Die amerikanischen Bahá’í i‘ in der Zeit der
WELTGEFAHR
– Eine Botschaft des Hüters zum Weltkreuzzug – 28. Juli 1954
Liebe und geschätzte Mitarbeiter, die amerikanische Bahá’í-Gemeinde befindet sich in diesem Jahr – dem Eröffnungsjahr des zweiten Abschnittes des Geistigen Weltkreuzzuges, an dem sie tätigen An- teil hat – an der Schwelle des siebten Jahrzehntes ihres Bestehens. Beim Eintritt in das zweite Jahr- zehnt des zweiten Bahá’í-Jahrhunderts schaut sie auf sechzig Jahre zurück, die mit Ereignissen ange- füllt sind und das Zeichen von Heldentaten tragen, die so aufwühlend und folgenschwer waren, dass sie in den Annalen keiner anderen nationalen Bahá’í-Gemeinde übertroffen werden, mit der einzigen Ausnahme ihrer verehrungswürdigen Brudergemeinde in Bahá’u’lláhs Geburtsland.
Hauptvollstrecker des Göttlichen Planes
Als die ersten, die auf den Ruf des Neuen Tages in der westlichen Welt hörten, für viele Jahre der einzige Vorkämpfer für das aufs neue verkündigte Bündnis Bahá’u’lláhs, gemeinsam mit der in nächster Nachbarschaft wohnenden kleinen Gruppe kanadischer Gläubiger, an erster Stelle stehend mit ihrem entscheidenden Beitrag zur Schaffung des Rahmens, zum Aufbau des Gefüges, zur Aus- weitung der Grenzen und zur Festigung der Einrichtungen der neugeborenen Weltordnung, des Kin- des des erwähnten Bündnisses und Vorläufers einer noch im Schoße der Zukunft ruhenden Weltzivi- lisation, von der Feder des Mittelpunktes des Bündnisses für eine einzigartige und unvergängliche Gabe ausersehen nämlich zum ersten Beschützer und Hauptvollstrecker von ‚Abdu’1-Bahäs Göttli- chem Plan – zweifach geehrt während Seines ausgedehnten Besuches an den Ufern ihres Heimatlan- des durch die Auszeichnung, die Er den beiden führenden Zentren der Gemeinde zuteil werden ließ, dem einen als Stätte der Grundsteinlegung zum heiligsten Hause der Anbetung in der Bahá’í-Welt und dem anderen als Schauplatz der Verkündigung des Bündnisses Seines Vaters, als siegreicher Verfechter von zwei aufeinander folgenden historischen Plänen, die von ihren gewählten Vertretern zur Verbreitung des Glaubens kühn entworfen waren, hat sie (die amerikanische Gemeinde) in ih- rem Geburtslande, im Dominion Kanada, in Mittel- und Südamerika gewirkt und ist für die Errich- tung ihres eigenen Andachtshauses, des Muttertempels des Westens, eingetreten. Hervorragend in ihrer Rolle als Verfechter des Glaubens, als Stütze der unterdrückten und lange Zeit verfolgten Bru- dergemeinden auf dem asiatischen und afrikanischen Kontinent und als Verfasser der nationalen Bahá’í-Satzung, die die Ausführungsbestimmungen zur Regelung der inneren Angelegenheiten der Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde enthält, unvergleichlich in der ganzen Bahá’í-Welt als treibende Kraft, die dazu führte, dass ein wesentlicher Teil der mehr als zweihundert selbständigen Staaten und wichtigsten Kolonien des Erdballs dem Glauben Bahá’u’lláhs erschlossen wurde, selbst ihrer über hundert Jahre alten Brudergemeinde in der Wiege des Glaubens an Anzahl und Verschiedenheit der abgelegenen Zentren, Gruppen und Geistigen Räte überlegen, hat sie sich über das ganze Gebiet der Staaten von einer Küste zur anderen und von Alaska bis Mexiko festzusetzen vermocht. Beach- tenswert in der kurzfristigen Beschaffung und klugen Verwendung von Geldmitteln, die oft eine Selbstverleugnung voraussetzten, die an die Aufopferung der Vorboten des Apostolischen Zeitalters des Glaubens erinnert, das einzige Ziel vor Augen, den Glauben systematisch zu verbreiten, hat sie sich gelobt, Diener der Sache zu sein, ihr Ansehen zu fördern, ihre Verwaltungseinrichtungen zu vermehren und zu verbessern, ihre Literatur zu bereichern, ihre Gebäude zu errichten, ihre vielfa- chen Vorhaben in Angriff zu nehmen, den Bedürftigen unter den Mitgliedern ihrer Brudergemein- den zu Hilfe zu kommen und die Gefahren abzuwehren, denen sie von Zeit zu Zeit durch die Bös- willigkeit ihrer Feinde ausgesetzt war – mit dem Ruhm eines solchen Zeugnisses erhabener Dienst- bereitschaft kann es sich die amerikanische Bahá’í-Gemeinde wohl erlauben, voll Gleichmut und Vertrauen in die nächste Zukunft zu blicken, die ernste Mahnungen, vielfältige Probleme, Gefahren, Prüfungen und Anfechtungen enthält.
