1 O du hohe Dame im Königreich! Preise Gott, dass du in diesem Zeitalter, im Zeitalter der Sendung Bahá’u’lláhs, erweckt und des Herrn der Heerscharen in Seiner Offenbarung bewußt wurdest. Alle Bewohner der Welt liegen in den Gräbern der Natur oder schlummern, achtlos und unbewußt, wie Christus sagte: „Ich werde kommen, wenn ihr es nicht gewahr seid. Der Menschensohn kommt, wie ein Dieb ins Haus kommt, und der Eigentümer ist sich dessen nicht bewußt.“
168.2 Kurz, ich hoffe, du schreitest durch Bahá’u’lláhs Gnadengaben täglich im Gottesreich voran und wirst ein himmlischer Engel, bestätigt vom Odem des Heiligen Geistes, ein Bauwerk errichtend, das ewig fest und unerschüttert steht …
168.3 Diese Tage sind überaus kostbar; ergreife die Gelegenheit und entzünde eine Kerze, die nie verlöscht und ihr Licht ewig auf die Menschenwelt ergießt.
169
169.1 O ihr beiden geduldigen Seelen! Euer Brief traf ein. Der Tod dieses jungen Menschen und seine Trennung von euch haben Kummer und große Trauer über euch gebracht; denn in der Blüte seiner Jugend nahm er seinen Flug zum himmlischen Nest. Aber er wurde befreit aus dieser kummervollen Stätte und wandte sein Antlitz seinem ewigen Nest im Königreich zu. Befreit aus einer dunklen, engen Welt, eilte er ins geheiligte Reich des Lichtes. Darin liegt der Trost für unsere Herzen.
169.2 Solche herzzerreißenden Geschehnisse unterliegen Gottes unerforschlicher Weisheit. Es ist, als pflanze ein liebevoller Gärtner einen jungen, zarten Busch von einem engen Platz weg in ein weites, offenes Feld. Diese Verpflanzung bedeutet nicht, dass der Busch welkt, schrumpft oder eingeht. Im Gegenteil, sie lässt ihn wachsen und gedeihen, verleiht ihm köstliche Frische, lässt ihn ergrünen und Frucht tragen. Dieses verborgene Geheimnis ist dem Gärtner wohlbekannt; nur Seelen, die solcher Gnadengaben unbewußt sind, wähnen, der Gärtner entwurzele den Busch aus Ärger und Zorn. Allen Verständigen jedoch ist die verborgene Tatsache offenkundig; der vorherbestimmte Ratschluß gilt ihnen als ein Segen. Seid darum nicht traurig und verzweifelt über den Aufstieg dieses Vogels der Treue; nein, betet unter allen Umständen für diesen jungen Menschen. Bittet, dass er Vergebung finde und seine Stufe erhöht werde.
169.3 Ich hoffe, dass ihr höchste Geduld, Gelassenheit und Ergebenheit erlanget, und an der Schwelle der Einheit bitte ich flehentlich um Vergebung und Verzeihung. Von Gottes ewigen Gnadengaben erhoffe ich, dass Er diese Taube aus dem Garten des Glaubens beschütze und sie auf dem Zweig der himmlischen Heerscharen herberge, damit sie zum Ruhm und Preis des Herrn der Namen und Tugenden ihr schönstes Lied singe.
170
170.1 O du Sucherin nach dem Reich Gottes! Dein Brief traf ein. Du schreibst über den großen Kummer, der dich getroffen hat – den Tod deines verehrten Gatten. Dieser ehrenhafte Mann unterlag dem Druck und der Spannung dieser Welt derart, dass es sein größter Wunsch war, daraus befreit zu werden. Das ist die sterbliche Wohnstatt: ein Vorratslager voll Kummer und Leid. Was den Menschen daran bindet, ist Unwissenheit; denn keine Seele vom Monarchen bis hinunter zum einfachsten Untertanen kann in dieser Welt Genüge finden. So dieses Leben dem Menschen einmal einen süßen Becher reicht, werden sicher hundert bittere folgen. Das ist der Zustand dieser Welt. Der Weise bindet sich deshalb nicht an dieses vergängliche Leben und macht sich nicht davon abhängig. Manchmal wünscht er sich sogar sehnsüchtig den Tod, damit er frei werde von diesen Leiden und Heimsuchungen. So kommt es auch, dass manche unter starker Seelenqual Selbstmord verüben.
170.2 Was deinen Gatten angeht, so sei ganz sicher. Er wird in das Meer der Vergebung getaucht; er wird Gnade und Gunst empfangen. Bemühe dich sehr, seinem Kind eine Bahá’í-Erziehung zu geben, damit es als Erwachsener barmherzig, erleuchtet und himmlisch sei.
171
171.1 O du geliebte Dienerin Gottes! Der Verlust eines Sohnes bricht einem Menschen das Herz und ist unerträglich. Wer aber Erkenntnis und Verständnis hat, ist sicher, dass der Sohn nicht verloren ging, vielmehr aus dieser Welt in eine andere ging und im Reich Gottes wiederzufinden ist. Die Wiedervereinigung wird für die Ewigkeit sein; nur in dieser Welt ist die Trennung unvermeidlich und bringt brennenden Schmerz.
171.2 Preis sei Gott, dass du Gewissheit hast, dein Angesicht dem ewigen Königreich zuwendest und an die Existenz einer himmlischen Welt glaubst. Sei deshalb nicht verzweifelt, lass dich nicht niederdrücken, seufze nicht, wehklage und weine nicht; denn aufbegehrendes Klagen beeinträchtigt seine Seele im himmlischen Reich zutiefst.
171.3 Aus der verborgenen Welt spricht dieses geliebte Kind zu dir: „O du liebe Mutter, danke der göttlichen Vorsehung, dass ich befreit wurde aus einem engen, dunklen Käfig und mich wie die Vögel auf den Feldern aufgeschwungen habe in die göttliche Welt – eine Welt, die weit, erleuchtet, allzeit froh und jauchzend ist. Deshalb, o Mutter, wehklage nicht und sei nicht traurig. Ich bin weder verloren, noch bin ich zuschanden und ausgelöscht. Ich habe meine sterbliche Gestalt abgeschüttelt und mein Banner in dieser geistigen Welt gehisst. Dieser Trennung folgt ewige Vereinigung. Du wirst mich im Himmel des Herrn wiederfinden, versunken in einem Meer von Licht.“
172
172.1 Gelobt sei Gott! Dein Herz ist mit dem Gedenken Gottes befaßt, deine Seele ist erfreut durch die frohen Botschaften Gottes, und du bist im Gebet versunken. Die Gebetshaltung ist der beste Zustand, denn da hat der Mensch Verbindung mit Gott. Wahrlich, das Gebet verleiht Leben, besonders wenn man es allein und zurückgezogen darbringt, zu Zeiten wie um Mitternacht, wenn man der täglichen Pflichten ledig ist.
173
173.1 Die Seelen, die an diesem Tage in das Reich Gottes eintreten und ewiges Leben erlangen, schweben, obwohl körperlich auf Erden, in Wirklichkeit in himmlischen Gefilden. Ihr Leib mag auf Erden weilen, aber ihr Geist schweift in der Unendlichkeit des Raumes. Denn wenn die Gedanken sich weiten und erleuchtet sind, werden sie beflügelt und tragen den Menschen in das Reich Gottes.
174
174.1 O ihr geistigen Freunde Abdu’l-Bahás. Euer Brief ist angekommen. Sein Inhalt brachte große Freude, zeigt er doch eure Festigkeit und Standhaftigkeit in der Sache Gottes.
174.2 Der dortige Rat steht im schützenden Schatten des Herrn aller Segnungen, und ich hoffe, dass er, wie es einer solchen Körperschaft zukommt, vom Odem des Heiligen Geistes begünstigt und bestärkt werde, dass ihr alle Gott jeden Tag in noch größerem Maße liebt und noch fester verbunden werdet mit Ihm, der ewigwährenden Schönheit, dem Licht der Welt. Denn Gottesliebe und geistige Anziehung reinigen und heiligen des Menschen Herz; sie kleiden und schmücken es mit dem makellosen Gewand der Heiligkeit. Und wenn das Herz ganz dem Herrn zugewandt ist, wenn es der Gesegneten Vollkommenheit verpflichtet ist, dann wird die Gnade Gottes offenbar.
174.3 Diese Liebe kommt nicht vom Leibe, sondern ganz aus der Seele. Und Seelen, deren inneres Sein von der Liebe Gottes erleuchtet ist, breiten sich aus wie Lichtstrahlen, leuchten wie Sterne der Heiligkeit an einem reinen, kristallklaren Himmel. Denn die wahre, die wirkliche Liebe ist die Liebe zu Gott; sie ist geheiligt über menschliche Begriffe und Einbildungen.
174.4 Lasst die Geliebten Gottes allesamt das Wesen der Reinheit verkörpern, das Leben wahrer Heiligkeit, so dass sie überall für ihre Lauterkeit, ihre geistige Unabhängigkeit und ihre Sanftmut bekannt werden. Lasst sie ermuntert sein durch den Trunk aus dem ewigen Kelch der Liebe Gottes und fröhlich werden, wenn sie aus den Weinkellern des Himmels trinken. Lasst sie die Gesegnete Schönheit schauen, die flammende Begeisterung dieser Zusammenkunft spüren, stumm vor Ehrfurcht und Staunen. Das ist die Stufe der Aufrichtigen; das ist der Weg der treu Ergebenen; das ist der Strahlenglanz im Antlitz derer, die Gott nahe sind.
174.5 Deshalb müssen sich die Freunde Gottes hochheilig und einhellig im Geiste erheben, eins miteinander in solchem Maße, dass sie ein Wesen und eine Seele werden. Auf dieser Ebene spielen die stofflichen Leiber keine Rolle mehr, vielmehr übernimmt der Geist die Führung und regiert; wenn seine Macht alle umschließt, ist die geistige Vereinigung erreicht. Strebt Tag und Nacht danach, eure Einheit voll zu veredeln. Lenkt eure Gedanken auf eure geistige Entwicklung, schließt eure Augen vor den Fehlern anderer Seelen. Handelt so, dass andere durch euch erweckt werden; bringt reine und gute Taten hervor, zeigt Bescheidenheit und Demut!
174.6 Niemals ist es der Wunsch Abdu’l-Bahás, ein Wesen verletzt zu sehen, noch will er jemandem Kummer bereiten; denn kein größeres Geschenk kann der Mensch empfangen, als eines anderen Herz zu erfreuen. Ich bitte Gott, dass ihr Freudenspender werdet wie die Engel im Himmel.
175
175.1 Sterblicher Liebreiz schwindet, die Rosen weichen den Dornen; Schönheit und Jugend haben ihre Zeit und gehen dahin. Was aber ewig währt, ist die Schönheit des Einen Wahren, denn ihr Glanz vergeht nie, ihre Herrlichkeit dauert ewig; ihr Liebreiz ist allmächtig, ihre Anziehung grenzenlos. Gut ist es um das Antlitz bestellt, das den Lichtglanz des Geliebten widerspiegelt. Der Herr sei gelobt, du bist von diesem Licht erleuchtet, du hast die Perle wahrer Erkenntnis erworben und das Wort der Wahrheit ausgesprochen.
176
176.1 O du, der du vom Reiche Gottes angezogen bist! Jede Seele sucht etwas, hegt einen bestimmten Wunsch und müht sich Tag und Nacht, ihr Ziel zu erreichen. Der eine sehnt sich nach Reichtum, ein anderer dürstet nach Ehre, wieder andere schmachten nach Ruhm, Kunst, Wohlstand und so weiter. Am Ende jedoch sind Verlust und Enttäuschung ihr Los. Alle lassen sie zurück, was ihnen gehört; mit leeren Händen eilen sie in das jenseitige Reich, und all ihre Mühe war vergebens. Alle kehren sie zum Staub zurück, entblößt, erniedrigt, entmutigt und voller Verzweiflung.
176.2 Du aber, gelobt sei der Herr, befassest dich mit dem, was dir ewigen Nutzen bringt, und das ist nichts anderes als dein Hingezogensein zum Reiche Gottes, es ist dein Glaube, deine Erkenntnis, die Erleuchtung deines Herzens und dein ernstes Bemühen, Gottes Lehren zu verbreiten.
176.3 Wahrlich, diese Gabe ist unvergänglich, dieser Reichtum ist ein Schatz aus der Höhe.
177
177.1 O du lebendige Flamme himmlischer Liebe! Dein Herz brennt in Gottes Liebe so lichterloh, dass seine Wärme und sein Glanz zehntausend Meilen weit zu fühlen und zu sehen sind. Das Feuer, das sterbliche Hände entfachen, spendet nur einem kleinen Raum Licht und Wärme; aber die heilige Flamme, die Gottes Hand entzündet hat, setzt den Westen in Flammen, auch wenn sie im Osten brennt, und Nord und Süd spendet sie ihre Wärme. Mehr noch, sie erhebt sich von dieser Welt, glüht mit heißester Flamme in den Gefilden der Höhe, und überflutet mit ihrem Licht das Reich ewiger Herrlichkeit.
177.2 Glücklich bist du, dass du ein so himmlisches Geschenk empfangen hast. Selig bist du, begnadet mit Seinen göttlichen Gaben.
177.3 Die Herrlichkeit Gottes sei mit dir und allen, die sich fest an den sicheren Griff Seines Willens und an das heilige Bündnis halten.
178
178.1 O Magd Gottes! Dein Brief vom 9. Dezember 1918 ist eingetroffen; sein Inhalt wurde zur Kenntnis genommen. Verliere niemals dein Vertrauen in Gott. Sei immer voller Hoffnung; denn unablässig strömen Gottes Segnungen auf den Menschen herab. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, scheinen sie schwächer zu werden, aber aus einem anderen sind sie reich und vollendet. Der Mensch ist unter allen Lebensbedingungen in ein Meer göttlichen Segens getaucht. Deshalb sei unter keinen Umständen mutlos, sondern sei fest in deinem Hoffen.
178.2 Anwesenheit bei Zusammenkünften der Freunde ist wichtig, damit sie bereit und wachsam bleiben, liebevoll und zum himmlischen Königreich hingezogen.
178.3 Wenn du unbedingt sehnsüchtig danach verlangst, nach Phillsburg in Montana zu reisen, so sei dir das erlaubt. Vielleicht kannst du in dieser Gruppe von Bergleuten eine Kerze entzünden, sie erwecken und wachsam machen, so dass sie sich Gott zuwenden und einen Anteil an den Gnadengaben des himmlischen Reiches empfangen.
179
17).1 Strebt, so sehr ihr könnt, euch ganz dem Reich Gottes zuzuwenden, damit ihr aus eurem innersten Wesen heraus mutig werdet und geistige Macht erlangt.
180
180.1 Ich hoffe, dass du in dieser niederen Welt zum himmlischen Licht gelangst, die Seelen aus dem Dunkel der Natur, dem Tierreich, befreist und sie zu hohen Stufen im Reich des Menschen führst. Heutzutage sind alle Menschen in der Welt der Natur versunken. So siehst du Neid, Habsucht, Kampf ums Dasein, Betrug, Heuchelei, Gewaltherrschaft, Unterdrückung, Zank, Streit, Blutvergießen, Raub und Plünderung: All dies kommt aus der Welt der Natur. Nur wenige sind aus diesem Dunkel befreit und steigen aus der Welt der Natur in die Welt des Menschen empor, den göttlichen Lehren folgend, der Menschheit dienend, strahlend, barmherzig, erleuchtet, einem Rosengarten gleich. Bemühe dich bis zum äußersten, Gott ähnlich zu werden, Seine Eigenschaften in deinem Charakter zu verwirklichen, erleuchtet und barmherzig zu sein, so dass du frei werdest von jeder Bindung, im Herzen hingezogen zum Reich des unvergleichlichen Herrn. Das ist die Bahá’í-Gnadengabe, das ist himmlisches Licht.
181
181.1 Was die Aussage in den Verborgenen Worten betrifft, dass der Mensch seinem Selbst entsagen muss, so bedeutet dies, dass er seine zügellosen Wünsche, seine selbstsüchtigen Ziele und die Einflüsterungen seines menschlichen Ichs aufgeben, des Geistes heiligen Odem suchen, den Sehnsüchten seines höheren Ichs folgen und in das Meer des Opfers tauchen soll, das Herz ganz auf die Schönheit des Allherrlichen gerichtet.
181.2 Die Anspielung in den Verborgenen Worten auf den Bund vom Berge Párán1 bedeutet, dass in Gottes Augen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein und dasselbe sind, aber in bezug auf den Menschen ist die Vergangenheit vorüber und vergessen, die Gegenwart flüchtig, und die Zukunft liegt im Reich der Hoffnung. Und es ist ein Hauptgrundsatz im Gesetz Gottes, dass Er in jeder prophetischen Sendung mit allen Gläubigen einen Bund schließt, der bis ans Ende dieser Sendung währt, bis zu dem verheißenen Tag, da die bereits zu Anbeginn der Sendung vorherbestimmte Persönlichkeit offenbar wird. Denke an Moses, der mit Gott Zwiesprache hielt. Wahrlich, auf dem Berg Sinai schloß Moses ein Bündnis, den Messias betreffend, mit allen Seelen, die am Tage des Messias leben würden. Diese Seelen, die erst viele Jahrhunderte nach Moses erschienen, waren dennoch dort mit Moses zusammen, was das über die Zeit erhabene Bündnis anbelangt. Die Juden allerdings achteten nicht darauf; sie erinnerten sich nicht daran, und so erlitten sie einen schweren, deutlichen Verlust.
1 Verborgene Worte, persisch 71
181.3 Die Stellen in den arabischen Verborgenen Worten, nach denen sich der Mensch von seinem Selbst lösen muss, bedeuten ebenfalls, dass der Mensch in diesem schnell dahinschwindenden Leben nichts, was es auch sei, für das eigene Ich erstreben soll. Vielmehr soll er sein Ich abtrennen; das heißt, er soll sein Ich und alles, was das Ich betrifft, zu der Zeit, da der Herr kommt, auf dem Felde des Martyriums hingeben.
182
182.1 O ihr, die ihr euch fest an den Bund und das Testament haltet! An diesem Tage richten die himmlischen Heerscharen den Blick auf euch aus den Gefilden des Allherrlichen, aus dem Reich der Heiligkeit, von dem Lobgesänge der Verherrlichung und des Lobpreises aufsteigen. Wann immer ihr Blick auf die Zusammenkünfte der Standhaften im Bund und Testament fällt, erschallt ihr Ruf: „Frohe Botschaft! Frohe Botschaft!“ Triumphierend erheben sie ihre Stimmen und rufen: „O du geistige Gemeinde! O du Versammlung Gottes! Selig seid ihr! Frohe Botschaften seien euch! Hell sei euer Angesicht! Seid guten Mutes, denn ihr seid dem Bündnis des Geliebten aller Welten treu, ihr seid entflammt vom Wein Seines Testamentes. Ihr habt euch dem Altehrwürdigen der Tage verschrieben, habt tief aus dem Kelch der Treue getrunken. Ihr habt die Sache Gottes behütet und verteidigt; ihr wurdet nicht zur Ursache für die Spaltung Seines Wortes; ihr habt Seinen Glauben nicht erniedrigt, sondern strebt danach, Seinen Heiligen Namen zu verherrlichen, ihr habt nicht gestattet, dass die Gesegnete Sache dem Gespött der Leute ausgesetzt sei. Ihr habt nicht zugelassen, dass die Auserwählte Stufe erniedrigt werde, noch seid ihr willens, den Mittelpunkt der Amtsgewalt in einen schlechten Ruf gebracht oder Hohn und Verfolgung ausgesetzt zu sehen. Ihr seid bemüht, das Wort Gottes vollständig und ganz zu bewahren. Ihr habt die Tore der Barmherzigkeit durchschritten. Ihr ließet die Gesegnete Schönheit nicht eurem Gedächtnis entschwinden, vergangen und vergessen.“
182.2 Die Herrlichkeit ruhe auf euch.
183
183.1 O du Tochter des Königreiches! Dein Brief ist angekommen. Er war wie das Lied der göttlichen Nachtigall, die mit ihrem Gesang das Herz entzückt; denn sein Inhalt zeigt Glauben, Zuversicht und Standhaftigkeit im Bund und Testament. Heutzutage ist die treibende Kraft in der Welt des Seins die Macht des Bündnisses, die der bedingten Welt wie eine Schlagader im Leibe pocht und den Bahá’í die Einheit sichert.
183.2 Die Bahá’í stehen unter dem Befehl, die Einheit der Menschheit zu errichten. Wenn sie sich nicht um einen Mittelpunkt vereinigen können, wie sind sie dann fähig, die Einheit der Menschheit zustandezubringen?
183.3 Als die Gesegnete Schönheit dieses Bündnis und Testament besiegelte, hatte Sie das Ziel, alle Lebewesen um einen Punkt zu sammeln, damit die gedankenlosen Seelen, die in jedem Zeit- und Menschenalter Zwietracht bewirken, die Sache Gottes nicht zugrunderichten können. Er hat deshalb befohlen, dass alles, was vom Mittelpunkt des Bündnisses ausgeht, rechtens ist und unter Seinem Schutz und Seiner Gnade steht, während alles andere Irrtum ist.
183.4 Preis sei Gott! Du bist fest im Bund und Testament.
184
184.1 O ihr gesegneten Seelen! Obwohl ihr ständigen Feuerproben ausgesetzt seid, da einige wiederholt und ausdauernd versuchen, den Glauben der Freunde in Los Angeles zu erschüttern, steht ihr dabei doch unter dem wachsamen Auge der Großmut Bahá’u’lláhs, und Legionen von Engeln kommen euch zu Hilfe.
184.2 Geht deshalb sicheren Schritts voran und befaßt euch voll Vertrauen und Zuversicht damit, Gottes Düfte zu verbreiten, Sein Wort zu verherrlichen und im Bündnis standhaft zu sein. Seid versichert, dass eine Seele, die sich in äußerster Standhaftigkeit erhebt, den Ruf zum Gottesreich anstimmt und entschlossen vom Bündnis kündet, befähigt wird, selbst als winzige Ameise den gewaltigen Elefanten aus dem Feld zu jagen und als zarter Nachtfalter das Gefieder des räuberischen Geiers zu zerfetzen.
184.3 Bemüht euch deshalb, dass ihr das Heer des Zweifels und des Irrtums mit der Macht des heiligen Wortes versprengt Und auseinandertreibt. Das ist meine Ermahnung und mein Rat. Streitet mit niemandem, meidet Wortgefechte aller Art. Sprecht das Wort Gottes. Nimmt es der Hörer an, ist das ersehnte Ziel erreicht; wendet er sich ab, so überlasst ihn sich selbst und vertraut auf Gott.
184.4 Das sind die Eigenschaften derer, die fest im Bündnis stehen.
185
185.1 O ihr Freunde und Dienerinnen des Barmherzigen! Ein Brief des Geistigen Rates von Los Angeles ist angekommen. Er war ein Beweis dafür, dass die gesegneten Seelen in Kalifornien einem unerschütterlichen Berge gleich dem Sturm des Bündnisbruchs widerstehen und wie gesegnete Bäume fest und unverrückbar im Boden des Bündnisses verwurzelt sind. Das berechtigt zu der Hoffnung, dass sie durch die Segnungen der Sonne der Wahrheit täglich an Festigkeit und Standhaftigkeit zunehmen. In jeder Sendung stehen die Prüfungen im direkten Verhältnis zur Größe der Sache, und da in der Vergangenheit solch ein offenbares Bündnis, wie es die Erhabenste Feder geschrieben hat, noch nie geschlossen wurde, sind die Prüfungen heute entsprechend heftiger. Diese Prüfungen lassen die schwachen Seelen erzittern, die festen Seelen aber bleiben unberührt. Die Machenschaften der Bündnisbrecher sind nicht mehr als Wellenschaum, eine vom Meer untrennbare Erscheinung. Das Meer des Bündnisses wird branden und die Leiber der Toten an den Strand werfen; denn es kann sie nicht halten. So sehen wir, dass das Meer des Bündnisses wogte und wogte, bis es die Leichen an Land warf, Seelen, die des Geistes Gottes beraubt sind, verloren in Leidenschaft und Selbstsucht, nach Führerschaft dürstend. Dieser Gischt ist nicht von Dauer. Bald wird er zerflattern und verschwinden, während das Meer des Bündnisses ewiglich brandet und tost …
185.2 Seit Anbeginn der Schöpfung bis auf den heutigen Tag wurde in keiner göttlichen Sendung solch ein fester, klarer Bund geschlossen. Kann angesichts dieser Tatsache der Gischt überhaupt auf der Meeresoberfläche des Bündnisses verbleiben? Nein, bei Gott! Die Bündnisbrecher treten ihr Ansehen mit Füßen, sie reißen ihre eigenen Grundmauern aus und sind stolz darauf, von Schmeichlern gestützt zu werden, die mit großer Mühe den Glauben schwacher Seelen ins Wanken bringen. Aber ihr Tun bewirkt nichts; es ist ein Dunstbild und kein Wasser, Gischt und kein Meer, Nebel und keine Wolke, Wahn und keine Wirklichkeit. Das alles werdet ihr bald erkennen.
185.3 Preis sei Gott, ihr seid fest und standhaft. Seid dankbar, dass ihr wie gesegnete Bäume fest in den Boden des Bündnisses hineingepflanzt seid. Gewiss wird jeder fest Verwurzelte wachsen, neue Früchte hervorbringen und Tag für Tag an Frische und Anmut gewinnen. Denkt nach über alle Schriften Bahá’u’lláhs, ob Sendschreiben oder Gebete: Ihr werdet sicher tausend Stellen finden, in denen Bahá’u’lláh betet: „O Gott! Bringe die Bündnisbrecher zum Scheitern, besiege die Unterdrücker des Testaments.“ „Wer Bund und Testament leugnet, ist von Gott verworfen, und wer fest und standhaft darin bleibt, ist an der Schwelle der Einheit begnadet.“ Solche Aussprüche und Gebete gibt es zuhauf. Befaßt euch damit, dann werdet ihr es erkennen.
185.4 Seid niemals niedergeschlagen. Je mehr euch der Bündnisbruch erregt, desto mehr vertieft euch in Festigkeit und Standhaftigkeit. Seid sicher, dass die göttlichen Heerscharen siegen werden, denn ihnen ist der Triumph des Reiches Abhá verheißen. Überall wird das Banner der Festigkeit und Standhaftigkeit gehisst, die Fahne des Bündnisbruchs jedoch gesenkt; denn nur eine Handvoll schwacher Seelen ließ sich von den Schmeicheleien und Scheinargumenten der Bündnisbrecher verführen, die nach außen hin mit aller Sorgfalt ihre Festigkeit zeigen, im Innern aber darauf aus sind, die Seelen ins Wanken zu bringen. Nur einige wenige, nämlich die Anführer der Unruhestifter, sind auch nach außen hin als Bündnisbrecher bekannt. Der Rest aber täuscht die Seelen durch Hinterlist; denn nach außen beteuern sie ihre Festigkeit und Standhaftigkeit im Bündnis, aber wenn sie auf offene Ohren stoßen, säen sie heimlich die Saat des Misstrauens. Ihr Fall gleicht dem Bündnisbruch durch Judas Ischariot und seinen Anhang. Bedenket: Blieb von ihnen irgendein Erfolg oder die geringste Spur? Nicht mal ein Name blieb von seinen Nachfolgern, und obwohl eine Reihe von Juden zu ihm hielten, war es, als hätte er keinerlei Gefolgsleute gehabt. Dieser Judas Ischariot war der Führer der Apostel, und doch verriet er Christus für dreißig Silberlinge. Hüte dich, o Volk der Einsicht!
185.5 Dieses Mal werden jene bedeutungslosen Bündnisbrecher den Mittelpunkt des Bündnisses sicherlich für die große Summe verraten, die sie durch Hinterlist aller Art erbettelt haben. Es sind nun dreißig Jahre seit Bahá’u’lláhs Hinscheiden vergangen, und während dieser ganzen Zeit haben sich diese Verräter mit aller Kraft angestrengt. Was haben sie erreicht? Die Standhaften im Bündnis haben unter allen Bedingungen gesiegt, während die Bündnisbrecher Niederlagen, Enttäuschungen und Trübsinn erfahren haben. Nach dem Heimgang Abdu’l-Bahás wird keine Spur von ihnen übrig bleiben. Diese Seelen wissen nicht, was kommen wird, und brüsten sich in ihrem Wahn.
185.6 Kurz gesagt, o ihr Freunde Gottes und Dienerinnen des Barmherzigen, die Hand der göttlichen Freigebigkeit hat euch eine juwelengeschmückte Krone aufs Haupt gesetzt; ihre Edelsteine strahlen ewig über die ganze Welt. Schätzt diese Gnadengabe, löst eure Zungen in Preis und Danksagung und setzt euch ein für die Verbreitung der göttlichen Lehren, denn dies ist der Geist des Lebens und das Mittel der Erlösung.
186
186.1 O du, der du fest im Bündnis stehst! Drei aufeinanderfolgende Briefe von dir sind hier eingegangen. Ihr Inhalt zeigt, dass in Cleveland der schwarze Odem der Bündnisbrecher die Herzen heimsucht und der Einklang zwischen den Freunden gelitten hat. Gnädiger Gott! Hundert Mal wurde vorhergesagt, dass die Bündnisbrecher auf der Lauer liegen und mit allen Mitteln Zwietracht unter den Freunden säen wollen, damit diese Zwietracht schließlich zum Bündnisbruch führt. Wie kommt es, dass die Freunde, allen Warnungen zum Trotz, diese ausdrückliche Erklärung nicht beachtet haben?
186.2 Der Streitpunkt ist klar, kurz und bündig: Entweder war Bahá’u’lláh weise, allwissend und vorausschauend, oder Er war unwissend und irrte sich. Er schloß durch Seine erhabene Feder ein festes Bündnis und Testament mit allen Bahá’í; allen voran mit den Aghsán, den Afnán und Seinen Verwandten. Ihnen befahl Er, Ihm zu gehorchen und sich Ihm zuzuwenden. Durch Seine erhabene Feder hat Er ausdrücklich erklärt, dass das Objekt des folgenden Verses aus dem Kitáb-i-Aqdas der Größte Zweig ist:
186.3 „Wenn das Meer Meiner Gegenwart verebbt und das Buch Meiner Offenbarung geschlossen ist, so wendet euer Angesicht Ihm zu, den Gott bestimmt hat, Ihm, der aus dieser Urewigen Wurzel kam.“1 Die Bedeutung ist kurz folgende: Nach Meinem Hinscheiden obliegt es den Aghsán, den Afnán, den Verwandten und allen Freunden Gottes, ihr Antlitz Ihm zuzuwenden, der aus der Altehrwürdigen Wurzel entsproß.
1 Kitáb-i-Ahd, BAQ 15:9
186.4 Er sagte auch klar im Kitáb-i-Aqdas : „O Volk der Welt! Wenn sich die Mystische Taube auf ihrem Tempel des Lobpreises emporgeschwungen und ihr fernes Ziel, ihre verborgene Wohnstatt, erreicht hat, dann legt alles, was ihr im Buche nicht versteht, Ihm vor, der diesem mächtigen Stamm entsproß.“1 Er wendet sich an alle Menschen der Welt und sagt: Wenn die Mystische Taube aus dem Garten des Lobpreises zu der höchsterhabenen, unsichtbaren Stufe emporfliegt, das heißt, wenn die Gesegnete Schönheit aus der bedingten Welt zu den unsichtbaren Gefilden aufsteigt, dann wendet euch in allem, was ihr im Buch nicht versteht, an Ihn, der als Zweig aus der Urewigen Wurzel entsprang. Das heißt, alles was Er sagt, ist die volle Wahrheit.
1 AQDAS.Codex Nr.20
186.5 Und im Buch des Bundes sagt Er ausdrücklich, dass der Vers „Der aus der Urewigen Wurzel kam“ sich auf den Mächtigsten Zweig bezieht. Er befiehlt allen Aghsán, Afnán, Verwandten und Bahá’í, sich Ihm zuzuwenden. Nun muss man entweder sagen, Er, die Gesegnete Schönheit, habe einen Fehler gemacht, oder man muss Ihm gehorchen. Abdu’l-Bahá bringt dem Volk kein Gebot, dem es gehorchen muss, außer der Verbreitung der Düfte Gottes, der Erhöhung Seines Wortes, der Verkündung der Einheit der Menschenwelt, der Errichtung des Weltfriedens und anderen Geboten Gottes. Das sind göttliche Gebote; sie haben mit Abdu’l-Bahá nichts zu tun. Wer immer es wünscht, der nehme sie an, und wer sie ablehnt, soll tun, was er will.
186.6 Nun trachten manche Unheilstifter mit allerlei Kunstgriffen nach der Führerschaft, und um diese Stellung zu erreichen, flößen sie den Freunden Zweifel ein. Die sollen Streit bewirken, und dieser Streit soll dazu führen, dass sie selbst eine Gruppe an sich ziehen. Aber die Freunde Gottes müssen wachsam sein; sie müssen erkennen, dass die Beweggründe für die Aussaat dieser Zweifel persönliche Wünsche und das Verlangen nach Führerschaft sind.
186.7 Zerreißt nicht die Bahá’í-Einheit und wißt, dass diese Einheit nicht anders erhalten werden kann als durch den Glauben an den Bund Gottes.
186.8 Du möchtest gerne reisen, um die Düfte Gottes zu verbreiten. Das ist höchst willkommen. Göttliche Bestätigungen werden dir gewisslich helfen. Die Macht des Bunds und Testaments wird dir den Triumph und den Sieg sichern.
187
187.1 O du, der du fest im Bündnis stehst! Dein Brief kam an. Du dickst darin deine Zufriedenheit mit der Nationaltagung aus; durch diese Zusammenkunft sei die Sache Gottes erhöht, die Macht Seines Wortes sichtbar geworden. Die Größe der Sache wird die bestehenden Meinungsverschiedenheiten wegräumen. Man kann sie mit der Gesundheit im Menschenleib vergleichen. Ist sie erlangt, heilt sie alle Krankheiten und Schwächen. Wir hoffen, dass keine Spur von Gegnerschaft zurückbleiben wird. Aber einige der amerikanischen Freunde sind ruhelos in ihrem neugeweckten Ehrgeiz; sie mühen sich und suchen unter der Oberfläche und in der Luft etwas zu entdecken, was Zwietracht stiften könnte.
187.2 Preis sei Gott, alle diese Türen sind in der Sache Bahá’u’lláhs verschlossen, denn ein Mittelpunkt der Amtsgewalt wurde eigens ernannt – ein Mittelpunkt, der alle Schwierigkeiten löst und alle Streitigkeiten abwendet. Auch das Universale Haus der Gerechtigkeit wird alle Streitigkeiten abwenden. Was immer es vorschreibt, muss angenommen werden, und wer dagegen verstößt, ist verworfen. Aber dieses Universale Haus der Gerechtigkeit, das die Gesetze gibt, wurde noch nicht errichtet.
187.3 Es zeigt sich also, dass keine Waffe der Zwietracht geblieben ist; aber fleischliche Begierden führen zu Meinungsverschiedenheiten, wie das bei den Bündnisbrechern der Fall ist. Sie zweifeln nicht an der Gültigkeit des Bündnisses, aber selbstsüchtige Beweggründe haben sie in diese Lage gebracht. Es ist nicht so, dass sie nicht wüssten, was sie tun – sie wissen es ganz genau, und trotzdem lehnen sie sich auf.
187.4 Kurz gesagt, das Meer des Bündnisses ist stürmisch und weit. Es wirft den Gischt des Bündnisbruchs an die Küsten. Bleibe darum ruhig und sicher. Arbeite für den Bau des Mashriqu’l-Adhkár und ebne den Weg, die göttlichen Düfte zu verbreiten. Kümmere dich um nichts anderes; denn sonst verzettelst du dich, und die Arbeit schreitet nicht voran.
188
188.1 O ihr innig Geliebten Abdu’l-Bahás! Es ist schon lange her, dass mein inneres Ohr eine süße Melodie aus gewissen Landen hörte oder mein Herz erfreut ward – trotz der Tatsache, dass ihr in meinen Gedanken immer gegenwärtig seid und mir deutlich sichtbar vor Augen steht. Meines Herzens Kelch ist zum Überfließen gefüllt mit dem Wein der Liebe, die ich für euch hege, und mein Verlangen, die Augen auf euch zu richten, pulst wieder Geist durch meine Adern. Daran seht ihr, wie groß mein Kummer ist. In dieser Zeit, in diesem Sturm der Trübsale, der seine Wogen hoch in den Himmel wirft, schießt man von allen Seiten unablässig spitze Pfeile gegen mich; in jedem Augenblick gehen hier im Heiligen Land Schreckensnachrichten ein, und jeder neue Tag bringt sein Teil an Greueln. Der Mittelpunkt des Aufruhrs wähnte, seine anmaßende Auflehnung genüge, das Bündnis und Testament zugrundezurichten; es brauchte weiter nichts, dachte er, um die Gerechten von dem Heiligen Willen abzubringen. So sandte er seine Flugblätter des Zweifels überall hin und dachte sich allerhand Ränke aus. Einmal klagt er, das Haus Gottes sei erschüttert, Seine göttlichen Gebote aufgehoben; demnach sei auch das Bündnis und Testament abgeschafft. Dann wieder verlegt er sich aufs Seufzen und Stöhnen, er werde als Gefangener gehalten, müsse Tag und Nacht hungern und dürsten. Ein andermal erhebt er ein Geschrei, die Einheit Gottes sei verleugnet worden, weil vor Ablauf von tausend Jahren eine neue Manifestation verkündet worden sei.
188.2 Als er sah, dass seine Verleumdungen keinen Erfolg hatten, entwickelte er Schritt für Schritt den Plan, zum Aufruhr aufzuwiegeln. Er begann, Zwietracht zu säen und klopfte an jede Tür. Er fing an, den Beamten der Regierung gegenüber falsche Anschuldigungen zu machen. Er machte sich an einige Ausländer heran, schmeichelte sich bei ihnen ein, und setzte mit ihnen ein Dokument auf, das er der Hohen Pforte vorlegte, wo es die Behörden in Bestürzung versetzte. Unter den vielen verleumderischen Beschuldigungen war die, ich Unglücklicher hätte das Banner des Aufruhrs gehisst, eine Flagge mit den Worten Yá Bahá’u’l-Abhá. Ich sei damit durchs ganze Land gezogen, in jede Stadt, in jedes Dorf, selbst unter die Wüstenstämme, und hätte alle Bewohner aufgerufen, sich unter dieser Flagge zu vereinen.
188.3 O mein Herr! Wahrlich, ich suche Zuflucht bei Dir vor dem bloßen Gedanken an eine solche Tat, die im Gegensatz zu allen Geboten Bahá’u’lláhs steht und fürwahr ein großes Unrecht wäre, das nur ein arger Sünder beginge, hast Du uns doch die Pflicht auferlegt, den Herrschern und Königen zu gehorchen.
188.4 Eine weitere Verleumdung von ihm war, dass der Schrein am Berg Karmel eine Festung sei, die ich gewaltig und uneinnehmbar erbaut hätte – und das, als der Rohbau ganze sechs Räume umfaßte – und dass ich den Schrein Medina, die Prächtige, genannt hätte, während ich das Heilige Grab1 als Mekka, das Herrliche, bezeichnet hätte. Eine andere seiner Verleumdungen war, ich hätte eine unabhängige Staatsgewalt errichtet und – Gott behüte! Gott behüte! Gott behüte! – alle Gläubigen aufgerufen, bei dieser schweren Sünde mitzuwirken. Wie grauenhaft, o mein Herr, ist seine Verleumdung!
1 in Bahjí
188.5 Und weiter behauptet er, da der Heilige Schrein zu einem Ort wurde, den Pilger aus aller Welt besuchen, erwachse dieser Regierung und ihrem Volk großer Schaden. Er, der Mittelpunkt des Aufruhrs, versichert, er selbst habe bei all diesen Dingen niemals die Hand im Spiel gehabt, er sei ein Sunnit unter Sunniten, ergebener Anhänger von Abu-Bakr und ‚Umar; er sehe in Bahá’u’lláh nur einen frommen Mann und Mystiker. Alles Erwähnte, sagt er, sei nur durch mich Unterdrückten in Gang gesetzt worden.
188.6 Um es kurz zu machen: Der Sultán – möge der Glanz seiner Regentschaft dauern – ernannte eine Untersuchungskommission. Diese Kommission reiste hierher und begab sich nach der Ankunft sogleich zum Hause eines der Ankläger. Dann rief man die Gruppe zusammen, die mit meinem Bruder die Anklageschrift verfaßt hatte, und fragten sie, ob diese Anzeige stimme. Die Gruppe erläuterte den Inhalt des Dokuments, behauptete, alles Aufgeführte sei nichts als die Wahrheit und fügte weitere Anschuldigungen hinzu. So waren sie zur gleichen Zeit Ankläger, Zeugen und Richter.
188.7 Die Kommission ist jetzt zum Sitz des Kalifats zurückgekehrt. Täglich kommen aus jener Stadt bedrohliche Berichte. Trotz allem bleibt Abdu’l-Bahá, gelobt sei Gott, ruhig und gelassen. Keinem will ich übel wegen dieser Verleumdung. Ich habe alle meine Angelegenheiten gänzlich Seinem unwiderstehlichen Willen anheimgegeben und warte in vollkommener Glückseligkeit darauf, mein Leben hinzugeben. Welche schrecklichen Leiden mir auch bevorstehen mögen, ich bin dazu bereit. Gelobt sei Gott, auch die liebevollen Gläubigen nehmen das hin; zufrieden unterwerfen sie sich Gottes Willen, strahlend ergeben und voll Dankbarkeit.
188.8 Der Mittelpunkt des Aufruhrs wähnt, sobald das Blut dieses Unterdrückten vergossen sei, sobald ich in die Weite des Wüstensandes verbannt oder im Mittelmeer ertränkt sei – namenlos verschwunden ohne Spur, ohne jemanden, der von mir spricht, hätte er endlich ein Feld, auf dem er sein Roß antreiben, mit seinem Schlagholz aus Lügen und Zweifeln den Poloball seiner Leidenschaften hart schlagen und den Preis gewinnen könne.
188.9 Weit gefehlt! Selbst wenn der Moschusduft der Treue verwehte und keine Spur davon bliebe, wer würde schon vom Gestank des Verrats angezogen? Und selbst wenn die Hunde und Wölfe eine Gazelle des Himmels rissen, wer würde sich zu einem beutegierigen Wolf flüchten? Selbst wenn sich der Tag der Mystischen Nachtigall zu Ende neigt, wer würde je sein Ohr dem Krächzen des Raben oder der Krähe leihen? Welch leere Einbildung hegt er doch! Was für eine törichte Annahme! „Ihre Werke gleichen dem Dunst in der Wüste, von dem der Dürstende wähnt, er sei Wasser, bis er hingelangt und nichts findet.“1
1 Qur’án 24:39
188.10 O ihr Geliebten Gottes! Steht festgegründet und von Herzen treu, und durch die helfende Macht der Gesegneten Schönheit bleibt eurem Vorhaben verpflichtet. Dient der Sache Gottes. Begegnet allen Völkern der Welt mit der Beständigkeit und Ausdauer des Volkes Bahás, so dass die Menschen erstaunt fragen, wie es möglich sei, dass eure Herzen Quellen gläubigen Vertrauens gleichen und wie Erzgruben so reich an Liebe zu Gott sind. Verhaltet euch so, dass euch diese Trauerspiele im Heiligen Land weder schwächen noch ins Wanken bringen; lasst diese schrecklichen Ereignisse euch nicht den Mut rauben. Und sollten alle Gläubigen dem Schwert anheimfallen und nur ein einziger überleben, so lasst diesen einen laut im Namen des Herrn rufen und die frohe Botschaft verkünden; lasst ihn aufstehen und allen Völkern der Erde gegenübertreten.
188.11 Richtet euren Blick nicht auf das Unheil an diesem erleuchteten Ort. Das Heilige Land ist allezeit in Gefahr, und die Flut der Trübsal steht hier immer hoch, nachdem dieser Ruf nunmehr auf der ganzen Welt vernommen wurde und sein Ruhm in den letzten Winkel der Erde gedrungen ist. Das ist der Grund, warum sich die Feinde von innen und außen mit Scharfsinn und Hinterlist aufgemacht haben, Verleumdungen zu verbreiten. Es ist klar, dass ein Ort wie dieser der Gefahr ausgesetzt ist; denn hier gibt es keinen Verteidiger, keinen, der sich angesichts der Verleumdung erhebt und uns zur Seite stellt: Hier gibt es nur eine Handvoll Seelen, heimatlose, unglückliche Gefangene in dieser Feste. Sie haben keinen, der ihre Sache verficht, keinen Helfer, der den Lügenpfeilen wehrt, den Speeren der Verleumdung, die gegen sie geschleudert werden – keinen außer Gott.
188.12 Ihr solltet über all die Geliebten nachdenken, die auf das heilige Feld des Opfers eilten, diese edlen Seelen, die ihr Leben hingaben. Seid euch immer bewußt, welche Ströme heiligen Blutes vergossen wurden, wie so manches redliche Herz in seinem roten Saft ertrank, wie so manche Brust zur Zielscheibe für Tyrannenspeere wurde, wieviele unbefleckte Leiber man in Stücke riß. Wie könnte es da für uns angemessen sein, an unsere eigene Sicherheit auch nur zu denken, sich bei Fremden oder Freunden einzuschmeicheln, Kompromissbereitschaft zur Schau zu tragen? Sollten wir nicht eher den Pfad der Rechtschaffenen einschlagen und in die Fußstapfen dieser großen, uns vorangegangenen Seelen treten?
188.13 Unsere wenigen kurzen Tage gehen dahin, unser Leben schwindet vor unseren Augen. Die Rosen dieser Welt bleiben nicht frisch und schön; der Garten dieser Erde, wo Siegesfreude und Vergnügen blühen, verdorrt und verwelkt. Die Frühlingszeit des Lebens verwandelt sich in den Herbst des Todes, der helle Jubel der Palastsäle weicht dem Neumond des Grabes. Deshalb verdient nichts von alledem unsere Liebe, und der Weise hängt sein Herz nicht daran.
188.14 Wer Erkenntnis und Kraft hat, sucht weit eher des Himmels Herrlichkeit, geistigen Adel und unvergängliches Leben. Er sehnt sich danach, der heiligen Schwelle Gottes näherzukommen. Denn der Gottesmann liegt nicht trunken in der Schenke dieser flüchtigen Welt, nicht einen Augenblick lang gibt er sich seinem Behagen hin oder befleckt sich mit dem Hang zum irdischen Leben.
188.15 Nein, die Freunde sind vielmehr Sterne hoch am Himmel der Führung, Himmelskörper am Firmament göttlicher Gnade, die mit ihrer ganzen Kraft das Dunkel vertreiben. Sie brechen die Mauern der Böswilligkeit und des Hasses. Sie hegen nur eine Sehnsucht für die Welt und all ihre Völker: Wohlergehen und Frieden. Die Wälle des Kampfes und der Angriffslust reißen sie nieder. Wahrhaftigkeit, ehrbares Handeln und Freundschaft sind ihr Ziel, Freundlichkeit, selbst zu einem böswilligen Feind, bis sie schließlich die Welt, dieses Gefängnis des Verrats, in eine Heimstatt völligen Vertrauens, diesen Kerker des Hasses, der Bosheit und der Gemeinheit in Gottes Paradies verwandeln.
188.16 O ihr liebenden Freunde! Strebt mit Herz und Seele danach, diesen Erdball zum Spiegelbild des Gottesreiches zu machen, auf dass diese niedere Welt an Segnungen aus der Welt Gottes überquelle, die Stimmen der himmlischen Heerscharen in Jubel ausbrechen, und die Wohltat und Gnadengaben Bahá’u’lláhs mit ihren Zeichen und Beweisen die ganze Erde umfassen.
188.17 Jináb-i-Amín hat für euch, ihr verehrten Männer und erleuchteten Frauen, größte Bewunderung zum Ausdruck gebracht; er hat jeden von euch namentlich erwähnt und gelobt. Ausführlich berichtete er von eurer Standhaftigkeit und Beständigkeit und sagte, dass – Gott sei gedankt – in Persien die Männer und Frauen zusammenhalten – zuverlässig, sicher, unerschütterlich, ein mächtiges, festgegründetes Bauwerk -, und dass ihr mit Liebe und Freude die süßen Düfte des Herrn verbreitet.
188.18 Das waren Botschaften, die große Freude brachten, zumal sie mich in diesen Tagen höchster Gefahr erreichten, ist es doch der teuerste Wunsch dieses Unterdrückten, dass die Freunde ein geistiges Herz und einen erleuchteten Sinn erlangen. Wird mir diese Gnade gewährt, so ist jedes Unheil, wie quälend es auch sei, nichts als Wohltat, die sich über mich ergießt wie üppiger Regen.
188.19 „O Gott, mein Gott! Du siehst mich in ein Meer von Qualen gestürzt, in die Feuer der Tyrannei geworfen, weinend im Dunkel der Nacht. Schlaflos wälze ich mich auf meinem Lager, angestrengt schaue ich aus nach dem Morgen licht der Ehrbarkeit und Treue. Wie ein Fisch mit Feuer im Leibe verschmachtend auf dem Sandstrand zappelt, so winde ich mich in Todesqual, und doch blicke ich mich unentwegt um nach Deinen Gnadengaben.“
188.20 „O Gott, mein Gott! Lasse Du die Gläubigen in anderen Landen an Deiner reichen Gnade teilhaben. Befreie durch Deine unfehlbare Hilfe und Großmut jeden unter Deinen Geliebten, der in den entlegensten Gefilden über die bitteren Greuel seines Feindes seufzt. O Herr, sie sind gefesselt von Deiner Liebe, Gefangene Deiner Heerscharen. Sie sind Vögel, die in die Himmel Deiner Führung fliegen, Wale, die im Ozean Deiner Segnungen schwimmen, Sterne, die am Horizont Deiner Gaben funkeln. Sie sind die Verteidiger in der Feste Deines Gesetzes. Sie sind die Banner Deiner Erwähnung unter den Menschen. Sie sind die tiefen Brunnen Deines göttlichen Erbarmens, die Fontänen Deiner Gunst, die Quellen Deiner Gnade.“
188.21 „Bewahre sie immerdar sicher unter Deinem allbeschützenden Auge. Stehe ihnen bei, Dein Wort zu erhöhen; mache ihre Herzen beständig in Deiner Liebe, stärke ihnen den Rücken, damit sie Dir aufrichtig dienen können; festige ihre Kräfte in ihrer Dienstbarkeit.“
188.22 „Verbreite durch sie Deine süßen Düfte überallhin, erkläre durch sie Deine Heilige Schrift; lasse durch sie Deine Rede bekannt werden,- durch sie erfülle Dein Wort; durch sie ergieße Deine Gnade.“
188.23 „Wahrlich, Du bist der Mächtige, der Machtvolle. Wahrlich, Du bist der Gnädige, der Mitleidvolle.“
189
189.1 Heute wird jeder weise, wachsame, weitblickende Mensch erweckt. Die Geheimnisse der Zukunft werden ihm enthüllt- sie zeigen dass nur die Macht des Bündnisses der Menschheit Herz aufzurütteln und zu bewegen vermag, wie einst das Neue und Alte Testament die Sache Christi allenthalben verfocht und so die pulsierende Kraft im Körper der Menschenwelt war. Ein Baum mit Wurzel wird Früchte tragen, aber ein wurzelloser Baum, und sei er noch so groß und stark, wird schließlich welken, absterben und nur ein Scheit fürs Feuer sein.
189.2 Das Bündnis Gottes ist wie ein unendliches, unergründliches Meer. Die Woge steigt und brandet und wirft allen angesammelten Gischt ans Ufer.
189.3 Preis sei Gott, der höchste Wunsch achtsamer Seelen ist, das Wort Gottes zu erhöhen und die göttlichen Düfte zu verbreiten. Das ist in Wahrheit die sichere, feste Grundlage.
189.4 Das Sonnenlicht der Wahrheit breitet sich wie der Morgen über alle Lande. Bemühen tut not, damit die schlummernden Seelen erwachen, damit die Achtlosen aufmerken und die göttlichen Lehren, die den Geist dieses Zeitalters verkörpern, die Ohren des Erdenvolkes erreichen, in der Presse verkündet und in den Versammlungen der Menschen klar und beredt dargelegt werden.
189.5 Des Menschen Verhalten muss wie das von Paulus sein, des Menschen Glaube wieder von Petrus. Diesen Moschusduft soll das Volk der Welt atmen, dieser Geist soll die Toten auferwecken.
189.6 Der widerwärtige Geruch des Bündnisbruchs hat den Vormarsch der Sache Gottes vorübergehend aufgehalten; sonst würden sich die göttlichen Lehren wie Sonnenstrahlen unmittelbar ausbreiten und alle Lande durchdringen.
189.7 Du willst Abdu’l-Bahás Ansprachen, die du zusammengetragen hast, drucken und veröffentlichen. Das ist fürwahr sehr ratsam. Durch diesen Dienst wirst du im Reich Abhá ein strahlendes Antlitz erwerben; die Freunde im Osten wie im Westen werden dich preisen und dir dankbar sein. Aber es muss mit größter Sorgfalt geschehen, so dass der genaue Text wiedergegeben wird und alle Abweichungen und Verfälschungen durch frühere Übersetzer ausschließt.
190
190.1 „Du siehst mich, o mein Gott, wie ich in Demut niederknie, mich beuge vor Deinem Gebot, mich Deiner Souveränität unterwerfe, vor der Macht Deiner Herrschaft erzittere, Deinen Zorn fliehe, Deine Gnade erflehe, auf Deine Vergebung vertraue, ehrfürchtig schaudernd vor Deiner Wut. Ich flehe Dich an mit pochendem Herzen und strömenden Tränen, die Seele voll Sehnsucht, in vollkommener Loslösung von allen Dingen: Mache Deine Liebenden zu Lichtstrahlen über all Deinen Reichen und hilf Deinen erwählten Dienern, Dein Wort zu erhöhen, auf das ihr Antlitz in Schönheit und Herrlichkeit leuchte, ihr Herz der Geheimnisse voll sei und jede Seele ihre Sündenlast niederlege. Alsdann beschütze sie vor dem Angreifer, vor dem, der zum schamlosen, lästerlichen Übeltäter wurde.“
190.2 „Wahrlich, Deine Liebenden dürsten, o mein Herr, führe sie zum Brunnquell der Güte und Gnade. Wahrlich, sie hungern; sende Deine himmlische Tafel zu ihnen hernieder. Wahrlich, sie sind nackt,- kleide sie in das Gewand der Gelehrsamkeit und Erkenntnis.“
190.3 „Sie sind Helden, o mein Herr, führe sie auf das Schlachtfeld. Wegweiser sind sie,- lass sie laut reden mit Gründen und Beweisen. Sie sind Meßdiener, lass sie den Kelch umherreichen, der vom Wein der Gewissheit überquillt. O mein Gott, mache sie zu Singvögeln, die in lieblichen Gärten jubilieren, mache sie zu Löwen, die im Dickicht lagern, zu Walen, die sich in gewaltige Tiefen stürzen.“
190.4 „Wahrlich, Du bist der Gnadenreiche. Es gibt keinen Gott außer Dir, dem Mächtigen, dem Machtvollen, dem Immerschenkenden.“
190.5 O ihr meine geistigen Freunde! Lange Zeit war die Drangsal sehr hart, waren die Beschränkungen wie eherne Ketten. Dieser Unglückliche, dem Unrecht geschieht, war einsam und verlassen, denn alle Wege waren versperrt. Den Freunden wurde der Zutritt zu mir verboten, die Vertrauten waren ausgeschlossen; der Feind umzingelte mich, die Wachposten des Bösen waren wild und aufsässig. Jeder Augenblick brachte neuen Kummer, jeder Atemzug neue Qual. Verwandte wie Fremde griffen mich an. Die einst mich liebten, waren nunmehr treulos und ohne Erbarmen; schlimmer als Feinde erhoben sie sich, mich zu peinigen. Keiner war da, Abdu’l-Bahá zu verteidigen, kein Helfer, kein Beschützer, kein Verbündeter, kein Mitstreiter. Ich ertrank in einem uferlosen Meer, und immerzu dröhnte das Gekrächze der Treulosen in meinen Ohren.
190.6 Jeder Tagesanbruch brachte dreifaches Dunkel, jeder Abend hartherzige Grausamkeit. Kein Augenblick des Friedens, kein Balsam für die blutenden Wunden der Speere. Jeden Augenblick konnte der Befehl zu meiner Verbannung in die Sandwüste Fezzan kommen, stündlich konnte es geschehen, dass ich in das endlose Meer geworfen würde. Dann wieder hieß es, diese heimatlosen Wanderer wären bald vollends vernichtet, und das Kreuz käme demnächst wieder in Gebrauch. Meine abgezehrte Gestalt sollte Zielscheibe sein für Kugel oder Pfeil; oder dieser schwindende Leib sollte durch das Schwert in Stücke gehauen werden.
190.7 Unsere falschen Bekannten konnten sich vor Freude nicht halten, unsere verräterischen Freunde verfielen in Begeisterung. „Gepriesen sei Gott!“ rief man aus. „Hier wird unser Traum endlich wahr.“ Und ein anderer: „Gott sei gedankt! Unsere Speerspitze traf ihn ins Herz.“
190.8 Das Leid prasselte auf diesen Gefangenen hernieder wie der heftige Frühlingsregen, und die Siege der Böswilligen ergossen sich zu einer erbarmungslosen Flut. Doch Abdu’l-Bahá blieb glücklich und gelassen. Er verließ sich auf die Gnade des Allbarmherzigen. Diese Qual, dieser Schmerz war ein Paradies mit all seinen Freuden; diese Ketten waren das Geschmeide eines Königs auf himmlischem Thron. Zufrieden mit Gottes Willen und Ihm ganz ergeben nahm mein Herz alles hin, was das Schicksal brachte, und ich war glücklich. Unbändige Freude war mein Zechkumpan.
190.9 Schließlich kam eine Zeit, da die Freunde nicht mehr zu trösten waren und alle Hoffnung aufgaben. Da aber brach der Morgen an und überflutete alles mit unendlicher Lichtfülle. Die Wolkentürme zerstreuten sich, die düsteren Schatten flohen. In diesem Augenblick fielen die Fesseln ab, die Ketten wurden diesem Heimatlosen vom Nacken genommen und dem Feind um den Hals gehängt. Grauenhafte Not wandelte sich in Ruhe, am Horizont der Gottesgaben stieg die Sonne der Hoffnung empor. Das alles kam aus Gottes Gnade und durch Seinen Segen.
190.10 Und doch, von einem bestimmten Standpunkt aus betrachtet, war dieser Wanderer traurig und bekümmert. Für welche Qual könnte ich künftig Linderung suchen? Wie könnte mich noch die Nachricht erfreuen, mein Wunsch sei mir gewährt? Tyrannei, Leid, Schicksalsschläge und Trübsal waren vorüber. Meine einzige Freude in dieser flüchtigen Welt war, den steinigen Pfad Gottes zu betreten, harte Prüfungen und alle materiellen Sorgen zu erdulden. Sonst wäre dieses irdische Leben wertlos und vergeblich; der Tod wäre besser. Der Baum des Lebens trüge keine Frucht. Das bestellte Feld dieses Daseins brächte keine Ernte ein. So hoffe ich, dass irgendein Ergebnis meinen Schmerzenskelch wiederum zum überfließen bringe und dieser schöne Geliebte, dieser Seelentöter die Zuschauer aufs neue blende. Dann wird dies Herz glückselig, wird diese Seele gesegnet sein.
190.11 „O göttliche Vorsehung! Führe Deinen Liebenden den bis zum Rand gefüllten Kelch des Schmerzes an die Lippen. Mache den Sehnsuchtsvollen auf Deinen Pfad die Süße zum Stachel, das Gift zum süßen Honig. Lass unsere Häupter die Speerspitzen zieren. Mache unsere Herzen zu Zielscheiben für die erbarmungslosen Pfeile und Spieße. Erwecke Du diese welke Seele zum Leben auf dem Feld des Martyriums, lass Du dies schwache Herz den Trank der Tyrannei kosten, der es wieder frisch und schön macht. Lass ihn trunken sein vom Wein Deines Ewigen Bundes1, mache ihn zu einem Zecher, der hoch den Becher hält. Hilf ihm, sein Leben fahren zu lassen; gewähre, dass er sich um Deinetwillen darbringt.“
1 vgl Qur’án 7:172
190.12 „Du bist der Mächtige, der Kraftvolle. Du bist der Wissende, der Sehende, der Hörende.“
191
191.1 O du, der du schwer betrübt bist auf dem Pfad des Bundes! Schmerz und Qual, erduldet auf dem Pfad des Herrn offenbarer Zeichen, sind nichts als Gnade und Gunst. Das Leid ist reine Barmherzigkeit, der Kummer ein Geschenk Gottes. Gift ist Zucker auf der Zunge; Zorn ist Gute und stärkt die Seele.
191.2 So preise Ihn, die liebende Vorsehung, dass Er dir dieses bittere Leid verordnete, das lautere Wohltat ist.
191.3 „Muss ich wie Abraham durch Flammen schreiten, – Johannes1 gleich die blutige Straße ziehn, – Wirfst Du wie Josef mich in einen Brunnen, – Schließt Du mich tief in einen Kerker ein, – Machst Du mich arm wie einst Mariens Sohn – Ich werde dennoch nimmer von Dir lassen. – Fest will ich stehn; – So neig‘ ich Leib und Seel‘ vor Deinem Willen.“
1 Johannes der Täufer
192
192.1 Der Herr der Heerscharen ist heute der Verteidiger des Bündnisses; die Streitmacht des Gottesreiches ist sein Beschützer. Himmlische Seelen bieten ihre Dienste, die Engel der Höhe verkünden und verbreiten das Bündnis in allen Landen. Wer es mit Einsicht betrachtet, der sieht alle Kräfte des Weltalls letzten Endes dem Bündnis dienen. In Zukunft wird sich das in aller Deutlichkeit zeigen. Was können angesichts dieser Tatsache jene schwachen, kraftlosen Seelen erreichen? Selbst widerstandsfähige Pflanzen überdauern nicht, wenn sie ihrer Wurzeln und der Regengüsse aus den Wolken der Gnade beraubt sind. Was kann man da von schwachem Unkraut erwarten?…
193
193.1 Der Tag bricht an; am Aufgangsort der unsichtbaren Gefilde Gottes dämmert das Licht der Einheit, und aus dem verborgenen Reich der Einzigkeit strömt reiche Gnade wie eine Sturzflut hernieder. Von allen Seiten erschallen die frohen Botschaften des Gottesreichs, und aus allen Richtungen wehen an diesem Morgen die ersten Zeichen, dass Gottes Wort erhöht und Seine Sache aufgerichtet wird. Das Wort der Einheit verbreitet sich, die Verse der Einzigkeit werden gesungen, das Meer der Gottesgaben schlägt hohe Wellen; Sein Segen strömt in stürzenden Wasserfällen hernieder.
193.2 Des Allvergebenden Zeugnis hat alle Lande in Licht gehüllt, die Heere der himmlischen Schar stürmen voran, um an der Seite der Freunde des Herrn in die Schlacht zu ziehen und den Sieg davonzutragen. Der Ruf der Altehrwürdigen Schönheit – möge mein Leben ein Opfer für Seine Geliebten sein – erschallt von Pol zu Pol, und das Wort der Heiligen Sache verbreitet sich in Ost und West.
193.3 Das alles schenkt dem Herzen Freude, und doch ist Abdu’l-Bahá tief in einem Meer des Leids versunken. Qual und Pein wirken derart auf meine Glieder, dass mich lähmende Schwäche am ganzen Leib ergriffen hat. Denkt daran, wie ich allein und ohne Hilfe den Ruf Gottes rund um die Welt kündete, wie die Völker sich erhoben, um sich zu widersetzen, zu streiten und zu leugnen. Einerseits weiß man, wie ewiggestrige Eiferer ihren Angriff in jeder Hinsicht vorantreiben; andererseits hört man von Lügnern und Spöttern, wie sie bis zum äußersten gehen, um den Göttlichen Baum mit den Wurzeln auszureißen. Welche gehässigen, verleumderischen Beschuldigungen bringen sie gegen die Urewige Schönheit vor, was für Schmähschriften voll boshafter, abartiger Behauptungen über den Größten Namen schreiben und verbreiten sie emsig! Und jetzt bieten sie in strengster Verschwiegenheit alles auf, um diesem Glauben einen furchtbaren Schlag zu versetzen.
193.4 Wieder haben die Hochmütigen alle möglichen Intrigen und Machenschaften ersonnen, um die Sache Gottes völlig lahm zu legen und um Abdu’l-Bahás Namen aus dem Buch des Lebens zu tilgen.