Denn darüber kann kein Zweifel bestehen, dass die gesamte Gemeinde einen äußerst kritischen Au- genblick in ihrer Geschichte erreicht hat, angesichts der Begrenzung ihrer zahlenmäßigen Stärke und der Beschränkung ihrer mageren Hilfsquellen im Vergleich mit der Weite des Gebietes, das sich vor ihr erstreckt, und mit den ungeheuren Anstrengungen, die von ihr verlangt werden, sowie mit der Verwicklung der Probleme, die sie zu lösen hat.
Amerika macht eine Krise durch
Das Land, dem diese Gemeinde angehört, macht außerdem eine Krise durch, die in geistiger, mora- lischer, sozialer und politischer Hinsicht äußerst ernst ist – von einer Ernsthaftigkeit, die von ober- flächlichen Betrachtern leicht unterschätzt wird – und das ist gefährlich.
Der ständige und besorgniserregende Zerfall der moralischen Anschauungen ist durch das erschre- ckende Anwachsen von Verbrechen gekennzeichnet, durch die politische Korruption in immer grö- ßerem Ausmaße und in immer höheren Kreisen, durch die Auflösung der heiligen Bande der Ehe, durch das maßlose Verlangen nach Vergnügen und Zerstreuungen und durch das deutlich fortschrei- tende Nachlassen der elterlichen Kontrolle. Dies ist zweifellos die Erscheinung des eintretenden Zerfalls, die überaus beunruhigt und alarmiert, und sie ist im Schicksal der gesamten Nation klar ersichtlich.
Parallel damit läuft der krasse Materialismus, der in alle Lebensbereiche eingedrungen ist und ein Übel darstellt, das die Nation und mit ihr alle diejenigen, die zum kapitalistischen System gehören, wenn auch in geringerem Maße, mit dem Staat und seinen Satelliten teilen, welche als verschworene Feinde dieses Systems angesehen werden. Dieser Materialismus legt dem weltlichen Wohlergehen übermäßigen und ständig wachsenden Wert bei und vergisst darüber die geistigen Dinge vollständig, auf denen allein eine sichere und stabile menschliche Gesellschaft aufgebaut werden kann. Derselbe krebsartige Materialismus, der ursprünglich in Europa geboren, dann auf dem amerikanischen Kon- tinent bis zum Übermaß weitergetrieben wurde, der die asiatischen Völker vergiftet und seine un- heilverkündenden Fühler nach den Grenzen Afrikas ausgestreckt hat, ist von Bahá’u’lláh in Seinen Schriften mit eindeutigen und leidenschaftlichen Worten angeprangert worden. Er verglich ihn mit einer alles verzehrenden Flamme und sah in ihm die Hauptursache der Beschleunigung der schreck- lichen Prüfungen und welterschütternden Krisen, die notwendigerweise die Vernichtung von Städ- ten, die Ausbreitung von Terror und Bestürzung in den Herzender Menschen nach sich ziehen müs- sen. Einen Vorgeschmack der Zerstörungen, die dieses verzehrende Flammenmeer über die Welt bringen wird, die Städte der Nationen dem Boden gleichmachend, die an diesem tragischen, alles verschlingenden Kampf beteiligt sind – den hat uns in der Tat schon der letzte Weltkrieg gegeben. Er drückte dem zweiten Abschnitt der weltweiten Verwüstungen seinen Stempel auf – Verwüstungen, die die Menschheit leider unausweichlich erleben musste, weil sie ihres Gottes vergaß und die klaren Warnungen, die von Seinen auserwählten Gesandten für diese Tage gegeben wurden, außer Acht ließ. Es ist derselbe alles durchdringende, verderbliche Materialismus, gegen den der Mittelpunkt des Bündnisses Bahá’u’lláhs Seine Stimme in leidenschaftlicher Eindringlichkeit vom Rednerpult und vom Podium aus erhob bei Seinen Ansprachen an die gedankenlose Menge, die sich am Morgen nach Seinem Besuche in Europa und Amerika plötzlich in einen Wirbelsturm hineingerissen fand, der in seinen Ausmaßen und in seiner Stärke etwas in der Weltgeschichte nie Dagewesenes darstell- te.