193.5 Und jetzt hat sich zu all diesen Trübsalen, diesem Elend, diesen Angriffen der Feinde unter den Gläubigen selbst eine Staubwolke des Grolls erhoben, ungeachtet der Tatsache, dass die Sache der Urewigen Schönheit geradezu das Wesen der Liebe, der Kanal der Einheit ist, nur dazu da, dass alle zu Wellen eines Meeres werden, zu strahlenden Sternen am selben unendlichen Firmament, zu Perlen in der Muschel der Einzigkeit, zu funkelnden Edelsteinen aus den Bergwerken der Einheit, dass alle der anderen Diener werden, einander verehren, segnen und lobpreisen; dass jeder seine Zunge löse und alle anderen ohne Ausnahme in den Himmel hebe, jeder den anderen seinen Dank darbringe, dass alle die Augen zum Horizont der Herrlichkeit heben und eingedenk bleiben, wie sie der Heiligen Schwelle verbunden sind; dass sie nur das Gute im anderen sehen, nur Lob voneinander hören und kein Wort übereinander sprechen, es sei denn Lob und Preis.
193.6 Tatsächlich gibt es manche, die diesen Weg der Rechtschaffenheit beschreiten, und Gott sei Dank, sie empfangen durch himmlische Macht allüberall Kraft und Hilfe. Aber andere haben sich nicht so, wie sie sollten, zu dieser herrlichen, erhabenen Stufe erhoben, und das legt Abdu’l-Bahá eine schwere Bürde Leid, unvorstellbares Leid aufs Herz. Denn kein gefährlicherer Sturm als dieser könnte jemals die Sache Gottes angreifen, nichts anderes könnte je den Einfluss Seines Wortes in solcher Weise mindern.
193.7 Es geziemt allen Geliebten Gottes, eins zu werden, sich im Schutz desselben Banners zu scharen, ein einheitliches Weltbild zu vertreten, demselben Pfad zu folgen, sich fest an einen einzigen Entschluß zu halten. Lasst sie ihre auseinandergehenden Theorien vergessen, ihre widersprüchlichen Ansichten beiseitelegen, denn – gelobt sei Gott! – unsere Absicht ist nur eine, unser Ziel ist eins. Wir sind die Diener an der einen Schwelle, wir nähren uns aus derselben Quelle, wir alle sind im Schatten desselben hehren Königszeltes versammelt, wir alle stehen im Schutz des einen himmlischen Baumes.
193.8 O ihr Geliebten des Herrn! Wenn jemand über einen Abwesenden Schlechtes sagt, führt das nur zu dem einen Ergebnis: Er dämpft die Begeisterung der Freunde und macht sie gleichgültig. Denn üble Nachrede entzweit und ist der Hauptgrund dafür, dass sich Freunde zurückziehen. Wenn jemand Schlechtes über einen Abwesenden sagt, haben seine Zuhörer die Pflicht, ihm auf geistige, freundliche Art Einhalt zu gebieten und ihm etwa folgendes zu sagen: Könnte diese Herabsetzung einem guten Zweck dienen? Würde sie die Gesegnete Schönheit erfreuen, zur bleibenden Ehre der Freunde beitragen, den heiligen Glauben voranbringen, das Bündnis stärken, oder irgendeiner Seele nützen? Nein, niemals! Im Gegenteil, dieses Gerede wurde so dicke Lagen Staub auf die Herzen häufen, dass die Ohren nichts mehr hören, und die Augen das Licht der Wahrheit nicht mehr sehen.
193.9 Wenn sich aber jemand anschickt, Gutes über einen anderen zu sagen, wenn er seine Lippen zum Lob eines anderen öffnet, bringt er bei seinen Hörern eine Saite zum Schwingen, und Gottes Odem regt sie an. Ihre Herzen und Seelen jubeln über die Erfahrung, dass hier, Gott sei gedankt, dem Glauben eine Seele angehört, die ein Brennpunkt menschlicher Vollkommenheiten ist, eine Verkörperung der Gnadengaben des Herrn, ein Mensch von beredter Zunge und strahlendem Antlitz, in welcher Versammlung er auch sei, ein Wesen, dem der Sieg auf die Stirn geschrieben steht, den Gottes süße Düfte bestätigen.
193.10 Welches ist nun der bessere Weg? Ich schwöre bei der Schönheit des Herrn: Wann immer ich Gutes von den Freunden höre, wird mir das Herz voll vor Freude; wenn ich aber auch nur andeutungsweise erfahre, dass sie schlecht miteinander auskommen, übermannt mich der Kummer. So geht es Abdu’l-Bahá. Urteilt selbst, was eure Pflicht ist.
193.11 Gott sei gelobt! Wohin wir uns auch wenden, überall öffnet die Urewige Schönheit weit die Tore der Gnade und verkündet in unmissverständlichen Worten frohe Botschaften des Sieges durch die Hilfe des Herrn. Durch Liebe gewinnt Er die Herzen der Gläubigen; ihren Sieg hat Er den himmlischen Heerscharen anvertraut.
193.12 Jetzt müssen sich die Geliebten inmitten aller Völker dieser Welt erheben, mit einem Herzen, so hell wie der Morgenstern, mit starkem inneren Verlangen, strahlendem Angesicht, moschusduftendem Atem, mit einer Zunge,- die unaufhörlich von Gott spricht, mit kristallklarer Darlegung, hohem Entschluß, himmlischer Kraft, geistigem Charakter, mit geradezu göttlicher Bestätigung. Lasst sie alle am Horizont des Himmels erglänzen und am Firmament der Welt zu strahlenden Sternen werden. Lasst sie fruchttragende Bäume im himmlischen Hain, süßduftende Blüten im göttlichen Garten sein. Lasst sie vollendete Verse auf der Tafel des Weltalls, Worte der Einheit im Buch des Lebens sein. Dies ist die Anfangszeit, Anbeginn der Offenbarung des Größten Lichtes. Deshalb müssen in diesem Jahrhundert Tugenden erworben werden, edle Eigenschaften müssen in dieser Zeitspanne vervollkommnet werden. Jetzt in diesen Tagen muss das Paradies Abhá seine Zelte in den Gefilden der Welt errichten. Das Licht der Wirklichkeit muss jetzt enthüllt, die Geheimnisse der Segnungen Gottes müssen jetzt bekannt gemacht werden; jetzt muss die alte Gnade wieder scheinen, muss diese Welt sich wandeln in die Au des Himmels, in den Garten Gottes. Und aus reinen Herzen, durch himmlische Gnadengaben müssen jetzt alle Vollkommenheiten, Eigenschaften und Kennzeichen des Göttlichen offenbar gemacht werden.
193.13 Zu allen Zeiten betet und fleht Abdu’l-Bahá demütig unter Tränen zum Allmächtigen an der Heiligen Schwelle, laut rufend:
193.14 „O Du gütiger Herr! Wir sind Diener an Deiner Schwelle, die an Deinem heiligen Tor Obdach nehmen. Wir suchen keine Zuflucht als zu dieser Starken Säule und wenden uns nach keinem Port als Deinem sicheren Gewahrsam. Beschütze uns, -segne uns, hilf uns; lass uns nur Dein Wohlgefallen lieben, nur Dein Lob anstimmen, nur auf dem Pfad der Wahrheit wandeln, bis wir so reich werden, dass wir alles außer Dir entbehren können, unsere Gaben aus dem Meer Deiner Wohltätigkeit empfangen und allezeit danach trachten, Deine Sache zu erheben und Deine süßen Düfte nah und fern zu verbreiten, auf dass wir unser Selbst vergessen und, nur mit Dir befaßt, alles für wertlos erachten und ganz in Dir aufgehen.“
193.15 „O Du Versorger, o Du Vergeber! Gewähre uns Deine Güte und Gnade, Deine Gaben und Spenden, und gib uns die Kraft, unser Ziel zu erreichen. Du bist der Gewaltige, der Fähige, der Wissende, der Sehende; wahrlich, Du bist der Freigebige, wahrlich, Du bist der Allerbarmer, wahrlich, Du bist der Immervergebende, dem Reue geschuldet wird, der selbst die schwersten Sünden vergibt.“
194
194.1 O ihr aufrichtigen Geliebten der Schönheit Abhá! Auf der ganzen Erde wächst in dieser Zeit die Sache Gottes an Macht. Tag für Tag verbreitet sie sich immer weiter, bis ans Ende der Welt. Deshalb werden auch ihre Gegner aus allen Völkern und Geschlechtern der Welt angriffslustig, böswillig, neidisch und überaus feindselig. Die Geliebten Gottes müssen daher in allen Dingen, bedeutend oder nicht, die größte Sorgfalt und Besonnenheit walten lassen; sie müssen miteinander beraten und vereint dem Angriff derer widerstehen, die zum Streit aufhetzen und Unheil stiften. Sie müssen sich bemühen, mit jedermann freundlich zu verkehren, sie müssen bescheiden auftreten, einander Achtung und Rücksicht bezeigen, allen Völkern der Welt Güte und einfühlsame Aufmerksamkeit entgegenbringen. Geduldig und langmütig müssen sie sein, so dass sie göttliche Magneten des Reiches Abhá werden und die Tatkraft der himmlischen Heerscharen erwerben.
194.2 Des Menschen flüchtige Stunden auf Erden vergehen rasch, und das wenige, was bleibt, wird ein Ende haben; was aber kein Ende hat und immer währen wird, ist die Frucht seiner Dienstbarkeit an der göttlichen Schwelle. Bedenket die Wahrheit dieses Spruches. Wie überaus viele herrliche Beweise gibt es dafür in der Welt des Seins!
194.3 Die Herrlichkeit der Herrlichkeiten sei auf dem Volk Bahás!
195
195.1 O du erhabener Zweig am göttlichen Lotosbaum! … Wirst du von denen, die Unrecht tun, geschmäht und zurückgewiesen, so sei nicht entmutigt. Lass die Gewaltsamkeit und Halsstarrigkeit der Anmaßenden dir weder die Ruhe nehmen noch das Herz brechen; denn das ist die Art achtloser Seelen seit undenklichen Zeiten. „O das Elend der Menschen! Kein Gesandter kommt zu ihnen, ohne dass sie ihn verlachen!“1
1 Qur’án 36:30
195.2 Tatsächlich führt der Unwissenden Angriff und Widerstand nur dazu, dass Gottes Wort erhöht wird und Seine Zeichen und Beweise sich weithin verbreiten. Gäbe es nicht die Gegnerschaft der Verächter, die Verstocktheit der Verleumder, das Geschrei von den Kanzeln, das Rufen und Klagen von groß und klein gleichermaßen, den Vorwurf des Unglaubens aus dem Munde der Unwissenden, den Aufruhr der Toren – wie hätte dann wohl die Nachricht vom Kommen des Ersten Punktes und vom strahlenden Aufgang des Tagesgestirns Bahás Ost und West jemals erreicht? Wie sonst wäre der Planet von Pol zu Pol erschüttert worden? Wie sonst wäre Persien zum Lichtquell strahlenden Glanzes geworden, Kleinasien zum leuchtenden Herzen für die Schönheit des Herrn? Wie sonst hätte sich die Flamme der Offenbarung gen Süden verbreiten können? Wodurch sonst wäre Gottes Ruf im fernen Norden zu vernehmen gewesen? Wie sonst wäre Seine Vorladung im Erdteil Amerika und im dunklen Afrika gehört worden? Wie sonst hätte der Hahnenschrei des Himmels in die Ohren dringen können? Wie sonst hätten Indiens süße Papageien diesen Zucker kosten, wie hätten Iraks Nachtigallen ihren Jubel erheben können? Was sonst hätte Ost und West zum Tanze gebracht, wie hätte dieser Geheiligte Ort zum Thron der Schönheit Gottes werden können? Wie sonst hätte Sinai diesen lodernden Glanz erblicken, wie die Flamme der Wiederkunft jenen Berg schmücken können? Wie wäre das Heilige Land der Schönheit Gottes zum Schemel gemacht worden? Wie wäre das heilige Tal von Tuvá1 zum Sitz überwältigender Gnade geworden, der geheiligte Ort, da Moses die Schuhe ablegte? Was sonst hätte den Himmelshauch durch das Tal der Heiligkeit getragen? Wie wären die süßen Lüfte aus den Gärten Abhás von den Bewohnern der Grünen Insel je wahrgenommen worden? Wie hätten sonst die Versprechen der Propheten, die frohen Botschaften der heiligen Seher vergangener Zeiten, die begeisternden Verheißungen der Manifestationen Gottes für diesen Heiligen Ort jemals erfüllt werden können?
1 Qur’án 20:12
195.3 Wie sonst hätte der Baum Anísá hier gepflanzt, des Testamentes Banner hier gehisst, der berauschende Kelch des Bündnisses an diese Lippen gesetzt werden können? All diese Segnungen und Gnadengaben, die Hauptwerkzeuge für die Verbreitung des Glaubens, sind durch den Spott der Unwissenden, die Gegnerschaft der Toren, den Starrsinn der Stumpfsinnigen, die Gewalt der Angreifer zustande gekommen. Anders hätte die Nachricht vom Kommen des Báb bis zum heutigen Tag noch nicht einmal die Nachbarländer erreicht. Deshalb sollten die Blindheit der Unwissenden, die Angriffe der Toren, die Feindseligkeit der Niederträchtigen, die Achtlosigkeit der Geistlichen, der Vorwurf des Unglaubens aus dem Munde der Gedankenlosen uns niemals betrüben. So handelten sie auch in vergangener Zeit. Dem wäre nicht so, wenn sie zu den Wissenden zählten. Sie aber sind umnachtet und kommen dem Verständnis dessen, was ihnen gesagt wird, nicht nahe.1
1 vgl. Qur’án 4:80
195.4 So ziemt es dir, dem Sproß aus Gottes Heiligem Baum, dem Zweig des mächtigen Stamms, wie es auch uns geziemt, durch die stärkende Gnade der Urewigen Schönheit – möge mein Leben ein Opfer für Seinen Heiligsten Schrein sein – mit der im Himmel entfachten Flamme zu lodern, damit wir von Pol zu Pol das Feuer der Liebe Gottes entzünden. Lass uns den großen, heiligen Baum des erhabenen Báb – möge mein Leben ein Opfer für Ihn sein – zum Vorbild nehmen. Wie Er lass uns die Brust entblößen für die Pfeile des Todeskampfes, wie Er unsere Herzen zu Zielscheiben für die Speere machen, die Gott uns bestimmt hat. Lass uns wie Kerzen niederbrennen, wie Motten lass uns die Flügel versengen, wie Lerchen unsere Klagerufe ausstoßen, wie Nachtigallen in Trauerlieder ausbrechen.
195.5 Wie Wolken lass uns Tränen vergießen, wie der flammende Blitz lass uns auflachen auf unserer Hetzjagd durch Ost und West. Bei Tag und bei Nacht lass uns nur daran denken, wie wir Gottes süße Düfte verbreiten. Lass uns nicht immer fortfahren in unseren Phantastereien und Illusionen, mit unserem unaufhörlichen Zergliedern und Interpretieren und Weiterverbreiten vielschichtiger Unsicherheiten und Zweifel. Lass uns alle selbstischen Gedanken beiseite schieben; lass uns die Augen schließen für alles auf dieser Erde, lass uns weder bekanntmachen, was wir erdulden, noch uns über erlittenes Unrecht beklagen. Lass uns vielmehr unser eigenes Ich vergessen, und den Wein himmlischer Gnade trinkend, wollen wir unseren Jubel laut hinausrufen und uns in der Schönheit des Allherrlichen verlieren.
195.6 O du Afnán des göttlichen Lotosbaumes! Wir müssen uns alle darum bemühen, wie beladene Äste zu werden, die immer süßere, immer bekömmlichere Früchte tragen, so dass im Zweig die Wurzel weiterwirkt und der Teil mit dem Ganzen in Einklang steht. Es ist meine Hoffnung, dass wir durch die Freigebigkeit des Größten Namens und durch die Gute des Ersten Punktes – möge meine Seele für sie beide ein Opfer sein – Werkzeuge für die Verherrlichung von Gottes Wort auf der ganzen Welt werden, dass wir immerfort dem Ursprung unserer Sache dienen und über alle Menschen den Baldachin des wahren, heiligen Eifers für den Herrn ausspannen, dass wir über den Gefilden der Gnade die linden Lüfte wecken, die den Menschen die süßen Dufte aus Gottes Gärten zutragen, dass wir diese Erde zum Paradies Abhá machen, diese niedrige Welt in das Königreich des Himmels verwandeln.
195.7 Allen Dienern Gottes, ganz besonders den vom Glauben Entflammten, ward diese Aufgabe des Dienstes für den allmächtigen Gott wahrlich zuteil; aber die uns auferlegte Pflicht ist noch größer als die der anderen. Bei Gott suchen wir Gnade, Gunst und Kraft.
195.8 Aller Lob und Dank sei Ihm, der Gesegneten Schönheit, dass Er die Streitmacht Seines Reiches Abhá zum Kampfe ruft und uns Seine nie versagende Hilfe sendet, zuverlässig wie die aufgehenden Sterne. In jedem Winkel dieser Erde sitzt Er diesen einsamen, auf sich gestellten Diener, in jedem Augenblick lässt Er mich um die Zeichen und Beweise Seiner Liebe wissen. Die ihrem eitlen Wahn anhangen, macht Er stumpf und starr, ehrlos vor hoch und niedrig. Wer Wahn und Launen nachläuft, den setzt Er dem Schimpf des Volkes aus; den Anmaßenden stellt Er an den Pranger. Die Freunde, die in ihrem Glauben wankend wurden, lässt Er zur Warnung werden für jedes offene Auge; die Führer der Wankelmütigen, gefangen in Eigenliebe, lässt Er in Eitelkeit ertrinken. Doch durch die Kraft Seiner Macht lässt Er diesen flügellahmen Vogel sich aufschwingen vor den Augen aller Erdenbewohner. Er zerschlägt die geschlossene Front der Empörer, den Heerscharen der Erlösung verleiht Er den Sieg, Er haucht den Herzen der im Bund und Testament Standhaften den Odem ewigen Lebens ein.
195.9 Gib die Grüße Abhás jedem Afnán weiter, der den Zweigen des Heiligen Baumes entsprossen ist. Die Herrlichkeit sei mit dir und allen Afnán, die dem Bündnis gläubig und treu verbunden sind.
196
196.1 O du, der du standhaft im Bündnis bist! Dein Brief vom 9. September 1909 ist angekommen. Sei weder traurig noch verzweifelt über das, was geschehen ist. Dieses Unheil brach über dich als Wanderer auf dem Pfade Gottes herein; deshalb soll es dir Freude bringen. Wir wandten uns bereits früher schriftlich an die Freunde und erklärten ihnen auch mündlich, dass die Freunde im Westen zweifellos ihren Anteil an den Schicksalsschlägen der Freunde im Osten werden tragen müssen. Unvermeidlich werden auch sie, die sie auf dem Pfad Bahá’u’lláhs wandeln, zur Zielscheibe für die Verfolgung der Unterdrücker.
196.2 Bedenke, wie zu Beginn der christlichen Zeit die Apostel heimgesucht wurden, welche Qualen sie auf dem Pfad Christi erduldeten. Jeden Tag ihres Lebens dienten sie den Pharisäern als Zielscheibe für die Pfeile des Spottes, der Verleumdung und Beschimpfung. Sie trugen großes Ungemach, kamen ins Gefängnis, und die meisten von ihnen führten den süßen Kelch des Martyriums an die Lippen.
196.3 Nun müsst ihr gewiss ebenfalls in kleinem Umfang meine Teilhaber werden und euer Maß an Kummer und Prüfungen auf euch nehmen. Aber diese Stunden gehen vorüber, während bleibende Herrlichkeit und ewiges Leben unverändert bestehen. Mehr noch, dieses Leid fuhrt zu großem Fortschritt.
196.4 Ich flehe zu Gott, dass du als Sein Ackerknecht den harten, steinigen Boden pflügst, wässerst und die Saat ausbringst – denn das wird zeigen, wie fähig der Bauer ist. Die lockere Erde, frei von Dorngestrüpp, kann jeder bestellen.
197
197.1 O du Diener Gottes! Gräme dich nicht wegen der Heimsuchungen und Trübsale, die über dich gekommen sind. Alle Trübsale und Heimsuchungen werden dem Menschen zuteil, damit er diese sterbliche Welt verschmähe – eine Welt, der er sehr verhaftet ist. Wenn er schwere Prüfungen und Nöte erfährt, wird sein Wesen vor dieser Verhaftung zurückschrecken und sich nach dem ewigen Reiche sehnen – einem Reich, das über alle Heimsuchungen und Trübsale geheiligt ist. So ergeht es dem weisen Menschen. Er wird nie aus einem Becher trinken, der einen widerlichen Nachgeschmack hat, im Gegenteil, er wird den Becher reinen und klaren Wassers suchen. Er wird nicht den Honig kosten, der mit Gift gemischt ist.
197.2 Preise Gott, dass du versucht wurdest und eine solche Prüfung erfahren hast. Sei geduldig und dankbar. Wende dein Angesicht dem Reiche Gottes zu und strebe danach, barmherzig und erleuchtet zu werden, die Kennzeichen des Gottesreiches und des Herrn zu erlangen. Bemühe dich, gegen die Vergnügungen dieser Welt und ihre Bequemlichkeit gleichgültig zu werden, fest und standhaft im Bündnis zu bleiben und die Sache Gottes zu verkünden.
197.3 Darauf beruht die Erhöhung des Menschen, seine Herrlichkeit und sein Heil.
198
198.1 O du, der du in den Hauch Gottes verliebt bist! Ich las den Brief, der deine Liebe zu Gott, dein unwiderstehliches Hingezogensein zu Seiner Schönheit laut hinausruft. Die wundersame Melodie dieses Briefes machte mir das Herz froh.
198.2 Mit meinem vorangegangenen Brief wollte ich dir sagen, dass wir uns Prüfungen und Trübsalen unterziehen müssen, wenn wir das Wort Gottes verherrlichen wollen, und dass es jeden Augenblick Ungemach, Kummer und Qualen gibt, wenn wir Ihn lieben.
198.3 Zunächst muss der Mensch diese Gottesurteile schätzen lernen; er muss sie bereitwillig annehmen und voll Eifer willkommen heißen; erst dann sollte er die Lehrarbeit für den Glauben beginnen und Gottes Wort verherrlichen.
198.4 In diesem Zustand wird er niemals entmutigt werden, einerlei was ihm in seiner Liebe zu Gott zustoßen sollte: Belästigung, Vorwurf, Verleumdung, Fluch, Misshandlung, Kerker, Tod. Seine Leidenschaft für die Göttliche Schönheit wird nur an Stärke gewinnen. Das war, was ich sagen wollte.
198.5 Wehe andererseits der elenden Seele, die Bequemlichkeit, Reichtümer und irdische Freuden sucht und dabei versäumt, an Gott zu denken! Denn für Abdu’l-Bahá ist Trübsal auf dem Pfade Gottes nur Gunst und Gnade, und die Allherrliche Schönheit erklärt in einem Sendbrief: „Nie ging Ich an einem Baum vorbei, ohne dass Mein Herz ihn anredete und sprach: O würdest du doch in Meinem Namen gefällt und Mein Leib an dir gekreuzigt!“1 Das waren die Worte des Größten Namens. Das ist Sein Pfad. Das ist der Weg zu Seinem Reich der Macht.
1 BAQ 2:22
199
199.1 O ihr Aufrichtigen, ihr Sehnsüchtigen, die ihr wie von einem Magneten angezogen seid und euch erhoben habt, der Sache Gottes zu dienen, Sein Wort zu verherrlichen und Seine süßen Düfte überall zu verbreiten! Ich las euren vortrefflichen Brief, wunderschön im Stil, ausdrucksvoll in der Wortwahl, tief an Bedeutung, und ich pries Gott und dankte Ihm, dass Er euch zu Hilfe kommt und euch befähigt, Ihm in Seinem weiten Weinberg zu dienen.
199.2 Bald werden eure Angesichter strahlen im Widerschein eurer demütigen Bitten, eurer Andacht vor Gott, eurer Gebete zu Ihm und eurer selbstlosen Bescheidenheit in der Gegenwart der Freunde. Er wird eure Versammlung zu einem Magneten machen, der die lichten Strahlen göttlicher Bestätigung aus Seinem Reich der Herrlichkeit auf euch herniederzieht.
199.3 Es ist eure Pflicht, tief im Herzen nachzusinnen und Seine Worte zu bedenken, Ihn demütig anzurufen und in Seiner himmlischen Sache euer Selbst beiseitezulegen. Dies wird euch zu Zeichen der Führung für die ganze Menschheit machen, zu strahlenden Sternen, die vom allhöchsten Horizont scheinen, zu mächtigen Bäumen im Paradies Abhá.
199.4 Wisset, dass Abdu’l-Bahá in immerwährender Freude lebt. In diesem entlegenen Gefängnis zu wohnen, bedeutet mir größte Freude. Beim Leben Bahás! Dieses Gefängnis ist mein himmlisches Paradies, mein ersehntes Ziel, Trost meiner Brust, die Seligkeit meines Herzens; es ist meine Zuflucht, mein Schutz, mein Asyl, mein sicherer Hafen, und in diesem Gefängnis frohlocke ich inmitten der himmlischen Heerscharen.
199.5 Freut euch meiner Knechtschaft, o ihr Freunde Gottes, denn sie sät den Samen der Freiheit; freut euch meiner Kerkerhaft, denn sie ist der Quell der Erlösung; seid froh über meine Mühe und Plage, denn sie führen zu ewigem Behagen. Bei Gott, dem Herrn! Nicht für den Thron der ganzen Welt würde ich dieses Gefängnis tauschen, nicht für Vergnügen und Kurzweil in all den lieblichen Gärten auf Erden will ich diese Haft aufgeben. Es ist meine Hoffnung, dass ich durch die reiche Güte des Herrn, durch Seine Freigebigkeit und Gnade auf Seinem Pfade den Galgen ziere, dass mein Herz zur Zielscheibe werde für tausend Kugeln, dass ich in die Meerestiefen versenkt oder im Wüstensand dem Verschmachten preisgegeben werde. Danach sehne ich mich am meisten, das ist mein höchstes Verlangen; es erquickt meine Seele, ist Balsam für meine Brust, der Trost meiner Augen.
199.6 Und ihr, o ihr Geliebten Gottes, macht eure Schritte sicher in Seiner Sache mit so festem Entschluß, dass ihr nicht erschüttert werdet, selbst wenn die schrecklichsten Trübsale die Welt bestürmen. Lasst euch unter keinen Umständen und durch nichts verwirren. Seid fest verankert wie die hohen Berge, seid Sterne, die am Horizont des Lebens aufleuchten, strahlende Lichter in den Versammlungen der Einheit, bescheidene, demütige Seelen in der Gegenwart der Freunde, unschuldig in eurem Herzen. Seid Sinnbilder der Führung und Leuchten der Frömmigkeit, losgelöst von der Welt, fest an den sicheren, starken Griff geklammert, den Geist des Lebens verbreitend, geborgen in der Arche der Erlösung. Seid Morgenstrahlen der Freigebigkeit, Dämmerorte der Geheimnisse des Seins, Stätten, aus denen die Erleuchtung steigt, Aufgangsorte des Strahlenglanzes; seid Seelen, denen der Heilige Geist Kraft verleiht, den Herrn innig liebend, gelöst von allem außer Ihm, geheiligt über die Wesenszüge des Menschlichen, geschmückt mit den Eigenschaften der Engel im Himmel, so dass ihr in dieser neuen Zeit, diesem wundervollen Jahrhundert, den höchsten Segen erlanget.
199.7 Beim Leben Bahás! Nur wer losgelöst ist von der Welt, wird diese Gnadenfülle erlangen, nur wer gefangen ist in Gottes Liebe, frei von Leidenschaft, frei vom Ich, seinem Gott in jeder Hinsicht treu, bescheiden, demütig, nur wer flehentlich unter Tränen darum bittet und völlig ergeben ist in der Gegenwart des Herrn.
200
200.1 O meine geistig Geliebten! Zu einer Zeit, da hoch ein Meer von Prüfungen und Leiden brandete und seine Wellen bis zum Himmel warf, da ganze Scharen uns angriffen und die Tyrannen uns drückendes Unrecht zufügten – zu einer solchen Zeit waren einige darauf aus, uns zu verleumden. Sie taten sich mit unserem lieblosen Bruder zusammen, brachten eine Abhandlung voll lügnerischer Anschuldigungen heraus und erhoben Anklagen und Verleumdungen gegen uns.
200.2 Auf diese Weise alarmierten sie die Regierungsbehörden und brachten sie durcheinander. Es ist deutlich zu sehen, wie sich daraufhin die Lage dieses Gefangenen in der verfallenen Festung entwickelte, welch schreckliches Unrecht und Unheil angerichtet wurde, schlimmer als es Worte ausdrücken können. Trotz allem blieb dieser heimatlose Gefangene innerlich sicher und ruhig, im Vertrauen auf den unvergleichlichen Herrn, voll Sehnsucht nach all den Leiden, die auf dem Pfade der Gottesliebe zu bestehen sein mögen. Denn des Hasses Pfeile sind in unseren Augen wie ein Perlenband als Geschenk von Ihm, und tödliches Gift ist wie ein Heiltrank.
200.3 In dieser Lage befanden wir uns, als uns ein Brief der amerikanischen Freunde1 erreichte. Sie hatten sich geschworen, so schrieben sie, in allen Dingen einig zu bleiben. Die Unterzeichnenden hatten allesamt gelobt, auf dem Pfade der Liebe Gottes Opfer zu bringen, um ewiges Leben zu gewinnen. In dem Augenblick, als dieser Brief mit all den Unterschriften am Ende verlesen wurde, überkam Abdu’l-Bahá so große Freude, dass keine Feder sie zu beschreiben vermag. Er dankte Gott, dass sich dortzulande Freunde erhoben haben, die in vollkommener Eintracht zusammenleben wollen, in der schönsten Gemeinschaft, in voller Übereinstimmung, eng miteinander verbunden und vereint in ihren Bemühungen. 1 Dieser Brief trug die Unterschriften von 422 amerikanischen Gläubigen und das Datum vom 4. Juli 1905.
200.4 Je mehr ihr an dieser Übereinkunft festhaltet, desto glücklicher und gedeihlicher wird sich alles gestalten; denn dieser Bund zieht Gottes Bestätigungen auf sich. Hoffen die Liebenden Gottes auf die Gnade, die himmlischen Heerscharen zu Freunden zu gewinnen, so müssen sie alles in ihrer Macht Stehende tun, diese Übereinkunft zu stärken; denn eine solche Verbindung der Bruderschaft und Einigkeit bedeutet, den Baum des Lebens zu bewässern: Sie ist das ewige Leben.
200.5 O ihr, die ihr Gott liebt! Macht eure Schritte fest. Erfüllt das Versprechen, das ihr einander gabt. Schreitet einträchtig voran, damit ihr den süßen Duft der Gottesliebe verbreitet und Seine Lehren aufrichtet, bis ihr dem Leichnam dieser Welt eine Seele einhaucht und im Reich des Stoffes wie des Geistes jedem Kranken wahre Heilung bringt.
200.6 O ihr, die ihr Gott liebt! Die Welt gleicht einem Menschen, der krank und schwach ist, dessen Augen nichts mehr sehen und dessen Ohren taub wurden. Seine ganze Kraft ist zerstört und verbraucht. Deshalb müssen die Freunde Gottes fähige Ärzte sein, die diesen Kranken nach den heiligen Lehren pflegen, bis er wieder gesund ist. So Gott will, wird die Welt genesen und auf Dauer heil bleiben. Ihre erschöpften Fähigkeiten werden wiederhergestellt, ihr Leib wird solche Lebenskraft und Frische annehmen, dass er in heiterer Anmut erstrahlt.
200.7 Das erste Heilmittel ist, das Volk rechtzuleiten, so dass es sich Gott zuwendet, auf Seinen Rat hört und alsdann mit hörenden Ohren und sehenden Augen voranschreitet. Hat man den Menschen diesen rasch wirkenden Trunk verabreicht, dann muss man sie nach den Lehren dazu führen, sich die Eigenschaften und Verhaltensweisen der himmlischen Heerscharen anzueignen, und muss sie ermutigen, die Gnadengaben des Reiches Abhá zu suchen. Sie müssen die letzte Spur von Hass und Groll aus ihren Herzen tilgen und sich anschicken, wahrhaftig und ehrlich zu sein, versöhnungsbereit und liebevoll gegenüber allen Menschen, damit sich Ost und West wie zwei Liebende umschlungen halten, Hass und Feindseligkeit von dieser Erde verschwinden und an ihrer Statt der Weltfriede fest verwurzelt wird.