Zugleich mit diesem unheilbringenden Niedergang der Moral und dem ständig wachsenden Ge- wicht, das dem materiellen Erfolg und Wohlergehen der Menschheit beigelegt wird, bedeckt sich der politische Horizont immer mehr mit Wolken., wie die ständig wachsende Kluft beweist, die die Vorkämpfer der zwei sich entgegengesetzten Gedankenschulen trennt, die, so abweichend ihre Ideo- logien auch sind, alle beide von den Bannerträgern des Glaubens Bahá’u’lláhs verurteilt werden müs- sen wegen ihrer materialistischen Philosophie und wegen der Vernachlässigung der geistigen Werte und unvergänglichen Wahrheiten, auf denen allein letzten Endes eine beständig gedeihende Zivilisa- tion aufgebaut werden kann. Die Vermehrung, die Vielfalt und die wachsende Zerstörungskraft der Waffen, zu denen beide Seiten in diesem allgemeinen Wettstreit, in einen Strudel von Angst, Arg- wohn und Hass verfangen, immer schneller beitragen, der Ausbruch von zwei aufeinander folgenden blutigen Konflikten, die das amerikanische Volk noch tiefer in die Angelegenheiten einer verstörten Welt hineinzogen und einen beträchtlichen Verlust an Gut und Blut verursachten, den Staatshaushalt anschwellen ließen und die Entwertung des Geldes nach sich zogen, die Verwirrung, die Unent- schlossenheit und das Misstrauen, die sich in die Haltung der europäischen und asiatischen Völker Amerika gegenüber eingeschlichen haben, der überwältigende Kräftezuwachs, der dem Erzfeinde des Systems zufließt, das von der amerikanischen Union infolge der Neugruppierung der Mächte auf dem asiatischen Kontinent und besonders im Fernen Osten verteidigt wird – all dies hat in den letz- ten Jahren einen großen Teil zur Verschlechterung der Lage beigetragen, die, wenn sie sich nicht grundlegend bessert, dazu führen wird, die amerikanische Nation in eine Katastrophe von noch nie geahnten Ausmaßen und unvorhergesehenen Folgen für die soziale Struktur, den Lebensstandard und die Weltanschauung des amerikanischen Volkes und seiner Regierung zu verwickeln.
Nicht weniger ernst zu nehmen ist der Druck und die Anspannung, die sich auf die Struktur der ame- rikanischen Gesellschaft auswirken, hervorgerufen durch die grundsätzliche und ständige Vernach- lässigung – seitens der Regierenden und der Regierten gleichermaßen – der unausweichlichen und dringenden Aufgabe, die durch ‚Abdu’l-Bahá des Öfteren anschaulich durch die Aufdeckung der Hauptschwächen der sozialen Struktur des Landes dargestellt und betont wurde: nämlich, mit Hilfe einer umwälzenden Änderung der Anschauungen und Haltung des weißen Durchschnittsamerikaners gegenüber seinen schwarzen Mitbürgern eine Situation, so lange es noch Zeit ist, zu bessern, die, wenn man sie weitertreiben lässt, nach den Worten von ‚Abdu’1-Bahä die Ursache dafür sein wird, dass in den Straßen der amerikanischen Städte Blut fließen wird. Dadurch wird sich die Verwüstung noch steigern, die durch furchtbare, von oben abgeworfene Vernichtungswaffen, angehäuft von ei- nem erbarmungslosen, wachsamen, mächtigen und hartnäckigen Feinde, über diese Städte gebracht wird.