200.8 O ihr, die ihr Gott liebt! Seid freundlich zu allen Völkern, kümmert euch um jeden Menschen, tut, was ihr könnt, um die Herzen und Gemüter der Menschen zu läutern, und bemüht euch, jede Seele zu erfreuen. Seid für jede Au ein Regenschauer der Gnade, für jeden Baum das Wasser des Lebens, seid wie süßer Moschus für den Sinn der Menschen, und für die Kranken seid eine frische, belebende Brise. Seid schmackhaftes Wasser für alle Dürstenden, ein behutsamer Führer für alle, die ihren Weg verloren haben; seid den Waisen Vater und Mutter, den Alten liebevolle Söhne und Töchter, ein reicher Schatz den Armen. Erachtet Liebe und Brüderlichkeit als des Himmels Wonnen, Feindseligkeit und Hass als Höllenqual.
200.9 Verwöhnt euren Leib nicht mit Ruhe, sondern arbeitet mit ganzer Seele, und aus vollem Herzen ruft und bittet Gott, dass Er euch Seine Hilfe und Gnade gewähre. So verwandelt ihr diese Welt in das Paradies Abhá, diesen Erdball in den Paradeplatz für das Reich der Höhe. Wenn ihr nur die Mühe auf euch nehmt, wird diese Pracht sicherlich leuchten, diese Wolken der Barmherzigkeit werden ihren Regen verströmen, diese lebenspendenden Winde werden sich erheben und wehen, dieser süßduftende Moschus wird sich allenthalben verbreiten.
200.10 O ihr, die ihr Gott liebt! Denkt nicht weiter darüber nach, was an diesem heiligen Ort noch geschehen mag, und seid in keiner Weise beunruhigt. Was immer geschieht, gereicht zum besten; denn Leid ist nur der innerste Kern der Gnadengabe, Sorge und Plage sind lautere Barmherzigkeit, Schmerz ist Seelenfrieden, und ein Opfer zu bringen, bedeutet, ein Geschenk zu empfangen. Was auch immer geschehen wird, es kommt aus Gottes Gnade.
200.11 Richtet euren Blick deshalb auf eure eigenen Aufgaben: Führt das Volk und erzieht es auf den Wegen Abdu’l-Bahás. überbringt der Menschheit diese frohe Botschaft aus dem Reich Abhá. Rastet weder bei Tag noch bei Nacht. Sucht keinen Augenblick der Ruhe. Bemüht euch mit ganzer Kraft und bringt den Menschen diese frohe Botschaft zu Gehör. In eurer Liebe zu Gott und eurer Bindung an AbdU’l-Bahá nehmt jede Drangsal, jede Sorge auf euch. Erduldet des Angreifers Hohn, nehmt des Feindes Vorwurf hin. Folgt den Fußstapfen Abdu’l-Bahás auf dem Pfade der Schönheit Abhá und sehnt euch jeden Augenblick danach, euer Leben hinzugeben. Strahlt wie die Sonne, seid ruhelos wie das Meer, vergießt wie die Wolken des Himmels Leben über Feld und Flur, und den Aprilwinden gleich blast Frische durch den Menschenwald und bringt ihn zum Blühen.
201
201.1 O du, die Gottes Liebe mitreißt! Die Sonne der Wahrheit ist über dem Horizont dieser Welt aufgegangen und wirft ihre Lichtstrahlen der Führung hernieder. Die ewige Gnade wird nie unterbrochen, und eine Frucht dieser ewigen Gnade ist der Weltfrieden. Sei deshalb gewiss: In diesem Zeitalter des Geistes wird das Reich des Friedens sein Königszelt auf den Gipfeln der Welt errichten. Das Gebot des Friedefürsten wird die Adern und die Nerven jedes Volkes so beherrschen, dass es alle Nationen auf Erden in Seinen schützenden Schatten zieht. An den Quellen der Liebe, der Wahrheit und der Einheit wird der wahre Hirte Seine Schafe tränken.
201.2 O du Dienerin Gottes! Der Friede muss zuerst unter den einzelnen Menschen gestiftet werden, bis er schließlich zum Frieden unter den Nationen fuhrt. O ihr Bahá’í! Strebt deshalb mit ganzer Kraft danach, durch die Macht des Gotteswortes echte Liebe, geistige Gemeinschaft und dauerhafte Bande zwischen den Menschen zu schaffen. Das ist eure Aufgabe.
202
Sendbrief vom Januar 1920, vgl. WOB S.51
202.1 O ihr Liebenden der Wahrheit, ihr Diener der Menschheit! Herrliche Düfte strömten aus den Blüten eurer Gedanken und Hoffnungen. Deshalb treibt mich ein tiefes Pflichtgefühl, diese Worte niederzuschreiben.
202.2 Ihr seht, wie diese Welt in sich zerstritten ist, wieviele Länder rot sind von Blut, wie ihr Staub zu Klumpen gebacken ist mit geronnenem Menschenblut. Die Feuer des Streites lodern so hoch, dass zu keiner früheren Zeit, weder im Mittelalter noch in der Neuzeit, jemals ein so grauenhafter Krieg herrschte, ein Krieg, der die Schädel der Menschen zermalmt wie Mühlsteine das Korn. Noch viel schrecklicher, denn reiche Länder fielen in Schutt und Asche, ganze Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht, viele blühende Dörfer sind jetzt Ruinen. Väter verloren ihre Söhne und Söhne ihre Väter, Mütter zerfließen in Tränen über ihre toten Kinder, Kinder wurden zu Waisen, Frauen irren vertrieben und heimatlos umher. In jeder Hinsicht ist die Menschheit tief gesunken. Laut gellen die Schreie vaterloser Kinder, laut die schmerzerfüllten Stimmen der Mütter zum Himmel.
202.3 Der Nährboden all dieser Tragödien ist das Vorurteil: das Vorurteil der Rasse und Nation, der Religion, der politischen Meinung; und die Wurzel des Vorurteils ist die blinde Nachahmung der Vergangenheit – die Nachahmung in der Religion, bei Einstellungen zu anderen Rassen, bei nationalen Vorlieben, in der Politik. Solange dieses Nachäffen der Vergangenheit anhält, werden die Grundlagen der Gesellschaftsordnung in alle Winde verweht, und die Menschheit wird ständig den schrecklichsten Gefahren ausgesetzt sein.
202.4 Ist es heutzutage, in unserem erleuchteten Zeitalter, da vormals unbekannte Wirklichkeiten aufgedeckt und die Geheimnisse der Schöpfung dem Menschen enthüllt sind, da der Morgen der Wahrheit angebrochen ist und die Welt erleuchtet hat – ist es da überhaupt statthaft, dass die Menschen einen so fürchterlichen Krieg führen, der die Menschheit ins Verderben stürzt? Nein, bei Gott, dem Herrn!
202.5 Jesus Christus rief die ganze Menschheit zu Freundschaft und Frieden auf. Zu Petrus sprach Er: „Stecke dein Schwert in die Scheide.“1 Das war das Gebot und der Rat Christi, des Herrn; und doch haben heutzutage alle Christen ihre Schwerter aus der Scheide gezogen. Wie groß ist der Widerspruch zwischen solchem Tun und dem klaren Wortlaut des Evangeliums!
1 Joh. 18:11
202.6 Vor sechzig Jahren erhob sich Bahá’u’lláh wie die Sonne über Persien. Er erklärte, dass die Himmel der Welt verdunkelt sind, dass dieses Dunkel Unheil verkündet und schreckliche Kriege bevorstehen. Aus dem Gefängnis von ‚Akká wandte Er sich an den deutschen Kaiser in deutlicher Sprache und sagte ihm, dass ein großer Krieg bevorstehe und seine Stadt Berlin in Jammern und Wehklagen ausbrechen werde. So schrieb Er auch an den türkischen Herrscher, obwohl Er selbst ein Opfer dieses Sultans, ein Gefangener in dessen Gefängnis war; Er war in der Festung ‚Akká eingekerkert. Klar führte Er aus, dass Konstantinopel von einem plötzlichen, radikalen Umschwung überrascht würde, so heftig, dass die Frauen und Kinder der Stadt jammern und laut klagen würden. Kurz gesagt, solche Worte richtete Er an alle Monarchen und Präsidenten, und alles ereignete sich genau so, wie Er vorhersagte.
202.7 Aus Seiner machtvollen Feder ergingen vielseitige Lehren, wie Krieg zu verhindern sei; diese Lehren wurden überallhin verbreitet.
202.8 Die erste Lehre ist das unabhängige Forschen nach der Wahrheit; denn blinde Nachahmung des Vergangenen lässt den Geist verkümmern. Sobald aber jede Seele nach der Wahrheit forscht, ist die Gesellschaft befreit vom Dunkel des ständigen Wiederholens der Vergangenheit.
202.9 Sein zweites Prinzip ist die Einheit der Menschheit: Alle Menschen sind Gottes Herde, und Gott ist ihr liebender Hirte, der zärtlich für alle sorgt, ohne den einen oder anderen vorzuziehen. „Keinen Unterschied kannst du sehen in der Schöpfung des Gottes der Barmherzigkeit.“1 Alle sind Seine Diener, alle erbitten Seine Gnade.
1 Qur’án 67:3
202.10 Seine dritte Lehre ist, dass die Religion eine mächtige Feste ist, dass sie aber Liebe hervorbringen muss, nicht Böswilligkeit und Hass. Fuhrt sie zu Bosheit, Groll und Hass, so hat sie keinerlei Wert. Denn die Religion ist ein Heilmittel; wenn aber das Heilmittel krank macht, lässt man es besser weg. Noch einmal zu den religiösen, rassischen, nationalen und politischen Voreingenommenheiten: Alle diese Vorurteile treffen menschliches Leben an der Wurzel. Sie alle ziehen Blutvergießen nach sich, sie zerstören die Welt. Solange diese Vorurteile bestehen, wird es beständig schreckliche Kriege geben.
202.11 Um diesen Zustand zu heilen, brauchen wir den Weltfrieden, und um ihn zustandezubringen, muss ein höchster Gerichtshof, in welchem alle Regierungen und Völker vertreten sind, errichtet werden. Nationale wie internationale Streitfragen müssen ihm unterbreitet werden, und alle müssen die Entscheidungen dieses Gerichtshofes durchführen. Sollte eine Regierung oder ein Volk nicht gehorchen, so lasst die ganze Welt sich gegen diese Regierung oder dieses Volk erheben.
202.12 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs ist die Gleichheit von Mann und Frau und ihre völlige Gleichberechtigung. Es gibt noch viele ähnliche Grundsätze. Bereits heute ist offensichtlich, dass diese Lehren Leben und Seele der Welt sind.
202.13 O ihr Diener des Menschengeschlechts! Strebt aus ganzem Herzen danach, die Menschheit zu erlösen von den dunklen Vorurteilen, die den menschlichen Lebensumständen und der Naturwelt angehören, damit die Menschenwelt ihren Weg in das Licht der Welt Gottes finde.
202.14 Preis sei Ihm! Ihr kennt die vielfältigen Gesetze, Institutionen und Grundsätze der Welt. Nur die göttlichen Lehren können heutzutage den Frieden und die Ruhe der Menschheit sichern. Ohne diese Lehren hört das Dunkel nicht auf, werden die chronischen Krankheiten nie geheilt. Nein, sie werden sich von Tag zu Tag verschlimmern. Der Balkan wird unzufrieden bleiben. Seine Ruhelosigkeit wird wachsen. Die besiegten Mächte werden weiterwühlen. Sie werden zu jedem Mittel greifen, die Flamme des Krieges wieder zu entzünden. Neugeschaffene Bewegungen von weltweiter Bedeutung werden alle Kräfte für den Fortschritt ihrer Pläne aufbieten. Die Bewegung der Linken wird große Bedeutung erlangen. Ihr Einfluss wird sich ausbreiten.
202.15 Bemüht euch deshalb mit Gottes Hilfe, erleuchtetem Verstand, mit Herz und Hand, mit einer Kraft, die aus dem Himmel geboren ist, dass ihr Gottes Gnadengabe für die Menschen werdet und der ganzen Menschheit Frieden und Wohlfahrt bringt.
203
203.1 O du, der du den Bund Gottes innig liebst! Die Gesegnete Schönheit hat diesem Diener prophezeit, dass sich Seelen erheben werden, die wahre Verkörperungen der Führung sind, Banner der himmlischen Heerscharen, Fackeln der Einheit Gottes und Sterne Seiner reinen Wahrheit, strahlend in den Himmeln, wo Gott allein regiert. Sie werden die Blinden sehend und die Tauben hörend machen; sie werden die Toten zum Leben erwecken. Allen Völkern der Erde werden sie entgegentreten und ihre Sache mit den Beweisen des Herrn der sieben Sphären vertreten.
203.2 Ich hoffe, dass Er in Seiner Güte diese Seelen bald erwecken wird, auf dass Seine Sache erhöht werde. Der Magnet, der diese Gnade anziehen wird, ist Festigkeit im Bündnis. Danke du Gott, dass du der Festeste der Festen bist.
203.3 „O mein Gott! Hilf Du Deinem Diener, das Wort zu erhöhen und zu widerlegen, was falsch und eitel ist, die Wahrheit fest zu begründen, die heiligen Verse überallhin zu verbreiten, die Herrlichkeit zu enthüllen und das Morgenlicht in den Herzen der Rechtschaffenen anbrechen zu lassen.“
203.4 „Du bist wahrlich der Großmütige, der Vergebende.“
204
204.1 O Phönix aus der unsterblichen Flamme, die im geheiligten Baume brennt! Bahá’u’lláh – mögen mein Leben, meine Seele, mein Geist Opfer für Seine demütigen Diener sein – hat in Seinen letzten Tagen auf Erden eindrücklich verheißen, die Gnadenströme Gottes und die hilfreiche Unterstützung aus Seinem Reich in der Höhe werden dazu führen, dass sich Seelen erheben und heilige Wesen erscheinen, die sternengleich das Himmelszelt göttlicher Führung schmücken, den Tagesanbruch der liebevollen Güte und Gnadengaben erleuchten, die Zeichen der Einheit Gottes offenbaren, Seelen, die mit dem Licht der Heiligkeit und Reinheit strahlen, ihr volles Maß göttlicher Eingebung empfangen, hoch die heilige Fackel des Glaubens recken, fest stehen wie der Fels und unverrückbar wie der Berg und wachsen, um Leuchten in den Himmeln Seiner Offenbarung zu werden, breite Kanäle Seiner Gnade, Werkzeuge für die Segnungen von Gottes wohltätiger Fürsorge, Herolde, die den Namen des einen wahren Gottes ausrufen, und Bauleute an der Welt größtem Ordnungsgefüge.
204.2 Unablässig werden sie Tag und Nacht tätig sein, weder Prüfung noch Schmerz achten, keinen Aufschub in ihren Anstrengungen dulden, keine Ruhe suchen, Wohlstand und Behagen verschmähen und losgelöst und unbefleckt jeden flüchtigen Augenblick ihres Lebens der Verbreitung der Düfte Gottes, der Verherrlichung Seines heiligen Wortes weihen. Himmlische Freude wird ihr Angesicht ausstrahlen, und ihr Herz wird von Frohlocken erfüllt sein. Ihre Seelen werden erleuchtet sein, ihre Grundlagen fest verankert. In alle Welt hin werden sie sich zerstreuen, durch alle Regionen werden sie reisen. Ihre Stimme werden sie in jeder Versammlung erheben, jede Zusammenkunft werden sie schmücken und beleben. In jeder Sprache werden sie reden und alle verborgenen Bedeutungen erklären. Die Geheimnisse des Reiches Gottes werden sie offenbaren und jedem Menschen die Zeichen Gottes enthüllen. Wie helle Kerzen werden sie im Herzen jeder Versammlung brennen, wie Sterne von allen Horizonten strahlen. Die linden Lüfte aus den Gärten ihrer Herzen werden die Seelen der Menschen erwecken und durchduften, und die Enthüllungen ihres Geistes werden wie Regenschauer die Völker und Nationen der Welt neu beleben.
204.3 Ich warte, ich warte voll Ungeduld auf das Erscheinen dieser Heiligen. Wie lange werden sie noch säumen? Mein Gebet, meine flehende Bitte des Abends und des Morgens ist, diese strahlenden Sterne mögen bald ihren Glanz über die Welt ergießen, ihr gesegnetes Angesicht möge sterblichen Augen entschleiert werden, die Heerscharen göttlichen Beistands mögen ihren Sieg sichern, und die Wogen der Gnade, die aus Seinen himmlischen Meeren steigen, mögen sich über die ganze Menschheit ergießen. Betet auch ihr und fleht zu Ihm, dass durch die helfende Gunst der Altehrwürdigen Schönheit diese Seelen den Augen der Welt enthüllt werden.
204.4 Die Herrlichkeit Gottes sei mit dir und mit dem, dessen Antlitz von diesem ewigen Licht aus Seinem Reiche der Herrlichkeit erleuchtet ist.
205
205.1 O ihr verehrten Seelen! Die fortgesetzte Nachahmung veralteter überlebter Gewohnheiten machte die Welt finster wie die schwarze Nacht. Die Grundlagen der göttlichen Lehren gingen dem Gedächtnis verloren; ihr Herz und Mark gerieten ganz und gar in Vergessenheit; die Menschen hielten sich an die Schalen. Die Nationen waren in einen jämmerlichen Zustand verfallen, wie zerrissene, längst abgetragene Kleider.
205.2 Aus dieser schwarzen Finsternis dämmerten die Lehren Bahá’u’lláhs wie der Morgenglanz. Er legte der Welt ein neues, lichtes Gewand an, und dieses neue Gewand sind die Grundsätze, die von Gott herniederkamen.
205.3 Jetzt ist das neue Zeitalter angebrochen, die Schöpfung wiedergeboren. Die Menschheit ist zu neuem Leben erwacht. Der Herbst ist vorüber, der belebende Frühling ist gekommen. Alles ist neu gemacht. Künste und Gewerbe sind wiedergeboren, es gibt neue Entdeckungen in der Wissenschaft und neue Erfindungen. Selbst Einzelheiten des täglichen Lebens, wie Bekleidung und persönliche Habe – sogar Waffen: Alles dies wurde gleichfalls erneuert. Die Gesetze und Verfahren jeder Regierung wurden überarbeitet. Erneuerung ist an der Tagesordnung.
205.4 Und all dieses Neue hat seinen Ursprung in den frischen Ausgießungen wundersamer Gunst und Gnade vom Herrn des Gottesreiches. Sie haben die Welt erneuert. Deshalb müssen die Menschen gänzlich frei werden von ihren alten Denkmustern, so dass sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese neuen Grundsätze richten können, sind sie doch das Licht des Zeitalters und sein wahrer Geist.
205.5 Solange diese Lehren nicht wirksam unter den Menschen verbreitet sind, solange die alten Bahnen und Konzepte nicht verlassen und vergessen sind, wird die Welt des Seins keinen Frieden finden, geschweige denn die Vollkommenheiten des Himmelreichs widerspiegeln. Bemüht euch aus ganzem Herzen, die Achtlosen bewußt zu machen, die Schlafenden zu wecken, den Unwissenden Erkenntnis zu bringen, die Blinden sehend, die Tauben hörend zu machen und die Toten dem Leben zurückzugeben.
205.6 Ihr müsst eine solche Kraft und Beharrlichkeit zeigen, dass alle Beobachter staunen. Die Bestätigungen des Gottesreiches sind mit euch. Auf euch sei die Herrlichkeit des Allherrlichen.
206
206.1 Gepriesen sei Er, der das Dunkel zerrissen und die Nacht vertrieben, die Hüllen beseitigt und die Schleier entfernt hat, dessen Licht daraufhin erstrahlte, dessen Zeichen und Beweise verbreitet und dessen Geheimnisse aufgedeckt sind. Daraufhin teilten sich Seine Wolken, überschütteten die Erde mit Seinen Segnungen und Gnadengaben, machten mit ihrem Regen alle Dinge süß und saftig, ließen das frische Grün der Erkenntnis und die Hyazinthen der Gewissheit sprießen und vor Freude erzittern, bis die ganze Welt vom Duft Seiner Heiligkeit erfüllt war.
206.2 Gruß und Preis, Segen und Ruhm seien auf den göttlichen Wirklichkeiten, den heiligen Anemonen, die aus dieser höchsten Gnadengabe hervorkamen, dieser überströmenden Gunst, brausend wie ein brandendes Meer der Geschenke und Segnungen, das seine Wogen hoch in den Himmel wirft.
206.3 „O Gott, mein Gott! Preis sei Dir, da Du das Feuer göttlicher Liebe im Heiligen Baum auf den Gipfeln des erhabensten Berges entzündet hast: jenem Baum, der „weder des Ostens noch des Westens ist“1, und jenes Feuer, das lichterloh brannte, bis seine Flamme die himmlischen Heerscharen erreichte, bis jene Wirklichkeiten das Licht der Führung daraus einfingen und ausriefen: `Wahrlich, wir gewahrten ein Feuer am Hang des Berges Sinai.`2“
1 Qur’án 24:35
2 vgl. Qur’án 28:29
206.4 „O Gott, mein Gott! Lass dieses Feuer wachsen Tag für Tag, bis seine Glut die ganze Erde bewegt. O Du mein Herr! Entzünde das Licht Deiner Liebe in jedem Herzen, hauche den Geist Deiner Erkenntnis den Menschen in die Seele und weite ihnen die Brust mit den Versen Deiner Einheit. Rufe die ins Leben zurück, die in ihren Gräbern wohnen, warne Du die Hoffärtigen, lass weltweit Glückseligkeit herrschen, sende Deine kristallklaren Wasser hernieder, und in der Versammlung offenbaren Strahlenglanzes lass den Kelch kreisen, der `gemischt ist an der Kampferquelle`1“
1 Qur’án 76:5
206.5 „Wahrlich, Du bist der Gebende, der Verzeihende, der Ewigschenkende. Wahrlich, Du bist der Barmherzige, der Mitleidvolle.“
206.6 O ihr Geliebten Gottes! Der Kelch himmlischen Weines quillt über, der Festsaal des Gottesbundes strahlt in feierlichem Lichterglanz, der Morgen allen Segens bricht an, sanft wehen die Winde der Gnade, und aus der unsichtbaren Welt kommt frohe Botschaft über reiche Gnadengaben. Auf blumengeschmückten Auen hat die göttliche Frühlingszeit ihre Zelte aufgeschlagen, und die geistig Gesinnten atmen die süßen Dufte aus dem Saba des Geistes, die der Ostwind zu ihnen trägt. Da flötet die mystische Nachtigall ihre Lieder, und Knospen tiefer Bedeutung brechen auf zu zarten, anmutigen Blüten. Die Lerchen des Feldes sind die Festmusikanten; hoch heben sie ihre wundersamen Stimmen und singen nach den Weisen der himmlischen Heerscharen: „Selig seid ihr! Frohe Botschaft! Frohe Botschaft!“ Und sie drängen alle Zecher im Paradies Abhá, sich satt zu trinken. Auf dem Himmelsbaum halten sie lange Reden und stoßen ihre heiligen Rufe aus, damit die verwelkten Seelen in der Wüste der Achtlosigkeit und die Dahingeschwundenen im Sande der Gleichgültigkeit pulsierendes Leben gewinnen und sich einfinden bei den Festen und Lustbarkeiten Gottes, des Herrn.
206.7 Gelobt sei Er! Der Ruhm Seiner Sache erreicht Ost und West, die Nachricht von der Schönheit Abhá und ihrer Macht belebt Nord und Süd. Nah und fern ertönt jener Ruf vom amerikanischen Erdteil, ein Chorgesang der Heiligkeit steigt auf zu den Scharen der Höhe: „Ya-Bahá’u’l-Abhá!“ Jetzt ist der Osten erleuchtet in Herrlichkeit, der Westen duftet süß nach Rosen, die ganze Erde riecht nach Ambra, und die Winde, die über den Heiligen Schrein wehen, sind mit Moschus beladen. Bald werdet ihr sehen, wie die dunkelsten Länder hell erstrahlen, wie die Erdteile Europa und Afrika in Blumengärten, in Haine mit blühenden Bäumen verwandelt sind.
206.8 Weil aber diese Sonne in Persien aufging und vom Orient aus den Westen beschien, ist es unsere liebste Hoffnung, dass die Flammen der Liebesglut dortzulande noch heftiger lodern und der Strahlenglanz dieses heiligen Glaubens noch stärker leuchte. Möge der Aufruhr um die Sache Gottes dieses Land in seinen Grundmauern erschüttern, möge die geistige Kraft Seines Wortes sich solcherart offenbaren, dass der Írán zum Kern und Brennpunkt der Wohlfahrt und des Friedens wird. Mögen Rechtschaffenheit und Versöhnungsbereitschaft, Liebe und Vertrauen vom Írán ausgehen und allen auf Erden Unsterblichkeit verleihen. Möge der Írán die Banner der Staatsordnung, der reinsten Geistigkeit und des Weltfriedens auf die höchsten Gipfel pflanzen.
206.9 O ihr Geliebten Gottes! In der Bahá’í-Sendung ist die Sache Gottes reiner, unvermischter Geist. Seine Sache gehört nicht der Welt des Stoffes an. Sie steht nicht für Streit und Krieg, stiftet kein Unheil und bereitet keine Schande. Sie wünscht weder Zank mit anderen Glaubensbekenntnissen noch Hader mit den Nationen. Ihre einzige Heeresmacht ist die Gottesliebe, ihre einzige Freude der klare Wein Seiner Erkenntnis, ihr einziger Kampf die Darlegung der Wahrheit, ihr einziger Kreuzzug geht gegen das beharrende Selbst, die bösen Einflüsterungen des Menschenherzens. Ihr Sieg ist Unterwerfung und Ergebung, und Selbstlosigkeit ist ihre ewige Herrlichkeit. Kurz gesagt, die Sache Gottes ist Geist über Geist:
206.10 „Nur in der Not – tritt du die Natter tot, – zu jeder Zeit erspar‘ dem andern Leid – Sei stets bereit, – die Ameis‘ selbst zu schützen; – um wieviel mehr sollst du dem Bruder nützen!“
206.11 Lasst euer ganzes Streben dahin gehen, für jede Menschenseele, bekannt oder fremd, Gegner oder Mitstreiter, der Quell des Lebens und der Unsterblichkeit, des Friedens, des Wohlergehens und der Freude zu werden. Schaut nicht auf die Lauterkeit oder Unlauterkeit des Charakters; schaut auf die allumfassende Barmherzigkeit des Herrn, auf das Licht Seiner Gnade, das die ganze Erde mit allen, die darin wohnen, umschließt, auf die Fülle Seiner Freigebigkeit, in die alle eingetaucht sind, die Weisen wie die Unwissenden. An der Tafel Seiner Gunst sitzen Fremde und Freunde. Wie der Gläubige, so schöpft auch der Leugner, der sich von Gott abwendet, mit beiden Händen den Trank aus dem Meer Seines Segens.
206.12 Es ziemt den Geliebten des Herrn, Zeichen und Beweise Seiner allumfassenden Barmherzigkeit zu sein, Verkörperungen Seiner alles überragenden Gnade. Wie die Sonne sollen sie ihre Strahlen auf Gärten wie Schutthalden werfen, wie die Frühlingswolken ihren Regenschauer vergießen auf Blumen und Dornen. Lasst sie nur nach Liebe und Treue streben, lasst sie den Pfad der Unfreundlichkeit meiden, lasst ihre Rede beschränkt sein auf die Geheimnisse der Freundschaft und des Friedens. Das sind die Merkmale der Rechtschaffenen, das ist das Erkennungszeichen der Diener an Seiner Schwelle.
206.13 Die Schönheit Abhá erduldete die qualvollsten Trübsale. Er trug Pein und Unglück ohne Grenzen. Keinen Augenblick lebte Er in Frieden, keinen Atemzug lang fand Er Erleichterung. Heimatlos zog Er durch den Wüstensand und über Berghänge. Er war eingekerkert in einer Festung, einer Gefängniszelle. Aber für Ihn war Seine armselige Strohmatte ein unvergänglicher Thron der Herrlichkeit, Seine schweren Ketten waren Ihm Herrschergeschmeide. Tag und Nacht lebte Er unter einem sausenden Schwert, und jeden Augenblick war Er bereit, den Kreuzestod zu sterben. Er ertrug das alles, um die Welt zu läutern, um sie zu schmücken mit der sanften Gnade Gottes, des Herrn, um sie zu befrieden, um Kampf und Streit zu bannen, die Lanze und das scharfe Schwert gegen liebende Bruderschaft zu tauschen, Bosheit und Krieg in Sicherheit, Sanftmut und Liebe zu verwandeln, bis die Schlachtfelder des Hasses und des Zorns Gärten der Freude werden und dort, wo einst Heere blutig aufeinanderprallten, duftende Lustgärten entstehen, bis alle Kriegsführung als Schande gilt, jede Anwendung von Waffengewalt als widerliche Krankheit, gemieden von jedem Volk, bis der Weltfriede seine Zelte auf den höchsten Bergen errichtet und der Krieg auf ewig von der Erde verschwindet.
206.14 Deshalb müssen die Geliebten Gottes diesen Baum der Hoffnung mit den Wassern ihres ganzen Strebens fleißig nähren und pflegen. In welchem Land sie auch leben, lasst sie aus ganzem Herzen Freunde und Gefährten sein für alle, die ihnen nahe stehen oder ferne sind. Lasst sie mit himmelsgleichen Eigenschaften die Institutionen Gottes und Seine Religion fördern. Lasst sie nie den Mut verlieren, nie verzweifeln, nie sich niedergeschlagen fühlen. Je mehr Widerstand sie begegnen, desto mehr lasst sie ihren festen Glauben zeigen; je mehr Schmerz und Trübsal auf sie zukommen, desto freigebiger lasst sie allen den Kelch der Großmut reichen. Das ist der Geist, der der Welt neues Leben gibt, das ist das weithin strahlende Licht in seinem Wesenskern. Wer anders ist oder anders handelt, ist es nicht wert, an der Heiligen Schwelle des Herrn zu dienen.
206.15 O ihr Geliebten Gottes! Die Sonne der Wahrheit scheint aus unsichtbaren Himmeln hernieder. Seid euch des Wertes dieser Tage bewußt. Erhebt das Haupt und wachst, Zypressen gleich, an diesen strömenden Wassern. Freut euch der Narzisse von Najd und ihrer Schönheit; denn die Nacht wird kommen, und sie wird nicht mehr sein…
206.16 O ihr Geliebten Gottes! Gelobt sei Er, das leuchtende Banner des Bundes weht höher mit jedem Tag, wogegen die Flagge des Verrats niedergeholt wurde und auf Halbmast hängt. Die umnachteten Angreifer wurden bis ins Innerste erschüttert. Sie sind nunmehr wie zerstörte Grabstätten. Wie blinde Kreaturen, die unter der Erde hausen, kriechen und krabbeln sie um eine Ecke des Grabes; von Zeit zu Zeit kläffen und brüllen sie aus ihrem Loch heraus wie wilde Tiere. Ruhm sei Gott! Wie kann die Dunkelheit je das Licht besiegen? Wie kann der Strick des Zauberers „eine Schlange“ binden, „für alle deutlich sichtbar“? „Sieh da! Sie verschlang ihre verlogenen Wunder.“1 Wehe ihnen! Sie haben sich selbst mit einer Lüge getäuscht, und um ihrer Begierde zu frönen, haben sie ihr Ich aufgegeben. Ewige Herrlichkeit gaben sie preis für menschlichen Hochmut, die Erhabenheit beider Welten opferten sie den Wünschen des beharrenden Selbstes. Davor haben Wir euch gewarnt. Binnen kurzem werdet ihr die Toren in offensichtlichem Verlust sehen.
1 Qur’án 26:32, 26:45 Hinweis auf den Stab Mose und auf die Zauberer vor dem Thron des Pharao.
206.17 „O mein Herr und meine Hoffnung! Hilf Du Deinen Geliebten, standhaft in Deinem mächtigen Bunde zu sein, Deiner offenbaren Sache treu zu bleiben und die Befehle auszuführen, die Du für sie in Deinem Buche der Herrlichkeit verzeichnet hast, damit sie Banner der Führung, Leuchten der himmlischen Heerscharen werden, Quellen Deiner unendlichen Weisheit und Sterne, die den rechten Weg weisen, aus Deinem überirdischen Himmel herniederstrahlend.“
206.18 „Du bist wahrlich der Unbesiegbare, der Allmächtige, der Allgewaltige.“
207
207.1 O ihr, die ihr euer Antlitz der Erhabenen Schönheit zuwendet! Bei Tag und Nacht, im Morgengrauen und bei Sonnenuntergang, wenn die Dunkelheit hereinbricht und wenn das erste Licht dämmert, gedenke ich wie eh und je in den Reichen meines Geistes und meines Herzens der Geliebten des Herrn. Ich bitte Ihn, Er möge Seine Bestätigungen ergießen über die Geliebten, die in jenem reinen, heiligen Lande wohnen, und ihnen in jeder Hinsicht Erfolg gewähren: Er helfe ihnen, sich mit ihrem Charakter, ihrem Verhalten, ihren Worten, ihrer Lebensweise, mit allem, was sie sind und tun, vor den Menschen auszuzeichnen; Er führe sie in die Weltgemeinde ein, mit Herzen voller Begeisterung, Eifer und sehnsüchtiger Liebe, mit Erkenntnis und Gewissheit, mit Standhaftigkeit und Einigkeit, mit Angesichtern von strahlender Schönheit.