Die amerikanische Nation, von der die Gemeinde des Größten Namens bis jetzt nur einen unwesent- lichen und unendlich kleinen Teil bildet, schwebt in der Tat, von welcher Seite aus man ihre nächste Zukunft auch betrachten mag, in ernster Gefahr. Den drohenden Leiden und Trübsalen kann sie teilweise entgehen, aber sie sind größtenteils unvermeidlich und von Gott gesandt, denn durch ihren Einfluss wird eine Regierung und ein Land, die sich zäh an eine zum Aussterben verurteilte Doktrin der absoluten Souveränität klammern und ein politisches System aufrechterhalten., das offensicht- lich im Widerspruch zu den Bedürfnissen einer Welt steht, die schon nachbarlich zusammengerückt ist und nach Einigkeit schreit, von ihrer unzeitgemäßen Weltanschauung geläutert werden, um bereit zu sein, eine von ‘Abdu’l-Bahá vorausgesagte hervorragende Rolle zu spielen bei der Aufpflanzung des Banners des Geringeren Friedens, bei der Vereinigung der Menschheit und bei der Schaffung einer Weltbundesregierung auf diesem Planeten. Diese schlimmen Notzeiten werden nicht nur das amerikanische Volk mit seinen Brudervölkern in beiden Hemisphären fest verschmelzen, sie werden es auch durch ihre reinigende Wirkung gründlich von den angesammelten Schlacken befreien, die aus tief verwurzelten rassischen Vorurteilen, überhand nehmendem Materialismus, weit verbreiteter Gottlosigkeit und moralischer Laxheit zusammengesetzt sind und eine Haltung hervorriefen, die bisher das amerikanische Volk daran gehindert hat, seine ihm von ‚Abdu’l-Bahás unfehlbarer Feder vorbestimmte Rolle der geistigen Weltführerschaft zu spielen, eine Rolle, die es durch Arbeit und Mühen zu erfüllen bestimmt ist.
Die amerikanischen Bahá’í stehen am Kreuzwege
Die amerikanische Bahá’í-Gemeinde, dazu ausersehen, als Sauerteig die Gesamtheit geheimnisvoll und mächtig zu durchdringen, kann an dieser kritischen Wegscheide im Schicksal einer ringenden, gefahrbedrohten und geistig sterbenskranken Nation nicht hoffen, den Prüfungen, denen sich die Nation gegenübergestellt sieht, zu entgehen, noch kann sie andererseits den Anspruch erheben, von den Übeln, die ihren Charakter beflecken, völlig unberührt zu sein.
In einer so kritischen Zeitspanne und zu einer so gebieterischen Stunde sind die Mitglieder der Ba- há’í-Gemeinde, die von ‚Abdu’1-Bahä mit einer Vorrangstellung bekleidet wurden, die durch Ver- nachlässigung und Teilnahmslosigkeit ihre Lebensstärke und Antriebskraft einbüßen kann, mit einer Aufgabe betraut und einer Verantwortung gegenübergestellt, die ihnen ein geistiger Weltkreuzzug – das dritte und größte gemeinsame Unternehmen, das in der amerikanischen Bahá’í Geschichte in Angriff genommen wird – vor den Augen ihrer bewundernden und erwartungsvollen Brudergemein- den in der ganzen Welt auferlegt hat. Sie stehen nun am Kreuzwege und können nicht einen Augen- blick ausruhen und zögern, welchen Weg sie einschlagen wollen, oder sich ein Absinken von der erreichten hohen Stufe erlauben, auf der sie sich sechs Jahrzehnte lang unbeirrbar gehalten haben. Nein, wenn diese Vorrangstellung gefestigt und weiter ausgebaut werden soll, ist nicht nur von Sei- ten einiger weniger Auserkorener die Hingabe an jeden einzelnen Punkt des Zehnjahresplanes, dem sie sich jetzt verpflichtet haben, unerlässlich; auch das Spenden von Kapital ist das Gebot der Stunde und darf keinen Aufschub mehr erleiden, ein Spenden, an dem sich nicht nur diejenigen mit be- scheidenen Mitteln, sondern gerade die Reichsten und Wohlhabendsten in einem Maße beteiligen sollten, das ein wirkliches Opfer bedeutet, zu dem Zwecke, die Erreichung der Ziele und Absichten des Planes in seinem jetzigen Entwicklungsstadium zu gewährleisten.