207.2 O ihr Geliebten des Herrn! Dies ist der Tag der Vereinigung, der Tag der Ernte für die ganze Menschheit. „Wahrlich, Gott liebt die, welche in geschlossener Front für Seine Sache kämpfen, als wären sie ein fester Wall.“1 – Beachtet, dass Er sagt: „in geschlossener Front“. Das bedeutet dichtgedrängt, jeder dem anderen untergehakt, jeder seinen Gefährten beistehend. Kämpfen, wie es in dem heiligen Vers heißt, bedeutet in dieser größten aller Sendungen nicht, mit Schwert und Speer, mit Lanze und durchbohrenden Pfeilen voranzustürmen, sondern bewaffnet zu sein mit reiner Absicht, mit rechtschaffenen Motiven, mit hilfreichen, wirksamen Ratschlägen, mit göttlichen Eigenschaften, mit Taten, die dem Allmächtigen wohlgefallen, mit den Tugenden des Himmels. Es bedeutet: die ganze Menschheit erziehen, alle Menschen führen, die süßen Düfte des Geistes weltweit verbreiten, die Beweise Gottes darlegen, schlüssige göttliche Argumente vorbringen sowie barmherzige Taten verüben.
1 Qur’án 61:4
207.3 Wann immer heilige Seelen, gestärkt von den Kräften des Himmels, sich mit solchen Tugenden des Geistes erheben und Reihe um Reihe geschlossen vorwärtsstreben, wird jede dieser Seelen gleich einem Tausend, und die brausenden Wogen dieses mächtigen Meeres werden den Bataillonen der himmlischen Heerscharen gleich. Was für ein Segen wird das sein – wenn alle zusammenkommen wie vormals getrennte Wildwasser, Flüsse und Bäche, Rinnsale und einzelne Tropfen. Sammeln sie sich an einem Platz, so bilden sie ein mächtiges Meer. In solchem Ausmaß wird sich da die Ureinheit aller Menschen durchsetzen, dass die Überlieferungen, Gewohnheiten, Gebräuche und Verschiedenheiten in dem wunderlichen Leben aller Völkerschaften in den Hintergrund treten und verschwinden, wie einzelne Tropfen vergehen, sobald das große Meer der Einheit braust und wallt und wogt.
207.4 Ich schwöre bei der Urewigen Schönheit: Überwältigende Gnade wird zu jener Zeit alle umschließen. Das Meer der Herrlichkeit wird so über die Ufer treten, dass die kleinste Pfütze zu einer endlosen See anschwillt und der winzigste Tropfen zur uferlosen Tiefe wächst.
207.5 O ihr Geliebten Gottes! Bemüht euch und strebt danach, diese hohe Stufe zu erreichen und soviel Glanz über die Erdenreiche zu verbreiten, dass seine Strahlen zurückgeworfen werden von einem Aufgangsort am Horizont der Ewigkeit. Dies ist die wahre Grundlage der Sache Gottes. Dies ist das Mark des Gesetzes Gottes. Dies ist das mächtige Bauwerk, das Gottes Manifestationen errichtet haben. Dafür geht die Sonne der Welt Gottes auf. Dafür setzt sich der Herr selbst auf den Thron Seines Menschenleibs.
207.6 O ihr Geliebten Gottes! Seht, wie der Erhabene1 – mögen die Seelen aller auf Erden ein Lösegeld für Ihn sein – um dieser hehren Absicht willen Sein gesegnetes Herz zur Zielscheibe für die Speere des Leides machte. Und weil es der wahre Vorsatz der Urewigen Schönheit war – mögen die Seelen der himmlischen Heerscharen Opfer für Ihn sein – dieses selbe himmlische Ziel zu erreichen, entblößte der Erhabene Seine heilige Brust als Zielscheibe für eine Myriade Kugeln, die das Volk der Bosheit und des Hasses auf Ihn feuerte, und so starb Er in größter Demut den Märtyrertod. Im Staube dieses Pfades verströmten Tausende und Abertausende geheiligter Seelen ihr heiliges Blut, und unzählige Male ward der gesegnete Leib eines treu Liebenden Gottes am Galgen aufgehängt.
1 der Báb
207.7 Die Schönheit Abhá – möge der Geist allen Seins für Seine Geliebten ein Opfer sein – ertrug alle Arten von Heimsuchungen und nahm schwere Leiden bereitwillig auf sich. Keine Qual, der Seine heilige Gestalt nicht ausgesetzt war, kein Leid, das nicht über Ihn gekommen wäre. Wieviele Nächte verbrachte Er schlaflos, als Er in Ketten lag, unter der Last des eisernen Ringes um Seinen Hals. Wieviele Tage ließ Ihm der brennende Schmerz der Pflöcke und Fesseln keinen Augenblick der Ruhe. Von Níyávarán nach Tihrán zwang man Ihn zu laufen – Ihn, den verkörperten Geist, der gewohnt war, auf bestickten Seidenkissen zu ruhen – in Ketten, ohne Schuhe und ohne Kopfbedeckung. Und tief unter der Erde, im undurchdringlichen Dunkel des engen Verlieses, kerkerte man lhn ein, zusammen mit Mördern, Aufrührern und Dieben. Immer wieder überfiel man ihn mit einer neuen Folter, und alle waren sicher, dass Er früher oder später den Märtyrertod erleiden würde. Später verbannte man Ihn aus Seiner Heimat und sandte Ihn in ferne, fremde Lande. Viele Jahre lang verging im ‚Iráq kein Augenblick, ohne dass der Pfeil eines neuen Leides Sein heiliges Herz durchbohrte. Mit jedem Atemzug senkte sich ein Schwert auf Seinen heiligen Leib, und keinen Augenblick konnte Er auf Sicherheit und Ruhe hoffen. Von allen Seiten richteten Seine Feinde ihren Angriff mit unstillbarem Hass gegen Ihn. Einsam und allein widerstand Er ihnen. Nach all den Verfolgungen und vernichtenden Schlägen vertrieben sie Ihn aus dem ‚Iráq, von Asien nach Europa, und dort, im bitteren Exil, in elender Not, kamen zu dem ganzen Unrecht, das lhm das Volk des Qur’án antat, noch die boshaften Verfolgungen, die heftigen Angriffe, die Anschläge, Verleumdungen, ständigen Feindseligkeiten, der Hass und die Bosheit des Volkes des Bayán. Meiner Feder fehlt die Kraft, das alles zu beschreiben; aber ihr seid sicher davon unterrichtet. Und dann, nach vierundzwanzig Jahren im Größten Gefängnis, in großer Pein und schlimmem Leid, gingen Seine Tage zu Ende.
207.8 Fassen wir zusammen: Er, die Urewige Schönheit, war immer, während Seiner ganzen Tage in dieser vergänglichen Welt, entweder ein Gefangener in Ketten, oder Er lebte unter einem Schwert, war großem Leid und Schmerz ausgesetzt und im Größten Gefängnis eingekerkert. Durch Seine körperliche Schwäche, die Seine Leiden hervorgerufen hatten, war Sein gesegneter Leib nur noch ein Schatten; über dem anhaltenden Kummer war Er leicht geworden wie ein Spinnengewebe. Und der Grund, warum Er diese schwere Last auf sich nahm und all die Qual ertrug, die einem Meere gleich. ihre Wellen hoch zum Himmel warf – der Grund, warum Er die schweren Eisenketten anlegte und die Verkörperung völliger Ergebung und Demut wurde, war, jede Seele auf Erden zu Eintracht, Mitgefühl und Einheit zu führen, unter allen Völkern das Zeichen der Einzigkeit Gottes kundzutun, damit endlich die ursprüngliche Einheit im Herzen aller erschaffenen Dinge ihre vorherbestimmte Frucht trage und der Glanz des „Keinen Unterschied kannst du in der Schöpfung des Gottes der Barmherzigkeit erkennen“1 seine Strahlen allüberall verbreite.
1 Qur’án 67:3
207.9 Jetzt ist die Zeit für eifriges Bemühen, o ihr Geliebten des Herrn! Ringt und strebt! Und weil die Urewige Schönheit Tag und Nacht auf dem Felde des Martyriums allen Angriffen ausgesetzt war, lasst auch uns hart arbeiten, auf den Rat Gottes hören und darüber nachdenken; lasst uns das Leben hingeben und unserer kurzen, ab gezählten Tage entsagen. Lasst uns den Blick wenden vom leeren Trug der bunten Formen dieser Welt, lasst uns stattdessen diesem überragenden Ziel, diesem großen Plan dienen. Lasst uns nicht unseres eigenen Wahnes wegen den Baum fällen, den die Hand himmlischer Gnade gepflanzt hat. Lasst uns nicht mit den dunklen Wolken unserer Trugbilder, unseren selbstischen Interessen, die Herrlichkeit löschen, die aus dem Reiche Abhá strömt. Lasst uns nicht Hindernisse sein, welche die brandende See des allmächtigen Gottes aufhalten. Lasst uns nicht die reinen, süßen Düfte aus dem Garten der allherrlichen Schönheit hindern, überallhin zu verströmen. Lasst uns nicht an diesem Tag der Wiedervereinigung den Frühlingsregen himmlischer Segnungen fernhalten. Lassen wir es nicht zu, dass der Sonnenglanz der Wahrheit jemals abnehme und verschwinde. So lauten die Ermahnungen Gottes, wie Er sie in Seinen Heiligen Büchern, Schriften und Sendschreiben niedergelegt hat, um Seine Ratschläge den Aufrichtigen bekanntzugeben.
207.10 Die Herrlichkeit, die Barmherzigkeit Gottes und Sein Segen seien mit euch.
208
208.1 O ihr Diener an der heiligen Schwelle! Die siegreichen Scharen der himmlischen Heere stehen in den Reichen der Höhe bereit zum Streite. Sie warten darauf, dem tapferen Ritter, der sein Streitroß voll Vertrauen auf das Feld des Dienens drängt, zum sicheren Sieg zu verhelfen. Wohl dem furchtlosen Kämpen, der, gerüstet mit der Macht wahrer Erkenntnis, auf das Schlachtfeld stürmt, die Heerhaufen der Unwissenheit zerstreut und die Truppen des Irrtums auseinanderjagt, das Banner göttlicher Führung emporhält und den Fanfarenstoß des Sieges erschallen lässt. Bei der Gerechtigkeit des Herrn! Er erringt einen herrlichen Triumph und den wahren Sieg.
209
209.1 O ihr Diener der Gesegneten Schönheit! … Es ist klar, dass an diesem Tag Bestätigungen aus der unsichtbaren Welt alle jene umfangen, welche die göttliche Botschaft weitergeben. Sollte die Lehrarbeit aufhören, würden diese Bestätigungen gänzlich abgeschnitten; denn wenn sie nicht lehren, können die Geliebten Gottes keinen Beistand finden.
209.2 Unter allen Bedingungen muss die Lehrarbeit vorangetragen werden, aber es muss mit Weisheit sein. Kann die Arbeit nicht öffentlich geschehen, so lehrt privat und bewirkt auf diese Weise Geistigkeit und Bruderschaft unter den Menschenkindern. Wird beispielsweise jeder einzelne Gläubige einem gleichgültigen Menschen zum wahren Freund, indem er sich absolut rechtschaffen benimmt, mit dieser Seele Umgang pflegt, sie mit äußerster Freundlichkeit behandelt und selbst ein Beispiel gibt für die göttlichen Lehren, die guten Eigenschaften und Verhaltensmuster, die er empfangen, handelt er zu jeder Zeit in Übereinstimmung mit den Ermahnungen Gottes, so wird er sicher nach und nach Erfolg haben, diesen vormals achtlosen Menschen erwecken und seine Unwissenheit in die Erkenntnis der Wahrheit verwandeln.
209.3 Die Seelen neigen zur Entfremdung. Zuerst sollten Schritte unternommen werden, diese Entfremdung zu beseitigen; nur dann wird das Wort wirken. Wenn ein Gläubiger einem Gleichgültigen freundlich begegnet, wenn er ihm mit großer Liebe langsam zum Verständnis der Heiligen Sache und ihrer Gültigkeit verhilft, so dass er allmählich über die Grundlagen des Gottesglaubens und über die Folgerungen daraus Wissen erlangt, so wird sich dieser Mensch bestimmt verändern – ausgenommen einige selten anzutreffende Personen, die wie Asche sind, mit Herzen „hart wie Stein oder noch härter“1.
1 Qur’án 2:74
209.4 Bemüht sich jeder der Freunde in dieser Weise, eine einzige Seele rechtzuleiten, so verdoppelt sich die Zahl der Gläubigen jedes Jahr. Das kann durch Klugheit und Weisheit vollbracht werden; keinerlei Schaden kann daraus entstehen.
209.5 Außerdem müssen die Lehrer umherreisen. Sollte die öffentliche Verbreitung der Botschaft zu Unruhen führen, so lasst sie stattdessen die Gläubigen anspornen und schulen, sie begeistern und entzücken, ihre Herzen erfreuen, sie beleben und mit dem süßen Duft der Heiligkeit erquicken.
210
210.1 O ihr Rosen im Garten der Liebe Gottes! O ihr strahlenden Leuchten in der Versammlung Seiner Erkenntnis! Gottes sanfter Atem wehe über euch, Gottes Herrlichkeit erleuchte den Horizont eurer Herzen! Ihr seid die Wogen der tiefen See des Wissens, ihr seid die vereinigte Streitmacht auf dem Schlachtfeld der Gewissheit, ihr seid die Sterne am Himmel göttlichen Erbarmens, ihr seid die Steine, die das Volk der Verdammnis in die Flucht schlagen, ihr seid Regenwolken göttlichen Mitleids über den Gärten des Lebens, ihr seid die unendliche Gnade der Einheit Gottes, die über die Wirklichkeiten alles Erschaffenen verströmt ward.
210.2 Auf der enthüllten Tafel dieser Welt seid ihr die Verse Seiner Einzigkeit, auf den hohen Zinnen der Paläste seid ihr die Banner des Herrn. In Seinen Lauben seid ihr die Blüten und süßduftenden Kräuter, im Rosengarten des Geistes die Nachtigallen, die ihre Klagelieder flöten. Ihr seid die Vögel, die sich aufschwingen zum Firmament der Erkenntnis, die königlichen Falken auf Gottes Arm.
210.3 Warum seid ihr da bedrückt und stumm, warum träge und schwerfällig? Ihr müsst aufleuchten wie der Blitz und donnern wie die mächtige See. Wie eine Kerze müsst ihr euer Licht verströmen, wie Gottes sanfte Brise müsst ihr über die Welt wehen. Wie süßer Duft aus himmlischen Gemächern, wie moschusschwere Winde aus den Gärten des Herrn müsst ihr die Atemluft für das Volk der Erkenntnis würzen, wie der Glanz der wahren Sonne müsst ihr der Menschheit Herz erleuchten; denn ihr seid die lebenspendenden Winde, ihr seid der Jasminduft aus den Gärten der Erlösten. So bringt den Toten Leben, erweckt die Schlummernden. Seid leuchtende Flammen im Dunkel der Welt; seid Quellen des Lebenswassers, seid göttliche Führung in der Wüste des Verderbens. Jetzt ist die Zeit des Dienens, jetzt ist die Zeit, entflammt zu sein. Erkennt den Wert dieser Gelegenheit, dieses günstigen Augenblicks, bevor er euch aus den Händen gleitet.
210.4 Bald wird unsere Handvoll Tage, unser vergängliches Leben, vorüber sein. Mit leeren Händen fahren wir in die Grube, die für die Verstummten ausgehoben wird. Deshalb müssen wir unsere Herzen an die offenbare Schönheit binden und uns klammern an die Rettungsleine, die nie versagt. Wir müssen uns zum Dienste rüsten, die Flamme der Liebe entzünden und in ihrer Glut verbrennen. Wir müssen unsere Zungen lösen, bis wir das Herz der weiten Welt in Brand setzen, mit den leuchtenden Strahlen der Führung die Heere der Nacht vertilgen und um Seinetwillen unser Leben auf dem Feld des Opfers von uns werfen.
210.5 So lasst uns die Juwelenschätze der Gotterkenntnis über alle Völker ausstreuen, mit der scharfen Klinge der Zunge, mit des Wissens zielsicheren Pfeilen lasst uns die Scharen des Selbstes und der Leidenschaft überwinden und vorwärtsstürmen zur Stätte des Martyriums, dem Ort, wo wir für den Herrn sterben. Und mit fliegenden Fahnen, unter Trommelwirbel lasst uns sodann hinüberschreiten ins Reich des Allherrlichen und uns den himmlischen Heerscharen anschließen.
210.6 Wohl denen, die große Taten vollbringen!
211
211.1 Wenn die Freunde sich nicht bemühen, die Botschaft zu verbreiten, gedenken sie Gottes nicht auf angemessene Weise; sie werden die Zeichen des Beistands und der Bestätigung aus dem Reich Abhá nicht sehen und die göttlichen Geheimnisse nicht verstehen. Wenn jedoch die Zunge lehrt, wird auf natürliche Weise der Lehrer selbst angeregt; er wird zum Magneten für die göttliche Hilfe und die Gnadengaben des Königreiches. Es ergeht ihm wie dem Vogel, der zur Stunde der Morgendämmerung durch seinen eigenen Gesang, sein Trillern und sein Lied hochgestimmt wird.
212
212.1 Bei solchen Gelegenheiten nutzen die Freunde Gottes die Gunst der Stunde, sie erfassen ihre Chance, stürmen vorwärts und gewinnen den Siegespreis. Wird ihre Aufgabe auf gutes Benehmen und Ratschläge beschränkt, so kommt nichts zustande. Sie müssen frei heraus reden, die Beweise darlegen, klare Argumente vorbringen, unwiderlegbare Schlüsse ziehen und damit die Wahrheit untermauern, dass die Sonne der Wirklichkeit sich offenbart hat.
213
213.1 Unter allen Umständen sollten die Gläubigen die Lehrarbeit aktiv vorantreiben, weil die göttlichen Bestätigungen davon abhängen. Wenn sich ein Bahá’í nicht gänzlich, nachhaltig und aus vollem Herzen der Lehrarbeit widmet, bleibt er zweifelsohne des Segens aus dem Reich Abhá beraubt. Allerdings sollte diese Tätigkeit durch Weisheit gezügelt werden – nicht durch jene Weisheit, die verstummen und die hohe Pflicht vergessen lässt, vielmehr durch die Weisheit, welche göttliche Toleranz, Liebe, Güte, Geduld, guten Charakter, und geheiligte Taten darzutun gebietet. Kurz gesagt, ermutigt jeden einzelnen Freund, Gottes Sache zu lehren, und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf diese in den Schriften dargelegte Bedeutung der Weisheit; sie ist das Wesen des Lehrens. Aber all das muss mit größter Toleranz geschehen, damit die Freunde himmlischen Beistand und göttliche Bestätigung erfahren.
214
214.1 Folge dem Wege deines Herrn und sprich nicht, was die Ohren nicht ertragen können, denn solche Rede ist wie eine köstliche Speise, die man kleinen Kindern gibt. Wie wohlschmeckend, erlesen und nahrhaft die Speise auch sein mag, kann sie doch nicht von den Verdauungsorganen eines Säuglings aufgenommen werden. Daher sollte jedem, der ein Anrecht hat, das ihm bestimmte Maß gegeben werden.
214.2 „Nicht alles, was ein Mensch weiß, kann enthüllt werden, noch kann alles, was er enthüllen kann, als zeitgemäß angesehen werden, noch kann jede zeitgemäße Äußerung als tauglich für die Fassungskraft der Hörer erachtet werden.“1 Diese höchste Weisheit solltest du in deinem Streben beachten. Lasse sie nicht außer acht, wenn du unter allen Umständen ein Mensch der Tat sein willst. Stelle zuerst das Leiden fest und bestimme die Krankheit, dann verschreibe das Heilmittel, denn dies ist die vollkommene Methode des fähigen Arztes.
1 von Bahá’u’lláh zitierte Überlieferung, vgl. ÄL 89:3; dazu TAHEZ I S.53ff
215
215.1 Von der Gnade unseres wahren Herrn erhoffe ich, dass du befähigt werdest, Gottes Düfte unter den Volksstämmen zu verbreiten. Das ist ungemein wichtig…
215.2 Hast du in diesem Dienst Erfolg, so zeichnest du dich aus und bist im Felde der Führer.
216
216.1 Sei sicher, dass dir der Odem des Heiligen Geistes die Zunge lösen wird. Rede deshalb; rede in jeder Versammlung frei und voller Mut! Wenn du dich anschickst, deine Ansprache zu halten, dann wende dich zuerst Bahá’u’lláh zu und bitte um die Bestätigungen des Heiligen Geistes; sodann öffne deine Lippen, sprich aus, was deinem Herzen eingegeben wird, und zwar mit höchstem Mut, voll Würde und Überzeugung. Ich hoffe sehr, dass eure Versammlungen Tag für Tag wachsen und gedeihen und die Wahrheitssucher darin vernünftigen Argumenten und schlüssigen Beweisen lauschen. Mit Herz und Seele bin ich zu jedem Treffen unter euch; sei dessen gewiss.
217
217.1 Beim Lehren muss der Lehrer selbst in Flammen stehen, damit seine Rede wie ein loderndes Feuer wirkt und den Schleier selbstsüchtiger Leidenschaft verbrennt. Er muss aber auch völlig ergeben und demütig sein, damit andere erbaut werden; völlig ausgelöscht und dahingeschwunden, damit er mit dem Lied der himmlischen Heerscharen lehrt – sonst bleibt sein Lehren ohne Wirkung.
218
218.1 O ihr lieben, vertrauten Freunde Abdu’l-Bahás! –
218.2 „Verbreitet Duft im Orient – und Strahlenglanz im Westen. – Bringt Bulgarien das Licht – und den Slawen das Leben.“
218.3 Ein Jahr nach dem Hinscheiden Bahá’u’lláhs kam dieser Vers dem Mittelpunkt des Bündnisses über die Lippen. Die Bündnisbrecher fanden ihn wunderlich und taten ihn mit Spott ab. Preis sei Gott, jetzt zeigt sich seine Wirkung, seine Kraft ist offenbar, seine Bedeutung klar; denn durch Gottes Gnade beben heute Ost und West vor Freude. Die ganze Erde duftet nach Moschus im süßen Hauch der Heiligkeit.
218.4 Die Gesegnete Schönheit hat in Seinem Buch mit unmissverständlichen Worten dieses Versprechen gegeben. „Wahrlich, von Unserem Reich der Herrlichkeit schauen Wir auf euch und werden jedem, der sich für den Sieg Unserer Sache erhebt, mit den himmlischen Heerscharen und einer Schar Unserer begünstigten Engel beistehen.“1
1 KAQ, ÄL 72:1
218.5 Gott sei Dank! Die versprochene Hilfe wurde gewährt. Alle können es sehen, sie strahlt hell wie die Sonne am Himmel.
218.6 Deshalb, o ihr Freunde Gottes, verstärkt euer Bemühen, bietet alles auf, bis ihr in eurem Dienst für die Urewige Schönheit, das Offenbare Licht, den Sieg davontragt und bewirkt, dass sich die Sonnenstrahlen der Wahrheit überallhin verbreiten. Haucht dem erschöpften, ausgelaugten Leib der Welt den frischen Lebensodem ein und legt die heilige Saat in die Ackerfurchen aller Länder. Erhebt euch, diese Sache zu verfechten. Öffnet die Lippen und lehrt. Am Versammlungsort des Lebens seid wegweisende Kerzen; an den Himmeln dieser Welt seid funkelnde Sterne; in den Gärten der Einheit seid Singvögel des Geistes, die von tiefen Wahrheiten und Geheimnissen künden.
218.7 Verströmt euren ganzen Lebensodem für diese große Sache und widmet all eure Tage dem Dienst an Bahá, so dass ihr am Ende, sicher vor schmerzlichem Verlust, die unermeßlichen Schätze des Himmelreichs erbt. Denn des Menschen Tage sind voller Gefahr; er kann sich nicht darauf verlassen, auch nur einen Augenblick weiterzuleben. Und doch erzählen sich jene, die selbst nur schwankende Trugbilder sind, dass sie am Ende die Gipfel erreichen werden. Wehe ihnen! Ihre Vorfahren hegten dieselben Einbildungen in der Brust, bis eine Welle über ihnen zusammenschlug, bis sie zum Staub zurückkehrten und sich ausgestoßen sahen in schmerzlichem Verlust – alle außer den Seelen, die sich vom eigenen Ich befreit und ihr Leben hingegeben hatten auf dem Pfade Gottes. Ihr leuchtender Stern erstrahlte am Himmel urewiger Herrlichkeit, und die Überlieferungen aller Zeiten sind Beweis für meine Worte.
218.8 Deshalb müht weder bei Tag noch bei Nacht, trachtet nicht nach Bequemlichkeit. Sprecht über die Geheimnisse der Dienstbarkeit, beschreitet den Pfad des Dienens, bis ihr den verheißenen Beistand aus den Reichen Gottes erlangt.
218.9 O Freunde! Schwarze Wolken haben die ganze Erde umhüllt. Das Dunkel des Hasses und der Bosheit, der Grausamkeit, Angriffslust und Schande verbreitet sich allenthalben. Die Menschen verbringen allesamt ihr Leben in achtloser Stumpfheit. Als höchste menschliche Tugenden gelten Raubgier und Blutdurst. Aus der ganzen Masse der Menschheit hat Gott die Freunde erwählt; ihnen gewährt Er Seine Führung und grenzenlose Gnade. Seine Absicht ist, dass wir alle uns aus ganzem Herzen bemühen, uns selbst darzubringen, andere auf Seinen Pfad zu führen und die Menschenseelen zu erziehen – bis diese rasenden Bestien sich in Gazellen auf den Auen der Einheit verwandeln, diese Wölfe in Lämmer Gottes, diese viehischen Geschöpfe in Engelsscharen, bis die Feuer des Hasses gelöscht sind und die Flamme aus dem geschützten Tal des Heiligen Schreines ihren Strahlenglanz verströmt, bis der Gestank vom Misthaufen des Tyrannen verweht und an seiner Statt der reine, süße Duft aus den Rosenbeeten des Glaubens und der Treue sich verbreitet. Dann werden die geistig Armen des göttlichen Weltgeistes in Fülle teilhaftig, und die, deren Leben schiere Gemeinheit ist, werden nach diesem läuternden, heiligen Odem trachten.
218.10 Aber es bedarf der Seelen, die solche Segnungen kundtun. Es bedarf der Bauern, diese Felder zu bestellen, der Gärtner für diese Gärten. Es muss Fische geben, die in diesem Meere schwimmen, Sterne, die an diesem Himmel leuchten. Die Kranken müssen von geistigen Ärzten behandelt werden, die Verlorenen bedürfen liebevoller Führung, so dass die Beraubten von solchen Seelen ihren Anteil erhalten, die Ausgeschlossenen bei ihnen teilhaben, die Armen unermeßlichen Reichtum bei ihnen entdecken, die Sucher unwiderlegliche Beweise von ihnen hören.
218.11 „O mein Herr, mein Beschützer, mein Beistand in Gefahr! Bescheiden wende ich mich an Dich, leidend komme ich zu Dir, um geheilt zu werden, demütig rufe ich Dich an mit meiner Zunge, meiner Seele, meinem Geist:“
218.12 „O Gott, mein Gott! Das Dunkel der Nacht hat alles verhüllt, die ganze Erde ist unter dichten Wolken begraben. In schwarze Tiefen eitlen Wahns sind die Völker der Welt versunken,- ihre Gewaltherrscher schwelgen in Hass und Greueln. Ich sehe nur das grelle Licht sengenden Feuers aus dem niedersten Abgrund aufflammen, ich höre nur das donnernde Tosen aus abertausend feurig glühenden Angriffswaffen aufheulen, während jedes Land in seiner verborgenen Sprache laut aufschreit: `Meine Reichtümer nützen mir nichts, meine Staatsgewalt ist zerfallen!`“
218.13 „O mein Herr, die Lampen der Führung sind verloschen. Hoch lodern die Flammen der Leidenschaft, und Bosheit breitet sich über die Welt. Hass und Heimtücke haben die ganze Erde überzogen, und außer Deiner kleinen unterdrückten Schar kann ich keine Seelen finden, die diesen Ruf erheben:“
218.14 Eilt zur Liebe! Eilt zu Treu und Glauben! Eilt und spendet Gaben!
Kommt, lasst euch führen!
218.15 Kommt und werdet einig! Schaut den Morgenstern!
Kommt zu Herzensgüte und Seelenruhe! Kommt zu Freundschaft und Frieden!
218.16 Kommt und werft eure Waffen des Zornes von euch, damit die Einheit errungen werde!
Kommt und lasst auf dem wahren Pfade des Herrn einen des anderen Helfer sein.
218.17 „Wahrlich, mit größter Freude, mit Herz und Seele opfern sich Deine unterdrückten Diener Für alle Menschen in jedem Land. Du siehst sie, o mein Herr, wie sie weinen über die Tränen Deines Volkes, wie sie klagen über den Schmerz Deiner Kinder, wie sie mitfühlen mit der ganzen Menschheit und mitleiden an dem Elend, das die Erdenbewohner bedrängt.“
218.18 „O mein Herr, beflügle sie zum Sieg, dass sie aufsteigen zum Heil, stärke ihnen die Lenden in der Arbeit für Dein Volk und den Rücken im Dienst an Deiner Schwelle der Heiligkeit.“
218.19 „Wahrlich, Du bist der Großmütige, wahrlich, Du bist der Barmherzige! Es gibt keinen Gott außer Dir, dem Gnädigen, dem Mitleidvollen, dem Altehrwürdigen der Tage!“
219
219.1 O ihr Söhne und Töchter des Gottesreichs! Euer Brief, der euch wahrhaftig vom Himmel eingegeben wurde, ist eingetroffen. Sein Inhalt hat sehr gefallen, steigen doch seine Empfindungen aus erleuchteten Herzen empor.
219.2 Die Gläubigen in London sind in der Tat standhaft und treu; sie sind entschlossen und beständig in ihrem Dienst. In Prüfungen versagen sie nicht, noch erlischt ihr Feuer im Verlauf der Zeit. Ja, sie sind Bahá’í! Sie sind vom Himmel, sie sind voll des Lichtes, sie sind von Gott. Ohne jeden Zweifel wird durch sie Gottes Wort erhoben und die Einheit der Menschenwelt vorangetrieben; die Lehren Gottes werden durch sie verkündet, die Gleichheit aller Angehörigen des Menschengeschlechts wird überallhin verbreitet.
219.3 Es ist leicht, dem Himmelreich zu nahen, aber mühselig, fest und standhaft darin zu bleiben; denn die Prüfungen sind hart und schwer zu ertragen. Die Engländer indes bleiben standhaft unter allen Bedingungen, ihr Schritt schwankt nicht beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten. Sie sind nicht wankelmütig; mit einem Vorhaben gehen sie nicht leichtfertig um und geben es nicht bald wieder auf. Sie verlieren nicht ihre Begeisterung und ihren Eifer aus nichtigem Anlass, wenn ihr Interesse erlahmt. Nein, in allem, was sie tun, sind sie standhaft, felsenfest und zuverlässig.
219.4 Obwohl ihr in westlichen Ländern wohnt, habt ihr doch – Gott sei gedankt – Seinen Ruf aus dem Osten vernommen. Wie Moses habt ihr die Hände gewärmt an dem Feuer, das im asiatischen Busch entzündet ward. Ihr habt den wahren Pfad gefunden, und wie Lampen erleuchtet, seid ihr eingetreten in das Gottesreich. Jetzt habt ihr euch zum Dank für diesen Segen erhoben und erbittet Gottes Hilfe für alle Völker der Erde, damit auch deren Augen die Herrlichkeit des Reiche; Abhá schauen und ihre Herzen wie Spiegel die hellen Sonnenstrahlen der Wahrheit wiedergeben.
219.5 Ich hoffe, der Odem des Heiligen Geistes wird euren Herzen so eingehaucht, dass eure Zungen die Geheimnisse der Heiligen Bücher enthüllen und deren innere Bedeutungen auslegen werden, dass die Freunde zu Ärzten werden und durch die wirksame Arznei der himmlischen Lehren die alten Krankheiten heilen, die den Leib dieser Welt quälen, dass sie die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Toten lebendig machen und alle wecken, die tief schlafen.
219.6 Seid sicher, dass die Bestätigungen des Heiligen Geistes auf euch kommen und die Heerscharen des Reiches Abhá euch den Sieg erringen.
220
An die Leser der Zeitschrift The Christian Commonwealth vom 1. Januar 1913
220.1 Der Herr der ganzen Menschheit hat das Menschenreich zum Garten Eden, zum irdischen Paradies gestaltet. Findet das Menschenreich den Weg, den es finden muss, zu Eintracht und Frieden, zu Liebe und allseitigem Vertrauen, so wird es ein wahres Gefilde der Seligkeit, eine Stätte vielfältigen Segens und unendlicher Wonne. Dann wird die Menschheit ihre Vortrefflichkeit offenbaren, dann wird die Sonne der Wahrheit ihre Strahlen auf alle Lande werfen.
220.2 Erinnert euch, wie Adam und die andern einst zusammen in Eden lebten. Kaum war jedoch ein Streit zwischen Adam und Satan ausgebrochen, da wurden sie allesamt aus dem Garten verbannt. Das sollte dem Menschengeschlecht eine Warnung sein, ein Hinweis an die Menschheit, dass aller Zwist – selbst mit dem Teufel – zu herbem Verlust führt. Deshalb lehrt Gott in unserem erleuchteten Zeitalter, dass Zank und Streit, selbst mit dem Satan, unzulässig sind.
220.3 Gnädiger Gott! Wie achtlos ist doch der Mensch, selbst mit einer solchen Lektion vor Augen! Noch immer sehen wir seine Welt im Kriegszustand von Pol zu Pol. Da gibt es Krieg zwischen den Religionen, Krieg zwischen den Nationen, Krieg zwischen den Völkern, Krieg zwischen den Herrschern. Welch eine willkommene Veränderung wäre es, zögen diese schwarzen Wolken vom Himmel der Welt hinweg, so dass der Wirklichkeit Licht überallhin strömte! Legte sich doch nur der schwarze Staub dieses fortwährenden Kämpfens und Tötens für immerdar, bliesen doch nur die linden Lüfte der Gottesgüte vom Urquell des Friedens her! So würde diese Welt zu einer anderen Welt, die Erde erstrahlte im Lichte ihres Herrn.
220.4 Wenn es eine Hoffnung gibt, so liegt sie einzig und allein in Gottes Großmut: dass Seine bestärkende Gnade komme, dass Kampf und Streit aufhören, dass die beißende Schärfe bluttriefenden Stahls in den Honigtau der Freundschaft, der Redlichkeit und des Vertrauens verwandelt werde. Wie süß läge dieser Tag auf der Zunge, wie moschusgleich wäre sein Duft!
220.5 Gebe Gott, dass das neue Jahr die Verheißung des neuen Friedens bringe. Möge Er diese erlesene Versammlung befähigen, einen gerechten Vertrag zu schließen und ein wahres Bündnis zu errichten, damit ihr für immer gesegnet seid, bis in die fernste Zukunft hinein.
221
221.1 O ihr, die ihr im Bündnis standhaft seid! Der Pilger hat jeden von euch erwähnt; er bat um einen besonderen Brief für jeden von euch, aber tausend Sorgen und Belange hindern diesen Wanderer in der Wildnis der Gottesliebe, und weil aus dem Osten und Westen der Erde eine Sturzflut von Briefen auf ihn herabregnet, wäre es unmöglich, jedem eine besondere Botschaft zu schicken. Deshalb ist dieser eine Brief an jeden von euch gerichtet. Möge er wie versiegelter Wein eure Seelen erfreuen und eure Herzen erwärmen.
221.2 O ihr standhaften Geliebten! Wie Frühlingsregen geht Gottes Gnade auf die Menschheit nieder. Der Strahlenglanz des offenbaren Lichtes lässt den Himmel die Erde beneiden. Aber ach! Die Blinden erkennen diesen Segen nicht, den Achtlosen ist er verschlossen, die Ausgemergelten verlieren die Hoffnung, die Dahinsiechenden sterben hinweg, so dass dieser endlose Gnadenstrom wie flutendes Wasser zurück zu seinem Ursprung in einem verborgenen Meer fließt. Nur einige wenige empfangen diese Gnade und nehmen ihren Anteil. Deshalb wollen wir unsere Hoffnung auf alles setzen, was der starke Arm des Geliebten hervorbringen kann.
221.3 Wir vertrauen darauf, dass die Zeit kommen wird, da die Schläfer erwachen, die Achtlosen bewußt und die Ausgeschlossenen in die Geheimnisse eingeweiht werden. Jetzt müssen die Freunde mit Herz und Seele weiterarbeiten. Sie müssen große Anstrengungen unternehmen, bis die Mauern der Zwietracht geschleift sind und die Einheit der Menschheit in ihrer Herrlichkeit alle Menschen zur Einigkeit fuhrt.
221.4 Die allüberragende Notwendigkeit ist heutzutage Einheit und Eintracht unter den Geliebten des Herrn. Sie müssen untereinander ein Herz und eine Seele sein. Sie müssen, soweit es in ihren Kräften steht, der Feindseligkeit aller Völker der Welt vereint widerstehen. Sie müssen die dummen Vorurteile aller Nationen und Religionen beseitigen und jedem Mitglied der menschlichen Gattung bekannt machen, dass alle die Blätter eines Zweiges, die Früchte eines Astes sind.
221.5 Wie aber können die Freunde andere zu Eintracht und Frieden rufen, ehe sie selbst untereinander nicht vollkommen einig sind? –
221.6 „Wie kann je hoffen, wer nicht sucht noch strebt, – dass andre im Glauben er neu belebt?“
221.7 Denkt über andere, nichtmenschliche Lebensformen nach und lasst euch ermahnen: Wolken, die auseinanderdriften, können den Segen des Regens nicht erbringen; sie sind bald verloren. Eine verstreute Schafherde fällt dem Wolf zur Beute. Alleinfliegende Vögel fängt schnell der Habicht. Was gibt es für eine bessere Beweisführung, dass Einheit zu blühendem Leben führt, während Uneinigkeit und Abkehr von den anderen nur ins Elend stürzt, denn das ist der sichere Weg zu bitterer Enttäuschung und Vernichtung.
221.8 Gottes heilige Manifestationen wurden herniedergesandt, die Einheit der Menschheit sichtbar zu machen. Sie erduldeten unzählige Übel und grenzenloses Leid, damit sich eine Gemeinde aus den auseinanderstrebenden Völkern der Menschheit im Schatten des Gotteswortes sammle, als ein Ganzes bestehe und auf Erden voll Freude und Anmut die Einheit der Menschheit vorlebe. Deshalb muss es das Verlangen der Freunde sein, alle Völker zusammenzubringen und zu vereinen, auf dass alle einen tiefen Zug reinen Weines aus dem Kelch tun, der „gekühlt ward an der Kampferquelle“1. Lasst sie die unterschiedlichen Volksgruppen zu einem Ganzen verschmelzen und die feindlichen, mordlustigen Geschlechter auf Erden dazu bringen, dass sie einander lieben. Lasst sie die Sklaven sinnlicher Wünsche aus ihren Fesseln lösen und die Ausgestoßenen mit den Geheimnissen vertraut machen. Lasst sie den Beraubten ihren Anteil an dem Segen dieser Tage geben, lasst sie die Mittellosen zu dem unerschöpflichen Schatz führen. Zustandekommen kann diese Gnade durch Worte, Lebensweisen und Taten, die dem Unsichtbaren Gottesreich zugehören; anders wird nichts daraus.
1 Qur’án 76:5
221.9 Gottes Bestätigungen sind die Bürgschaft für diesen Segen. Gottes heilige Freigebigkeit schenkt diese großen Gaben. Die Freunde Gottes werden vom Reich der Höhe unterstützt; sie erringen ihre Siege durch die Heeresmacht der höchsten Führung. So wird für sie jede Schwierigkeit erleichtert, jedes Problem einfach zu lösen.
221.10 Beachtet, wie leicht sich die Angelegenheiten einer Familie regeln lassen, wenn Einheit herrscht, welche Fortschritte die Familienmitglieder dann machen, wie erfolgreich sie in der Welt sind. Ihre Beziehungen sind geordnet, sie erfreuen sich behaglicher Ruhe. Sie sind ohne Sorge, ihre Stellung ist gesichert, sie werden von allen beneidet. Mit jedem Tag festigt eine solche Familie ihre Stellung und mehrt ihre dauernde Ehre. Und wenn wir den Bereich der Einheit ein wenig ausweiten, um die Bewohner eines Dorfes einzubeziehen, die sich bemühen, liebevoll und einig zu sein, die miteinander verkehren und freundlich zueinander sind, was für große Fortschritte werden sie machen, wie sicher und behütet werden sie sein! Dann lasst uns den Kreis noch ein bißchen weiter ziehen, lasst uns die Bewohner einer Stadt nehmen, alle zusammen: Wenn sie untereinander starke Bande der Einheit aufrichten, wie groß werden dann selbst in kurzer Zeit ihre Fortschritte sein! Welche Macht werden sie ausüben! Wird der Bereich der Einheit noch weiter ausgedehnt, stimmen also die Einwohner eines ganzen Landes ihre Herzen friedvoll, sehnen sie sich mit Herz und Seele danach, zusammenzuarbeiten und in Einheit zu leben, werden sie zueinander freundlich und liebevoll, so wird dieses Land unvergängliche Freude und bleibenden Ruhm erlangen. Es wird Frieden haben und Wohlstand im Überfluß.
221.11 Beachtet: Kämen alle Sippen, Stämme, Gemeinden, Nationen, Länder und Gebiete auf Erden im einfarbigen Zelt der Einheit der Menschheit zusammen, verkündeten sie im blendendhellen Sonnenlicht der Wahrheit die Welteinheit der Menschen, könnten sie alle Nationen und Glaubensgemeinschaften dazu bringen, weit die Arme füreinander zu öffnen, einen Weltrat einzuberufen und dazu überzugehen, die Gesellschaftsmitglieder durch feste gegenseitige Bande aneinanderzubinden, was wurde dann geschehen? Ohne jeden Zweifel erschiene dann der göttliche Geliebte in all Seiner liebreizenden Schönheit, in all Seiner Herrlichkeit vor der Versammlung der Welt, und in Seinem Gefolge eine starke Heerschar himmlischer Bestätigungen sowie menschlicher Segnungen und Gnadengaben.
221.12 Deshalb, o ihr Geliebten des Herrn, strengt euch an, tut alles, was in eurer Macht steht, damit ihr eins seid und jeder mit den anderen in Frieden lebt; denn ihr seid alle Tropfen eines Meeres, Blätter eines Baumes, Perlen einer Muschel, Blumen und Kräuter eines Gartens. Und während ihr das erreicht, bemüht euch, die Herzen der Anhänger anderer Glaubensrichtungen zu vereinen.
221.13 Selbst das Leben müsst ihr füreinander geben. Zu jedem menschlichen Wesen musst ihr unendlich freundlich sein. Nennt keinen einen Fremdling, haltet keinen für euren Feind. Verhaltet euch, als wären alle Menschen eure engen Verwandten und verehrten Freunde. Wandelt in einer Weise, dass sich diese vergängliche Welt in Herrlichkeit verklärt, dieser elende Haufen Staub zum Palast der Freude wird. Das ist der Rat Abdu’l-Bahás, des unglücklichen Dieners.
222
222.1 O ihr heimatlosen Wanderer auf dem Pfade Gottes! Wohlstand, Zufriedenheit und Freiheit, so wünschenswert und förderlich sie für das Glück des Menschenherzens auch sind, lassen sich auf keine Weise mit den Prüfungen der Heimatlosigkeit und des Ungemachs auf dem Pfade Gottes vergleichen; denn solche Vertreibung und Verbannung sind mit göttlicher Gnade gesegnet und ziehen sicherlich die Barmherzigkeit der Vorsehung nach sich. Das Wohlbefinden im eigenen Heim und die süße Freiheit von allen Sorgen werden vergehen, aber der Segen der Heimatlosigkeit wird ewig währen; seine weitreichenden Folgen werden eines Tages offenbar.
222.2 Abrahams Auszug aus Seinem Heimatland offenbarte die segensreichen Gaben des Allherrlichen, und der Untergang von Kanaans hellstem Stern enthüllte Josefs Strahlenglanz vor aller Augen. Die Flucht Mose, des Propheten am Sinai, offenbarte die Feuerflamme des Herrn, und Jesu Aufstieg hauchte der Welt den Odem des Heiligen Geistes ein. Der Aufbruch Muhammads, des Geliebten Gottes, aus Seiner Geburtsstadt führte zur Erhöhung von Gottes heiligem Wort, und die Verbannung der Geheiligten Schönheit bewirkte, dass das Licht Seiner göttlichen Offenbarung sich allenthalben ausbreitete.
222.3 Merke auf, o Volk der Einsicht!
223
223.1 O ihr Söhne und Töchter des Königreichs! Euer Brief ist angekommen. Sein Inhalt zeigt, dass eure Herzen – Preis sei Gott – überaus rein sind und eure Seelen sich Gottes froher Botschaft erfreuen. Die Masse des Volkes ist mit ihrem Selbst und mit weltlichen Wünschen beschäftigt, eingetaucht in das Meer der niederen Welt, gefangen in der Welt der Natur. Ausgenommen sind die Seelen, die von den Ketten und Fesseln der stofflichen Welt befreit sind und pfeilschnell wie die Vögel in dieses Reich grenzenloser Weite emporsteigen. Sie sind erweckt und achtsam; sie meiden das Dunkel der Naturwelt. Ihr höchster Wunsch ist darauf gerichtet, den Kampf ums Dasein zwischen den Menschen auszurotten, Geistigkeit und Liebe zum Reich der Höhe auszustrahlen, innigste Zuneigung unter den Völkern zu üben, eine enge, vertraute Verbindung zwischen den Religionen zu verwirklichen und das Ideal der Selbstaufopferung in die Tat umzusetzen. So wird die Menschenwelt in das Reich Gottes verwandelt.
223.2 O ihr Freunde! Bemüht euch mit ganzer Kraft! Jede Ausgabe setzt eine Einnahme voraus. In der heutigen Menschenwelt machen die Leute unaufhörlich nur Ausgaben; denn Krieg ist nichts als fortwährender Verbrauch an Menschen und Wohlstand. Ihr aber sollt euch mit dem befassen, was der Menschenwelt Gewinn einbringt, damit ihr diesen großen Verlust zu einem Teil ausgleicht. Durch die göttlichen Bestätigungen werdet ihr von ungefähr Beistand erhalten, wenn ihr Freundschaft und Eintracht unter den Menschen verbreitet, Feindschaft durch Liebe ersetzt, dem Weltkrieg den Weltfrieden folgen lasst und Verlust und Hass in Gewinn und Liebe umformt. Dieser Wunsch wird durch die Macht des Gottesreiches verwirklicht werden.
224
224.1 O du Diener Gottes! Dein Brief ist angekommen. Sein Inhalt war edel und erhaben, sein Ziel hochgesteckt und weitreichend. Die Menschenwelt bedarf umfassender Verbesserungen; denn sie ist ein materieller Urwald, in dem Bäume ohne Frucht und nutzlose Unkräuter wuchern. Wenn es darin überhaupt einen fruchtbaren Baum gibt, überschatten ihn die fruchtlosen Bäume, und wenn eine Blume in diesem Urwald wächst, ist sie versteckt und verborgen. Die Welt der Menschheit braucht fachkundige Gärtner, die diese Wälder in herrliche Rosengärten verwandeln, die wilden Bäume durch fruchtbare ersetzen und statt des nutzlosen Unkrauts Rosen und duftende Kräuter pflanzen. Diese tatkräftigen, umsichtigen Seelen ruhen weder bei Tag noch bei Nacht; sie streben danach, eng mit dem Reich Gottes verbunden zu sein. So werden sie für diese Wälder zu Offenbarungen grenzenloser Wohltat und zu idealen Gärtnern. Auf diese Weise wird die Menschenwelt völlig verwandelt, und die segensreichen Gnadengaben werden sichtbar.
225
225.1 O Heerscharen des Reiches Abhá! Zwei Aufrufe zu Erfolg und Wohlfahrt erschallen von den Höhen des Glücks für die Menschheit. Sie erwecken die Schläfer, sie verleihen den Blinden Sehkraft, den Achtlosen Bewußtheit, den Tauben Gehör, sie lösen den Stummen die Zunge und rufen die Toten ins Leben zurück.
225.2 Der eine ist der Ruf der Zivilisation, des Fortschritts in der stofflichen Welt. Er betrifft die Welt der Erscheinung; er fördert die Grundlagen materieller Errungenschaften und ist der Lehrmeister für die naturwissenschaftlichen Kenntnisse der Menschheit. Er umfaßt die Gesetze, Ordnungen, Künste und Wissenschaften, durch die sich die Menschenwelt entwickelt. Diese Gesetze und Ordnungen sind die Folge edler Ideale und das Ergebnis des gesunden Menschenverstands; auf das Feld des Daseins sind sie durch die Bemühungen der Weisen und Gebildeten aus früher und späterer Zeit getreten. Verkünder und Vollstrecker dieses Rufes ist die gerechte Staatsmacht.
225.3 Das andere ist der seelenbewegende Ruf Gottes, dessen geistige Lehren die ewige Herrlichkeit, das ewige Glück und die ewige Erleuchtung der Menschenwelt sichern und die Eigenschaften der Barmherzigkeit in der Menschenwelt wie auch im jenseitigen Leben offenbaren.
225.4 Dieser zweite Ruf beruht auf den Lehren und Ermahnungen des Herrn, auf den Warnungen und selbstlosen Empfindungen aus dem Reich der Sittlichkeit, die wie ein helles Licht die Lampe menschlicher Wirklichkeiten zum Strahlen bringen. Seine durchdringende Kraft ist das Wort Gottes.
225.5 Solange jedoch materielle Errungenschaften, naturwissenschaftliche Kenntnisse und menschliche Tugenden noch nicht durch geistige Vollkommenheiten, strahlende Eigenschaften und Kennzeichen der Barmherzigkeit verstärkt sind, bringen sie keine Frucht und kein Ergebnis; auch bewirken sie nicht der Menschheit Glück, welches doch das letzte Ziel ist. Denn obwohl einerseits die materiellen Errungenschaften und die Entwicklung der stofflichen Welt zu einem Wohlstand führen, der die gesteckten Ziele vorzüglich offenbart, drohen daraus doch andererseits Gefahren, schweres Unheil und gewaltige Not.
225.6 Wenn du demnach dein Augenmerk auf das geordnete Muster der Königreiche, Städte und Dörfer richtest und siehst, wie reizvoll sie geschmückt sind, wie frisch ihre natürlichen Hilfsquellen sind, wie hoch ihre Technik entwickelt ist, wie leicht ihr Verkehr fließt, welch umfangreiches Wissen über die Welt der Natur verfügbar ist, wie groß die Erfindungen, wie riesig die Unternehmen, wie vortrefflich die Entdeckungen und wissenschaftlichen Forschungen sind, so magst du daraus schließen, dass die Zivilisation der Menschenwelt zu Glück und Fortschritt gereicht. Wendest du die Augen jedoch darauf, dass Höllenmaschinen entwickelt, Zerstörungskräfte entfaltet und Kriegsgeräte erfunden werden, die den Baum des Lebens mit der Wurzel ausreißen, so wird dir klar und offenbar, wie eng die Zivilisation mit der Barbarei verbunden ist. Fortschritt und Barbarei gehen Hand in Hand, es sei denn, die materielle Zivilisation wird bestätigt durch göttliche Führung, durch die Offenbarungen des Allbarmherzigen und durch göttliche Tugenden, verstärkt durch geistiges Verhalten, durch die Ideale des Gottesreiches und die Ausgießungen aus dem Reich der Macht.
225.7 Überlege, dass heute die fortschrittlichsten, zivilisiertesten Länder der Welt in Pulverfässer, die Kontinente des Erdballs in riesige Heerlager und Schlachtfelder verwandelt sind, dass die Völker der Welt sich zu waffenstarrenden Nationen formiert haben, dass die Regierungen der Welt miteinander wetteifern, wer den ersten Schritt auf das Feld des Gemetzels und Blutvergießens tut und so die Menschheit ins tiefste Elend stürzt.
225.8 Deshalb müssen Zivilisation und materieller Fortschritt mit der Größten Führung verbunden sein, so dass diese niedere Welt der Schauplatz für die Segnungen des Gottesreiches werde und die stofflichen Errungenschaften sich mit dem Glanz des Barmherzigen vereinigen, damit die Menschenwelt ihre Schönheit und Vollkommenheit enthülle und in hell strahlender Anmut vor allen offenbare. So wird sich immerwährende Herrlichkeit und Glückseligkeit zeigen.
225.9 Preis sei Gott, im Verlauf vieler Jahrhunderte und Zeitalter wurde der Ruf der Zivilisation erhoben. Die Menschenwelt machte täglich Fortschritte. Manche Länder entwickelten sich in gewaltigen Sprüngen. Materielle Verbesserungen nahmen ständig zu, bis die Welt des Daseins die umfassende Fähigkeit erlangte, die geistigen Lehren aufzunehmen und auf den göttlichen Ruf zu hören. Der Säugling durchläuft verschiedene Entwicklungsstufen. Er wächst und entwickelt sich auf jeder Stufe, bis sein Körper das Reifealter erreicht. Auf dieser Stufe erwirbt er die Fähigkeit, geistige und intellektuelle Vollkommenheiten zu offenbaren. Das Licht des Begreifens, des Verstandes und der Erkenntnis wird an ihm sichtbar; seine Seelenkräfte entfalten sich. So hat in der bedingten Welt auch die Gattung Mensch fortschreitend körperliche Veränderungen durchgemacht und ist in einem langsamen Prozeß die Leiter der Zivilisation emporgestiegen. Sie verkörperte somit die Wunder, Vortrefflichkeiten und Gaben des Menschseins in ihrer herrlichsten Gestalt, bis sie die Fähigkeit erlangte, die Pracht geistiger Vollkommenheiten und göttlicher Ideale auszudrücken, und den Ruf Gottes vernehmen konnte. Der Ruf zum Reich Gottes wurde schließlich erhoben, die geistigen Tugenden und Vollkommenheiten wurden offenbart, die Sonne der Wirklichkeit ist aufgegangen, die Lehren über den Größten Frieden, die Einheit der Menschheit und die Allgemeingültigkeit alles Menschlichen wurden verkündet. Wir hoffen, dass diese Strahlen ihren Glanz immer stärker verbreiten, dass vollkommene Tugenden diesen Strahlenglanz immer mehr widerspiegeln, bis das Ziel dieses allumfassenden menschlichen Entwicklungsprozesses erreicht ist, bis die Liebe Gottes in höchster Anmut und Schönheit erscheint und alle Herzen in ihren Bann schlägt.
225.10 O ihr Geliebten Gottes! Wißt wahrlich, dass der Menschheit ganzes Glück in der Einheit und Eintracht des Menschengeschlechts beschlossen liegt, dass die geistigen wie materiellen Entwicklungen von Liebe und Freundschaft zwischen allen Menschen abhängen. Betrachtet die Lebewesen: die Tiere, die sich auf der Erde fortbewegen und jene, die fliegen; solche, die weiden, und solche, die andere verschlingen. Bei den Raubtieren lebt jede Art getrennt von den anderen Arten ihrer Gattung; sie beobachten einander mit größter Feindseligkeit und Gegnerschaft. Wenn sie aufeinandertreffen, kämpfen sie sofort bis aufs Blut, fletschen die Zähne und zeigen ihre Krallen. So benehmen sich wilde Bestien und blutrünstige Wölfe, fleischfressende Tiere, Einzelgänger, die um ihr Leben kämpfen. Aber die gelehrigen, gutmütigen, freundlichen Tiere, ob sie nun zu den fliegenden oder zu den grasenden Arten gehören, gesellen sich voll Zutrauen zueinander; sie sind vereint in ihren Herden, sie leben froh, glücklich und zufrieden. So etwa die Vögel, die mit ein paar Körnern zufrieden und dafür dankbar sind; sie leben in vollkommener Freude und stimmen herrliche Lieder an, wenn sie sich aufschwingen über Fluren und Steppen, Hügel und Berge. Genauso gesellen sich Weidetiere wie Schafe, Antilopen und Gazellen in größtem Einvernehmen, Vertrautheit und Eintracht zueinander. Sie leben zusammen auf Ebenen, im Zustand völliger Zufriedenheit. Hunde, Wölfe, Tiger, Hyänen und die anderen Raubtiere hingegen wenden sich voneinander ab; denn sie jagen und streifen allein umher. Die Tiere auf dem Felde und die Vögel in den Lüften meiden sich weder noch belästigen sie einander, wenn sie auf ihren Weiden oder Rastplätzen zusammentreffen; sie nehmen sich gegenseitig in Freundlichkeit an, ganz anders als die reißenden Bestien, die sich sofort zerfleischen, wenn einer in des anderen Höhle oder Lager eindringt. Ja, wenn einer nur an der Behausung des anderen vorbeigeht, stürzt dieser sofort heraus, um jenen anzugreifen und möglichst zu töten.
225.11 Hier wird deutlich, dass auch im Tierreich Liebe und Einvernehmen die Früchte einer freundlichen Gesinnung, eines reinen Wesens und eines lobenswerten Charakters sind, Uneinigkeit und Abgrenzung dagegen Kennzeichen der Raubtiere in der Wildnis.
225.12 Der Allmächtige hat den Menschen nicht mit den Klauen und Zähnen wilder Tiere erschaffen, vielmehr wurde die menschliche Gestalt mit den anmutigsten Eigenschaften versehen und ruft den vollkommensten Tugenden geschmückt. Aus Ehrerbietung vor dieser Schöpfung, aus Wertschätzung für dieses Gewand muss der Mensch Liebe und Zuneigung für seine eigene Art aufbringen, nein, alle Lebewesen muss er gerecht und unparteiisch behandeln.
225.13 Überlegt, wie Freundschaft und Eintracht bei der Menschheit zu Wohlergehen, Glück, Freude und Behagen führen, wogegen Streit und Missklang fast immer Not, Erniedrigung, Unruhe und Versagen bewirken.
225.14 Aber wehe, tausendmal wehe! Der Mensch ist gleichgültig und dieser Tatsache unbewußt. Täglich brüstet er sich mit den Merkmalen einer wilden Bestie. Siehe! Plötzlich verwandelt er sich in einen grausamen Tiger; im nächsten Augenblick wird er zur kriechenden Giftschlange! Doch die erhabenen menschlichen Errungenschaften liegen in solchen Tugenden und Eigenschaften, die ausschließlich den Engeln der himmlischen Heerscharen zugehören. So wird der Mensch, wenn lobenswerte Eigenschaften und hohe sittliche Werte von ihm ausgehen, ein himmlisches Wesen, ein Engel des Gottesreichs, eine göttliche Wirklichkeit von überirdischem Glanz. Befaßt er sich hingegen mit Kriegsführung, Streit und Blutvergießen, so wird er gemeiner als das grausamste Raubtier; denn ein blutrünstiger Wolf frißt in einer Nacht nur ein Lamm, der Mensch aber mordet Hunderttausende auf dem Schlachtfeld, übersät den Boden mit ihren Leibern und tränkt die Erde mit ihrem Blut.
225.15 Kurz gesagt, dem Menschen sind zwei Wesensarten gegeben: Die eine strebt nach Verfeinerung der Sitten und geistiger Vollkommenheit, während die andere zu tierischer Erniedrigung und fleischlichen Unvollkommenheiten neigt. Wenn ihr durch die Länder dieses Erdballs reist, seht ihr einerseits die Überreste von Verfall und Zerstörung, andererseits die Zeichen der Kultur und der Entwicklung. Verfall und Zerstörung sind das Ergebnis von Krieg, Zank und Streit, Entwicklung und Fortschritt hingegen die glänzenden Früchte der Tugend, der Zusammenarbeit und der Eintracht.
225.16 Wer durch die Wüsten Mittelasiens reist, der sieht, wieviele Städte, die einst groß und blühend waren wie Paris und London, heute zerstört und dem Erdboden gleichgemacht sind. Vom Kaspischen Meer bis zum Oxus erstrecken sich wilde, öde Steppen, Wüsten, Einöden und Täler. Zwei Tage und zwei Nächte lang fährt die russische Eisenbahn an den zerstörten Städten und unbewohnten Dörfern dieses Ödlandes vorbei. Früher trugen in dieser Ebene die vortrefflichsten Zivilisationen der Vergangenheit ihre Frucht. Die Zeichen der Entwicklung und Verfeinerung waren überall zu erkennen, Künste und Wissenschaften wurden geschützt und gefördert, Berufe und Gewerbe blühten auf, Handel und Landwirtschaft hatten einen hohen Leistungsgrad erreicht, Verwaltung und Regierungskunst fußten auf starker, kraftvoller Grundlage. Heute ist der größte Teil dieses ausgedehnten Landes Zuflucht für turkmenische Stämme und Kampfbahn für wilde Tiere. Die alten Städte dieser Ebene wie Gurgán, Nissá, Abívard und Shahristán waren in der ganzen Welt berühmt für ihre Künste, Wissenschaften, Kultur und Gewerbe, bekannt für ihren Wohlstand, ihre Größe und Vornehmheit. Sie sind einer Wildnis gewichen, in der sich keine Stimme erhebt außer dem Brüllen wilder Tiere, und in der blutrünstige Wölfe frei umherziehen. Diese Zerstörung und Verwüstung hatte ihre Ursache in Krieg und Streit, Zwietracht und Uneinigkeit zwischen Persern und Türken, die sich in Religion und Sitten unterschieden. So unnachgiebig war der Geist religiösen Vorurteils, dass die Führer ohne wahren Glauben es richtig fanden, unschuldiges Blut zu vergießen, Eigentum zu vernichten und Familienehre zu schänden. Das ist nur ein Beispiel von vielen.
225.17 Wenn du die Weltgegenden durchstreifst, wirst du zu dem Ergebnis kommen, dass aller Fortschritt auf Vereinigung und Zusammenarbeit beruht, Niedergang jedoch von Feindseligkeit und Hass herrührt. Trotzdem lässt sich die Menschenwelt nicht belehren, sie erwacht auch nicht aus dem Schlummer der Achtlosigkeit. Nach wie vor verursacht der Mensch Zwietracht, Zank und Streit, damit er Kriegsscharen aufstellen und sich dann mit Heeresmacht auf das Schlachtfeld des Blutvergießens stürzen kann.
225.18 Betrachte sodann die Erscheinungen der Verbindung und der Auflösung, des Seins und des Nichtseins. Alles Erschaffene in der bedingten Welt ist aus vielen verschiedenartigen Atomen zusammengesetzt. Sein Dasein hängt von der Verbindung dieser Atome ab. Mit anderen Worten, durch Gottes Schöpferkraft werden einfache Urstoffe zusammengefügt, so dass aus dieser Verbindung ein bestimmter Organismus entsteht. Das Dasein aller Dinge beruht auf diesem Prinzip. Wenn aber die Ordnung gestört wird, bewirkt dies Auflösung, und Verfall setzt ein. Dann hört das betroffene Ding zu bestehen auf, Das bedeutet, die Vernichtung aller Dinge hat ihre Ursache im Zerfall und in der Auflösung. Deshalb bewirkt Anziehung und Verbindung zwischen den verschiedenen Elementen Leben; Uneinigkeit, Zerfall und Teilung verursachen Tod. So ihren die Kräfte des Zusammenhalts und der Anziehung dazu, dass ertragreiche Ergebnisse und Wirkungen entstehen, während Entfremdung und Abkehr zur Verwirrung und Vernichtung der Dinge führen. Durch Verbindungsfähigkeit und Anziehung wird alles Lebendige – Pflanzen, Tiere und Menschen – ins Dasein gerufen, während Teilung und Uneinigkeit Zerfall und Zerstörung herbeiführen.
225.19 Deshalb ist alles, was der Vereinigung, Anziehung und Einheit unter den Menschenkindern dient, Mittel zum Lebenserhalt für die Menschenwelt; alles, was Teilung, Abneigung und Entfremdung bewirkt, führt die Menschheit in den Tod.