Die gewaltigen und lobenswerten Anstrengungen, die von einer beträchtlichen Anzahl von Pionieren im Verlauf der Eröffnungsphase des weltumspannenden Kreuzzuges in den unerschlossenen Gebie- ten der Erde gemacht wurden, müssen, wenn diese Vorrangstellung unvermindert gewahrt bleiben soll, gesteigert, verdoppelt, nein verdreifacht werden und sollen sich nicht nur auf fremde Gebiete erstrecken, wo die, Erfolge, die während der letzten zwölf Monate so mühselig erarbeitet wurden, sorgfältig zu halten sind. Diese Anstrengungen müssen sich auch auf die amerikanische Union in ihrer ganzen Länge und Breite erstrecken und besonders auf die Zielstädte, wo bislang die Arbeit zum Stillstand kam und die in dem jetzt begonnenen Jahr der Schauplatz der ausgezeichnetsten Ta- ten werden sollen, welche die Heimatfront je gesehen hat. Eine wahre Auswanderung aus den gro- ßen Städten an der atlantischen wie auch der pazifischen Küste und jm Herzen des Landes, in denen sich eine beträchtliche Anzahl von Gläubigen am Laufe der Jahre zusammengefunden hat und wo infolge des Tempos und der Ablenkungen des städtischen. Lebens der Fortschritt des Glaubens auf- gehalten wurde, muss den Beginn dieser ganz besonders angespannten und gebieterischen Phase des Kreuzzuges an der Heimatfront ankündigen. Die Führung muss mit Bestimmtheit und Nachdruck von den zwei im Brennpunkt der Bahá’í-Arbeit liegenden Zentren übernommen werden, die zu den ältesten Städten in der amerikanischen Union gehören und die ehrenvollste Stellung unter ihnen ein- nehmen, die eine als die Mutterstadt des nordamerikanischen Kontinentes und die andere, weil sie von ‚Abdu’l-Bahá die „Stadt des Bündnisses“ genannt wurde. In der Tat ist die Forderung der Stun- de so ernst und die politische Lage des Landes so kritisch, dass, wenn fünfzehn erwachsene Bahá’í in jeder dieser Städte, über denen ungeahnte Gefahren schweben, belassen werden, dies als völlig aus- reichend für den Fortbestand ihrer örtlichen Geistigen Räte gehalten werden kann..
Aufgaben des Weltkreuzzuges
Während dieser lebenswichtige Prozess der Vermehrung der abgelegenen Bahá’í-Zentren, Gruppen und Geistigen Räte durch das rasche und beispiellose Umsiedeln der Gläubigen beschleunigt wird und als Ergebnis der Inangriffnahme tatkräftiger Lehrarbeit seitens einzelner Bahá’í und seitens der administrativen Einrichtungen vorwärtsgetrieben wird, muss der Eintragung der völlig flügge ge- wordenen Geistigen Räte – ein Vorgang, der in den letzten Jahren sehr vernachlässigt wurde – von den gewählten nationalen Vertretern sofortige Aufmerksamkeit geschenkt werden, um damit die Grundlagen der örtlichen Bahá’í-Gemeinden zu stärken und den Weg zu ebnen für die Errichtung von örtlichen Bahá’í-Stiftungen in nicht zu ferner Zukunft.
Die Eröffnung des ersten Nebengebäudes des Mashriqu’l-Adhkár, des ersten Gliedes, das geschmie- det werden soll mit der Bestimmung, die Gemeinde des Größten Namens mit der allgemeinen Öf- fentlichkeit enger zu verbinden, einer Öffentlichkeit, die voll Erwartung ist, Zeuge zu sein der ersten Beweise des direkten Bahá’í-Dienstes für die Menschheit als Ergänzung des Bahá’í-Gottesdienstes, ist eine weitere Aufgabe, die gewissenhaft begonnen und im Laufe des zweiten Abschnittes dieses Zehnjahresplanes erfüllt werden muss. Der Abschluss dieses Projektes soll, mit der Beendigung der Arbeiten an den Gartenanlagen, die den Tempel umgeben, zusammenfallen, womit ein doppeltes Ziel erreicht wird, das einen weiteren Schritt in der Verwirklichung der von ‚Abdu’1-Bahä gehegten und oft zum Ausdruck gebrachten Hoffnungen für dieses heiligste Haus der Anbetung in der Ba- há’í-Welt kennzeichnet.
Noch eine Aufgabe von äußerster Dringlichkeit und großer geistiger Bedeutung ist die Auswahl und der Ankauf des Geländes für den Mashriqu’l-Adhkár in Schweden sowie auch die Bereitstellung von ausreichenden Geldmitteln im Laufe der nächsten zwei Jahre, mit welchen nationale Haziratu’l- Quds, wenn auch in noch so bescheidener Form, in Anchorage, Alaska, in Panama Stadt und in der Hauptstadt von Peru, ferner in Suva, in Tokio und in Johannesburg errichtet werden und dem italie- nischschweizerischen Nationalen Geistigen Rat, der stolzen Tochter der amerikanischen Bahá’í- Gemeinde, finanzielle Unterstützung zur Erstellung ähnlicher Bahá’í-Zentren in den Hauptstädten Italiens und der Schweiz gewährt werden können.
Nicht weniger bedeutungsvoll, obwohl geringere Kosten damit verbunden sind, ist die Gründung von dem Glauben gewidmeten Stiftungen in den oben erwähnten Städten in der Erwartung, daß un- abhängige Nationale Geistige Räte in jeder dieser Städte zu einem späteren Zeitpunkt in der Ausfüh- rung dieses erstaunlichen Planes gebildet werden.
Die Übersetzung und Veröffentlichung von Bahá’í-Literatur in den europäischen und amerika- nisch-indianischen Sprachen, die dem amerikanischen Rat und seinem Europäischen Lehrausschuss im Rahmen des Zehnjahresplanes übertragen wurden, stellen einen weiteren Programmpunkt im zweiten Abschnitt dieses Weltkreuzzuges dar, eine Aufgabe, die entschlossen angegriffen und schnellstens zum Abschluss gebracht werden muss, um eine verstärkte Lehrarbeit zu erleichtern, die dann später mit der Absicht geleistet werden soll, eine beträchtliche Anzahl der völkischen Minder- heiten in Europa und Amerika zum Glauben Bahá’u’lláhs zu bekehren.
Mit den überaus wichtigen Lehrvorhaben in Frankreich und Finnland, dazu bestimmt, die Grundlage der noch in den Kinderschuhen steckenden administrativen Ordnung in beiden Ländern zu erweitern und die Ausläufer des Glaubens bis in die größeren Städte und Metropolen vorzutragen, wurde eine Verantwortung übernommen, der als unerlässliche Vorstufe zur Schaffung eines unabhängigen Na- tionalen Rates in jedem dieser Länder unverzüglich entsprochen werden sollte.
Schließlich ist der Aufbau eines Bahá’í-Veröffentlichungsunternehmens, im wesentlichen ähnlich der Einrichtung, wie sie bereits auf den britischen Inseln besteht, welches den anderen Nationalen Räten im Osten und im Westen als Beispiel dienen soll, eine Angelegenheit, der im Verlauf des zweiten Abschnittes des Planes unverzüglich ernste Aufmerksamkeit geschenkt werden muss und die ausgiebige und rasche Besprechungen mit den gewählten nationalen Vertretern der britischen Bahá’í-Gemeinde bedingt.