225.20 Und wenn du an Feldern und Anpflanzungen vorbeikommst, siehst du die Pflanzen, Blumen und duftenden Kräuter reich und fruchtbar zusammen wachsen und ein Muster für die Einheit abgeben. Das ist ein Beweis dafür, dass diese Anpflanzung, dieser Garten unter der Fürsorge eines erfahrenen Gärtners gedeiht. Siehst du diesen Garten aber in einem Zustand der Unordnung und Verwahrlosung, so schließest du daraus, dass ihm die Pflege eines erfahrenen Landmanns fehlt und er demzufolge Wicken und Unkraut hervorbringt.
225.21 Das zeigt, dass Freundschaft und Zusammenhalt auf die Ausbildung durch einen wahren Erzieher hindeuten, Auflösung und Trennung jedoch Beweise für Barbarei und Mangel an göttlicher Erziehung sind.
225.22 Ein Kritiker mag einwenden, die Völker, Rassen, Stämme und Gemeinden der Welt hätten verschiedene, voneinander abweichende Gebräuche, Gewohnheiten, Geschmacksrichtungen, Charaktere, Neigungen und Ideen; ihre Ansichten und Gedanken seien gegensätzlich. Wie könnte da wahre Einheit offenbar werden und vollkommener Gleichklang zwischen den Menschenseelen eintreten?
225.23 Wir antworten, dass es zwei Arten von Verschiedenheit gibt. Die eine Art bewirkt Vernichtung und gleicht der Abneigung zwischen kriegführenden Nationen und kämpfenden Stämmen, die sich gegenseitig zerstören, die Familien entwurzeln, einander die Ruhe und den Wohlstand rauben und ein Blutbad anrichten wollen. Die andere Art ist ein Zeichen der Mannigfaltigkeit; sie ist das Wesen der Vollkommenheit und bewirkt, dass die Segnungen des Allherrlichsten Herrn erscheinen.
225.24 Betrachte die Blumen eines Gartens. Obwohl sie nach Art, Farbe, Form und Gestalt verschieden sind, werden sie doch vom Wasser einer Quelle erfrischt, vom selben Windhauch belebt, von den Strahlen einer Sonne gestärkt, und so erhöht die Vielfalt ihren Reiz und steigert ihre Schönheit. Wenn die vereinende Kraft, der durchdringende Einfluss von Gottes Wort dergestalt wirkt, verschönern die unterschiedlichen Gebräuche, Verhaltensweisen, Ideen, Ansichten und Veranlagungen die Menschenwelt. Diese Mannigfaltigkeit, diese Verschiedenheit entspricht der naturgeschaffenen Ungleichheit und Vielfalt der Glieder und Organe des Menschenleibs; denn jedes trägt zur Schönheit, Wirksamkeit und Vollkommenheit des Ganzen bei. Wenn diese verschiedenen Körperteile und Organe unter den Einfluss der souveränen Seele des Menschen kommen, wenn die Macht der Seele die Gliedmaßen und Körperteile, die Venen und Schlagadern des Körpers durchpulst, dann verstärkt die Unterschiedlichkeit den Einklang, die Verschiedenartigkeit vermehrt die Liebe und die Vielfalt ist der wichtigste Antrieb für das Zusammenwirken.
225.25 Wie unerfreulich wäre es für das Auge, wenn alle Blumen und Pflanzen, Blätter und Blüten, Früchte, Zweige und Bäume jenes Gartens die gleiche Form und Farbe hätten! Vielfalt in Farbe, Form und Gestalt bereichert und verschönert den Garten und erhöht dessen Ausdruck. Werden verschiedene Schattierungen von Gedanken, Temperamenten und Charakteren unter der Macht und dem Einfluss einer zentralen Kraftquelle zusammengeführt, so wird in gleicher Weise die Schönheit und der Glanz menschlicher Vollkommenheit offenbar und sichtbar. Nur die himmlische Macht des Wortes Gottes, die die Wirklichkeit aller Dinge beherrscht und übersteigt, ist fähig, die auseinandergehenden Gedanken, Gefühle, Ideen und Überzeugungen der Menschenkinder in Einklang zu bringen. Wahrlich, sie ist die durchdringende Kraft in allen Dingen, die die Seelen bewegt und in der Welt der Menschheit alles verbindet und steuert.
225.26 Preis sei Gott! Heute erleuchtet Gottes Wort alle Horizonte mit seinem Strahlenglanz. Aus allen Religionsgemeinschaften, Rassen, -Stämmen, Nationen und Gemeinden sind Seelen im Lichte des Wortes zusammengekommen. Sie haben sich in vollkommener Eintracht versammelt und vereinigt. Oh! Wieviele Treffen werden abgehalten, geschmückt mit Seelen aus verschiedenen Rassen und Glaubensgemeinschaften! Wer dabei ist, staunt darüber und meint, dass diese Seelen einem einzigen Land angehören, einer Nationalität, einer Gemeinschaft, einem Gedanken, einem Glauben und einer Meinung. In Wirklichkeit ist der eine Amerikaner, der andere Afrikaner; einer kommt aus Asien, ein anderer aus Europa, einer ist aus Indien, ein anderer aus Turkestan; einer ist Araber, ein anderer Tadschike, einer ist Perser und wieder ein anderer Grieche. Ungeachtet dieser Verschiedenheit, sind sie in vollkommener Eintracht und Einigkeit, Liebe und Freiheit beisammen. Sie haben nur eine Stimme, einen Gedanken, eine Absicht. Wahrlich, das bewirkt die durchdringende Macht des Gotteswortes! Alle vereinten Kräfte des Weltalls wären außerstande, auch nur eine einzige Versammlung zusammenzubringen, die von den Gefühlen der Liebe, der Zuneigung, der Anziehung und Begeisterung derart durchdrungen ist, dass sie die Angehörigen der verschiedenen Rassen einigen und aus dem Herzen der Welt eine Stimme erheben könnte, die Krieg und Hader vertreibt, Zank und Streit ausrottet, das Zeitalter des Weltfriedens einführt sowie Einheit und Eintracht unter den Menschen errichtet.
225.27 Kann irgendeine Macht dem durchdringenden Einfluss des Gotteswortes widerstehen? Nein, bei Gott! Der Beweis ist klar, das Zeugnis vollkommen! Wer mit dem Auge der Gerechtigkeit schaut, wird verblüfft sein und staunen. Er wird bezeugen, dass alle Völker, Religionsgemeinschaften und Rassen der Welt über die Lehren und Ermahnungen Bahá’u’lláhs froh, zufrieden und dankbar sein sollten; denn diese göttlichen Verfügungen zähmen jedes wilde Tier, sie verwandeln das krabbelnde Insekt in einen hochfliegenden Vogel, machen die Menschenseelen zu Engeln des Gottesreiches und die Menschenwelt zum Brennpunkt für die Tugenden der Barmherzigkeit.
225.28 Des weiteren ist jedermann gehalten, seiner Regierung Gehorsam, Unterordnung und Loyalität zu erweisen. Heutzutage befindet sich kein Staat der Welt in einem Zustand des Friedens und der inneren Ruhe; denn im Volk sind Sicherheit und Vertrauen verschwunden. Regierte und Regierende sind gleichermaßen in Gefahr. Die einzige Gruppe, die sich heute friedlich und loyal den Gesetzen und Verordnungen der Regierung unterordnet und die Menschen ehrlich und offen behandelt, ist diese misshandelte Gemeinde. Alle Religionsgemeinschaften und Volksgruppen in Persien und Turkestan sind damit beschäftigt, ihre eigenen Interessen zu verfolgen, und gehorchen ihrer Regierung nur in der Hoffnung auf einen Vorteil oder aus Angst vor Strafe. Die Bahá’í da gegen stehen der Regierung wohlwollend gegenüber, gehorchen den Gesetzen und hegen Liebe für alle Völker.
225.29 Dieser Gehorsam und diese Unterordnung sind im deutlichen Buch der Schönheit Abhá allen zur Pflicht gemacht. Weil die Gläubigen dem Gebot des Einen Wahren Gehorsam leisten, bezeigen sie allen Nationen größte Aufrichtigkeit und guten Willen. Eine Seele, die den Gesetzen der Regierung zuwiderhandelt, betrachtet sich vor Gott als verantwortlich und glaubt, dass sie für ihre Sünde Gottes Zorn und Strafe verdient. Seltsamerweise meinen einige Regierungsbeamte trotz dieser Tatsache, die Bahá’í seien ihnen schlecht gesonnen, während sie die Mitglieder anderer Gemeinschaften als ihre Freunde betrachten. Gütiger Gott! Als neulich in Tihrán und anderen Provinzen Persiens allgemein Umsturz und Aufruhr herrschten, erwies es sich, dass nicht ein einziger Bahá’í beteiligt war oder sich eingemischt hätte. Die Unwissenden machten deshalb den Bahá’í Vorwürfe, weil diese dem Gebot der Gesegneten Schönheit folgten und sich von jeglicher Einmischung in politische Angelegenheiten fernhielten. Sie schlossen sich keiner Partei an, sondern gingen, mit ihren eigenen Angelegenheiten und ihren Berufen beschäftigt, ihren Pflichten nach.
225.30 Alle Freunde Gottes bezeugen die Tatsache, dass Abdu’l-Bahá für alle Regierungen und Nationen von jedem Standpunkt aus nur das Beste will und aufrichtig für ihren Fortschritt betet, ganz besonders für die beiden großen Staaten des Ostens; denn diese beiden Länder sind das Geburtsland und der Verbannungsort Bahá’u’lláhs. In allen Botschaften und Schriften hat Er diese beiden Regierungen lobend erwähnt und göttliche Bestätigungen von der Schwelle des einen wahren Gottes für sie erfleht. Die Schönheit Abhá – möge mein Leben ein Opfer für Seine Geliebten sein – brachte für Ihre Kaiserlichen Majestäten Gebete dar. Gnädiger Gott! Wie seltsam: Ungeachtet dieser schlüssigen Beweise bringt jeder neue Tag irgendein Geschehnis, und Schwierigkeiten treten auf. Aber wir und die Freunde Gottes sollten unter keinen Umständen nachlassen in unserem Bemühen, loyal, aufrichtig und wohlwollend zu sein. Wir sollten allezeit unsere Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit zeigen. Mehr noch: Wir müssen unerschütterlich bleiben in unserer Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit und uns damit befassen, Gebete zum Wohle aller darzubringen.
225.31 O ihr Geliebten Gottes, dies sind die Tage der Standhaftigkeit, der Festigkeit und der Ausdauer in der Sache Gottes. Ihr dürft eure Aufmerksamkeit nicht auf die Person Abdu’l-Bahás richten, denn binnen kurzem wird er euch Lebewohl sagen. Ihr müsst euer Augenmerk vielmehr fest auf Gottes Wort richten. Wenn das Wort Gottes gefördert wird, seid froh, glücklich und dankbar, selbst wenn Abdu’l-Bahá vom Schwert bedroht oder von Ketten und Fesseln niedergedrückt ist. Denn wichtig ist der heilige Tempel der Sache Gottes, nicht Abdu’l-Bahás leibliche Gestalt. Die Freunde Gottes müssen sich mit solcher Standhaftigkeit erheben, dass sie auch dann, wenn einmal hundert Seelen wie Abdu’l-Bahá zur Zielscheibe für die Schmerzenspfeile werden, in ihrem Entschluß, ihrer Entschiedenheit, ihrer Begeisterung, ihrer Hingabe und ihrem Dienst an der Sache Gottes nicht wanken. Abdu’l-Bahá selbst ist ein Diener an der Schwelle der Gesegneten Schönheit, ein Ausdruck reiner, gänzlicher Dienstbarkeit an der Schwelle des Allmächtigen. Er hat keine andere Stufe und keinen anderen Titel, keinen anderen Rang und keine Macht. Das ist mein höchstes Ziel, mein ewiges Paradies, mein heiligster Tempel, mein Sadratu’l-Muntahá1. Mit der Gesegneten Schönheit Abhá und mit dem Erhabenen, Seinem Herold – möge mein Leben ein Opfer für beide sein – endete die Erscheinung von Gottes unabhängiger, allumfassender Manifestation. In den nächsten tausend Jahren werden alle von Seinem Licht erleuchtet und vom Meer Seiner Gnadengaben belebt.
1 der „Baum, über den hinaus keiner gehen kann“, die Manifestation Gottes; vgl. BAQ S.321
225.32 O ihr Geliebten Gottes! Dies ist in Wahrheit mein letzter Wunsch und meine Ermahnung an euch. Selig ist, wer mit Gottes Hilfe dem folgt, was verzeichnet ist auf dieser Schriftrolle, deren Worte geheiligt sind über die Sinnbilder, die bei den Menschen im Schwange sind.
226
226.1 O du Diener Gottes! Dein Brief kam an und brachte Freude. Du hast darin deinen heißen Wunsch geäußert, dass ich dem Friedenskongreß beiwohnen soll. Ich erscheine nicht zu solchen politischen Konferenzen; denn der Frieden kann nur durch die Macht des Wortes Gottes errichtet werden. Wenn eine Konferenz einberufen wird, die alle Nationen vertritt und unter dem Einfluss des Wortes Gottes arbeitet, dann wird der Weltfriede errichtet; andernfalls ist das unmöglich.
226.2 Gegenwärtig wird mit Sicherheit ein vorläufiger Friede errichtet, aber er wird nicht von Dauer sein. Alle Regierungen und Nationen sind den Krieg leid, die Reisebeschränkungen, die unermeßlichen Ausgaben, den Verlust an Menschenleben, den Schmerz der Frauen, die vielen Waisenkinder. So sind sie zum Frieden gezwungen. Aber dieser Friede ist nicht von Dauer, er ist zeitlich begrenzt.
226.3 Wir hoffen, dass die Macht des Gotteswortes einen Frieden errichten wird, der ewig wirksam und sicher bleibt.
227
227.1 O ihr Hochgeehrten, die ihr Pioniere seid unter den Wohltätern der Menschenwelt!1
1 Dies ist der erste Teil der Antwort Abdu’l-Bahás auf einen Brief, den der Exekutiv-Ausschuß der Zentralorganisation für einen dauernden Frieden, eine private, 1915 im Haag gegründete Initiative engagierter Friedensfreunde, an Ihn gerichtet hatte. Abdu’l-Bahás Brief vom 17. Dezember 1919, den Shoghi Effendi als ein „Sendschreiben von weittragender Bedeutung“ bezeichnet (GGValt S.350), wurde 1920 von einer besonderen Bahá’í-Delegation im Haag übergeben. Vgl. Abdu’l-Bahá, Der Weltfriedens-Vertrag. Ein Brief an die Zentralorganisation für einen dauernden Frieden, Hofheim-Langenhain 1988-145.
227.2 Die Briefe, die ihr während des Kriegs abgesandt habt, sind nicht eingetroffen, aber ein Brief vom 11. Februar 1916 hat mich soeben erreicht, und darauf folgt sofort eine Antwort. Eure Absicht verdient tausendfältiges Lob; denn ihr dient der Menschenwelt, und dies führt zu aller Glück und Wohlergehen. Dieser jüngstvergangene Krieg hat der Welt und dem Volk bewiesen, dass Krieg Vernichtung ist, Weltfrieden dagegen Aufbau. Krieg ist Tod, Frieden hingegen Leben. Krieg ist Raubsucht und Blutgier, Frieden indessen Wohltat und Menschlichkeit; Krieg gehört der Welt der Natur an, Frieden aber zur Grundlage der Religion Gottes; Krieg ist Finsternis über Finsternis, während Frieden himmlisches Licht ist; Krieg zerstört den Bau der Menschheit, während Frieden der Menschenwelt ewiges Leben ist; Krieg ist wie ein reißender Wolf, Frieden aber den Engeln des Himmels gleich; Krieg ist Kampf ums Dasein, während Frieden gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit unter den Völkern der Welt ist und das Wohlgefallen des Einen Wahren im himmlischen Reiche herbeiführt.
227.3 Es gibt keine Seele, deren Gewissen nicht bezeugte, dass es heutigen Tages nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als den Weltfrieden. Jeder Gerechte bestätigt dies und bewundert jene geehrte Versammlung; denn sie verfolgt das Ziel, diese Finsternis in Licht, diesen Blutdurst in Güte, diese Folter in Wonne, diese Mühsal in Behagen und diese Feindschaft, diesen Hass in Freundschaft und Liebe zu verwandeln. Daher ist die Bemühung jener geachteten Seelen des Preises und des Lobes wert.
227.4 Der wesenhaften Beziehungen gewahr, die von den Wirklichkeiten der Dinge ausgehen, bedenken weise Seelen jedoch, dass eine einzelne Sache für sich die menschliche Wirklichkeit nicht so beeinflussen kann, wie es sein sollte und müsste; denn ehe die Menschen in ihrer Gesinnung geeinigt werden, lässt sich nichts Wichtiges bewerkstelligen. Heute ist der Weltfriede von großer Bedeutung, aber die Einheit des Gewissens ist dabei wesentlich, damit des Friedens Grundlage gesichert, sein Gefüge fest und sein Bau stark sei.
227.5 Darum erläuterte Bahá’u’lláh vor fünfzig Jahren die Frage des Weltfriedens zu einer Zeit, als Er in der Festung ‚Akká in strenger Haft Unrecht erduldete und eingekerkert war. Er schrieb über diese wichtige Angelegenheit, den Weltfrieden, an alle großen Herrscher der Welt und verwirklichte ihn im Kreise Seiner Freunde im Orient. Des Ostens Horizont war in tiefes Dunkel gehüllt, die Völker standen sich in Hass und Feindschaft gegenüber, die religiösen Gruppen lechzten nach dem Blut der anderen – es herrschte Finsternis über Finsternis. Zu solcher Zeit erstrahlte Bahá’u’lláh der Sonne gleich vom Horizont des Ostens und erhellte Persien mit dem Licht dieser Lehren.
227.6 Eine Seiner Lehren war die Erklärung des Weltfriedens. Menschen verschiedener Völker, Religionen und Sekten, die Ihm nachfolgten, kamen sich derart nahe, dass bemerkenswerte Versammlungen zustande kamen, die aus den verschiedenen Völkern und Religionen des Ostens zusammengesetzt waren. Wer solche Versammlungen besuchte, sah nur ein Volk, eine Lehre, einen Pfad, eine Ordnung; denn Bahá’u’lláhs Lehren waren ja nicht auf die Errichtung des Weltfriedens beschränkt; sie umfaßten viele Lehren, welche die des Weltfriedens ergänzten und stützten.
227.7 Eine dieser Lehren ist das selbständige Erforschen der Wirklichkeit, so dass die Menschenwelt aus dem Dunkel der Nachahmung errettet werde und zur Wahrheit gelange, dass sie das zerlumpte, abgetragene Kleid von vor tausend Jahren abreiße und wegwerfe und ein Gewand anlege, welches in höchster Reinheit und Heiligkeit auf dem Webstuhl der Wirklichkeit gewoben ist. Da es nur eine Wirklichkeit gibt, die keine Vieldeutigkeit zulässt, müssen unterschiedliche Ansichten schließlich in einer aufgehen.
227.8 Eine der Lehren Bahá’u’lláhs ist die Einheit der Menschenwelt. Alle Menschen sind Gottes Schafe, und Er ist der gütige Hirte. Dieser Hirte ist gut zu allen Schafen, denn Er schuf sie alle, erzog sie, sorgte für sie und beschützte sie. Es besteht kein Zweifel, dass der Hirte gütig zu allen Schafen ist; sind Unwissende darunter, so müssen sie belehrt werden; sind Kinder darunter, so müssen sie erzogen werden, bis sie die Reife erlangen; sind Kranke darunter, so müssen sie geheilt werden. Hass und Feindschaft darf es nicht geben. Wie von einem gütigen Arzt müssen diese Unwissenden, diese Kranken behandelt werden.
227.9 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs ist, dass Religion zu Freundschaft und Liebe führen muss. Bewirkt sie Entfremdung, dann bedarf man ihrer nicht; denn Religion ist wie eine Arznei: Verschlimmert sie das Leiden, dann wird sie unnötig.
227.10 Unter Bahá’u’lláhs Lehren finden wir ferner, dass Religion mit Wissenschaft und Vernunft in Einklang sein muss, so dass sie auf die Menschenherzen wirkt. Die Grundlage muss festgefügt sein und darf nicht auf Nachahmung beruhen.
227.11 Eine andere Lehre Bahá’u’lláhs ist, dass religiöse, rassische, politische, wirtschaftliche und vaterländische Vorurteile den Bau der Menschheit zerstören. Solange diese Vorurteile herrschen, wird die Menschenwelt keine Ruhe finden. Über einen Zeitraum von sechstausend Jahren berichtet uns die Weltgeschichte. Während dieser sechstausend Jahre war die Menschenwelt nie frei von Krieg, Streit, Mord und Blutgier. Zu jeder Zeit wurde in diesem oder jenem Land Krieg geführt; der Krieg entstand entweder aus religiösem Vorurteil oder aus rassischem Vorurteil, aus politischem Vorurteil oder aus vaterländischem Vorurteil. So ist gesichert und erwiesen, dass alle Vorurteile den Bau der Menschheit zerstören. Solange diese Vorurteile weiterbestehen, muss der Kampf ums Dasein vorherrschen, müssen Blutdurst und Raubgier fortdauern. Deshalb kann die Menschheit, wie in der Vergangenheit so auch heute, nur dann aus der Finsternis der Erdgebundenheit errettet werden und Erleuchtung empfangen, wenn sie Vorurteile ablegt und die Tugenden des Gottesreiches erwirbt.
227.12 Gehen Vorurteile und Feindseligkeiten auf das Konto der Religion, so bedenkt, dass die Religion zu Freundschaft führen muss; andernfalls ist sie unnütz. Und ist das Vorurteil nationaler Art, so bedenkt, dass alle Menschen einer Nation angehören. Alle sind dem Baume Adams entsprossen; Adam ist die Wurzel des Baumes. Der Baum ist einer, alle Völker sind wie Äste, während die einzelnen Menschen den Blättern, Blüten und Früchten daran gleichen. So sind die Bildung verschiedener Nationen und in der Folge alles Blutvergießen und alle Zerstörung am Bau der Menschheit nur menschlicher Unwissenheit und eigennützigen Beweggründen entsprungen.
227.13 Was das vaterländische Vorurteil betrifft, so entstammt auch dieses völliger Unwissenheit, denn der Erdkreis ist ein Heimatland. Jeder Mensch kann an jedem beliebigen Ort des Erdballs leben. Darum ist die ganze Welt des Menschen Vaterstadt. Grenzlinien und Grenzübergänge wurden durch den Menschen ersonnen. In der Schöpfung sind keine solchen Grenzen und Hoheitsgebiete festgeschrieben. Europa ist ein einziger Erdteil, Asien ist ein Erdteil, Afrika ist ein Erdteil, Australien ist ein Erdteil, aber einige Seelen haben aus persönlichen Beweggründen, aus Eigennutz, jeden dieser Erdteile zerteilt und einen bestimmten Teil als ihr eigenes Land betrachtet. Gott hat keine Grenze zwischen Frankreich und Deutschland gezogen: Sie gehen ineinander über. Fürwahr, in den ersten Jahrhunderten haben selbstsüchtige Seelen um ihrer eigenen Vorteile willen Grenzen und Übergänge geschaffen und ihnen Tag für Tag mehr Gewicht beigelegt, bis dies schließlich in den späteren Jahrhunderten zu heftiger Feindschaft, zu Blutvergießen und Raubgier führte. So wird es unaufhörlich weitergehen, und wenn der Gedanke der Vaterlandsliebe auf einen engen Kreis beschränkt bleibt, wird er die Hauptursache der Weltzerstörung sein. Kein kluger, gerechter Mensch wird diese eingebildeten Unterscheidungen anerkennen. Eine begrenzte Fläche, welche wir unser Vaterland nennen, betrachten wir als unsere Heimat, wo doch der ganze Erdball, nicht eine begrenzte Fläche, die Heimat aller ist. Kurz gesagt: Nur wenige Tage leben wir auf dieser Erde; schließlich werden wir darin bestattet, sie ist unser ewiges Grab. Ist dieses ewige Grab es wert, dass wir Menschenblut vergießen und einander in Stücke reißen? Nein, keineswegs: Weder ist Gott erfreut über ein solches Verhalten, noch kann es ein Mensch mit gesundem Verstand gutheißen.
227.14 Überlegt: Die glückseligen Tiere lassen sich nie in einen vaterländischen Streit ein, sie leben in bester Kameradschaft einmütig miteinander. Kommen zum Beispiel eine Taube aus dem Osten, eine Taube aus dem Westen, eine Taube aus dem Norden und eine Taube aus dem Süden zufällig zur gleichen Zeit an einem Platze zusammen, so gesellen sie sich alsbald einträchtig zueinander. So ist es bei allen glückseligen Tieren und Vögeln. Die Raubtiere aber greifen einander an, sobald sie sich treffen, kämpfen miteinander und reißen sich in Stücke. Es ist ihnen unmöglich, friedlich am selben Ort zusammenzuleben. Sie sind alle ungesellig, grausam, wild und kampflustig.
227.15 Betrachtet man das wirtschaftliche Vorurteil, so tritt klar zu Tage, dass dann, wenn man die Verbindungen zwischen den Völkern festigt und den Warenaustausch beschleunigt, jedes wirtschaftliche Prinzip, das man in einem Land durchsetzt, schließlich die anderen Länder beEinflusst und allgemeinen Nutzen stiftet. Wozu also dieses Vorurteil?
227.16 Was nun das politische Vorurteil betrifft, so muss Gottes Politik befolgt werden, und es ist unbestreitbar, dass Gottes Politik größer ist denn menschliche Politik. Wir müssen der göttlichen Politik folgen, sie gilt gleichermaßen für alle. Gott behandelt alle Menschen gleich: Kein Unterschied wird gemacht. Dies ist die Grundlage der göttlichen Religionen.
227.17 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs ist die Schaffung einer Sprache, die weltweit im Volk verbreitet werden kann. Die Feder Bahá’u’lláhs offenbarte diese Lehre, damit die Weltsprache Missverständnisse zwischen den Menschen beseitige.
227.18 Eine Lehre Bahá’u’lláhs ist ferner die Wesensgleichheit von Frauen und Männern. Die Menschenwelt hat zwei Flügel: Den einen bilden die Frauen, den anderen die Männer. Erst wenn beide Flügel gleichmäßig entwickelt sind, kann der Vogel fliegen. Bleibt ein Flügel schwächlich, so ist kein Flug möglich. Erst wenn die Frauenwelt der Männerwelt im Erwerb von Tugenden und Vollkommenheiten gleichkommt, sind Erfolg und Gedeihen so erreichbar, wie es sein soll.
227.19 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs ist das freiwillige Teilen des Eigentums mit anderen unter der ganzen Menschheit. Dieses freiwillige Teilen übertrifft die Wesensgleichheit; es bedeutet, dass der Mensch sich selbst nicht anderen vorziehen, vielmehr sein Leben und sein Eigentum für andere opfern soll. Dies soll aber nicht zwangsweise eingeführt und ein Gesetz werden, das der Mensch gezwungenermaßen befolgen muss. Im Gegenteil soll der Mensch aus freiem Antrieb, auf selbstgewähltem Opfergang, Eigentum und Leben für andere hingeben und willig den Armen spenden, wie es in Persien unter den Bahá’í geschieht.
227.20 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs ist des Menschen Freiheit: Durch die geistige Macht soll er frei werden und sich der Verhaftung in der natürlichen Welt entledigen. Denn solange der Mensch in der Natur gefangen liegt, ist er ein Raubtier, da der Kampf ums Dasein zu den Bedürfnissen der Naturwelt gehört. Dieser Kampf ums Dasein ist der Ursprung allen Elends und die höchste Not.
227.21 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs besagt, dass die Religion ein mächtiges Bollwerk ist. Wenn das Gebäude der Religion erzittert und schwankt, folgen Aufruhr und Chaos, und die Ordnung der Dinge wird völlig umgestürzt; denn in der Menschenwelt gibt es zwei Wächter, die den Menschen vor dem Unrechttun bewahren: Der eine ist das Gesetz, das den Verbrecher bestraft; aber das Gesetz verhindert nur das offenkundige Verbrechen, nicht jedoch die geheime Sunde. Hingegen verhütet der ideale Wächter, die Religion Gottes, sowohl das offenkundige wie das geheime Verbrechen. Er erzieht den Menschen, entwickelt Sittlichkeit, nötigt zur Tugend und ist die allumfassende Macht, die für das Glück der Menschenwelt die Gewähr bietet. Unter Religion aber ist das zu verstehen, was durch Forschen nach Wahrheit gesichert ist, nicht was lediglich auf Nachahmung beruht – also die Grundlagen der göttlichen Religionen, nicht menschliche Nachahmungen.
227.22 Zu den Lehren Bahá’u’lláhs gehört ferner, dass die materielle Zivilisation zwar ein Mittel zum Fortschritt der Menschenwelt ist, dass jedoch der gewünschte Erfolg – das Glück der Menschheit – erst dann zu erreichen ist, wenn die materielle Zivilisation mit der göttlichen Kultur vereinigt wird. Bedenkt! Diese Schlachtschiffe, welche eine Stadt innerhalb einer Stunde in ein Trümmerfeld verwandeln, sind das Ergebnis der materiellen Zivilisation; ebenso die Kruppkanonen, die Mausergewehre, das Dynamit, die Unterseeboote, die Torpedoboote, die Jagdflieger und Bomber. Alle diese Kriegswerkzeuge sind die bösen Früchte der materiellen Zivilisation. Wäre die materielle Zivilisation mit der göttlichen Kultur verbunden worden, so hätte man diese fürchterlichen Waffen niemals erfunden. Im Gegenteil, die menschliche Tatkraft hätte sich ganz und gar nützlichen Erfindungen zugewandt und auf rühmliche Entdeckungen konzentriert. Die materielle Zivilisation ist wie das Glas um die Lampe, die göttliche Kultur ist die Lampe selbst. Das Glas ohne Licht ist dunkel. Die materielle Zivilisation ist wie der Leib. Sei er auch noch so anmutig, elegant und schön, so ist er dennoch tot. Die göttliche Kultur ist wie der Geist; der Leib erhält sein Leben durch den Geist, sonst ist er ein Leichnam. So ist es klar, dass die Menschenwelt den Odem des Heiligen Geistes braucht. Ohne den Geist ist die Menschenwelt leblos; ohne dieses Licht verbleibt die Menschenwelt in tiefster Finsternis. Denn die Naturwelt ist eine tierische Welt. Ehe der Mensch wiedergeboren wird aus der Welt der Natur, das heißt, ehe er sich von der Naturwelt loslöst, ist er seinem Wesen nach ein Tier, und es sind die Lehren Gottes, die dieses Tier in eine menschliche Seele umwandeln.
227.23 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs ist die Förderung der Erziehung. Jedes Kind muss im erforderlichen Umfang in den Wissenschaften unterrichtet werden. Können die Eltern die Kosten dieser Erziehung tragen, so ist es gut; andernfalls muss die Gemeinde die Mittel für den Unterricht des Kindes aufbringen.
227.24 Eine weitere Lehre Bahá’u’lláhs handelt von Recht und Gerechtigkeit. Ehe nicht Recht Und Gerechtigkeit auf der Ebene des Daseins verwirklicht sind, werden alle Dinge in Unordnung sein und unvollkommen bleiben. Die Menschenwelt ist dann eine Welt der Unterdrückung und der Grausamkeit, ein Reich der Angriffslust und des Irrtums.
227.25 Kurz, es gibt viele derartige Lehren. Diese mannigfaltigen Prinzipien – die mächtigste Grundlage für der Menschen Glück, eine Gnadengabe des Barmherzigen – müssen die Sache des Weltfriedens ergänzen und damit verbunden werden, so dass Erfolge eintreten. Auf andere Art, für sich allein ist der Weltfrieden in der Menschenwelt nur schwer zu verwirklichen. So wie Bahá’u’lláhs Lehren mit dem Weltfrieden verknüpft sind, gleichen sie einer Tafel mit frischen, köstlichen Speisen aller Art. An dieser Tafel unermeßlicher Gaben kann jede Seele finden, was sie ersehnt. Bleibt aber die Frage allein auf den Weltfrieden beschränkt, so sind die herausragenden Erfolge, die man erwartet und erhofft, nicht zu erzielen. Die Perspektive des Weltfriedens muss so sein, dass alle Gemeinschaften und Religionen ihre höchste Sehnsucht darin verwirklicht finden. Bahá’u’lláhs Lehren sind so beschaffen, dass alle Gemeinschaften der Welt, religiöse, politische oder ethische, althergebrachte oder neuzeitliche, den Ausdruck ihrer höchsten Wünsche darin finden.