Des weiteren muss ein systematischer Feldzug mit der Bestimmung, den Glauben durch Presse und Radio den breiten Massen zu verkünden, gestartet und mit Wachsamkeit, Ausdauer und Kraft in Gang gehalten werden.
Die amerikanische Bahá’í-Gemeinde – die meisterlichen Erbauer einer Ordnung, welche die Nach- welt als Vorläufer einer Zivilisation preisen wird, die als die schönste Frucht der von Bahá’u’lláh verkündeten Offenbarung anzusehen ist, die bedeutendsten Treuhänder eines Planes, den zukünftige Geschlechter als eines der beiden größten vom Mittelpunkt des Bündnisses hinterlassenen Ver- mächtnisse begeistert aufnehmen werden, die Streiter in der Vorhut eines Kreuzzuges, den die Ge- schichte als bemerkenswertestes in der modernen Zeit in Angriff genommenes geistiges Unterneh- men anerkennen wird, von denselben Ängsten und Gefahren heimgesucht, von denen sich die Nati- on, der sie angehören, in noch nie dagewesenem Ausmaße umgeben und beeinflusst sieht solch eine Gemeinde erfährt zu dieser Stunde die Wucht eines Appells, der in den sechzig Jahren ihres Beste- hens einzigartig ist.
Ein Ruf an jeden einzelnen Bahá’í
In ihrem meteoritenhaften Aufstieg hat sie ihr Geschick weit in die Höhe getragen; ihre heldenhaften Taten haben sich so mannigfach vermehrt; ihr Geist ist in Notzeiten gewachsen und hat sich hoch emporgeschwungen; sie haben bei vielen Anlässen den Beifall ihrer Brudergemeinden über beide Hemisphären hinweg in einem solchen Maße geerntet und deren Bewunderung erregt, dass sie nicht dulden können, dass in dieser kritischen Stunde ihres Schicksals diese einmalige Gelegenheit ihren Händen entgleitet und dieser unschätzbare Vorzug unwiederbringlich verwirkt wird.
Dieser so ernste, so eindringliche und doch so ruhmreiche Aufruf trifft zweifellos in erster Linie den einzelnen Gläubigen, auf dem letzten Endes das Schicksal der ganzen Gemeinde ruht. Er ist es, der Kette und Schuss darstellt, von denen Qualität und Aussehen des fertigen Gewebes abhängen. Er ist es, der als eines der zahllosen Glieder in der mächtigen Kette handelt, die nun den ganzen Erdball umspannt. Er ist es, der als einer in der Masse der Bausteine dient, welche das Gefüge des administ- rativen Gebäudes stützen und seine Dauerhaftigkeit sichern, wenn es jetzt über alle Teile der Welt ausgespannt wird. Ohne seine Mithilfe, die gleichzeitig von ganzem Herzen und in großzügigster Weise ununterbrochen geleistet werden soll, ist jede Maßnahme, die von der als nationale Vertre- tung durch seine eigene Gemeinde eingesetzten Körperschaft angenommen wurde, und jeder von ihr ausgearbeitete Plan zum Scheitern verurteilt. Sogar das Weltzentrum des Glaubens ist gelähmt in seinem Handeln, wenn diese Unterstützung aus den Reihen und Gliedern der Gemeinde ihm versagt bleibt. Der Verfasser des Göttlichen Planes Selbst ist in Seinen Absichten gehindert, wenn die rich- tigen Werkzeuge zur Ausführung Seiner Vorhaben fehlen. Auch wird die stärkende Kraft von Ba- há’u’lláh Selbst, dem Begründer des Glaubens, jedem Bahá’í entzogen, der auf die Dauer versagt, sich zu erheben und seinen Teil der Arbeit zu übernehmen.