227.26 Zum Beispiel finden die Gläubigen der Religionen in Bahá’u’lláhs Lehren die Begründung der allumfassenden Religion, einer Religion, die vollkommen auf die gegenwärtigen Verhältnisse paßt, echte, rasche Heilung der unheilbaren Krankheit schafft, alle Schmerzen stillt und das unfehlbare Gegenmittel für jedes tödliche Gift bietet. Denn wollten wir die Menschenwelt nach den derzeit herrschenden religiösen Nachahmungen einrichten und organisieren, wollten wir darauf der Menschheit Gluck aufbauen, so wäre dies unmöglich und undurchführbar. Zum Beispiel wäre es unmöglich, die Gesetze der Thora und der anderen Religionen so durchzuführen, wie es heutiger Nachahmung entspricht. Den Wesensgrund aller göttlichen Religionen aber, der auf die Tugenden der Menschenwelt gerichtet ist und ihrer Wohlfahrt zugrundeliegt, findet man in den Lehren Bahá’u’lláhs in der vollkommensten Darstellung.
227.27 Ähnlich steht es um die Menschen, die nach Freiheit schreien. Die gemäßigte Freiheit, welche die Gewähr für die Wohlfahrt der Menschheit bietet und allumfassende Beziehungen aufrechterhält, findet ihre kraftvolle Ausprägung in den Lehren Bahá’u’lláhs.
227.28 So ist es auch bei den politischen Parteien: Die höchste Staatskunst, die Menschenwelt zu lenken, ja die Göttliche Politik findet sich in den Lehren Bahá’u’lláhs.
227.29 Desgleichen die Partei der „Gleichheit“, welche die Wirtschaftsprobleme zu lösen sucht: Bis heute haben sich alle vorgeschlagenen Lösungen als undurchführbar erwiesen, außer den wirtschaftlichen Vorschlägen in den Lehren Bahá’u’lláhs, die durchführbar sind und der Gesellschaft nicht schaden.
227.30 Und so ist es auch mit anderen Interessengruppen. Wenn ihr euch in die Sache vertieft, werdet ihr die höchsten Ziele dieser Parteien in Bahá’u’lláhs Lehren finden. Die Lehren bilden die allumschließende Macht unter den Menschen und sind durchführbar. Es gibt aber manche Lehren aus der Vergangenheit wie die aus der Thora, die heute nicht mehr anwendbar sind. Das gleiche gilt von den anderen Religionen sowie den Lehrsätzen der verschiedenen Sekten und Parteien.
227.31 Zum Beispiel sagte Bahá’u’lláh über den Weltfrieden, dass der Höchste Gerichtshof begründet werden muss. Obgleich der Völkerbund geschaffen worden ist, ist er doch unfähig, den Weltfrieden zu errichten. Der Höchste Gerichtshof aber, den Bahá’u’lláh beschrieben hat, wird diese heilige Aufgabe mit größter Macht und Kraft erfüllen. Sein Plan geht dahin, dass die Nationalversammlungen jedes Landes und jeder Nation, das heißt, die Parlamente, zwei oder drei Personen auswählen, die Edelsten ihres Volkes, Kenner des internationalen Rechts sowie der Beziehungen zwischen den Regierungen, dazuhin vertraut mit den wesentlichen Bedürfnissen der heutigen Menschheit. Die Zahl dieser Abgeordneten sollte im Verhältnis zu der Bevölkerungszahl des Landes stehen. Die Wahl dieser Seelen durch die Nationalversammlung, das heißt, durch das Parlament, ist vom Oberhaus, vom Kongreß, vom Kabinett und ebenso vom Präsidenten oder Monarchen zu bestätigen, damit diese Persönlichkeiten die Gewählten des ganzen Volkes und der Regierung sind. Aus diesem Personenkreis sind die Mitglieder des Höchsten Gerichtshofes zu wählen. Die ganze Menschheit hat somit Anteil daran; denn jeder Abgeordnete vertritt die ganze Nation. Wenn der Höchste Gerichtshof zu einer internationalen Frage ein Urteil fällt, entweder einmütig oder durch Mehrheitsbeschluß, so gibt es keinen Einwand mehr für den Kläger und keine Ausflucht für den Beklagten. Falls eine Regierung oder Nation die unwiderlegliche Entscheidung des Höchsten Gerichtshofs missachtet oder die Ausführung verschleppt, werden die übrigen Nationen dagegen auftreten; denn alle Regierungen und Nationen der Welt sind die Stutzen dieses Höchsten Gerichtshofs. Überlegt, wie fest diese Grundlage ist! Ein beschränkter, eingeengter Bund jedoch erfüllt den Zweck nicht angemessen. Dies ist die Wahrheit über die erwähnte Lage. …
228
228.1 O Diener an der Schwelle Bahá’u’lláhs!1 Dein Brief vom 14. Juni 1920 ist angekommen. Ein Brief von einigen Mitgliedern des Friedensausschusses ging ebenfalls zu; ihnen wurde eine Antwort erteilt. Händige sie ihnen aus.
1 Mirzá Ahmad Khán Yazdáni (1891 – 1977), der Überbringer von Abdu’l-Bahás Brief an die Zentralorganisation für einen dauernden Frieden im Haag; vgl. Abschnitt 227
228.2 Es ist klar, dass dieses Treffen nicht das ist, wofür es gehalten wird, ist es doch außerstande, die Angelegenheiten so zu ordnen, wie es richtig und nötig wäre. Wie dem auch sei: Die Sache, um die man sich bemüht, ist von höchster Wichtigkeit. Das Treffen im Haag sollte so viel Macht und Einfluss haben, dass sein Wort auf die Regierungen und Nationen wirkt. Weise die verehrten dort versammelten Mitglieder darauf hin, dass die vor dem Krieg abgehaltene Haager Konferenz den Zaren von Rußland zum Präsidenten hatte und dass ihre Mitglieder Männer von höchstem Rang waren. Dennoch hat das diesen schrecklichen Krieg nicht verhindert. Wie wird es weitergehen? In der Zukunft wird mit Sicherheit ein weiterer Krieg ausbrechen, schrecklicher als der letzte. Wahrlich, daran gibt es keinerlei Zweifel. Was kann das Treffen im Haag ausrichten?
228.3 Aber die von Bahá’u’lláh niedergelegten Grundsätze verbreiten sich Tag für Tag. Übergib ihnen die Antwort auf ihren Brief, zeige ihnen die größte Liebe und Güte; dann überlasse sie ihren eigenen Angelegenheiten. Auf jeden Fall solltest du ihr Wohlwollen erlangen, und wenn sie zustimmen, kannst du meinen ausführlichen Lehrbrief, der bereits ins Englische übersetzt ist, drucken lassen und verbreiten.
228.4 Was die Esperantisten betrifft, so pflege mit ihnen Umgang. Wann immer du unter ihnen jemanden aufnahmebereit findest, überbringe ihm den Duft des Lebens. Sprich bei allen Treffen über die Lehren Bahá’u’lláhs; denn das führt heutzutage in den westlichen Ländern zum Erfolg. Und wenn sie Fragen stellen über deinen Glauben an Bahá’u’lláh, so antworte, dass wir Ihn als der Welt höchsten Lehrer und Erzieher in diesem Zeitalter betrachten. Stelle sodann klar heraus und erkläre im einzelnen, dass diese Lehren über den Weltfrieden und andere Themen durch Bahá’u’lláhs Feder schon vor fünfzig Jahren offenbart wurden, dass sie bereits in Persien und Indien veröffentlicht und über die ganze Welt verbreitet sind. Anfangs standen alle der Idee des Weltfriedens skeptisch gegenüber und betrachteten sie als Unmöglichkeit. Sprich des weiteren über Bahá’u’lláhs Größe, über die Ereignisse in Persien und der Türkei, über Bahá’u’lláhs erstaunlichen Einfluss, über den Inhalt Seiner an alle Herrscher gerichteten Sendschreiben und über deren Erfüllung. Sprich auch über die Verbreitung der Bahá’í-Sache. Arbeite mit dem Ausschuß für den Weltfrieden im Haag so eng wie möglich zusammen und erweise ihnen alle Höflichkeit.
228.5 Es zeigt sich, dass die Esperantisten aufnahmebereit sind; du kennst ihre Sprache und bist darin bewandert. Setze dich auch mit den Esperantisten in Deutschland und anderswo in Verbindung. Das Schrifttum, das du verbreitest, sollte sich ausschließlich mit den Lehren beschäftigen. Die Verbreitung anderer Schriften ist derzeit nicht ratsam. Es ist meine Hoffnung, dass die göttlichen Bestätigungen dich ständig unterstützen…
228.6 Sei nicht traurig über die Gleichgültigkeit und Kälte der Haager Versammlung. Setze dein Vertrauen in Gott. Wir hoffen, dass die Esperanto-Sprache in Zukunft machtvoll auf das Volk wirkt. Du hast jetzt den Samen gesät. Sicherlich wird er wachsen. Sein Wachstum hängt von Gott ab.
229
229.1 O du aufrichtiger Diener des Wahrhaftigen! Ich höre, du bist traurig und niedergeschlagen über die Ereignisse in der Welt und die Wechselfälle des Schicksals. Wozu diese Furcht und Besorgnis? Wer die Schönheit Abhá wahrhaft liebt, wer den Kelch des Bündnisses leert, der fürchtet kein Unglück, noch fühlt er sich niedergeschlagen in der Stunde der Prüfung. Das Feuer der Not ist sein Lustgarten, und in den Tiefen der See erlebt er die Weiten des Himmels.
229.2 Du stehst unter dem Obdach Gottes, im Schatten des Baumes Seines Bündnisses. Warum sorgst du dich? Warum klagst du? Bleibe ruhig und habe Vertrauen! Halte freudig und friedevoll, ernst und aufrichtig die Gebote, die dein Herr niedergeschrieben hat. Wünsche deinem Land und deiner Regierung das Beste. Seine Gnade wird dir allzeit beistehen, Sein Segen wird dir gewährt, und die Sehnsucht deines Herzens wird gestillt werden.
229.3 Bei der Altehrwürdigen Schönheit – möge mein Leben ein Opfer für Seine Geliebten sein! Würden die Freunde erkennen, welche ruhmreiche Souveränität ihnen der Herr in Seinem Königreich bestimmt hat, sie wären gewiss von Entzücken erfüllt; sie sähen sich gekrönt mit unsterblicher Herrlichkeit und gerieten vor Begeisterung außer sich. Binnen kurzem wird sich erweisen, wie prächtig das Licht Seiner gütigen Sorge und Barmherzigkeit auf Seine Geliebten strahlt, welch stürmische See in ihren Herzen aufgewühlt ward! Dann werden sie laut ausrufen: Glücklich sind wir, lasst alle Welt frohlocken!
230
230.1 O du verehrte Persönlichkeit! Dein zweiter Brief vom 19. Dezember 1918 ist eingegangen. Er brachte große Freude, denn er zeigt deine Festigkeit und Standhaftigkeit im Bund und Testament wie auch dein Verlangen, den Ruf zum Reich Gottes zu erheben. Heute ist der Ruf zum Gottesreich der Magnet, welcher die Menschenwelt zu sich hinzieht; denn groß ist die Fassungskraft des Menschen. Göttliche Lehren bilden den Geist dieses Zeitalters, mehr noch, sie sind die Sonne dieses Zeitalters. Jede Seele muss sich mühen, die Schleier vor dem menschlichen Auge zu zerreißen. Dann ist sofort die Sonne zu sehen; Auge und Herz werden von ihr erleuchtet.
230.2 Nun ruhen durch Gottes Hilfe und Großmut diese Kraft der Führung und diese barmherzige Gnadengabe in dir. Erhebe dich deshalb mit höchster Macht, damit du den modernden Gebeinen den Geist schenkst, den Blinden die Sehkraft, den Bedrückten Balsam und Frische, den Mutlosen lebendige Anmut. Jede Lampe verlöscht zuguterletzt, außer der Lampe des Gottesreichs; ihr Glanz wächst von Tag zu Tag. Jeder Ruf verhallt schließlich, außer dem Ruf zum Reich Gottes; er erschallt Tag für Tag. Jeder Pfad windet sich, außer der Straße des Königreichs; sie wird täglich bequemer. Das Himmelslied lässt sich ohne Zweifel nicht an einem irdischen Lied messen, das Kunstlicht nicht mit der himmlischen Sonne vergleichen. So muss sich der Mensch um das bemühen, was fortdauert und ewig währt, damit er in wachsendem Maße erleuchtet, gestärkt und neu belebt werde…
230.3 Ich bete und flehe zum himmlischen Reich, dass dein Vater, deine Mutter und dein Bruder durch das Licht der Führung das Reich Gottes betreten.
231
231.1 O du Blüte am Baum des Lebens! Glücklich bist du, denn du hast deine Lenden im Dienste gegurtet, hast dich mit ganzer Kraft für die Verkündung der göttlichen Lehren erhoben, Versammlungen einberufen und dich um die Verherrlichung des Gotteswortes bemüht.
231.2 In dieser sterblichen Welt hat alles Wichtige ein Ende, und jede noch so außergewöhnliche Errungenschaft findet ihren Abschluß. Nichts ist von Dauer. Betrachte zum Beispiel die wichtigen Errungenschaften der Antike, sie sind gänzlich verschwunden und keine Spur blieb von ihnen zurück, außer der großen Sache des Gottesreiches, die keinen Anfang und kein Ende hat. Sie wird allenfalls erneuert. Zu Beginn einer jeden Erneuerung schauen die Menschen darüber hinweg; wenn aber die Sache Gottes endgültig errichtet ist, schreitet sie täglich voran, und ihre tägliche Verherrlichung erreicht die höchsten Himmel.
231.3 Betrachte zum Beispiel den Tag Christi, den Tag der Erneuerung des Gottesreiches. Das Volk der Welt schenkte ihm keine Beachtung und erkannte seine Bedeutung so wenig, dass die Grabstätte Christi für die folgenden dreihundert Jahre vergessen und unbekannt blieb, bis Gottes Magd Helena, die Mutter Konstantins, kam und den heiligen Ort entdeckte.
231.4 Meine Absicht bei alledem ist zu zeigen, wie schlecht das Volk der Welt beobachtet, wie unwissend es ist, wie achtlos und gleichgültig es an dem Tag verharrt, da das Gottesreich errichtet wird.
231.5 Binnen kurzem wird die Macht des Gottesreiches die ganze Welt umfassen. Dann werden die Menschen auferweckt; sie werden schreien und wehklagen über all jene, die unterdrückt wurden und den Märtyrertod fanden, und sie werden seufzen und jammern. So ist der Menschen Wesensart.
232
232.1 Was Präsident Wilson betrifft, so finden sich die vierzehn Prinzipien die er aufgestellt hat zum größten Teil in den Lehren Bahá’u’lláhs. Deshalb hoffe ich, dass er bestätigt und unterstützt werde. Heute dämmert der Weltfrieden am Horizont; ich hoffe, dass sein Morgen vollends anbricht und das Dunkel des Krieges, des Zanks und Streits unter den Menschen in das Licht der Einheit, der Eintracht und Zuneigung verwandelt.
233
233.1 O ihr treuen Freunde, ihr aufrichtigen Diener Bahá’u’lláhs! Zur Zeit der Mitternachtswache, da alle Augen im Schlummer geschlossen sind und alle in tiefem Schlaf ihr Haupt auf das Ruhelager betten, wacht Abdu’l-Bahá in der Umfriedung des Heiligen Schreines, und in glühender Beschwörung spricht er dieses sein Bittgebet:
233.2 „O du gütige, liebende Vorsehung! Der Osten bebt, der Westen brandet wie die ewigen Wogen der See. Weithin wehen der Heiligkeit sanfte Winde, und aus dem Unsichtbaren Königreich strahlt die Sonne der Wahrheit in hellem Glanz. Die Hymnen göttlicher Einheit erklingen, die Banner himmlischer Macht wehen. Die Engelsstimme erschallt, und wie Leviathans Gebrüll dröhnt der Ruf nach Selbstlosigkeit und Selbstauslöschung. `Yá Bahá’u’l-Abhá` hallt der Siegesruf von allen Seiten, und `Yá ‚Alíyyu’l-‚Alá` erschallt es durch alle Lande. Nichts bewegt sich in der Welt, es sei denn durch die Herrlichkeit des großen Verzückers der Herzen, und kein Aufuhr tritt ein, außer im Wogen der Liebe zu Ihm, dem Unvergleichlichen, dem Heißgeliebten.“
233.3 „Mit ihrem moschusduftenden Odem brennen die Geliebten des Herrn in allen Landen wie leuchtende Kerzen, und allüberall trifft man auf die Freunde des Allbarmherzigen, die sich wie Blumen entfalten. Keinen Augenblick rasten sie, keinen Atemzug tun sie, ohne Deiner zu gedenken, und nichts erflehen sie als den Dienst an Deiner Sache. In den Fluren der Wahrheit sind sie wie süß flötende Nachtigallen, im Blumengarten der Führung sind sie wie leuchtend bunte Blüten. Mit mystischen Blumen schmücken sie die Pfade im Garten der Wirklichkeit, wie wogende Zypressen säumen sie die Ufer am Strom des göttlichen Willens. Hoch über dem Horizont des Seins leuchten sie wie strahlende Sterne,- am Firmament der Welt glänzen sie wie helle Sonnen. Manifestationen himmlischer Gnade sind sie, Morgenröten des Lichtes göttlichen Beistands.“
233.4 „Gib, o Du liebender Herr, dass alle fest und standhaft bleiben, in ewiger Herrlichkeit so strahlend, dass mit jedem Atemzug sanfte Winde aus den Gemächern Deiner Gnade wehen, dass aus dem Meer Deiner Gunst ein belebender Sprühregen aufsteige, dass Deiner Liebe wohltätige Schauer Frische schenken und der Zephir seinen Duft aus dem Rosengarten göttlicher Einheit herbeitrage.“
233.5 „Gewähre uns, o Meistgeliebter der Welt, einen Strahl Deiner Herrlichkeit! O Du Heißgeliebter der Menschheit, ergieße das Licht Deines Antlitzes auf uns!“
233.6 „O Du allmächtiger Gott, beschütze uns und sei unsere Zuflucht! Zeige Du, o Herr des Seins, Deine Macht und Deine Herrschaft!“
233.7 „O Du liebender Herr, die Aufwiegler regen und rühren sich mancherorts; Tag und Nacht tun sie schweres Unrecht.“
233.8 „Wie Wölfe lauern die Tyrannen,- der Unterdrückten arglose Herde hat weder Hilfe noch Beistand. Hetzhunde setzen den Gazellen auf den Auen göttlicher Einheit nach, und den Fasan in den Bergen himmlischer Führung verfolgen die Raben des Neides.“
233.9 „O Du göttliche Vorsehung, bewahre und beschütze uns! O Du unser Schild, errette und verteidige uns! Birg uns unter Deinem Obdach, behüte uns durch Deine Hilfe vor allem Übel. Du bist in der Tat der wahre Beschützer, der unsichtbare Hüter, der himmlische Erhalter, der liebende Herr des Himmels.“
233.10 O ihr Geliebten des Herrn! Einerseits ist des einen wahren Gottes Banner entfaltet, die Stimme des Gottesreiches erschallt. Gottes Sache breitet sich aus, die Wunder aus der Höhe sind in ihrer Herrlichkeit offenbar. Der Osten ist erleuchtet, der Westen voll Wohlgeruch, der Norden duftet nach Ambra, der Süden nach Moschus.
233.11 Andererseits steigern die Treulosen ihren Hass und Groll; ständig schüren sie Aufruhr und Unheil. Täglich hißt jemand das Banner der Auflehnung und prescht mit seinem Schlachtroß in die Arena der Zwietracht. Stündlich zeigt die niederträchtige Natter ihre Zähne und verspritzt ihr tödliches Gift.
233.12 Die Geliebten des Herrn sind ganz von Aufrichtigkeit und Ergebenheit umfangen; sie achten dieser bösen Tücke nicht. Schlüpfrig und hinterhältig sind diese Schlangen, die das Böse flüstern, geschickt in ihrer Kunst und Arglist. Seid auf der Hut und bleibt wachsam! Schlagfertig und scharf von Verstand sind die Getreuen, fest und standhaft sind die Überzeugten. Handelt wohlüberlegt!
233.13 „Fürchtet den Scharfblick des Getreuen, denn er sieht durch Gottes Licht.“
233.14 Hütet euch, dass keine Seele insgeheim Spaltung bewirkt oder Streit entfacht. Seid tapfere Krieger in der uneinnehmbaren Feste, eine heldenhafte Schar in der mächtigen Burg. Handelt mit äußerster Sorgfalt und seid Tag und Nacht auf der Hut, damit der Tyrann keinen Schaden anrichten kann.
233.15 Studiert das Tablet des Heiligen Seefahrers,1 damit ihr die Wahrheit erkennt, und denkt darüber nach, wie die Gesegnete Schönheit künftige Ereignisse klar voraussagte. Lasst alle Erkennenden gewarnt sein. Wahrlich, das ist ein Segen für die Aufrichtigen!
1 vgl. TAHEZ I S.273ff
233.16 Wie der Staub auf der Heiligen Schwelle, mit ganzer Demut und Ergebenheit, weiht sich Abdu’l-Bahá Tag und Nacht der Verkündung Seiner Zeichen. Wann immer er Zeit findet, betet er inbrünstig, fleht heißen Herzens unter Tränen zu Ihm und spricht:
233.17 „O Du göttliche Vorsehung, wir sind erbärmlich, gewähre uns Deinen Beistand,- wir sind heimatlose Wanderer, gib uns Deinen Schutz,- auseinandergerissen sind wir, vereinige Du uns,- wir sind vom rechten Wege abgeirrt, führe uns zu Deiner Herde,- beraubt sind wir, gewähre uns einen Anteil,- wir dürsten, führe uns zum Urquell des Lebens; schwach sind wir, mache uns stark, damit wir uns erheben, Deiner Sache zu helfen und uns als lebendige Opfer auf dem Pfade der Führung darbringen.“
233.18 Die Treulosen aber mühen sich Tag und Nacht, offen und insgeheim, mit ganzer Kraft, die Grundmauern der Sache zu erschüttern, den Gesegneten Baum mit der Wurzel auszureißen, diesen Diener von seinem Dienst abzuhalten, geheimen Aufruhr und Streit anzuzetteln und Abdu’l-Bahá zu vernichten. Äußerlich erscheinen sie als Schafe, aber inwendig sind sie nichts als reißende Wölfe. Mit süßen Worten auf den Lippen sind sie im Herzen tödliches Gift.
233.19 O ihr Geliebten, beschützt die Sache Gottes! Lasst euch nicht von süßen Zungen betören, seht vielmehr auf den Beweggrund jeder Seele, sinnt nach über die Gedanken, die sie hegt. Gebt sofort acht und seid auf der Hut. Meidet sie, aber greift sie nicht an! Enthaltet euch der Kritik und der üblen Nachrede, überlasst sie der Hand Gottes. Die Herrlichkeit der Herrlichkeiten sei mit euch.
234
234.1 O du, die der süße Hauch des Herrn verzückt! Den Inhalt deines beredten Briefes habe ich zur Kenntnis genommen und erfahren, dass du Tränen vergießest und dein Herz vor Kummer brennt über Abdu’l-Bahás Gefangenschaft.
234.2 O du Magd Gottes! Dieses Gefängnis ist mir süßer und willkommener als ein Blumengarten, diese Gefangenschaft ist besser als die Freiheit, meiner Wege zu gehen, und dieses enge Gelass bietet mir mehr Raum als weite, offene Auen. Sei meinetwegen nicht bekümmert. Und sollte mein Herr bestimmen, dass ich mit dem Kelch des Martyriums gesegnet werde, so bedeutet das nur, dass ich bekomme, was ich am meisten ersehne.
234.3 Fürchtet euch nicht, wenn dieser Zweig von der stofflichen Welt getrennt wird und seine Blätter abwirft. Nein, seine Blätter sollen grünen, denn dieser Zweig wird wachsen, nachdem er von der Welt hienieden abgeschnitten ist. Die höchsten Gipfel der Herrlichkeit soll er erreichen und Früchte tragen, welche die Welt mit ihrem Wohlgeruch erfüllen.
235
235.1 „O Gott, mein Gott! Erleuchte die Stirn derer, die Dich wahrhaft lieben, und stehe ihnen bei mit dem siegesgewissen Heer Deiner Engel. Setze ihre Schritte sicher auf Deinen geraden Pfad und öffne ihnen aus Deiner urewigen Großmut die Tore Deines Segens; denn auf Deinem Pfad, zum Schutz Deines Glaubens, geben sie aus, was Du ihnen verliehen hast. In Dein Gedenken setzen sie ihr Vertrauen, aus Liebe zu Dir geben sie ihre Herzen hin, und im Gebet zu Deiner Schönheit, auf der Suche nach Deinem Wohlgefallen, halten sie nicht zu rück, was sie besitzen.“
235.2 „O mein Herr! Bestimme ihnen reichen Anteil, genaues Entgelt, sicheren Lohn!“
235.3 „Wahrlich, Du bist der Erhalter, der Helfer, der Großmütige, der Freigebige, der Ewig-Schenkende.“
236
236.1 „O Du mein Gott, der Du den Sucher auf den geraden Pfad führest, die verlorene, verblendete Seele aus den Wüsten der Verdammnis erlösest, dem Aufrichtigen große Gnaden gaben verleihest, dem Verängstigten Schutz an uneinnehmbarer Stätte gewährest und von Deinem höchsten Horizont denen antwortest, die Dich anrufen. Gepriesen seiest Du, o mein Herr! Du führst die Irregeleiteten aus den Todesfängen des Unglaubens, Du bringst jene, die sich Dir nähern, zu ihrer Reise Ziel. Die Standhaften unter Deinen Dienern lässest Du frohlocken, weil Du ihre tiefste Sehnsucht stillst, und öffnest in Deiner Schönheit Reich die Tore der Wiedervereinigung vor den Augen derer, die nach Dir verlangen. Du errettest sie aus den Feuern des Verlusts und Verderbens, so dass sie zu Dir eilen, in Deine Gegenwart gelangen, an Deinem einladenden Tor anlangen und Deine Gaben überreich empfangen.“
236.2 „O mein Gott, sie waren durstig, Du reichtest ihren ausgedörrten Lippen die Wasser der Wiedervereinigung. O Du Zärtlicher, Du Schenkender, Du stillst ihren Schmerz mit dem Balsam Deiner Gunst und Gnade, Du heilst ihre Gebrechen mit der allmächtigen Arznei Deines Mitleids. O Herr, mache ihre Schritte fest auf Deinem geraden Pfad, weite ihnen das Nadelöhr und lass sie in königlichen Gewändern allezeit in Herrlichkeit wandeln.“
236.3 „Wahrlich, Du bist der Freigebige, der Immergebende, der Kostbare, der Großmütigste. Es gibt keinen Gott außer Dir, dem Mächtigen, dem Gewaltigen, dem Erhabenen, dem Siegreichen.“
236.4 O meine Geliebten im Geiste! Preis sei Gott, ihr habt die Schleier beiseite geschoben, habt den mitfühlenden Geliebten erkannt und seid von dieser Wohnstätte ins Reich des Raumlosen geeilt. Ihr habt eure Zelte in Gottes Welt aufgeschlagen, ihr habt eure süße Stimme erhoben, Ihn, den Selbst-Bestehenden, zu verherrlichen, und Lieder angestimmt, die tief ins Herz dringen. Wohlgetan, tausendmal wohlgetan! Ihr habt das offenbarte Licht geschaut, und in eurem wiedergeborenen Sein habt ihr den Ruf erhoben: „Gesegnet sei der Herr, der beste der Schöpfer!“ Ihr wart zuerst wie Ungeborene im Mutterschoß, dann wart ihr Säuglinge und habt aus kostbarer Brust die Milch der Erkenntnis gesogen, später seid ihr zu voller Größe herangewachsen und habt das Heil erlangt. Nun ist die Zeit des Dienstes, der Dienstbarkeit für den Herrn. Befreit euch von jedem Gedanken an Zerstreuung, überbringt die Botschaft mit beredter Zunge, schmückt eure Zusammenkünfte mit dem Lobpreis des Geliebten, bis des Segens überwältigende Flut herabströmt, die Welt in frisches Grün und Blütenpracht zu kleiden. Dieser Segensstrom besteht in den Ratschlägen, Ermahnungen, Anweisungen und Geboten Gottes, des Allmächtigen.
236.5 O meine Geliebten! Die Welt ist eingehüllt in das dichte Dunkel offenen Aufruhrs, aufgewühlt von einem Wirbelsturm des Hasses. Darin lodern die Feuer der Feindseligkeit bis zu den Wolken des Himmels, ein Strom von Blut rollt über die Ebenen und die Berghänge hinab. Kein Mensch auf Erden kann Frieden finden. Deshalb müssen Gottes Freunde jene zärtliche Güte hervorbringen, die vom Himmel kommt, und der ganzen Menschheit geistige Liebe spenden. Jede Seele müssen sie nach den göttlichen Ratschlägen und Ermahnungen behandeln; allen müssen sie Freundlichkeit und guten Glauben entgegenbringen, allen müssen sie wohlgesonnen sein. Sie müssen sich für ihre Freunde aufopfern und ihren Feinden alles Gute wünschen. Sie müssen den Boshaften trösten und ihre Unterdrücker mit Güte behandeln. Für die Dürstenden müssen sie frisches Wasser sein, für die Kranken eine rasch wirkende Arznei, heilender Balsam für die Leidenden, ein Trost für jedes beladene Herz. Sie müssen ein Licht der Rechtleitung sein für die Irrenden, verlässliche Führer für den Verlorenen. Den Blinden müssen sie Auge, den Tauben Ohr, den Toten ewiges Leben, den Verzweifelten immerwährende Freude sein.
236.6 Aus freien Stücken müssen sie sich jedem gerechten König unterwerfen und jedem großmütigen Herrscher gute Bürger sein. Sie müssen der Regierung gehorchen und dürfen sich nicht in politische Angelegenheiten einmischen, vielmehr müssen sie sich der Besserung des Charakters und des Verhaltens widmen und ihre Augen auf das Licht der Welt richten.
237
237.1 Wer immer dieses Gebet demütig und inbrünstig spricht, wird das Herz dieses Dieners mit Freude und Glück erfüllen: Es wird sein, als begegne er Ihm von Angesicht zu Angesicht.1
1 Munájátu’l-Liqá (Tablet der Begegnung). Dieses Gebet wird an Abdu’l-Bahás Schrein gelesen; es wird auch als privates Gebet gebraucht.
237.2 „Er ist der Allherrliche!“
237.3 „O Gott, mein Gott! Demütig und unter Tränen erhebe ich meine flehenden Hände zu Dir und bedecke mein Angesicht im Staub Deiner Schwelle, die erhaben ist über das Wissen der Gelehrten und das Lob aller, die Dich verherrlichen. Schaue gnädiglich mit dem Auge Deines Erbarmens auf Deinen Diener, der bescheiden und demütig an Deiner Pforte steht, und tauche ihn ein in das Meer Deiner ewigen Gnade.“
237.4 „Herr! Er ist Dein armer, demütiger Diener, der, von Dir bezaubert, Dich anfleht, der, gefangen in Deiner Hand, inbrünstig zu Dir betet, der, Dir vertrauend, mit Tränen vor Deinem Angesicht zu Dir ruft und flehend zu Dir spricht:“
237.5 „O Herr, mein Gott! Schenke mir Deine Gnade, Deinen Geliebten zu dienen, stärke mich in meiner Dienstbarkeit vor Dir, erleuchte meine Stirn mit dem Licht der Anbetung an Deinem Hof der Heiligkeit und des Gebets zu Deinem Reich der Größe. Hilf mir, selbstlos zu sein am himmlischen Zugang zu Deinem Tor, und stehe mir bei, in Deinen heiligen Gefilden von allem losgelöst zu sein. Herr! Gib mir zu trinken aus dem Kelch der Selbstlosigkeit, hülle mich in ihr Gewand, tauche mich ein in ihr Meer. Mache mich zu Staub auf dem Pfade Deiner Geliebten und gib, dass ich meine Seele opfere für die Erde, die durch die Spur Deiner Erwählten auf Deinem Pfad geadelt ist, o Du Herr der Herrlichkeit in der höchsten Höhe.“
237.6 „Mit diesem Gebet ruft Dein Diener zu Dir im Morgengrauen und zur Nachtzeit. Erfülle seines Herzens Wunsch, o Herr! Erleuchte sein Herz, erheitere seine Brust, entzünde sein Licht, dass er Deiner Sache und Deinen Dienern diene.“
237.7 „Du bist der Schenkende, der Mitleidige, der Allgütige, der Gnadenreiche, der Barmherzige, der Erbarmer.“