Die administrativen Organe einer von Gott empfangenen Verwaltungsordnung, die nun schließlich errichtet und relativ vollendet ist, bedürfen dringend jedes einzelnen Gläubigen, der sich hervortun und sie in unbeirrbarer Entschlossenheit, mit ruhigem Vertrauen und beispielhafter Hingabe nutzbar machen soll. Das Herz des Hüters wird erfüllt mit größter Freude, und sein Geist erhält neuen Auf- schwung, wenn er Beweise sieht, die das Eingehen des einzelnen auf die ihm zugeteilte Aufgabe bezeugen. Die unsichtbaren Heerscharen, die Glied an Glied stehen und darauf warten, von dem Königreich dort oben den vollen Kelch ihrer himmlischen Kräfte über jeden Teilnehmer an diesem unvergleichlichen Kreuzzug auszugießen, sind machtlos, solange, bis jeder nur mögliche Kreuzfah- rer für sich selbst entscheidet und in seinem Entschluss beharrt, sich auf das Feld des Dienstes zu begeben, bereit, sein ganzes Selbst der Sache zu opfern, für die zu kämpfen er aufgerufen wurde.
Appell zur Hingabe
Es ist deshalb unerlässlich für jeden einzelnen amerikanischen Gläubigen und besonders für die wohlhabenden, unabhängigen und verwöhnten unter ihnen, die von der Jagd nach materiellen Gü- tern besessen sind, hervorzutreten und ihre Mittel, ihre Zeit und selbst ihr Leben einer Sache hinzu- geben, die von solcher Erhabenheit ist, dass kein menschliches Auge je ihren Glanz auch nur im entferntesten wahrnehmen kann. Lasst sie zu dem Entschlusse kommen, sofort und ohne Zögern ihren Anteil entsprechend ihren Verhältnissen auf dem Altar der Bahá’í-Opfergaben niederzulegen, damit nicht plötzlich unvorhergesehenes Unheil ihnen einen beträchtlichen Teil ihrer angehäuften irdischen Habe raube.
Wenn je, dann ist es jetzt Zeit, den Pfad zu betreten, auf dem die Vorboten des Neuen Tages in frü- heren Zeiten so herrlich vorangerückt sind. Nun ist die Stunde gekommen, im Geist und im Buch- staben den heißen, von ‚Abdu’l-Bahá so ergreifend ausgesprochenen Wunsch zu erfüllen: Er sehnte sich danach, wie es auf den Tafeln des Göttlichen Planes niedergelegt ist, „auszuziehen, und sei es zu Fuß und in größter Armut“, um über „Städte, Dörfer, Berge, Wüsten und Meere“ hin den Ruf erschallen zu lassen: ‚Yá Bahá’u’l-Abhá!‘ “
Dann und nur dann können die Mitglieder dieser Gemeinde das Erscheinen des Tages beschleuni- gen, an dem, wie es von Seiner Feder geschrieben steht, „göttliche Erleuchtung von ihrem Land zu allen Völkern der Erde hinausströmen wird“. Dann und nur dann werden sie sicher auf dem Throne eines ewigwährenden Reiches verweilen.
Dass die Mitglieder dieser Gemeinde, beider Geschlechter und jeden Alters,,, jeder Rasse und jeder Herkunft, wie begrenzt ihre Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse auch sein mögen, sich wie ein Mann erheben und die von Gott verliehene Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen mögen, die ihnen nur durch die Verkündigung einer allliebenden, ewig wachsamen und erhaltenden Vorsehung geboten wird, und dadurch einen gewaltigen Aufschwung den Triebkräften geben, die das Wirken in diesem neu begonnenen, unaussprechlich kraftgeladenen, weltumspannenden Kreuzzuge geheimnis- voll lenken, ist einer der heißesten Wünsche, die ein liebendes, sehnsuchtsvolles Herz an diesem Wendepunkt des Schicksals des Glaubens Bahá’u’lláhs auf dem amerikanischen Kontinent für sie hegen kann.
Ihr treuer Bruder,
Shoghi
28. Juli 1954 Die amerikanischen Bahá’í in der Zeit der Weltgefahr – eine Botschaft des Hüters zum Weltkreuzzug vom 28. Juli 1954 D:\aa-sich\Winword2\bastu\11-SEP~1\An die Amerikaner.rtf Seite 1 von 7